Sauerteig-04: Die Heuchelei der Pharisäer

Hütet euch vor dem
Sauerteig der Pharisäer!

 

 

Jesus bezeichnet die Pharisäer in den Evangelien fünfmal als Heuchler: Matthäus 15,7; 22,18; 23,13.15. 23.27.29 (Parallelstellen: Markus 7,6; und Lukas 12,1). Neben dieser Anklage warf er ihnen auch Folgendes vor: unzureichende Gerechtigkeit (Matthew 5,20), ein „böses und ehebrecherisches Geschlecht“ zu sein (Mt 12,39), einen schädlichen Einfluss in ihrer Lehre zu haben (Mt 16,6.12), das Geld zu lieben (Lk 16,14) und sich selbst, sowie selbstgerecht zu sein (Lk 18,10-12).

Aus Matthäus 23 geht eine umfangreiche Anklage der pharisäischen Heuchelei hervor, die durch eine Analyse aufschlussreich ermittelt werden kann. Die folgende Haltung und die Handlungen, die sich daraus entwickelten, ist bezeichnend:

1. Sie schnüren anderen schwere und unerträgliche Lasten auf, die sie selbst nicht bereit sind zu tragen (Mt 23,4).

2. Es ging ihnen in erster Linie um ihre eigene Ehre und darum als „Rabbi” angesprochen zu werden (Mt 23,5-7).

3. Sie verhinderten absichtlich den Menschen den Zugang zum Reich Gottes (Mt 23,13).

4. Sie taten alles, um einen Menschen zum Judentum zu bekehren (Mt 23,15).

5. Sie machten eigene und sinnlose Unterschiede in ihren Lehren (Mt 23,16-22).

6. Sie sorgten sich um Kleinigkeiten, statt sich um die wichtigen Angelegenheiten zu kümmern (Mt 23,23-24).

7. Sie bemühten sich um eine äussere statt um die innere Reinheit (Mt 23,25-28).

8. Sie verehrten die Propheten und gleichzeitig unterstützten sie jene, die sie getötet hatten (Mt 23,29-36).

Es gilt zu beachten, dass Jesus ihren falschen religiösen Einfluss, ihre ungeistlichen Beweggründe und ihre menschlichen Gebote, die sie als Gottes Gebote den Menschen aufzwangen, als Heuchelei verurteilte. Der Begriff Heuchelei wird in der heutigen Zeit etwas anders verstanden. Ein Heuchler in der heutigen Zeit ist ein oberflächlicher und unaufrichtiger Mensch, der andere bewusst und wissentlich irreführt und über seine angeblich geistliche Gesinnung täuscht. Viele „Geistliche” täuschen anderen Menschen geschickt etwas vor, indem sie Tatsachen verdecken und bewusst leugnen. Es ist gefährlich, jemanden als Heuchler zu verurteilen, der sich im Irrtum befindet, aber offensichtlich aufrichtig aus Überzeugung handelt.

Die Wurzel der Heuchelei der Pharisäer
Die Pharisäer betrachteten sich selbst nicht als Heuchler. Sie waren überzeugt, dass sie sich auf dem richtigen Lebensweg befanden. In Lukas 18,11-12 erzählt Jesus ein Gleichnis vom Pharisäer und vom Zöllner. Darin kommt die typische Haltung der Pharisäer gegenüber anderen Menschen zum Ausdruck. Der Fehler im Gebet des Pharisäers lag nicht darin, dass er etwa Unwahrheiten sagte. Zweifellos lebte er nicht wie ein Gottloser, als „Räuber, Betrüger, Ehebrecher” usw. Tatsächlich fastete er zweimal in der Woche und gab den Zehnten von allem, was er besass, für die Sache des Herrn. So wie es heute viele Bewunderer von Mönchen und Nonnen im Kloster gibt, wurden die Pharisäer damals von der Mehrheit der Bevölkerung als fromme Menschen betrachtet. Die Frage ist nur, ob Gott eine solche Frömmigkeit von uns Menschen verlangt.

Die Heuchelei der Pharisäer bestand nicht in einem weltlichen oder einem bewusst betrügerischen Leben. Sie waren auch nicht oberflächlich oder täuschten eine unaufrichtige Hingabe zu ihrer Religion vor. Vielmehr verzerrten sie den Glauben an Gott, indem sie seine Gebote und Satzungen nach ihren eigenen Vorschriften und Ansichten veränderten. Eine verstellte Religion war am Ende viel schlimmer, weil sie von den meisten Menschen nicht als pervertiert erkannt und aufgedeckt werden konnte.

Betrachten wir nun einige Beispiele pharisäischer Heuchelei. Saulus konnte dem Gesetz Mose treu ergeben sein, gleichzeitig aber, ohne schlechtes Gewissen, Judengenossen zum Tode verurteilen, weil sie an Christus glaubten (Apg 6). Das Gesetz Gottes verurteilte auch im AT Hass und Brudermord, da es mit der Frömmigkeit unvereinbar war (Ex 20,13). Obschon die Pharisäer Gottes Gebote betonten, fanden sie immer wieder Mittel und Wege, um sie zu brechen. Zum Beispiel der Ehebruch: Die Pharisäer verdrehten den Scheidungsgrund, den Mose anführte (Dtn 24,1), zu einer entarteten Auslegung. Sie ermöglichten es, dass der Ehemann seiner Frau aus beliebigen Gründen einen Scheidebrief aushändigen konnte, der durch zwei Zeugen rechtsgültig wurde. Frauen hatten keine Rechte und galten nach ihren Gesetzen als Sache. Doch der Herr liess durch den Propheten Maleachi dem Volk verkünden (Mal 2,16): „Ich hasse die Scheidung!” Jesus nahm dieses Thema in der Bergpredigt auf und verbot mit klaren Worten die Ehescheidung, ausser wegen Unzucht (Mt 5,31-32). Ebenso macht Jesus den Pharisäern und Schriftgelehrten klar, dass die Einhaltung ihrer mündlichen Überlieferungen nicht von Gott stammten, da es Gott um die Liebe zu ihren Eltern ging und nicht um ihre Opfergabe an den Tempel (Mt 15,3-9).

Ein letztes Beispiel ist der folgende Auszug aus den zehn Geboten (Ex 20,16): „Du sollst nicht als falscher Zeuge aussagen gegen deinen Nächsten.” Doch der gesamte Hohe Rat (= Sanhedrin, dazu zählten auch Pharisäer) war überzeugt, dass Jesus ein falscher Lehrer war und getötet werden musste (Mt 26,3-4). Ihre Meinungen beruhten auf falschen Aussagen, Eifersucht und entstellter Frömmigkeit. Als Jesus verhört wurde, übertraten sie alle Gesetzesbestimmungen, um ihr mörderisches Ziel zu erreichen. Sie führten ihr Verhör in der Nacht durch. Sie hielten sich auch nicht an die Bestimmungen, wo ein solches Verhör stattzufinden hatte. Sie zogen falsche Zeugenaussagen herbei, um in ihren gemachten Vorurteilen bestärkt zu werden und das Todesurteil über Jesus fällen zu können. Durch ihre mündlichen Überlieferungen der Väter, die nicht von Gott stammten, sondern von Menschen, pervertierten sie den gesunden Glauben und verstiessen gegen die göttlichen Gebote. Ihre völlig entartete Religion führte schliesslich dazu, dass sie ihren verheissenen Messias zu Tode brachten.

Verachtende Heuchelei
Diese Form der Heuchelei ist unter Christen heute ebenso verbreitet wie damals unter den Pharisäern. Wenn Jesus heute seine Gemeinde besuchen würde, gäbe es einige Christen, die er aus denselben Gründen als Heuchler bezeichnen würde, mit denen er die Pharisäer anklagte. Zum Beispiel ist die Lehre des Neuen Testaments über die Einheit der Gläubigen und die gegenseitige christliche Liebe klar und unmissverständlich (Joh 17,20-21; 15,12; 1Kor 1,10; Kap. 13). Johannes hat die Bedeutung dieser göttlichen Erwartungen ganz einfach ausgedrückt (1Joh 3,14-16): „Wir wissen, dass wir aus dem Tod ins Leben hinübergeschritten sind, denn wir lieben einander. Wer nicht liebt, bleibt im Tod. Jeder, der seinen Bruder hasst, ist ein Mörder; und ihr wisst, dass in einem Mörder das ewige Leben nicht bleibt. Daran haben wir erkannt, dass er sein Leben für uns eingesetzt hat. Auch wir sind verpflichtet, das Leben einzusetzen für die Brüder.“

Dennoch finden engagierte Christen, die sich der Bibel und dem Heiligen Geist verschrieben haben, oft genügend Rechtfertigungen dafür, andere Gläubige, mit denen sie nicht übereinstimmen, herunterzumachen, zu verachten und sich von der Gemeinschaft mit ihnen zu entziehen. Bibelstellen wie Römer 14 werden völlig ignoriert. Manchmal werden Glaubensgeschwister sogar auf perfide Art und Weise, wie das die Welt kennt,  öffentlich angeschuldigt und verleumdet (Jak 4,11-12). Bissige Anklagen werden gedruckt und in Umlauf gebracht. Vertrauliche Angelegenheiten werden mündlich weitergegeben, was zu Klatsch und verzerrten Halbwahrheiten führt. In einem solchen Umfeld wird die Agape-Liebe im Keim erstickt und es entsteh ein Machtkampf, wo sich Gläubige wie Feinde bekämpfen. Jakobus warnt (Jak 5,9): „Beklagt euch nicht übereinander, liebe Brüder und Schwestern, damit ihr nicht ins Gericht kommt!“

Paulus ermahnt die Galater (Gal 5,15): „Wenn ihr einander aber beissen und fressen wollt, dann seht zu, dass ihr euch nicht gegenseitig verschlingt!“ Statt sich gegen den wahren Feind zusammen zu tun und gemeinsam für das Gute zu kämpfen, entbrennt ein Krieg wie ein Feuer in den eigenen Reihen. Jakobus warnt (Jak 3,5): „Die Zunge ist ein kleines Glied und brüstet sich doch mit grossen Dingen. Seht, wie klein ist das Feuer und wie gross der Wald, den es anzuzünden vermag! Auch die Zunge ist ein Feuer – als die Welt des Unrechts erweist sich die Zunge unter unseren Gliedern: Sie macht den ganzen Leib schmutzig, sie steckt das Rad des Lebens in Brand und wird ihrerseits von der Hölle in Brand gesteckt.“

Schlussfolgerungen
Die Heuchelei der Pharisäer und die heutige Heuchelei muss unterschiedlich verstanden und interpretiert werden. Wenn in der heutigen Zeit Gläubige der Heuchelei bezichtigt werden, dann ist damit oft die menschliche Unfähigkeit gemeint. Jeder Gläubige, der sich ernsthaft um die Frömmigkeit bemüht, bleibt jedoch ein Sünder und kann leicht angeklagt werden (Röm 3,23). Jesus warnt vor dem Richtergeist, indem er sagt (Mt 7,1-5; NGÜ): „Verurteilt niemand, damit auch ihr nicht verurteilt werdet. Denn so, wie ihr über andere urteilt, werdet ihr selbst beurteilt werden. Und mit dem Mass, das ihr bei anderen anlegt, werdet ihr selbst gemessen werden. Wie kommt es, dass du den Splitter im Auge deines Bruders siehst, aber den Balken in deinem eigenen Auge nicht bemerkst? Wie kannst du zu deinem Bruder sagen: Halt still! Ich werde dir den Splitter aus dem Auge ziehen – und dabei sitzt ein Balken in deinem eigenen Auge? Du Heuchler! Zieh zuerst den Balken aus deinem eigenen Auge, dann wirst du klar sehen und kannst den Splitter aus dem Auge deines Bruders ziehen.”