Offenbarung-15: Die sieben Zornschalen

Die Offenbarung

 

 

 I.   Die sieben Engel (V. 1-4)

Vers 1: Das grosse Zeichen am Himmel.
Das ist nun schon das dritte Mal, dass Johannes ein grosses Zeichen am Himmel sieht. Zuerst sah er eine Frau, die mit der Sonne bekleidet war (12,1). Dann sah er den grossen, feuerroten Drachen, mit sieben Köpfen und zehn Hörnern (12,3). Jetzt sieht er sieben Engel mit sieben Zornschalen (15,1). Das ist der dritte Block der sieben Gerichte. Zuerst wurden die sieben Siegel gebrochen (Kap. 4-7) und offenbarten die Geheimnisse Gottes. Dann wurden die sieben Posaunen geblasen (Kap. 8-11), um die Menschen zu warnen. Schliesslich werden die sieben Zornschalen ausgegossen (Kap. 15-16), die als endgültiges Gericht über die Menschheit hereinbrechen.

Mit den Zornschalen kommen die sieben letzten Plagen über die Erde. Damit findet der Zorn Gottes sein Ende. Während die Posaunen nur einen Drittel der Erde betraf, gibt es bei den Zornschalen keine Einschränkung mehr. Von den Posaunen, zu den Zornschalen, ist eine Steigerung der Intensität erkennbar. Bevor die sieben letzten Plagen eintreffen, soll den Gläubigen einmal mehr versichert werden, dass sie keine Angst zu haben brauchen. Gott hat einen genauen Plan und den führt er bis zum Ende durch. Die Gläubigen dürfen gewiss sein, dass sie von Gottes Zorn verschont bleiben (Ps 145,18-20). Sie dürfen das Bild des Sieges vor Augen halten, egal was auch passiert.

Vers 2: Die Sieger auf dem gläsernen Meer.
Das Bild vom gläsernen Meer ist uns bekannt (aus 4,6). Das Meer befindet sich vor Gottes Thron und repräsentiert die Unnahbarkeit Gottes. Doch es kommt noch Feuer hinzu. Es stellt das Gericht Gottes dar. Es könnte jedoch auch das Feuer der Leiden, der Märtyrer, darstellen (1Petr 4,12; 1Kor 3,12-15).

Die Märtyrer sind auf dem gläsernen Meer versammelt, d. h. sie stehen vor dem Thron Gottes. Das Tier hat sie verfolgt und ums irdische Leben gebracht. Doch nun stehen sie als Sieger vor dem allmächtigen Gott. Die Märtyrer zählen deshalb zu den Siegern, weil sie das Tier, das Bild und die Zahl seines Namens nicht angebetet hatten. Jeder, der Geretteten, trägt eine Harfe Gottes in seiner Hand. Die Harfen Gottes stehen symbolisch für harmonische, himmlische Melodien. Die Harfen stehen für Anbetung und Lobpreis (siehe 5,8; 14,2).

Verse 3-4: Das neue Lied.
Gott, der Herr wird mit einem neuen Lied gepriesen. Wie damals, nach dem siegreichen Durchzug durch das Rote Meer, wird hier die erfolgreiche Überwindung des Bösen gepriesen. Damals sang Mose mit den Israeliten den bekannten Lobgesang (Ex 15), der später in den Synagogen am Sabbatabend gesungen wurde. Rabbiner bezogen sich auf Mose, als erster– und Jesus als letzter Befreier. Der Lobgesang Mose steht als Gegenbild zum Siegeslied des Lammes, den alle Märtyrer im Himmel singen. (Es handelt sich nicht um zwei Lieder.) Die Israeliten wurden aus den Händen Pharaos befreit. Die Märtyrer wurden aus den Händen Cäsars befreit. Die Worte dieses Liedes singen wir heute in der Gemeinde: „Gross und wunderbar”.  Der Inhalt des Liedes bezieht sich nicht auf die grossen Leiden der Märtyrer, sondern direkt auf Gott (= zweite Person Einzahl). Mit keinem Wort erwähnen die Märtyrer ihre Leiden oder ihren Sieg. Offenbar sind sie, im Vergleich zu der überwältigenden himmlischen Herrlichkeit, in Vergessenheit geraten. Das Lied ist ein einziger Lobpreis der Allmacht Gottes. Gott ist gross und wunderbar, gerecht und wahr sind deine Wege. Gott ist der König aller Völker, deshalb soll dein Name gepriesen werden. Gott ist heilig und gerecht, deshalb sollen alle Völker sich vor dir beugen.

Dieses Lied setzt sich aus Zitaten des Alten Testaments zusammen.

Erste Aussage:
„Gross und wunderbar sind deine Werke (Ps 92,6; 98,1; 111,2; 139,14).

Zweite Aussage:
„Gerecht und wahrhaftig sind deine Wege” (Ps 145,17).

Dritte Aussage:
„Wer sollte dich nicht fürchten, Herr, und deinen Namen preisen?” (Jer 10,7; Ps 86,9).

Vierte Aussage:
„Du allein bist heilig” (Ps 99,3; 111,9).

Fünfte Aussage:
„Alle Völker werden kommen und dich anbeten” (Ps 86,9).

Sechste Aussage:
„Deine Rechtsordnung ist allen Völkern bekannt” (Ps 98,2).

Das Lied drückt drei Überzeugungen aus:

- Gott wird gepriesen für alles, was er in der Vergangenheit schuf.

- Gott wird gepriesen für alles, was er in der Gegenwart tut.

- Gott wird gepriesen für alles, was er in der Zukunft geschehen lassen wird.

Die Tatsache, dass alle Völker ihre Knie vor dem allmächtigen Gott beugen werden, hat nichts mit Allversöhnung zu tun (Phil 2,10-11). Gott, der Schöpfer ist allen seinen Geschöpfen weit überlegen und wird das bald offenbaren. Die Bibel spricht unmissverständlich davon, dass nicht alle gerettet sein werden (Mt 7,13-14).

Schlussfolgerung:
Der Liedtext offenbart eine eindeutige Anbetungshaltung, die es gilt, nicht aus den Augen zu verlieren. Der Fokus ist auf Gott gerichtet und nicht auf uns selbst! Wenn wir Gott anbeten, dann geht es allein um seine Macht, was der Herr Grosses vollbracht hat, was der Herr täglich tut, was der Herr versprochen hat zu tun. Der König Joschafat hat das verstanden, als er folgendes Gebet eröffnete (2Chr 20,6): „Herr, Gott unserer Vorfahren, bist du nicht der Gott im Himmel und der, der über alle Königtümer der Nationen herrscht? Und in deiner Hand sind Kraft und Macht, und niemand kann dir standhalten.”

 

 II.   Der Tempel (V. 5-8)

Verse 5-7: Der Tempel und die sieben Engel.
In dieser Vision wird nicht der Tempel Salomo oder der Tempel des Herodes beschrieben, der 70 n. Chr. endgültig zerstört wurde. Mit dem Zelt im Tempel wird betont, dass es sich um das ursprüngliche Allerheiligste im Heiligtum handelt (im AT), wo die Bundeslade stand und die Begegnung mit Gott möglich machte.

Johannes sieht, wie sich diese ursprüngliche Wohnung des Zeugnisses im Himmel öffnet (Ex 38,21; Num 1,50; 9,15; 17,7; 18,2; Apg 7,44). Das Allerheiligste steht für die heilige Wohnung Gottes im Himmel. Sie wurde Wohnung des Zeugnisses genannt, weil sie die Zehn Gebote enthielt, die Zeugnis gaben über Gottes Gerechtigkeit (Ex 25,21). In Kapitel 11,19 wird das Allerheiligste geöffnet, so dass die Bundeslade gesehen werden kann, während nun sich das Allerheiligste öffnet, damit die sieben Engel heraustreten können.

Die sieben Engel haben den Auftrag, die sieben Zornschalen über die Erde auszugiessen. Sie sind bekleidet, wie ein Hohepriester im AT: Mit einem Kleid aus Leinen, das für rein und heilig steht. Mit einem Brustgürtel (zugeschnitten, wie eine kugelsichere Weste), die für ihre hohe Rangordnung steht. Diese Engel haben keine hohepriesterlichen Funktionen, sondern sind für die Mission bestimmt, Gottes Zornschalen auszugiessen. Eines der vier Wesen (aus Kap. 4) übergibt jedem Engel eine goldene Schale, die mit dem Zorn Gottes gefüllt ist. Gottes Zorn ist so heilig, wie seine Liebe.

Vers 8: Gottes Macht und Herrlichkeit im Tempel.
Der Tempel füllt sich mit Rauch als Symbol für Gottes Herrlichkeit. Ist es Rauch, wie vom Räucherwerk des Räucheraltars (Ex 37,29)? Oder handelt es sich um eine Wolke, die das Heiligtum bedeckt, wie das im AT vorkam: Bei der Einweihung des heiligen Zeltes (Ex 40,34-38). Als die Bundeslade nach Jerusalem, in den Tempel, gebracht wurde (1Kön 8,11-13). Wenn im AT von der Herrlichkeit des Herrn die Rede ist, dann handelt es sich oft um eine Wolke (Jes 6,4; Ez 10,2-4).

Der Tempel wird durch den Rauch unzugänglich, als ob Gott ein Schild vor die Ladentür gehängt hätte, mit der Aufschrift: „Wegen Zorngericht geschlossen.” Niemand kann in den Tempel hineingehen, bis die sieben Zorngerichte Gottes vollendet sind. Denn, die Gnadenzeit ist endgültig vorbei und selbst Fürbitten können die Zorngerichte Gottes nicht mehr aufhalten.

 

 III. Schlussfolgerung

Manchmal sieht es aus, als ob Gott nichts tue, dabei bereitet er alles genau vor, wie wir in Kapitel 15 lesen: Das Allerheiligste öffnet sich. Engel sind mit besonderen Kleidern gekleidet. Engel verlassen das Heiligtum. Zornschalen werden vorbereitet. Jeder Engel erhält eine Zornschale, von einem der vier Wesen. Rauch erfüllt den Tempel Gottes.

Die lauten Bittrufe der Märtyrer wurden erhört und die kurze Zeit der Geduld ist vorbei (6,10-11).

Es ist unmissverständlich, dass die Offenbarung nicht geschrieben wurde, um uns über besondere Ereignisse, in der späteren Menschheitsgeschichte, aufzuklären. Die Offenbarung wurde geschrieben, um Christen im ersten Jahrhundert zu trösten und zu ermutigen, dass Christus alles im Griff und bereits gesiegt hat. Dieses ermutigende Prinzip gilt auch allen Generationen, die nachfolgen. Gläubige haben keinen Grund Angst zu haben, denn Gott steht ihnen heute noch bei und beschützt sie vor allem Bösen. Gott führt seine Pläne nach seinem Willen zu Ende. Gottes Gerechtigkeit wird siegen, denn nur der Herr besitzt die vollständige Macht über seine Schöpfung!