Offenbarung-16: Die Ausgiessung der Zornschalen

Die Offenbarung

 

 

 I.   Einleitung

Das Kapitel 15 ist eine Einführung zu Kapitel 16. In symbolischer Sprache vermittelt uns die Vision des Johannes den Zorn Gottes, der die Gottlosen richten wird. Die bevorstehenden Plagen werden mit sieben verschiedenen Zornschalen eindrücklich beschrieben.

In Kapitel 15 wird uns ein weiteres Zeichen am Himmel beschrieben, das Johannes sieht:

1.  Er sieht sieben Engel mit sieben Plagen (15,1).

2.  Die sieben Engel verlassen den Tempel (15,6).

3.  Eins, der vier Wesen, übergibt den sieben Engeln die Zornschalen Gottes (15,7).

In Kapitel 16 beginnt diese Szene von vorne:

1.  Die sieben Engel stehen im Tempel vor dem Thron Gottes.

2.  Die sieben Engel erhalten durch eine laute und klare Stimme ihre Mission (16,1).

3.  Es wird nirgends bestätigt, dass diese Stimme von Gott kommt, aber es ist anzunehmen (siehe 15,8).

Die drei grossen Visionen in der Offenbarung sind:

1.  Die sieben Siegel (Kap. 4-7).

2.  Die sieben Posaunen (Kap. 8-11).

3.  Die sieben Zornschalen (Kap. 15-16).

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Die beiden letzten grossen Visionen im Vergleich, betreffen dieselben Dinge:

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Die Unterschiede zwischen den Posaunen und den Zornschalen zeugen von einer gesteigerten Intensität: Während die Menschen erst bei der dritten Posaune betroffen sind (8,11), werden sie nun schon bei der ersten Zornschale angegriffen. Während es bei den Posaunen um Warnungen ging und nur einen Drittel der Menschheit betraf (8,7-12; 9,15.18), geht es bei den Zornschalen um das unwiderrufliche Gericht über die Gottlosen, das eine Art endgültige und totale Zerstörung bringt. Allerdings muss auch beachtet werden, dass es kein endgültiges globales Gericht vor dem grossen Finale geben kann, da es uns erst in Kapitel 20 geschildert wird. Ein Zorngericht wird zwar angedeutet, aber es ist noch nicht das Ende. Solche Zorngerichte können in der Menschheitsgeschichte immer wieder vorkommen.

Doch hier handelt es sich unmissverständlich um Gottes Gericht über das römische Reich, das ihren endgültigen Untergang zur Folge hat. Dies geschieht in der laufenden Geschichte bis ins fünfte Jahrhundert. Es ist der Umsturz eines stolzen und sündhaften Imperiums. Während die Posaunen mit ihren Konsequenzen einzeln eingeleitet werden und in zeitlichen Epochen folgten, geht es bei den Zornschalen Schlag um Schlag. Bei den Posaunen erhielt jeder Engel seinen Einsatz, während die Zornschalen hintereinander, durch einen einzigen Befehl, ausgegossen werden. So kann beobachtet werden, dass in Vers 11 die Plage von Vers 2 immer noch andauert. Im Ausgiessen liegt die Vorstellung einer verschwenderischen Fülle.

Das AT und NT lehrt den Zorn Gottes: Die Griechen bewerteten den Zorn eines Gottes negativ. Zorn war für sie eine peinliche Unbeherrschtheit und ein Zeichen des Mangels an Vernunft (ähnlich wie heute bei den Chinesen). Daher war für sie der Zorn eines Gottes unwürdig. Der Kirchenvater Origenes (185-254 n. Chr.), der mit den Zornaussagen des Alten Testaments grosse Schwierigkeiten hatte, entwickelte die Allversöhnung. Es heisst aber (in Dtn 14,18): „Der Herr ist langmütig und von grosser Gnade, er vergibt Schuld und Vergehen, lässt aber nicht ungestraft, sondern sucht die Schuld der Vorfahren heim an den Söhnen bis zur dritten und vierten Generation.” Jesaja 48, 9: „Um meines Namens willen halte ich meinen Zorn zurück, und um meines Ruhmes will bezähme ich mich zu deinen Gunsten, dass ich dich nicht ausrotte.” In der Offenbarung lesen wir zunehmend von einem Endzorn (Offb 14,9-10) und nicht um vorübergehende gnädige Züchtigung (Hebr 12,5-11; 1Petr 3,9). Gott, der grosse Richter, schlägt niemals in blindem Zorn, d. h. unbeherrscht zu, sondern er züchtigt die Menschen bis zu dem Punkt, an dem er keine Hoffnung zur Umkehr sieht (16,9.11.21).

Die sieben Zornschalen zeichnen die tragischen Konsequenzen der Sünde.

 

 II.   Zornschalen auf die Natur bezogen (V. 1-12)

Vers 1: Stimme aus dem Tempel.
Eine unüberhörbare göttliche Stimme ruft aus dem Tempel den sieben Engeln zu. Gott gebietet den sieben Engeln, die Zornschalen über die Erde auszugiessen. Die Zornschalen waren randvoll gefüllt mit dem „Zorn Gottes” (15,7). Mit der Erde ist hier die ganze (globale) Welt gemeint. Nach der mega (μέγας= gross) Stimme geht es um weitere grosse Dinge:

- Die mega (μέγας) Hitze (V. 8).

- Der mega (μέγας) Fluss (V. 12).

- Der mega (μέγας) Tag Gottes (V. 14)

- Das mega (μέγας) Erdbeben (2x in V. 18).

- Die mega (μέγας) Stadt (V. 19).

- Das mega (μέγας) Babylon (V. 19).

- Der mega (μέγας) Hagel (V. 21).

- Die mega (μέγας) Hagelplage (V. 21).

Vers 2: Erste Zornschale wird über die Erde ausgegossen.
Die Menschen kriegen davon bösartige und schmerzhafte Geschwüre (wie z. B. Hiob 2,7). Johannes braucht dasselbe Wort (ἕλκος = helkos: Geschwür, gemäss Septuaginta), wie bei den zehn Plagen in Ägypten (Ex 9,8-11). Das können verschiedene Hautkrankheiten sein; Krebs, Lepra, Pest usw. Die Geschwüre sind symbolisch zu verstehen, für die Schmerzen und Leiden, die auch später über die Menschheit kommen werden, wegen ihrer Gottlosigkeit (Dtn 28,35).

Mit der Erde ist, im Gegensatz zu Vers 1, hier ein beschränkter Landesteil gemeint, der betroffen ist und nicht die ganze Welt. Das heisst, es wird eine gottlose Nation bestraft und das ist das römische Reich, mit der Hauptstadt Babylon (siehe Vers 19). Doch das Prinzip des gerechten Gerichtes Gottes bleibt auch in Zukunft für die ganze Welt unverändert (Ps 9,17; Joh 12,48). Das Mal-Zeichen (χάραγμα) auf der Stirn oder Hand (13,16-17; 14,9) trägt jeder, der sich mit der gottlosen Welt eingelassen hat und nicht Gott allein anbetet (Ex 20,3; 1Kor 8,5-6; Joh 14,15; 1Joh 5,21). Es geht hier besonders um den Kaiserkult (siehe Kapitel 13b). Das Prinzip kann auch auf unsere Lebenssituationen angewandt werden. Wie stark haben wir uns bereits vom weltlichen Virus anstecken lassen, wie die Menschen damals mit dem Kaiserkult?

Vers 3: Zweite Zornschale wird über das Meer ausgegossen.
Im Gegensatz zu den Posaunen, die einen Drittel des Meeres zu Blut verwandelten, wird nun das ganze Meer zu Blut. Das Blut eines Toten gerinnt zuerst, wird dann faul und stinkend. Das Meer verwandelt sich also zu einer ekelerregenden, klumpigen Blutlache, in dem kein Leben mehr möglich ist. Wie gesagt, diese Szene darf auf keinen Fall wörtlich verstanden werden. Es wird niemals Zeiten geben, in denen der Ozean sich in Blut verwandelt. Das war auch nicht in den ersten Jahrhunderten der Fall. Diese Visionen müssen symbolisch verstanden werden.

Damit soll den Lesern die schrecklichen Folgen der Sünde vor Augen geführt werden. Der Lohn der Sünde ist der Tod (Röm 6,23). Sünde stinkt wie geronnenes Blut eines Toten! Es ist möglich, im Fleisch zu leben, aber im Geist tot zu sein. Alle gottlosen Menschen und Nationen sind in Gottes Augen tot.

Verse 4-7: Dritte Zornschale wird über die Flüsse und Trinkwasserquellen ausgegossen.
Die dritte Zornschale trifft einen ähnlich lebenswichtigen Bereich wie die zweite. Die Flüsse und Wasserquellen werden zu Blut. Das erinnert uns an die dritte Posaune (8,10). Es erinnert uns aber auch an die erste ägyptische Plage (Ex 7,24), wo die Ägypter nach Wasser gruben, weil der Nil in Blut verwandelt war. Aber bei der dritten Plage in Offb 16 sind sogar die Wasserquellen und alles Trinkbare verseucht.

Wasser ist für das Überleben des Menschen die wichtigste Quelle. Auch hier geht es um eine symbolische Bedeutung, die im Zusammenhang mit dem Vergiessen des Märtyrerblutes verstanden werden muss (V. 6). Das heisst, weil die Propheten und Heiligen von den Gottlosen verfolgt und getötet wurden, sollen sie sterben, indem ihnen die lebenswichtige Quelle (Wasser) entzogen wird. Endlich ist die Zeit gekommen, in der Gott das Blut seiner Märtyrer rächt (V. 7; 6,10).

Der Zornengel bestätigt die Gerechtigkeit Gottes mit dankbarem Lobpreis. Wir Menschen verstehen die Gerechtigkeit Gottes nur mangelhaft, da wir einerseits zu situationsbezogen denken und vieles aus der Vergangenheit mit der Zeit anders sehen oder gar vergessen haben. Andererseits lassen wir uns durch Gefühle und Äusserlichkeiten blenden. Der allgegenwärtige Gott aber ist vollkommen objektiv und reagiert völlig angemessen aus der Gegenwart, als auch aus der Vergangenheit heraus („der da ist und der da war”). Das Verbrechen der Gottlosen wird mit denselben Waffen (Blut) gerächt, mit denen sie die Unschuldigen umbrachten (V. 6). Gottes Gerechtigkeit arbeitet oft so, dass alles Böse, wie ein Bumerang, auf die Menschen zurückkommt (Num 32,23; Gal 6,7-8). So wie wir mit anderen umgegangen sind, wird mit uns umgegangen werden. Wie der Pharao alle Neugeborenen aus dem Volk Israel im Nilwasser ertränken wollte, ertrank er selbst im Roten Meer (Ex 1,22; 14,27-28). Wie der König Saul Gott ungehorsam wurde, indem er die Amalekiter tötete, verlor er später im Krieg gegen die Amalekiter sein Leben (2Sam 1,1-16: ebenso musste der Krieger, der den König Israels tötete, durch den neuen König Israels mit seinem Leben bezahlen). Wie Haman einen Plan faste, Mardochai zu töten und aufzuhängen, hing er letztlich am Pfahl (Es 7,10). Die Botschaft des Engels für Rom ist dieselbe, wie die Botschaft, die damals an Edom ging (Obd 15b): „Wie du verfahren bist, wird mit die verfahren werden, deine Tat fällt zurück auf dein Haupt.”

Auch die Stimme des Altars bestätigt, dass Gottes Gerichtsurteile wahr und gerecht sind (V. 7). Wie kommt es, dass ein Altar (= Objekt) sprechen kann? Damit wird die symbolische Sprache bestätigt. Der Altar war mit den Gebeten der Heiligen eng verbunden (8,3). Selbst von den Hörnern des Altars kam eine Stimme (9,13). Gottes gerechter Zorn wird alles Böse rächen und alle Gläubigen erlösen. Die Gerechtigkeit Gottes wird siegen! Die Korruption und Ausbeutung der Unterdrückten wird ein Ende haben. Die Verfolgung und Ermordung tausender Heiligen wird gerächt werden. Jegliche Ungerechtigkeit und Gottlosigkeit endet einst im grossen Gericht Gottes. An diesem Tag wird selbst der Altar Gottes siegreich aufschreien: „Ja, Herr, endlich!”

Verse 8-9: Vierte Zornschale wird über die Sonne ausgegossen.
Bei der vierten Posaune wurde die Sonne samt den Gestirnen verfinstert (8,12), während bei der vierten Zornschale die Sonnenkraft wesentlich stärker als normal scheint. Die Menschen werden von der Hitze der Sonne gepeinigt. Es ist viel zu heiss, so dass alles austrocknet. Bei der heutigen Klimaerwärmung, mit grossen Waldbränden, können wir uns gut vorstellen, was das für Auswirkungen auf Mensch, Tier und Vegetation haben kann.

Wie gesagt, dieses dramatische Bild darf nicht buchstäblich auf ein spezielles, zukünftiges Ereignis in der Geschichte gedeutet werden. Es geht hier vielmehr um die Dramatisierung der schrecklichen Konsequenzen der Sünde. Gott lässt die Zornschalen ausgiessen, um die gottlosen Menschen, die die Gläubigen verfolgen, zu bestrafen.

Keine Warnung und keine Strafe kann die gottlosen Menschen zur Einsicht oder gar zur Umkehr bewegen (Spr 13,15). Im Gegenteil! Sie verfluchen den Namen Gottes (V. 9). Ihre Herzen werden noch mehr verhärtet, wie damals der ägyptische Pharao (Ex 7,13.23; 8,15). Sie sagen verbittert: Wie kann Gott das alles zulassen?

Es kann sich hier nicht um das grosse Endgericht handeln, da sich (gem. Phil 2,10) noch nicht jedes Knie gebeugt und nicht jede Zunge auf Erden Gott bekannt hat. Es ist immer noch möglich, einsichtig zu werden über die Sünden. Am grossen Gerichtstag ist es zu spät, für die Einsicht (Busse). Das grosse Gericht wird alles zerstören.

Verse 10-11: Fünfte Zornschale wird über den Thron des Tieres ausgegossen.
Die fünfte Zornschale betrifft den Regierungsort des Tieres (= Meeresungeheuer). Das Tier, von dem auch in Kapitel 13,2 die Rede ist, besitzt also einen Thron und ein eigenes Reich. Damit ist, ohne Zweifel, die politische Macht Roms gemeint, die damals die Weltmacht besass. Irdische Regierungen, welche die Nachfolger Christi verfolgen, wird es in der Geschichte auch in Zukunft immer wieder geben. Sie kommen und gehen. Nur das Reich Gottes besteht in alle Ewigkeit. Wenn sich über einen Regierungssitz die Finsternis legt, dann wird sich diese sehr schnell über das ganze Reich ausbreiten. Wenn die Führung eines Landes korrupt ist, dann steht die ganze Nation in grosser Gefahr. Genau das war der Zustand Roms und seiner Regierung:

- Korruption in der Regierung.

- Gewalttätige Unterhaltung (in der Arena).

- Eine hohe Scheidungsrate.

- Sexuelle Ausschweifungen, d. h. Sittenlosigkeit und Trunkenheit.

- Götzendienst und heidnische Bräuche usw.

Als bei der neunten und zehnten Plage „tiefste Finsternis” das ganze Land Ägypten beherrschte, da stand alles still (Ex 10,22-23).

Die Finsternis der fünften Zornschale symbolisiert die Unfähigkeit und Machtlosigkeit der Regierung Roms, die schwerwiegende Konsequenzen mit sich bringen.

Allgemeine Folgerungen:

Finsternis steht symbolisch für alle, die in der Sünde verharren (Joh 8,12; 12,46; Rom 2,19; 13,12; 1Kor 4,5; 2Kor 6,14; Eph 5,8; 6,12; 1Thess 5,5; 1Joh 1,6; 2,11).

Jesus sagt (Joh 3,19): „Das Licht ist in die Welt gekommen, und die Menschen liebten die Finsternis mehr als das Licht, denn ihre Werke waren böse.”

Gott „hat uns der Macht der Finsternis entrissen” (Kol 1,13), was das Reich Satans ist (siehe auch Apg 26,18; 1 Petr 2,9).

Gott sagt mit anderen Worten zu den Gottlosen: „Weil ihr die Finsternis liebt, sollt ihr Finsternis bekommen. Finsternis, die euch umhüllen und blind machen wird. Finsternis, die euch grosse Leiden bringen wird in alle Ewigkeit.”

Mt 22,13: „Da sagte der König zu seinen Dienern: Bindet ihm Hände und Füsse und werft ihn hinaus in die äusserste Finsternis; dort wird Heulen und Zähneklappern sein.”

In gleicher Weise werden die gottlosen Menschen, die der Herrschaft Roms dienten, sich vor Schmerzen auf die Zunge beissen (V. 10b). Schmerzen zu ertragen ist eine Sache, aber sich vor Schmerzen auf die Zunge zu beissen, deutet darauf hin, dass jemand vor Schmerzen den Verstand verloren hat. Das symbolisiert, wie äusserst qualvoll und unerträglich dieser Schmerz ist. Statt einsichtig zu sein und zum Herrn umzukehren, bereuen die Gottlosen ihre Bosheit nicht. Im Gegenteil! Sie lästern und verfluchen Gott umso mehr. Sie fahren fort, mit ihrer Gottlosigkeit. Dazu zählen auch die Gläubigen in den Gemeinden, die nicht umkehrten (Offb 2,4-5; 2,16; 2,22-23; 3,3; 3,19b).

Vers 12: Sechste Zornschale wird über den Fluss Euphrat ausgegossen.
Es geht hier nicht um den geographischen Ort, an dem dieses Ereignis stattfindet. Der Euphrat Fluss bildete seit je her eine natürliche Schranke zwischen dem gottlosen Norden und dem Volk Gottes im Süden. Diese Schranke wird dadurch aufgehoben, dass der Fluss austrocknet. Der Weg, der Könige aus dem östlichen Grenzland des römischen Reiches, ist somit frei. Die ganze Region kann erobert werden. Ein Faktor, der später zum Untergang des römischen Reiches führte, war seine auswärtigen Eroberungsfeldzüge.

Bei diesem Gericht geht es darum, dass es keine Grenzen zwischen Gerechten und Ungerechten mehr gibt, sondern alle eingenommen und bestraft werden, weil sie vom lebendigen Gott abgefallen sind.

Im Gegensatz zu den Gläubigen, können die Gottlosen nicht darauf vertrauen, dass sie niemals über das erträgliche Mass geprüft werden (1Kor 10,13). Vielmehr trifft sie das Gericht Gottes in voller Härte, indem alle Schranken fallen. Die Schmerzen und Geschwüre der ersten Plage (V. 2) und die unerträgliche Hitze der vierten Plage (V. 9) werden intensiviert, durch die Finsternis und Hoffnungslosigkeit der politischen Situation (V. 10 u. 12).

III. Schlussfolgerungen zum ersten Teil

Es wäre unsachlich und falsch, wenn wir versuchen würden, die Zornschalen auf unsere Katastrophen in der heutigen Zeit zu deuten. Die Visionen des Johannes betreffen in erster Linie die Christen der damaligen Zeit und dürfen nicht buchstäblich verstanden werden. Wir fragen uns zurecht, ob der erste und zweite Weltkrieg und die Covid-19 Pandemie mehr als bloss die Warnung einer Posaune waren. Meines Erachtens waren dies sogar Zornschalen, aber mehr kann und sollte niemand daraus deuten. Mit Sicherheit kann gesagt werden, dass die Menschheit, seit der Prophezeiung des Johannes, schon einige Zornschalen erfahren musste.

Statt aufzuhorchen und sich dem allmächtigen Schöpfergott zu zuwenden, lästern und verfluchen die Menschen Gott, wenn sie leiden (V. 9.12. 21). Das ist eine klare Sünde zum Tode (1Joh 5,16-17) (Heiliger Geist-13: Sünde gegen den Heiligen Geist), die nicht mehr vergeben werden kann (Mt 12,31).  Genauso verschliessen die Menschen ihre Herzen heute und lästern, stellen Gottes Existenz in Frage und geben ihm die Schuld, indem sie ihn für alles Böse und Leid in der Welt, das oft wir selbst verursacht haben, verantwortlich machen. Es gilt also besonders bei allen Leiden, Gott zu danken und ihn zu verherrlichen für alles Gute, das er uns täglich schenkt (1Petr 4,16).

Es gilt auch, nicht bloss die Liebe Gottes sehen zu wollen, sondern auch den Zorn Gottes, wobei es zwei wesentliche Unterschiede gibt: Der Zorn als Strafe oder Züchtigungsmethode Gottes, der zu unserer positiven Veränderung nützlich ist. Der Endzorn, der kein Raum für Veränderungen mehr zulässt, sondern als unausweichliches Gericht über uns Menschen kommen wird.

 

 IV. Zornschalen auf die Politik und Religion bezogen (V. 13-21)

Verse 13-16: Drei unreine Geister wie Frösche.
Der Anfang von Vers 13, „Und ich sah …”, weist auf eine neue Phase in der Vision. Nun wird der Blick auf den Drachen und seine unheilige Allianz gelenkt (Kap. 13). Der Drache ist der Teufel (= wütend wie ein Drache). Das Tier (= Meeresungeheuer) sind die politischen Mächte (z. B. das röm. Reich). Der falsche Prophet (= Landbiest) sind die Religionen (z. B. der Kaiserkult).

Im offenen Maul der drei Ungeheuer sind eine Art („wie”) Frösche zu erkennen. Gemäss dem Gesetz Mose galten Frösche als unrein und durften nicht gegessen werden (Lev 11,1-12). Die Frösche stehen symbolisch für Unreinheit und eklige Widerlichkeit (= falsche Lehrer oder Verkündiger). Es sind Geister von Dämonen, die sogar Zeichen und Wunder tun (V. 14). Sie nehmen die Regierenden (= Könige) mit ihren Lügen auf der ganzen Welt ein und verbreiten sich überall. Frösche hoppen nicht auf gerader Linie, sondern springen mal links, mal rechts, genauso wie sich die Lügen (= unreine Lehren) verbreiten. Bezeichnend ist die Aussage des Paulus (1 Tim 4,1): „Der Geist aber sagt ausdrücklich: In den letzten Tagen werden manche vom Glauben abfallen und sich an Irrgeister und an die Lehren von Dämonen halten.” Schon Jesus warnte davor, dass viele falschen Propheten auftreten werden (Mt 7,15).

Es ist klar, dass Satan Gottes Gericht nicht akzeptiert.
Er rebelliert und opponiert mit seinen Dienern solange, bis sie im Feuersee enden (20,10). Das Ziel Satans ist es, möglichst viele Seelen mit sich in den Abgrund zu reissen. Deshalb sammelt er so viele Seelen wie möglich, zum entscheidenden Kampf. Dabei ist der rebellierenden Schar nicht bewusst, dass dies von Anfang an Gottes Plan war. Denn der allmächtige Gott und Herrscher über das All, hat diesen grossen Tag des Gerichts (2Petr 3,12) schon längst bestimmt (V. 14b). Die Feinde Gottes denken, es sei ihr Krieg, dabei ist es in Wirklichkeit Gottes Krieg, der auch den genauen Zeitpunkt bestimmt hat.

Der Herr versichert allen Gläubigen, dass er, überraschend wie ein Dieb, wiederkommen wird (Offb 3,3; 1 Thess 5,2). Jesus wies schon zu seinen Lebzeiten auf Erden darauf hin (Luk 12,39): „Wenn der Hausherr wüsste, zu welcher Stunde der Dieb kommt, liesse er ihn nicht in sein Haus einbrechen. Auch ihr sollt bereit sein, denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, da ihr es nicht erwartet.” Der Gedanke vom Dieb in der Nacht war bekannt (Mt 24,43; 2 Petr 3,10). Er illustriert die Unsicherheit und Ungewissheit des grossen Gerichts (sei es gegen eine Nation oder als Endgericht). Es gilt also für alle Gläubigen damals wie heute, trotz den grossen Unruhen in der Welt, unermüdlich wachsam zu sein. Denn, wer seine geistigen Kleider nicht mit Sünde befleckt, wird nicht nackt umhergehen müssen und muss sich nicht schämen (3,4-5.18; Jak 1,27; Gen 3,10).

Jesus liess der Gemeinde zu Sardes sagen, dass die, welche ihre Kleider nicht beschmutzt haben, einmal mit weissen Festgewändern im Triumphzug mit ihm in die Stadt einziehen werden (Offb 3,4). Diese Kleider oder Festgewänder wurden mit dem Blut des Lammes reingewaschen (Offb 1,5; 7,13.14; Apg 22,16). Wer hingegen seinen Glauben verleugnet, indem er sich auf irgendeine Weise mit dem römischen Reich einlässt und ein Zeichen auf die Stirn oder Hand machen lässt, wird sein Heil verlieren (Offb 14,9). Das ist die dritte von sieben Seligpreisungen (1,3; 14,13; 19,9; 20,6; 22,7.14).

Eine riesige Schar (= Nachfolger Satans) sammelt sich schliesslich in Harmagedon (V. 16, siehe Zusatzartikel 16b.).  Der Ort Harmagedon kommt im NT kein zweites Mal vor (nur in Offb 16). Vielmehr steht er symbolisch für die Ereignisse, die dort stattfanden (siehe Zusatzartikel Offb 16b). Das heisst, wie in der Vergangenheit, so ist Harmagedon in Zukunft das symbolische Schlachtfeld, auf dem die Gläubigen siegen und die Gottlosen fallen werden. Demzufolge kann gesagt werden, dass die geistliche Schlacht von den Gläubigen damals gewonnen wurde, als die Christenverfolgungen endeten.

Merke: Zu diesem Zeitpunkt geht es in der Offenbarung noch nicht um das Ende der Welt. Es handelt sich vielmehr um ein Gericht gegen das römische Reich. Die Offenbarung hat einen eigenen Zeitplan und spricht von Ereignissen, die „in Kürze geschehen” (1,1) werden, nachdem das Buch geschrieben wurde. In diesen Versen erfährt der Leser auch nichts von einer Schlacht, die im Tal, in der Nähe von Megiddo, stattfindet. Satan sammelte sich vergebens mit seinen Verbündeten, denn er ist chancenlos. Die Schlacht ist vorbei, bevor sie begonnen hat. Es geht in diesen Versen nicht um die Beschreibung eines grossen Krieges, der kurz vor dem Ende aller Zeiten stattfinden soll!

Vers 17: Siebte Zornschale wird über die Luft ausgegossen.
Dies ist die letzte Zornschale, deshalb ertönt vom Himmel her eine laute Stimme, die sagt: „Es ist geschehen!” Das heisst, die Serie der Plagen ist vollendet, erfüllt, vollständig zu Ende gebracht, abgeschlossen, beendet, fertig. Ähnlich, wie Jesus, kurz vor seinem Tod am Kreuz, sagte (Joh 19,30): „Es ist vollbracht.” Wenn der allmächtige Gott spricht, dann geschieht etwas ganz nach seinem Willen. Da haben sich selbst die grössten Bemühungen eines Harmagedons zu beugen. Gottes Gegner sind kampflos besiegt. Die letzte Zornschale über die Luft symbolisiert die natürlichen Elemente. Satan ist der Fürst der Lüfte (Eph 2,2), der Herrscher dieser Welt (Joh 12,31; 14,30; 16,11), der Gott dieser Welt (2Kor 4,4). Damit ist der gesamte Herrschaftsbereich Satans betroffen.

Verse 18-21: Grosse Erdbeben und Naturkatastrophen.
Gottes Zorn offenbart sich durch Getöse, Blitz, Donner und das gewaltige Erdbeben.
Dieselben vier Elemente, wie bei den sieben Siegeln, wobei noch ein heftiger Hagel dazu gezählt werden kann (11,19). Bei den sieben Zornschalen wird die Intensität durch ein besonders grosses Erdbeben (2x megas) und anschliessend mit grossem Hagel (2x megas) verstärkt (V. 21). Das Erdbeben wäre vermutlich etwa 12.0 auf der heutigen Richterskala. Ein Beben, wie es seit Menschengedenken noch nie gab.

Die grosse Stadt Babylon (= Rom) wurde so stark erschüttert, dass sie in drei Teile zerbrach. Damit wird die völlige Zerstörung angedeutet (wie das damals Hesekiel über Jerusalem ankündigte: Ez 5,2). Doch es geht hier nicht bloss um die Stadt Babylon, sondern um den Untergang aller heidnischen Stätten.

Schon in Kapitel 14,10 verspricht ein Engel, dass alle, die das Tier angebetet haben, vom Zorneswein Gottes trinken müssen. Eine ähnliche Szene, beim sechsten Siegel, erinnert uns daran, wie Berge und Inseln durch ein Erdbeben verschwanden (6,14).

Der zentnerschwere Hagel drückt die Menschen und alles platt. Seit der ägyptischen Plage, galt der Hagel als Symbol für göttlichen Zorn und göttliches Gericht (Ex 9,18-26; Ps 78,47; 105,32). Die Reaktion der Gottlosen ist Auflehnung, Anklage und Lästerung gegen ihren Schöpfer. An Einsicht und Umkehr von ihrer Gottlosigkeit denken sie nicht.

Schlussfolgerungen:
Damit haben wir die geschichtliche Grundlage der Offenbarung abgeschlossen. Der allmächtige Gott hörte die dringende Bitte der Märtyrer (6,10): „Wie lange noch, Herrscher, Heiliger und Wahrhaftiger, zögerst du, zu richten und unser Blut zu rächen an denen, die auf der Erde wohnen?” Damals gab der Herr ihnen zur Antwort, dass sie sich noch ein bisschen gedulden sollen, denn auch ihre Mitknechte werden durch die Christenverfolgungen umkommen (6,11). Doch der grosse Tag des Zornes Gottes wird kommen! Wer kann da bestehen? (6,17).

Wir haben die Zeit der Warnungen gesehen, die Verfolgung, die 1260 Tage dauerte oder 42 Monate (Kapitel 11). Doch dann kam die erlösende Ansage Gottes, dass die Bedränger der Erlösten bestraft und gerichtet werden (Kapitel 14). Die Zeit der Verfolgungen ist endlich vorbei und der Tag der grossen Ernte (= Gericht) ist gekommen (14,14-20).

Die sieben Zornschalen werden ausgegossen (Kapitel 15 und 16) und die Feinde Gottes, samt ihren Stätten werden vernichtet. Hier könnten die Visionen enden, doch Gott will seinen Lesern noch viel mehr erzählen in Bezug auf den Untergang Roms und den endgültigen Untergang der Welt.