1. Petrus-5a: Die Ältesten sollen Vorbilder der Herde sein

Leiden, die sich lohnen

5. Kleidet euch mit Demut

 

 

 Verse 1-4: Die Ältesten sollen Vorbilder der Herde sein.

In den 14 Versen von Kapitel 5 finden wir einige positive und negative Befehlsformen:

1.  Weidet die Herde Gottes wie ein Hirt seine Schafe (5,2).

2.  Sorgt für die euch anvertraute Gemeinde Gottes (5,2).

- Nicht unter Zwang oder aus lästiger Pflicht, sondern freiwillig (5,2).
- Nicht, um euch zu bereichern, sondern dient in selbstloser Hingabe (5,2).
- Nicht als Diktatoren oder Herren, sondern als Vorbilder (5,3).

3.  Ihr Jüngeren, ordnet euch den Ältesten unter (5,5).

4.  Kleidet euch in Bescheidenheit oder Demut (NGÜ, 5,5).

5.  Beugt euch unter die Hand Gottes (5,6).

6.  Werft eure Sorgen auf Christus (5,7).

7.  Seid nüchtern oder besonnen (5,8).

8.  Seid wachsam (5,8).

9.  Widersteht dem Teufel (5,9).

10.  Grüsst einander mit dem Kuss der Liebe (5,14).

Petrus kommt hier also zur Sache und richtet seine eindringlichen Worte zunächst an die Ältesten der Gemeinde. Älteste gab es schon früh in der jüdischen Geschichte. Wir erinnern uns, dass schon Mose von Gott beauftragt wurde, die Ältesten Israels zu versammeln, um ihnen den Exodus vorzulegen (Ex 3,16). Noch früher in der Geschichte entnehmen wir, dass Josef mit den Ältesten aus dem Haus des Pharao und des Landes Ägypten seinen geliebten Vater begrub (Gen 50,7). Auch fremdländische Völker setzten also Älteste ein. Sie waren für die Verwaltung der öffentlichen Angelegenheiten verantwortlich; wie in der heutigen Zeit die Gemeinderäte oder Ratsherren in den Städten.

Im AT bildete die israelitische Nation eine Gemeinschaft, die von Mose und den Ältesten geführt wurden (Ex 3,16; 12,21; 19,7; 24,1). Das Wort „Ältester” bezog sich auf das Alter, die Erfahrung, die Vollmacht und die Fähigkeit zu leiten. Nach Exodus 18,21 musste ein Ältester tüchtig, gottesfürchtig und zuverlässig sein. Zudem musste er (= männlich) den unlauteren Gewinn hassen, d. h. unbestechlich sein. Älteste waren nebst den Stammeshäuptern und Priestern die erfahrenen Leiter des Volkes Gottes, die das Gesetz vertraten (Dtn 27,1). Aus ihnen wählte Mose 70 Richter oder Aufseher, die dem Volk in verschiedenen Angelegenheiten Recht sprachen (Ex 18; Num 11,16; Dtn 25,7). Später, d. h. nach der Wüstenwanderung, wohnten in allen Städten und Dörfern Älteste, die als Stammesbeauftrage oder Stellvertreter die israelitische Nation regierten (Rut 4,1-2; 1Kön 21,8). Während und nach der Zeit des Exils zählten Älteste zur Oberschicht des Volkes, aus der eine Ratsversammlung von 71 Mitgliedern hervorging, die schliesslich den Sanhedrin bildeten. Älteste spielten also eine bedeutende Rolle in Israel. Sie waren die Ratgeber des Königs (1Kön 20,8; 21,11). Sie waren Amtsgenossen der Oberen (Esr 10,8).

Im NT lesen wir, dass sich der Hohe Rat und der oberste jüdische Gerichtshof aus Ältesten zusammensetzte, die oft mit den Hohenpriestern, den Oberen, den Schriftgelehrten und Pharisäern genannt werden (Mt 16,21; 21,15.23.45; 23,2; 26,3.57; 27,1-3.20.62; Apg 4,5-6). Aus der Offenbarung entnehmen wir, dass Johannes in seinen Visionen von 24 Ältesten sprach, die sich um den Thron Gottes versammelten (Offb 4,4; 5,8). Die besonders wichtige Bedeutung der Ältesten kommt in Offenbarung 4 am besten zum Ausdruck.

Wie in der israelitischen Gemeinde im AT, so spielen Älteste auch in der neutestamentlichen Gemeinde eine bedeutende Rolle. Wenn also in der griechisch-römischen Welt das Evangelium in einer Stadt verkündigt wurde und Menschen zum Glauben an Jesus Christus kamen, dann bildeten die Gläubigen zusammen eine örtliche Gemeinde. Eine solche Gemeinde war vorerst unmündig, solange es noch keine Ältesten gab, die die Gemeinde leiteten. Deshalb ordnete Paulus dem Evangelisten Titus an, in allen Städten und Gemeinden Kretas Älteste einzusetzen (Tit 1,5). In den neugegründeten Gemeinden setzten auch Paulus und Barnabas Älteste oder Bischöfe (immer in der Mehrzahl ) ein, um die jeweilige örtliche Gemeinde zu weiden oder zu leiten (Apg 14,23). Reife christliche Männer wurden ausgewählt, um den Dienst eines Ältesten in einer örtlichen Gemeinde zu übernehmen (1Tim 3; Tit 1).

Im NT gibt es drei Bezeichnungen für Gemeindeleiter, die sich jedoch alle auf ein und dieselbe Person beziehen:

- Ältester (πρεσβύτερος); Tit 1,5; Apg 20,17.
- Bischof, Aufseher (ἐπίσκοπος); 1Tim 3,1; Apg 20,28.
- Hirt, Pastor (ποιμήν); 1Petr 5,2; Eph 4,11.

Es gibt zwei Hauptstellen in der Bibel, die detailliert von den Eigenschaften der Ältesten oder Bischöfen in einer örtlichen Gemeinde sprechen:

- Die Eigenschaften eines Bischofs (1Tim 3).

- Die Einsetzung von Ältesten (Tit 1).

Es wäre nun unklug, wenn alle Gläubigen, die nicht zum Ältestendienst in einer örtlichen Gemeinde berufen wurden hier einwenden, dass dieser Dienst mit all seinen Eigenschaften nichts mit ihnen zu tun hat. Der Dienst eines Hirten ruft alle Gläubigen auf; Männer und Frauen! Auch in Israel gab es viele Älteste, die nicht speziell eingesetzt wurden. Sie waren aber ältere Männer, die mit ihrer Lebenserfahrung, ihrer Weisheit und Hingabe im Herrn genauso gut dienen konnten in ihrer Umgebung. Auch ältere Frauen waren für die israelitische Gesellschaft, wie auch für die neutestamentliche Gemeinde ein grosser Segen, ohne für einen öffentlichen Dienst (Amt) eingesetzt worden zu sein (Ex 35,25-26; 1Sam 1,10-11; Röm 16,1-2).

Also bitte; keine falsche Scham oder Zurückhaltung!

Alle Gläubigen sind aufgerufen, den grossen Hirten Jesus nachzuahmen und ihn als Vorbilder Christi zu repräsentieren (Eph 4,1-3)! Das ist der einzige Punkt, indem das Bild vom Hirten und von den Schafen nicht aufgeht. Ein Tier kann niemals Mensch werden und somit zum Hirten mutieren. Der Mensch hingegen kann im Glauben Hirteneigenschaften annehmen, ohne je als Hirt, Bischof oder Ältester einer Gemeinde eingesetzt zu werden!

Welche christlichen Prinzipien gelten besonders allen Gläubigen im NT?

- Wer unter euch gross sein will, der sei euer Diener (Mk 10,42-45).

- Alle werden aufgerufen ihre von Gott empfangenen Talente einzusetzen und zu vermehren (Mt 25,21; Gal 5,13).

- Alle werden aufgerufen, die verirrten Schafe zu suchen und zum Hirten zurückzubringen (Lk 15,4-7; Jak 5,19-20).

- Alle sind verpflichtet, sogar ihr Leben für ihre geistlichen Geschwister hinzugeben (1Joh 3,16; 4,8-11).

- Jesus lehrt (Mt 25,40; 10,40): „Was ihr einem dieser meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.”

Offenbar war Petrus ein Mitältester und zugleich auch Apostel Jesu Christi (Apg 1,21-22). Er bezeichnet sich bewusst als „Mitältester”, weil er nicht zu den Gliedern spricht, als einer, der über ihnen steht, sondern neben ihnen. Er überhebt sich nicht über sie oder sondert sich ab, weil er Apostel Christi ist. Er stellt sich demütig auf dieselbe Stufe der Ältesten in der Gemeinde, d. h. auf die Stufe eines Dieners, im Sinn wie Jesus lehrte (Mk 10,43): „Wer unter euch gross sein will, sei euer Diener.”

Petrus war verheiratet und hatte gläubige Kinder (Lk 4,38; 1Tim 3,4). Er bezeichnet sich auch als „Zeuge der Leiden Christi” (V. 1). Zusammen mit den übrigen Apostel war er ein Zeuge Christi (μάρτυς; Apg 3,15; 10,39). Er beobachtete die Gefangennahme Jesu sogar aus nächster Nähe (Mt 26,58; Lk 22,61-62). Jesus wies ihn zurecht, als er sich bei seiner Gefangennahme mit dem Schwert zur Wehr setzte (Mt 26,17-54). Denn, das Schriftwort musste erfüllt werden (Sach 13,7b: ZB alt): „Ich schlage den Hirten, dass die Schafe sich zerstreuen.”

Petrus bereute es anschliessend schwer, dass er seinen Herrn dreimal verleugnete (Mt 26,75; Mk 14,72; Lk 22,62). Deshalb bezeugte er dem auferstandenen Herrn auch dreimal seine Liebe (Joh 21,15-17). Jesus übergab ihm die verantwortungsvolle Aufgabe eines Leiters, indem er sprach (Joh 21,17): „Weide meine Schafe!” Nur, wer selbst gelitten hat, vermag auch anderen zu helfen (Hebr 2,18) und glaubwürdig von Leiden zu sprechen. Zusammen mit den Aposteln empfing Petrus die Taufe des Heiligen Geistes (Lk 24,49; Apg 1,8; 2,4), die verheissene Geistesgabe (Apg 2,43; 4,33a; 5,12a).

Deshalb ermahnt (παρακαλέω) Petrus die eingesetzten Gemeindeältesten in besonderer Weise, der Herde Gottes zu dienen, wie Jesus der Oberhirt das tun würde (Mk 10,45). Denn Jesus hat ihnen seine Herde anvertraut, damit sie beschützt und geführt wird, „wie es Gott gefällt” (5,2). Daraus sehen wir, dass die Gemeinde dem Herrn gehört (Eph 1,23). Das Ziel ist, dass alle Gläubigen zur Herrlichkeit Gottes geführt werden, auch wenn es durch viele Leiden geht (1Petr 1,9). Hirten begleiten, führen und beschützen die Schafe, nicht etwa von hinten wie Cowboys die Rinder, sondern sie gehen als selbstlose Diener voran.

Petrus nennt Jesus „der Hirt der Hirten”, weil er sein Leben gab für die Schafe (Joh 10,11). Jesus begleitet die Schafe und ermutigte sie (Joh 16,33). Er führt die Schafe durch jedes dunkle Tal (Ps 23,4). Die Schwächeren trägt er an seiner Brust (Jes 40,11). Jesus ist sanft und demütig (Mt 11,28-30). In diesem Sinn werden die Gemeindeältesten ermahnt, die Gläubigen so zu führen wie Jesus, der wahre Hirt das tat (Joh 10). Nicht etwa, wie die Führer Israels im AT!

Jeremia nennt sie Betrüger, weil sie das Volk ausnützten und den Schaden des Volkes nur oberflächlich heilten (Jer 6,13-15). Sie verhielten sich wie ein Arzt, der einem krebskranken Patienten ein Aspirin im Tag verschreibt, statt ihn zu operieren. Jesus wusch seinen Jüngern die Füsse und gab ihnen ein Beispiel des Dienens (Joh 13,15). Wer selbstlos und aufopfernd dient, der kümmert sich mehr um das Wohl des anderen und nicht um sein eigenes Wohl (1Petr 2,11; Phil 2,4).

Wahre Liebe achtet auf die Bedürfnisse des Nächsten und denkt vom anderen höher, als von sich selbst (Phil 2,3). Es geht darum, dass alle Gläubigen das ewige Ziel erreichen und keiner hinter der Gnade Gottes zurückbleibt (Hebr 12,15).

Schlussfolgerungen: Führung in der Gemeinde Christi sieht ganz anders aus, als die Führung in der Welt (Mt 20,25). In der Welt arbeiten wir für das tägliche Brot und müssen uns als Angestellte einer Firma den eingesetzten Leitern unterordnen. Im Militär haben die Soldaten den Befehlen ihrer Führern zu gehorchen, ob sie wollen oder nicht. Aber in der Gemeinde des Herrn geht alles auf Freiwilligkeit hinaus, selbst wenn es Älteste gibt. Die Ältesten motivieren die Glieder, indem sie vorbildlich in der Liebe Christi vorangehen. Sie kleiden sich in Demut und heiligen sich für den Herrn mit ihrem ganzen Leben (1Petr 1,15-16). Dabei sind sie frei von Zwang, Gewinnsucht und Herrschsucht. Auf diese Weise sind sie wie Petrus, Zeugen der Leiden Christi und Teilhaber seiner Herrlichkeit! Aus diesem Abschnitt geht hervor, wie überlebenswichtig Älteste und ältere Gläubige für eine örtliche Gemeinde sind.

 

Fortsetzung Kapitel 5, Verse 5-7: Die Jüngeren sollen sich den Ältesten unterordnen.