Offenbarung-13b: Der Kaiserkult

Die Offenbarung

 

 

Was liess das römische Weltreich, in den Augen des Johannes, so satanisch erscheinen? Die Antwort lautet: Der obligatorisch eingeführte Kaiserkult. Die römischen Herrscher wurden zunehmend als Götter verehrt. Zum Teil erhoben sie selbst den Anspruch, eine Gottheit zu sein und zum Teil liessen sie es zu, vom Volk als solche gepriesen zu werden. Jeder, der im römischen Weltreich lebte, musste diesen Kult wohl oder übel mitmachen.

Der Aufbruch Roms, die Weltherrschaft zu übernehmen, begann 63 vor Christus. Durch innere Konflikte und Bürgerkriege entwickelten sich herausragende Führungskräfte, die das römische Reich stärkten und eine wegweisende Herrschaft übernahmen. Um ca. 100 n. Chr. beherrschte das römische Reich bereits den gesamten Mittelmeerraum, vom Roten Meer bis nach Spanien, Gallien und Britannien. Sogar das Gebiet rund um das Schwarze Meer wurde von den Römern besetzt.

Dabei gelangte das Imperium nicht bloss durch Eroberungskriege zur Weltmacht. Offenbar gab es auch Könige, die sich Rom freiwillig unterordneten, weil sie darin mehr Vor- als Nachteile sahen. In einem englischen Kommentar heisst es dazu: „Die Bewohner der römischen Provinzen sahen sich dank der starken Hand Roms in der Lage, in Sicherheit ihren Geschäften nachzugehen, für ihre Familien zu sorgen, Briefe in alle Welt zu verschicken und ungefährdet zu reisen.“

Als die Römer ihre Weltherrschaft antraten, regierte eine Gerechtigkeit im Land. Die unberechenbaren und oft blutdürstigen Herrscher, die aus egoistischen und launenhaften Motiven ihre Nachbarländer angriffen, unterstanden nun der römischen Rechtsprechung. Die Gefahr, auf dem Meer von Piraten bezwungen oder auf den Landstrassen von Räubern überfallen zu werden, verschwand. Die Pax Romana (d. h. römischer Frieden), die Augustus einführte, dauerte über 200 Jahre und brachte den Völkern im römischen Reich viele Vorteile. Davon profitierte die Stadt Rom am meisten. Augustus regierte von 27 vor Christus bis 14 nach Christus, d. h. zu Lebzeiten Jesu (Lk 2,1). Durch die Pax Romana expandierte das Reich wie nie zuvor und brachte, trotz einzelnen Bürgerkriegen, Sicherheit und Stabilität. Menschen aus allen Regionen nahmen die römische Staatsbürgerschaft an. Das berühmte und genial ausgedachte Strassennetz führte zum wirtschaftlichen und kulturellen Wachstum (in Kunst, Literatur, Architektur).

Augustus brachte viele Veränderungen und Reformen. Er glaubte in die überlieferten Werte seiner Vorfahren, d. h. in die Monogamie, die Keuschheit und Frömmigkeit als Tugend. Um die Gesellschaft besser zu machen, entwickelte er einige moralische und politische Reformen. Er wollte die traditionelle römische Religion neu aufleben lassen, die stark hellenistisch geprägt war. Dazu liess er Monumente renovieren, wie die Tempel der Götter, in der Hoffnung auf religiöse Wiederbelebung. Er stellte aber auch das Priestertum wieder her und liess sich als pontifex maximus einsetzen. So gewann er die Macht als Herrscher eines neuen Weltreichs und gleichzeitig auch als oberster religiöser Führer, dem noch zu seinen Lebzeiten eine Statue errichtet wurde. Nach seinem Tod ging er als „göttlicher Augustus” in die Geschichte ein.

Durch seinen positiven Einfluss auf allen Gebieten des Lebens und die neu gewonnene Identität Roms, wurde der Kaiser dankend verehrt und daraus entwickelte sich der Kaiserkult. Das Volk gewann immer mehr Vertrauen in die Regierung und suchte nach einem Symbol für Rom. Es war auch ein goldenes Zeitalter der Literatur, in dem einige Poeten in ihren Gedichten und Liedern Augustus für seine Tugend und geniale Regierung priesen. In der Tat besass er grosse Führungsqualitäten, baute unermüdlich das Reich aus, reformierte Gesetze und brachte Ruhe und Sicherheit in die kriegerische Welt von damals. Kein Wunder, dass er für die Menschen den Geist und die Göttlichkeit Roms verkörperte.

Die einzelnen Kaiser stellten sich unterschiedlich zu dieser Entwicklung. Augustus missbilligte diese Entwicklung. Claudius und Tiberius fanden es anstössig, Menschen wie Götter zu behandeln. Caligula hingegen, nahm seine Göttlichkeit ernst. Nero, Vespasian und Titus legten wenig Wert auf die göttliche Verehrung. Doch der Kaiserkult breitete sich immer mehr über das ganze römische Weltreich aus. Schon 29 v. Chr. wurde der erste Tempel in Pergamon für den Kaiser errichtet. Später wurden den toten und lebenden Herrschern Opfer dargebracht und ihr Bildnis angebetet. Dadurch machte man sie zwar nicht zu einem Gott (deus), wohl aber zu einem Vergöttlichten (divus). Mit der Zeit begriffen die Herrscher, wie wertvoll diese Entwicklung für sie und das römische Reich war. Das Imperium Romanum war unübersichtlich gross geworden und konnte durch diese Form der Religion die verschiedenen Kulturen besser vereinen. So wurde der Kaiserkult zum Band der Einheit und Grundpfeiler der Politik des römischen Weltreichs.

Mit Kaiser Domitian wurde der Kaiserkult sogar für alle römischen Bürger obligatorisch und erreichte seinen Höhepunkt. Domitian verlangte, als „Herr und Gott” angesprochen zu werden. Ein kaiserlicher Erlass begann mit den Worten: „Unser Herr und Gott Domitian befiehlt ...“ Einmal jährlich mussten alle römischen Bürger zu Ehren des Kaisers Weihrauch verbrennen und sagen: „Der Kaiser ist unser Herr.“ In allen Provinzen gab es die erforderlichen Einrichtungen, um diesen Kult durch einen Priester durchzuführen. Jeder, der diese Anforderungen erfüllte, erhielt eine Bescheinigung, auf der zum Beispiel folgendes stand: «Wir, die Vertreter des Kaisers, Serenos und Hermas, haben gesehen, dass ihr geopfert habt.»

Der Kaiserkult war mehr eine politische, als eine religiöse Massnahme. Es ging in erster Linie darum, die politische Loyalität zu gewährleisten. Das wird daraus ersichtlich, dass die römische Regierung tolerant war mit ihren Bürgern und es zuliess, dass auch andere Götter verehrt werden durften. Solange jemand seinen Verpflichtungen gegenüber der Kaiseranbetung nachkam und es nicht zu Konflikten mit der öffentlichen Ordnung führte, war dies kein Problem. Wenn aber jemand den Anordnungen Widerstand leistete, indem er den Kaiser nicht als seinen Herrn bekannte und ihm keine Opfer darbrachte, dann hatte er ein grosses Problem.

Für Christen gab es keinen anderen Namen unter dem Himmel als Jesus Christus, der ihr einziger Herr war und den sie anbeteten. Niemand konnte sie zu einem anderen Glaubensbekenntnis zwingen. Diese Haltung führte zu schwerwiegenden Konflikten mit Rom. Dabei ging es um Leben oder Tod, denn wenn sie den Kaiser nicht als ihren Herrn bekannten, mussten sie sterben. In den Augen der Römer waren Christen keine Ketzer, sondern stellten eine Gefahr für die Regierung dar, die sich auflehnten den Eid als Zeichen ihrer Treue gegenüber dem römischen Weltreich abzulegen. Damit wurden sie zu Geächteten. Obschon sie nicht in allen Fällen verfolgt wurden, waren die Nachteile im wirtschaftlichen Leben so gross, dass sie schwer darunter litten. Denn nur wer eine Bescheinigung vorlegen konnte, dem Kaiser gehuldigt zu haben, durfte sich der römischen Bürgerrechte erfreuen.

Der Kaiserkult war mit ein Grund, weshalb die Christen nach dem Tod Christi in grosse Bedrängnis gerieten und bis zum Tod verfolgt wurden. Mit ihrer Verweigerungshaltung gegenüber dem Kaiserkult galten sie als untreue Bürger. Deshalb wurden sie niemals als Soldaten eingesetzt. Weil sie ihre Versammlungen meistens heimlich und in der Nacht abhielten, machten sie sich der Verschwörung gegen den römischen Staat verdächtig und demzufolge als bedrohende Gefahr betrachtet. Eine natürliche Konsequenz dieses Misstrauens war die Verfolgung der Christen, um den römischen Staat zu bewahren. Zu diesem Zeitpunkt war das Christentum nicht legal, d.h. keine staatlich anerkannte Religion. In den ersten drei Jahrhunderten fanden die schlimmsten Christenverfolgungen statt, die durch die Römer angefeuert wurden. Tausende Gläubige starben als Märtyrer. Es war sehr mutig zur damaligen Zeit, sich als Christ zu bekenne. Erst Konstantin brachte 313 n. Chr. die erhoffte Erleichterung für Christen, indem er diesen schrecklichen Kaiserkult stoppte, den Sonntag als arbeitsfreien Anbetungstag für Christen einführte und die christliche Religion mit einem Erlass legal machte.