Gleichnis-20: Vom Pharisäer und vom Zöllner

Gleichnisse Jesu

 

 

 Einleitung

Mit welcher Gesinnung sollen wir zu Gott beten?
Im Lukasevangelium finden wir ein Gleichnis das uns die richtige Gesinnung lehrt, die wir beim Beten haben sollen. Dieses Gleichnis richtet sich vor allem gegen jedes angeberische Verhalten in Glaubensangelegenheiten.

Es ist das Gleichnis vom Pharisäer und vom Zöllner: Lukas 18,9-14.
Dieses Beispiel von den zwei betenden Männern, bringt eine Reihe von Gegensätzen. Während der eine auf der obersten Sprosse der sozialen Leiter stand, befand sich der andere auf der untersten. Der eine war geachtet und geehrt, der andere ein Ausgestossener, ein Verräter und Räuber. Eigentlich ist es erstaunlich, dass Jesus es wagte, diese zwei Männer miteinander zu vergleichen.

 

 I.   Das Gebet des Pharisäers

Warum erzählte Jesus überhaupt dieses Gleichnis?
Er erzählte es denen (Vers 9!), „die sich selbst zutrauten, gerecht zu sein.“ Damit sind die Pharisäer (religiöse Gruppe bei den Juden) gemeint. Die Pharisäer hielten sich nämlich für gerecht und verachteten die übrigen sündhaften Menschen. Auch Paulus, der selbst einmal ein Pharisäer war, betrachtete die Heiden als:

- Hunde (Mt 7,6),

- Vorhaut (Eph 2,11),

- Finsternis (Eph 5,8),

- Gottlose (Spr 15,9).

Der Pharisäer im ersten Jahrhundert war ein äusserst religiöser Mensch. Er hielt sich strikt an das Gesetz und distanzierte sich von der Welt. Leider hielt er sich auch an die Überlieferungen seiner Vorgänger, d. h. an Menschenlehren (Talmud). Im Alltag eines Pharisäers gab es zusätzlich zum Gesetz Mose noch viele andere Reinheitsvorschriften, die er pedantisch genau einhielt. Der überzeugte Pharisäer war ein Mensch mit grosser Selbstkasteiung und Disziplin. Trotz all diesen eifrigen Bemühungen, verurteilte Jesus die Pharisäer.

In diesem Gleichnis beschreibt Jesus sehr treffend einen solchen Pharisäer. Um die vorgeschriebenen täglichen Gebetszeiten genau einzuhalten erscheint der beschriebene Pharisäer sehr wahrscheinlich bereits das dritte Mal im Tempel. Eigentlich geht er gar nicht in den Tempel, um Gott anzubeten, sondern weil er mit sich selbst betet. Denn der Mittelpunkt seines Gebets ist sein grosses Ich. Mit seinen Gedanken ist er nur damit beschäftigt, was er geleistet und wovon er sich enthalten hat. Dabei ist er sehr stolz auf sich selbst! Er ist sicher, dass er sich damit den Himmel verdient hat. Deshalb zählt er in seiner Selbstzufriedenheit und Selbstgerechtigkeit all die Dinge auf, die ihn so sehr von Zöllnern und Sündern unterscheidet:

- Er hat niemand bestohlen.

- Er hat sich andern gegenüber immer korrekt verhalten.

- Er ist kein Ehebrecher im Gegensatz zum Zöllner.

- Er fastet zweimal wöchentlich und gibt den Zehnten von allem was er hat.

Mit andern Worten bekennt er sich vor Gott als einen tief gläubigen und gerechten Menschen. Bestimmt hat es ihm nicht an der leiblichen Hingabe gefehlt. Zweimaliges Fasten pro Woche war weit mehr, als vorgeschrieben. Der grosse Versöhnungstag war die einzige Gelegenheit im Jahr an dem nach dem Gesetz gefastet werden sollte. Doch sein Fasten ist eine falsche Frömmigkeit, das Gott von ihm gar nicht verlangt: Jesaja 58,1-6. Gott klagt sein Volk durch die Worte Jesajas an! Sie benehmen sich wie ein Volk das Gerechtigkeit übt und Gottes Gebote einhalten will. Sie kommen täglich in den Tempel um zu beten und geben damit vor, fromm und gottesfürchtig zu sein. Wenn sie fasten, dann färben sie sich das Gesicht weiss und erscheinen in unordentlichen Kleidern, um ihre Frömmigkeit allen Menschen kundzutun (Mt 6,16). Doch an all diesen äusserlichen Demonstrationen hat Gott kein Wohlgefallen.

Was will denn der Herr (Mt 9,13)?
Der Herr will, dass wir ihm mit ganzem Herzen dienen! Er möchte auch, dass wir unsere Mitmenschen lieben und ihnen helfend beistehen. Er verlangt keine äusserliche Frömmigkeit (Lukas 16,15). Es hat beim Pharisäer auch nicht an der Bereitschaft gefehlt, den üblichen Zehnten zu entrichten. Im Gegenteil! Dieser Pharisäer gab den Leviten nicht nur den Zehnten aller landwirtschaftlichen Erzeugnisse (Num 18,21; Dtn 14,22), sondern er gab den Zehnten von allem, was er besass, d. h. auch von Dingen, die nach dem Gesetz frei vom Zehnten waren. So konnte er auch damit prahlen. Jesus verurteilt diese Hingabe als einseitig: Matthäus 23,23.

Warum sagt das Jesus?
Weil der Pharisäer alles tut, weil er muss, nicht weil er will. Durch seine vielen guten Werke kommt er sich so gerecht vor, dass er Gott gar nicht mehr braucht.

Das Gleichnis vom Pharisäer ist ein gutes Beispiel, wie man trotz aller Religiosität völlig am Ziel vorbeigehen kann. Von seinen Mitmenschen getrennt und von Gott getrennt ging sein Gebet nicht weiter als bis zum Dach des Tempels. In einem andern Gleichnis macht Jesus eine sehr harte Aussage gegenüber den Juden, indem er ihnen sagt: „Die Zöllner und die Dirnen kommen vor euch in das Reich Gottes.“

 

 II. Das Gebet des Zöllners

Wie ganz anders ist doch die Gesinnung des Zöllners.
Er hielt sich weit abseits und wagte es nicht einmal, seine Augen emporzurichten (Gen 4,7). Seit Jahren hat er den Tempel nicht betreten, und jetzt ist er nicht gekommen, um eine Schau abzuziehen. Er weiss, dass er mit Gott in Schwierigkeiten steht und braucht jetzt Hilfe. Er will sein Leben nun endlich ändern und sich Gott nahen, aber er schämt sich seiner Sünden. Es treibt ihn zu Gott, aber er ist nicht sicher, dass Gott ihn überhaupt erhören wird. Was sollte er Gott bloss sagen? Was? Wie konnte er dem Herrn bloss erklären, dass es ihm leid tat für all das was er getan hatte.

Schliesslich schlug er sich an seine Brust und sagte (V. 13): „O Gott, sei mir Sünder gnädig!“ Im Griechischen steht vor dem Wort „Sünder“ ein Artikel. Er sieht sich nicht als ein Sünder unter vielen, sondern er bittet den Herrn ihm als „dem Sünder“ gnädig zu sein. Sein Gebet besteht nur aus wenigen Worten, aber es trifft den Kern der Sache und ist durch und durch wahr.

 

 III. Was uns das Gleichnis über das Gebet lehrt

Dieses Gleichnis will uns unmissverständlich etwas über die richtige Gesinnung beim Beten lehren. Wer stolz ist, kann nicht richtig beten! Der Pharisäer, der in den Augen Gottes genauso sündhaft war wie der Zöllner, verliess ohne Vergebung zu erfahren die Gegenwart Gottes. Er ging mit demselben stolzen und toten Herzen nach Hause, das er schon vorher hatte.

Gott widersteht allen Hochmütigen.

Jakobus 4,6b-10: „Deshalb heisst es: Gott widersetzt sich den Hochmütigen, den Demütigen aber schenkt er seine Gnade. Ordnet euch also Gott unter und widersteht dem Teufel, so wird er vor euch fliehen! Naht euch Gott, und er wird sich euch nahen! Reinigt eure Hände, ihr Sünder, und läutert eure Herzen, ihr Zweifler! Wehklagt nur und trauert und weint! Euer Lachen verwandle sich in Klage und eure Freude in Kummer! 10 Erniedrigt euch vor dem Herrn, und er wird euch erhöhen.“

Wer ist der Hochmütige, wenn nicht der, der sich gerechter und besser vorkommt als alle anderen Menschen! Unser Hochmut lässt sich daran messen, wie gross unsere eigene Gerechtigkeit und Selbstgefälligkeit ist! Deshalb ruft Gottes Wort uns alle auf, die Hände zu reinigen von aller Sünde. Damit sind jedoch nicht die äusseren Zeremonialwaschungen gemeint, für die die Pharisäer so viel Zeit aufwandten.

Schon Jesaja rief das Volk Israel zur inneren Reinigung auf.

Jesaja 1,16-17: „Wascht euch, reinigt euch! Schafft mir eure bösen Taten aus den Augen! Hört auf, Böses zu tun! Lernt Gutes tun, sucht das Recht, weist den, der unterdrückt, in seine Schranken! Verschafft der Waise Recht, führt den Rechtsstreit für die Witwe!“

Die Gläubigen sollten ihre Herzen reinigen lassen! Dies hätten sich die Priester bevor sie ihren Dienst am Heiligtum antraten durch die äussere Waschung immer vor Augen halten sollen.

Wer seine Mitmenschen verachtet, kann nicht richtig beten!
Es ist eine billige Methode, durch die Herabsetzung anderer den Wert seiner eigenen Person zu erhöhen. Gott sagt uns durch sein Wort, dass keiner gerecht ist, sondern alle Menschen Gottes Gnade nötig haben (Röm 3,10-12.23-24). Erst wenn auch wir unser Elend durch die Sünden, die wir begangen haben, erkennen, können wir echte Traurigkeit haben und Busse tun!

Das Gleichnis wäre nun völlig falsch verstanden, wenn wir meinten, dass Jesus sich lieber mit den Menschen auf der Gasse abgibt, als mit hochmütigen Gläubigen. Jesus will auch nichts mit Unzüchtigen, Alkoholikern, Betrügern, Arbeitsver-weigerern und Gammlern zu tun haben! Jesus verachtet den ausschweifenden sündhaften Lebensstil genauso wie die Gerechtigkeit der Pharisäer. Weil jeder sich selbst am besten kennt, sollte sich niemand besser vorkommen als die Andern, sonst verfallen wir dem selben Fehler wie der Pharisäer im Gleichnis.

Paulus bezeichnete sich als Fehlgeburt, weil er vor seiner Bekehrung die Gemeinde verfolgt hatte: 1. Korinther 15,8-10. Auch wir sind schuld am Tod Jesu, weil wir alle gesündigt haben, egal was für einen sozialen und geistlichen Stand wir besitzen. Wenn es heisst, dass das was vor der Welt verachtet ist, Gott erwählt hat, (1. Kor. 1,19-31), dann ist damit der einsichtige Mensch gemeint, der Busse tat.

Die Lektion dieses Gleichnisses lautet (Lk 18,14): „Jeder, der sich selbst erhöht, wird erniedrigt werden; wer sich aber selbst erniedrigt, wird erhöht werden.“ Es darf keines falls übersehen werden, dass der Zöllner Gott fern lebte und den Tempel von innen wahrscheinlich zum ersten Mal sah, aber das sollte sich von nun an ändern. Denn der Zöllner meinte wirklich was er betete und war bereit von nun an sein Leben grundsätzlich zu verändern und ganz Gott zu übergeben. Er wollte von den regelmässigen Versammlungen nicht mehr länger fernbleiben, sondern sich endlich belehren lassen in aller Demut.

 

  Schlussfolgerungen

Wir lernen also aus diesem Gleichnis in Lukas 18 zwei grosse Lektionen:

Erstens: Die richtige Gesinnung beim Beten ist äusserst entscheidend. Wer mit einer stolzen, selbstgerechten und menschenverachtenden Gesinnung betet wie der Pharisäer, der wird von Gott nicht erhört werden. Der Mensch neigt dazu, immer die andern zu verurteilen, statt seine eigenen Mängel zu erkennen und an sich zu arbeiten. Weil jeder sich selbst am besten kennt, sollte sich niemand besser vorkommen als die Andern, sonst verfallen wir dem selben Fehler wie der Pharisäer.

Zweitens: Jesus will auch keine Gemeinschaft mit Menschen auf der Gasse haben! Alle Menschen, ob reich oder arm werden vor Gott gleich behandelt. Das wäre ja ungerecht, wenn Jesus nun die Unzüchtigen, Alkoholiker, Betrüger, Arbeitsverweigerer und Gammler in irgendeiner Weise bevorzugt. Wenn jedoch auch diese Gruppe von Menschen bereit ist ihr Leben dem Herrn zu übergeben, dann soll es kein Hinderungsgrund zur Gemeinschaft geben.

Auch wir wollen die Lenden unserer Sinne umgürten, wie es heisst und unsere Situation nicht ausnutzen.

1. Petrus 1,13-16: „Darum umgürtet die Hüften eurer Vernunft, seid nüchtern und hofft ganz und gar auf die Gnade, die auf euch zukommt bei der Offenbarung Jesu Christi! 14 Als Kinder des Gehorsams lasst euch nicht von den Begierden leiten, die euch früher, als ihr noch unwissend wart, beherrscht haben, 15 sondern entsprecht dem Heiligen, der euch berufen hat, und werdet selbst Heilige in eurem ganzen Lebenswandel; 16 denn es steht geschrieben: Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig.

Jesus liebt weder den religiösen Formalismus und die äusserliche Frömmigkeit, noch den uneinsichtigen und vergammelten Sünder auf der Gasse! Gott will, dass alle Menschen Busse tun (2 Tim 2,4) und sich Ihm von ganzem Herzen nähern im Gebet und sich IHM hingeben!