Paulus-05: Briefe aus der Gefangenschaft

Das Leben des Paulus

 

 

 I.   Epheserbrief

Von der Gemeinde in Ephesus haben wir die folgenden drei sicheren biblischen Quellen:

1. Die Gründung der Gemeinde, ca. 52-55 n.Chr., als Paulus in Ephesus war (Apg 19).

2. Den Epheserbrief, den Paulus aus der Gefangenschaft in Rom schrieb (Epheser).

3. Die erste Gemeinde, die, von den 7 Gemeinden in der Offenbarung, genannt wird (Offb 2,1-7).

Auf der dritten Missionsreise kam Paulus nach Ephesus und wirkte dort 3 Jahre. Zuerst bekehrte er die ca. 12 Johannesjünger (Apg 19,1). Dann lehrte er drei Monate in der Synagoge. Nachdem sich die Juden immer mehr verstockten, zog er sich von ihnen zurück und mietete den Lehrsaal des Tyrannus (Apg 19,9). Dort verkündigte er während 2 Jahren das Evangelium, vollbrachte Zeichen und Wunder und gründete nicht nur in Ephesus, sondern in ganz Asien Gemeinden. Von Ephesus schrieb Paulus auch seine Korintherbriefe. Nachdem es einen Tumult gab, der von den Silberschmieden ausgelöst wurde, zog Paulus weiter nach Korinth (Apg 20,1). Doch auf seiner Rückreise segelte er mit dem Schiff an Ephesus vorbei und machte Halt in Milet, wo er die Ältesten aus der Gemeinde zu sich rufen liess. Da die ganze Stadt ihn kannte und vielleicht sogar nach ihm suchte, war es besser für Paulus, nicht nach Ephesus zu gehen. Den Ältesten hielt er eine Abschiedsrede, kniete mit ihnen nieder und betete. Dann umarmten sie sich herzlich, da Paulus ihnen erklärte, dass er sie nicht wieder sehen würde (Apg 20,36-38).

Paulus kannte die Gemeinde in Ephesus sehr gut und schrieb den Brief inspiriert durch den heiligen Geist Gottes. Möglicherweise ist der Epheserbrief ein Rundbrief, der zuerst an Ephesus, der grössten Gemeinde in der Provinz gerichtet ist, aber auch allgemein an die Gemeinden in Asien, wo es Heiden- und Judenchristen gibt. Leider wird uns nirgends gesagt, wie gross die Gemeinde ist. Sie hatte jedenfalls mehrere Älteste. Die Einsetzung von mehreren Ältesten wäre in einer kleineren Gemeinde nicht nötig gewesen.

Die Gemeinde bestand wahrscheinlich aus einer ansehnlichen Anzahl Heiden: Epheser 2,1; 2,11; 3,1. Die Gemeinde bestand aber auch aus Juden, die Paulus versuchte mit den Heiden zu vereinen: Epheser 2,13-16; 3,4-6; 4,1-6. Aus diesen Versen sehen wir, dass Paulus als Gefangener im Herrn diesen Brief an die Gläubigen schrieb. Siehe auch: Eph 6,20!

Hauptthema: Es geht im Epheserbrief vorwiegend um die Einheit des Glaubens. Der Brief kann aufgeteilt werden in einen dogmatischen Teil (Kap. 1-3: Das Geheimnis Christi), einen praktischen Teil (Kap. 4-6: Die Einheit des Glaubens). Mit grosser Dankbarkeit gegenüber Gott, für die Erlösung in Christus, beginnt Paulus diesen Brief (1,3).

Schlüsselvers: Epheser 1,22-23, wo Paulus klar machen will, dass die Glieder der Gemeinde, Christus völlig unterstellt sind, wie die Körperteile unseres Leibes dem Kopf. Wer Christus angenommen hat, der lebt nicht mehr seinen eigenen Willen, sondern im Gehorsam gegenüber dem, was Jesus gebietet. Christus Jesus ist die oberste Instanz. Er ist der Herrscher und zwar nicht nur über der Gemeinde, sondern über jeder Gewalt und Macht und Hoheit in der Welt!

Schlüsselwort: Gemeinde. Um in der Gemeinde die Einheit zu gewährleisten, ist es nötig, dass sich jedes Glied Christus unterstellt und der Berufung würdig wandelt. Es ist in Kapitel 4 von einem Geist, einer gemeinsamen Hoffnung, einem Glauben, einer Taufe, einem Gott die Rede, dem wir uns zu verantworten haben. Diese Gemeinsamkeiten verbinden uns so stark, dass wir als Gemeinde einen kostbaren, geistigen Leib in Christus bilden, wobei Jesus das Haupt dieses Leibes ist. Wenn Paulus am Ende des 6. Kapitels die Gläubigen aufruft, die ganze Waffenrüstung Gottes anzuziehen, dann nicht deshalb, weil wir gegeneinander kämpfen sollen, sondern weil wir uns rüsten sollen, gegen die Anschläge Satans.

Wir sollen nicht müde werden, in unserer feurigen Liebe für Christus und seiner Gemeinde, wie das einzelne Glieder der Gemeinde in Ephesus waren: Offb 2,1-7. Auch wir Christen heute wollen nicht müde werden, das Gute zu tun, um Christi Willen Böses zu ertragen usw. Wir wollen wie die Epheser, das Böse hassen und die Wahrheit durch die biblische Belehrung in unsere Herzen aufnehmen, damit niemand uns um unseren Kampfpreis bringen kann. Wir wollen in der Liebe für Gott und die Geschwister nicht müde oder stumpf werden, sondern bereit sein, füreinander sogar das Leben hinzugeben (1Joh 3,16). Einige der Epheser hatten diese erste Liebe verlassen, die sie bei der Bekehrung hatten und werden deshalb aufgerufen umzukehren und wieder mit voller Begeisterung für Christus zu leben!

 

 II.   Philemonbrief

Der Philemonbrief wurde zur gleichen Zeit und unter den gleichen Umständen geschrieben wie der Epheser- und Kolosserbrief (Paulus als Gefangener, V. 1).

Onesimus, ein Sklave des, in Kolossä lebenden Geschäftsmannes, Philemon, hatte sich mit einem Teil des Eigentums seines Herrn aus dem Staub gemacht und flüchtete nach Rom, um in der grossen Stadt unterzutauchen. Auf irgendeine Weise war er mit Paulus in Kontakt gekommen und bekehrt worden (Phlm 10). Paulus erkannte die Notwendigkeit, das Unrecht, das Onesimus begangen hatte, wieder in Ordnung zu bringen. Er konnte ihn überzeugen, zu seinem Meister zurückzukehren, um Vergebung zu bitten und seine Arbeit wieder aufzunehmen. Deshalb schickte er ihn zu seinem früheren Herrn zurück, mit diesem Brief, in dem er bat, dass dem Onesimus vergeben werde und man ihn wieder aufnehmen möge.

Paulus erklärte sich bereit, für den von Onesimus angerichteten finanziellen Verlust aufzukommen (V. 18-19). Er fügte hinzu, er hoffe, bald freigelassen zu werden; danach plante er, die Gemeinde wieder zu besuchen. Philemon 1-24 (auch die Gemeinde damals wurde mit sozialen Problemen konfrontiert).

Das Hauptthema im Philemon gilt der Vergebung und den Geschwistern.

Schlüsselwort ist: Bruderschaft.

Schlüsselvers (V. 16): „Nun ist er nicht mehr Sklave, sondern ein geliebter Bruder.“ Onesimus = „nützlich“. Aus einem Nichtsnutz wurde nun Onesimus!

Obwohl dieser Brief in hohem Mass persönlich und weniger theologisch ist, enthält er das beste Bild von der Bedeutung der Vergebung, die im Neuen Testament gefunden werden kann. Stellen wir uns die Situation praktisch einmal vor: Philemon, einer der Leiter der Gemeinde in Kolossä, kriegt Besuch von Tychikus, der einen Brief in der Hand hält. Philemon, der von seinem Sklave Onesimus beraubt und verlassen wurde, ist zornig und man sieht ihm seine Bitterkeit an, in seinem Begrüssungslächeln. Bevor er etwas sagen kann, sagt Tychikus zu ihm: „Sage nichts, lies zuerst diesen Brief!“ Philemon bittet Tychikus herein und liest den Brief von Paulus.

In diesem Brief finden sich alle Elemente der Vergebung: Kränkung (V. 11.18), Mitleid (V. 10), Fürsprache (V. 10.18-19), Ersatzleistung (V. 18-19), Wiederaufnahme in die Gunst (V. 15) und Erhebung zu einer neuen Beziehung (V. 16). Jeder Aspekt der göttlichen Vergebung der Sünde wird in der Vergebung, die Paulus für Onesimus erbittet, verdoppelt. Der Brief ist eine praktische Lektion in Bezug auf das, was Jesus gelehrt hat (Mt 6,12): „Vergib uns unsre Schulden, wie auch wir vergeben haben unsern Schludnern.“

 

  III.  Kolosserbrief

Paulus ist immer noch Gefangener in Rom (60-63 n. Chr.), wo er seine Mietwohnung hatte (Apg 28,30): Kol 4,18. Bei ihm befinden sich verschiedene Mitarbeiter (siehe 4,7-14): Lukas (der Arzt) und Demas (Kol 4,13), Aristarchus (Apg 27,1-2) und Markus (Kol 4,10). Jesus, genannt Justus (Kol 4,11). Epaphras (Kol 4,12). Tychikus (der verschiedene Briefe den Gemeinden überbrachte, Kol 4,7) und Onesimus (Kol 4,9). Wie weit Timotheus und andere zu dieser Zeit in Rom waren, lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen (vermutlich, siehe Phil 1,1).

Er schreibt den Geschwistern in Kolossä, obschon er vermutlich nur einzelne persönlich kennt, da er diese Gemeinde noch nicht besucht hat. Er ist zwar auf der zweiten und dritten Missionsreise durch das phrygische Land hindurchgezogen (Apg 16,6; 18,23), doch scheint er sich in dieser Stadt nicht aufgehalten zu haben: Kol 2,1; 1,4. Wann die Gemeinde gegründet worden ist, kann man nicht mit Bestimmtheit sagen: Es könnte sein, dass Juden aus Phrygien (Apg 2,10), die zu Pfingsten in Jerusalem waren, nachdem sie wieder nach Hause gingen, eine Gemeinde gründeten. Vielleicht hörten aber etliche den Paulus, im Lehrsaal des Tyrannus in Ephesus, predigen oder erhielten von seinen Mitarbeitern Besuch in Kolossä, so dass auf diese Weise eine Gemeinde entstand (Apg 19,10). Es wird angenommen, dass Epaphras die Gemeinde gründete (1,7; 4,12-13). Paulus bittet, dass dieser Brief nicht nur in Kolossä vorgelesen wird: Kol 4,16.

Am Anfang des Briefes werden die Empfänger als „die heiligen und gläubigen Brüder in Christus zu Kolossä“ bezeichnet (1,2). Diese Heiligen bestehen vorwiegend aus Heidenchristen: Kol 1,21.27; 2,13. Es gibt offensichtlich aber auch eine kleine Anzahl von Juden dort: Kol 2,14.16.

Wie Paulus durch Epaphras vernommen hat, ist die Gemeinde zu Kolossä durch verschiedene Irrlehren bedroht und deshalb versucht er die Geschwister aufzuklären und zu ermahnen. Da gibt es einmal eine falsche Philosophie, die sich versucht breit zu machen und deshalb warnt Paulus: Kolosser 2,8. Da findet eine falsche Anbetung statt durch den Einfluss von jüdischen Feiertagen (2,16), durch die Verehrung von Engeln (2,18). Da gibt es auch einen Einfluss von einer falsch verstandenen Demut, die in der Askese (fleischlichen Enthaltung von Speisen usw.) endet (2,23). Deshalb versucht Paulus die Vorrangstellung Christi (25x Christus) zu betonen, indem er lehrt: Kolosser 1,15-19; 2,9.

Das Hauptthema des Kolosserbriefes lautet: Lasst euch nicht täuschen, durch die Weltweisheiten, denn in Christus liegt die ganze Weisheit und Glaubensgewissheit verborgen!

Der Schlüsselvers ist die gerade gelesene Stelle in Kol 2,9.

Das Schlüsselwort ist: Fülle, volle Gewissheit (in Christus), z. B.:

Kol 1,9: „dass ihr erfüllt werdet mit der Erkenntnis seines Willens ...“

Kol 1,19: „Denn in ihm beschloss er die ganze Fülle wohnen zu lassen ...“

Kol 2,9: „Denn in ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig.“

Kol 4,12: „damit ihr als Vollkommene u. völlig Überzeugte bestehen mögt ...“

Es ist Paulus ein grosses Anliegen, dass die Gläubigen zu Kolossä nicht auf Menschen, ihre Lehren und Philosophien hören, sondern mit ihren Blicken himmelwärts gerichtet sind: Kolosser 3,1-4.

 

 IV.   Philipperbrief

Paulus ist noch immer Gefangener in Rom: Phil 1,12-14.
Paulus setzt sich dafür ein, dass das Evangelium im römischen Reich ohne Furcht verkündigt werden darf und von den Behörden legalisiert wird. Stellen wir uns vor, was das für die vielen Gläubigen der damaligen Zeit bedeutete, dass einer aus ihren Reihen, wegen seines Glaubens an das Evangelium Christi, gefangen genommen und vor die höchste Instanz in Rom gestellt wurde. Auch in der heutigen Zeit werden wir manchmal aufgefordert, für gefangengesetzte Missionare in Russland oder China zu beten. Paulus sieht dem Ende seiner Gefangenschaft mit viel Zuversicht entgegen und schreibt: Phil 2,23-24.

Über die Gründung der Gemeinde werden wir in der Apg 16 genügend aufgeklärt: Da ist von Lydia, einer Purpurhändlerin die sich zum christlichen Glauben bekehrte, die Rede (Apg 16,14-15). Weil Paulus eine Sklavin von ihrem Wahrsagergeist befreite, wurde er und Silas ins Gefängnis geworfen, wo sich die wunderbare Begebenheit mit dem Kerkermeister abspielten (Apg 16,25-39). Nachdem sie wieder freigelassen wurden, heisst es: Apg 16,40. Im Haus Lydias gab es offensichtlich weitere Brüder. Sie versammelten sich, zusammen mit dem neu bekehrten Kerkermeister und seiner ganzen Familie, als Gemeinde in Philippi.

Später, auf der dritten Missionsreise, ungefähr um das Jahr 58 n. Chr., besuchte Paulus zum zweiten Mal diese Stadt (Apg 20,6). Offensichtlich pflegte er eine tiefe und herzliche Beziehung zu den Geschwistern in Philippi (Phil 1,5; 4,1.10). Die Nachricht vom Unglück in Jerusalem und seiner anschliessenden Gefangenschaft in Rom berührte das mitfühlende Interesse der Gemeinde für Paulus von neuem. Wahrscheinlich waren es auch die Philipper, die seinen Unterhalt in Rom zum grössten Teil finanziell unterstützten: Phil 2,25; 4,10.18.

Der Philipperbrief ist die einzige biblische Quelle, die die kurzen Angaben in der Apg 28,30-31 über den Aufenthalt des Paulus in Rom ergänzt. Es ist ein Brief voller Freude und Dankbarkeit, trotz Gefangenschaft!

Das Hauptthema könnte man so betiteln: Freude, mitten im Leidenskampf für das Evangelium.

Der Schlüsselvers ist in Kapitel 4, Vers 4 zu finden.

Das Schlüsselwort im Brief ist: Freude (χαρά, χαίρω, christliche Freude, trotz Leiden!). Schon ganz am Anfang des Briefes drückt Paulus seinen geistlichen Zustand aus, indem er schreibt: Phil 1,3-4. Paulus freut sich: 1,18b; 1,25; 2,2; 2,17-18; 2,28; 3,1; 4,1. Die Freude des Paulus ist sicher nicht bloss auf eine positive Lebensanschauung zurückzuführen, sondern widerspiegelt die geistliche Haltung eines überzeugten und engagierten Christen!

 

 Schlussfolgerungen

Der Teufel versucht uns Christen heute noch durch Irrlehren, die uns in unserem Glauben verunsichern, durch Leiden aller Art, um uns vom Glauben abzubringen.

Von Paulus lernen wir, dass er bereit war, um Christi willen sogar zu sterben. Er, ein angesehener Pharisäer unter seinen Judengenossen, der es nicht nötig gehabt hatte, seine Ehre und sein Leben aufs Spiel zu setzen, sagte: Phil 3,7-8.

Welche Gesinnung strahlen wir auf unsere Mitmenschen aus? Die Gesinnung des Paulus lehrt uns die Freude in Christus: Philipper 4,4-9.