Epheser-03: Werdet erfüllt mit der ganzen Fülle

Das Haupt der Gemeinde ist Christus

 

 I.   Kapitel 3,1-13: Die Heiden sind Miterben der Verheissung

Vers 1 (NGÜ): „Deshalb bete ich, Paulus, für euch zu Gott. Ich bin im Gefängnis, weil ich Jesus Christus diene. Für euch, die Menschen aus den anderen Völkern, leide ich dies alles.“

Mit dem Wort „Deshalb“ verbindet Paulus hier zwei Gedanken: Er verbindet das Gesagte mit dem, was in den kommenden Versen folgt. Er macht damit einen langen Einschub (Verse 2-13) und fährt mit den Gedanken erst wieder in Vers 14 fort.

In was sind all seine Gedanken eingepackt? Seine Gedanken sind in ein einziges Gebet eingepackt (siehe GN!). Dieses Gebet beginnt schon in Kapitel 1,15.

Warum ist Paulus im Gefängnis? Weil er das Geheimnis Gottes verkündigt! Die Juden liessen es nicht zu, dass Paulus das Geheimnis Gottes verkündigte und sorgten dafür, dass er ins Gefängnis kam. Was beinhaltet denn dieses Geheimnis Gottes? Es beinhaltet, dass auch die Heiden Miterben der himmlischen Verheissungen sind: Vers 6. Juden und Heiden bilden vor Gott eine neue Menschheitsrasse (= revolutionärer Gedanke, der ein neues Weltbild schafft): das geistliche Volk Israel (Röm. 11), einen neuen Menschen (2,15), Christus ist das Haupt dieses Leibes; seiner Volksgemeinde! (1,22). Selbstverständlich beinhaltet das Geheimnis Gottes noch viel mehr als das. Es wäre falsch, das Geheimnis Gottes nur auf diese erwähnte Tatsache zu beschränken. Das ganze Evangelium Christi, inklusiv das Alte und Neue Testament, gehören zu diesem offenbarten Geheimnis.

Als Paulus diesen Brief schrieb, befand er sich als Gefangener in Rom und wartete darauf, dass ihm von Nero der Prozess gemacht würde. Wir haben festgestellt, dass Paulus als Gefangener gewisse Vorrechte besass (Apg. 28,16-31): Er durfte sich in einer selbstgemieteten Wohnung aufhalten. Er durfte dort das Evangelium verkündigen. Trotzdem war Paulus ein Gefangener, der tagaus, tagein und selbst nachtsüber, mit einer Kette am Handgelenk, an einen römischen Soldaten gefesselt war, der ihn bewachte und dafür sorgen musste, dass er nicht entkam: Epheser 6,20.

Paulus betrachtet sich nicht so sehr als ein Gefangener Roms oder Neros. Er litt um Christi willen und war deshalb „der Gefangene Christi“ (siehe auch in 4,1; „der Gefangene im Herrn“). Ein solche Lebenssituation kann von zwei Seiten betrachtet werden: Entweder kann man sich als unglückliches, missbrauchtes Opfer selbst bemitleiden (= als Strafe sehen). Oder man kann sich als Vorkämpfer einer guten Sache betrachten (= als Vorrecht betrachten, wie Paulus das tat, siehe auch Apg. 16,25): 1. Petrus 4,12-16.

Lektion: Auch wir werden zur Nachfolge Christi und zur Nachfolge des Paulus aufgerufen: Philipper 1,29-30.

Verse 2-9 (NGÜ): „Ihr habt gehört, wie Gott mich für seinen Plan in Dienst genommen und mir den Auftrag gegeben hat, die Gute Nachricht euch, den Nichtjuden, zu verkünden. Durch Offenbarung hat er mir das Geheimnis enthüllt, von dem ich soeben schon in Kürze gesprochen habe. Wenn dieser Brief bei euch vorgelesen wird, könnt ihr aus ihm entnehmen, welch tiefe Einsicht Gott mir geschenkt hat - Einsicht in den geheimnisvollen Plan, den er mit Christus verfolgt. Frühere Generationen kannten dieses Geheimnis noch nicht; aber jetzt hat Gott es seinen Aposteln und Propheten durch seinen Geist enthüllt. Dies ist das Geheimnis: Durch Jesus Christus bekommen die nichtjüdischen Völker Anteil am Heil, sind ein Teil am Leib von Christus, sind mit einbezogen in die Zusagen Gottes für sein Volk. Dies wird öffentlich bekannt gemacht und kommt zur Wirkung durch die Gute Nachricht, in deren Dienst ich stehe. In seiner Gnade hat Gott mir meinen Auftrag gegeben und damit an mir seine Macht gezeigt. Gerade mir, dem Geringsten von allen, die er in sein heiliges Volk berief, hat er diesen Auftrag anvertraut, den anderen Völkern die Gute Nachricht von dem unergründlichen Reichtum zu bringen, der uns durch Christus geschenkt wird. Ich sollte ans Licht bringen, wie Gott seinen verborgenen Plan verwirklicht. Er, der alles geschaffen hat, hat diesen Plan vor aller Zeit gefasst und als sein Geheimnis bewahrt.“

Wie wurde dem Paulus das Geheimnis Gottes kund? Durch eine Offenbarung Christi, die ihm eine völlig neue Erkenntnis brachte (das war für die Juden ein Skandal)! Es gibt vier wichtige Bibelabschnitte in der Apostelgeschichte, die uns über Paulus und seine Berufung mehr Aufschluss geben (siehe „Das Leben des Paulus“ L. 1): Saulus als Christenverfolger (Apg. 8). Saulus wird zum Paulus bekehrt (Apg. 9 auf dem Weg nach Damaskus). Paulus als Gefangener in Jerusalem (Apg. 22 berichtet über seinen Auftrag, den er von Christus empfangen hatte). Paulus als Gefangener in Cäsarea (in Apg. 26 bezeugt er erneut, dass er der himmlischen Erscheinung gehorsam wurde).

Wem wurde dieses Geheimnis alles offenbar? Den heiligen Aposteln und Propheten (V. 5). Paulus, der sich als „den geringsten unter allen Heiligen“ betrachtet, warum? (Weil er die Christen verfolgte: 1. Kor. 15,9; 1. Tim. 1,13.15). Dieses Geheimnis blieb andern Generationen verborgen: Mt. 13,17; Röm. 16,25; Heb. 11,39-40; 1. Pet. 1,10-12.

Paulus betrachtet sich als einen Menschen mit dreifachem Vorrecht: Das Vorrecht, von Christus begnadet worden zu sein, trotz Verfolgungen. Das Vorrecht, das Geheimnis Gottes empfangen zu haben. Das Vorrecht, dieses Geheimnis der Gemeinde und der ganzen Menschheit zu verkündigen.

Lektion: Auch wir besitzen dieselben Vorrechte, als Nachfolger Christi! Worin besteht Gottes Plan? Gottes Plan besteht darin, dass allen Menschen auf der ganzen Welt das Evangelium verkündet wird. Jeder, der Gottes Plan erkennt, besitzt nicht nur seine Gnade, sondern auch eine grosse Verantwortung, sich an diesem Plan zu beteiligen! Wo soll diese Weisheit Gottes überall kundgetan werden? Allen Menschen auf Erden. Den Gewalten und Mächten in den himmlischen Regionen!

Verse 10-13 (NGÜ): „Jetzt macht er ihn den Mächten und Gewalten in der himmlischen Welt durch seine Gemeinde bekannt: An ihr und durch sie sollen sie seine Weisheit in ihrem ganzen Reichtum erkennen. So entspricht es Gottes ewigem Plan, den er durch Jesus Christus, unseren Herrn, ausgeführt hat. Weil wir uns auf diesen Herrn verlassen, dürfen wir zuversichtlich und vertrauensvoll vor Gott treten. Darum bitte ich euch: Lasst euch nicht irremachen durch das, was ich leiden muss. Es geschieht zu eurem Besten, damit ihr an der Herrlichkeit Anteil bekommt, die für euch bestimmt ist.“

Wie in Kapitel 1,4 (Seite 2) erwähnt, so hatte Gott schon vor der Erschaffung der Welt einen Erlösungsplan, der nun auch den himmlischen Regionen offenbart wurde (Eph. 6,12): Dieser Plan blieb selbst den Engeln verborgen (1. Pet. 1,10-12): Engel sind von Gott erschaffene Wesen (Kol. 1,16). Engel jubelten, als Gott die Erde erschuf (Hiob 38,7). Engel dienen Gott und seinem Sohn (Lk. 1,11-17; 2,13-14; Mt. 4,11; Lk. 22,43). Dieses Geheimnis wurde der gesamten himmlischen „Welt“ offenbar (auch Satan und seinen Engeln!) und beinhaltet folgendes: Christus ist über alle Macht und Gewalt im Himmel und Erden gesetzt worden: Mt. 28,18; Eph. 1,21; 1. Pet. 3,22. Keine himmlische Welt vermag gläubige Menschen mehr zu scheiden von der Liebe Christi: Röm. 8,38.

Welches Mittel setzt Gott ein, um dieses offenbarte Geheimnis im Himmel und auf Erden kundzutun? Wir haben schon erwähnt, dass Paulus, die Apostel und Propheten das Geheimnis verkündigen. Das Mittel ist die Gemeinde! (Zürcherübersetzung, „durch die Kirche“).

Der Höhepunkt dieses Geheimnisses liegt in der Gemeinde Jesu! Leider ist sich die Menschheit der ungeheuer wichtigen Bedeutung der Gemeinde zu wenig bewusst. Das Licht der Gemeinde verlöscht immer mehr in der Welt. Viele künstliche Lichter scheinen und verfälschen Christus und seine Gemeinde (= Neonlichter). Die Gemeinde ist der Abglanz Christi! Christus hat sich die Gemeinde teuer erkauft durch sein Blut: Apg. 20,28; Eph. 5,25; 1. Kor. 6,20; 1. Pet. 1,18-19. Die Gemeinde bezeugt der Welt Christi Tod und Auferstehung (1. Kor. 15,1-6). Die Gemeinde verkündet die himmlische Herrschaft Christi (Apg. 2,32-35; 1. Kor. 11,26). Die Gemeinde ist das Herz, der „mannigfaltigen Weisheit Gottes“ (Sinn und Zweck des Heilsplans Gottes).

Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft: Gott hat uns in Christus erwählt, vor Grundlegung der Welt (Eph. 1,4). Gottes Weisheit wird nun durch die Gemeinde im Himmel und auf Erden kundgetan (Eph. 3,10). Gott wird an uns, in den kommenden Zeiten, den überschwänglichen Reichtum seiner Gnade durch Jesus Christus, erweisen (Eph. 2,7).

Wir dürfen uns auf Gottes Versprechen verlassen! Gott gibt uns keinen Anlass zum Misstrauen, sondern da steckt eine feste Zuversicht dahinter. Durch den Glauben an Christus, haben wir den Zutritt zum himmlischen Zion (Heb. 12,22-23). Da wird es keine erste oder zweite Bürgerschaftsklasse mehr geben!

Des Paulus Wunsch ist es nun, dass die Epheser seinetwegen nicht etwa mutlos werden, sondern vielmehr ihre Ehre darin erkennen, denn gerne leidet er als Gefangener, um ihrer und um Christi Willen.

 

 II.   Kapitel 3,14-21: Werdet erfüllt mit der ganzen Fülle

Verse 14-19 (NGÜ): „Deshalb knie ich vor Gott nieder und bete zu ihm. Er ist der Vater, der alle Wesen in der himmlischen und in der irdischen Welt beim Namen gerufen hat und am Leben erhält. Ich bitte ihn, dass er euch aus dem Reichtum seiner Herrlichkeit beschenkt und euch durch seinen Geist innerlich stark macht. Ich bitte ihn, dass Christus durch den Glauben in euch lebt und ihr fest in seiner Liebe wurzelt und auf sie gegründet seid. Ich bitte ihn, dass ihr zusammen mit der ganzen Gemeinschaft der Glaubenden begreifen lernt, wie unermesslich reich euch Gott beschenkt. Ihr sollt die Liebe erkennen, die Christus zu uns hat und die alle Erkenntnis übersteigt. So werdet ihr immer umfassender Anteil bekommen an der ganzen Fülle des Lebens mit Gott.“

Gott ist der Vater und Schöpfer allen Lebens, vor dem Paulus ehrfurchtsvoll niederkniet. Schon im Alten Testament wurde kniend gebetet. Salomon kniete nieder, als der Tempel eingeweiht wurde (1. Kön. 8,54). Oft standen aber die Juden, wenn sie im Tempel beteten (Mt. 6,5; Lk. 18,11-13). Im Neuen Testament wird mehrmals auf kniendes Beten hingewiesen. Jesus kniete nieder, im Garten Gethsemane (Lk. 22,41). Petrus auferweckte die Dorkas (Apg. 9,40). Paulus verabschiedete sich von den Ältesten in Ephesus (Apg. 20,36; 21,5). Paulus lehrte aber auch das Beten, durch Hände hochhalten (1. Tim. 2,8). Wichtig ist bei jeder Form des Betens, dass wir unserem Gottvater als Schöpfer des Lebens, alle Ehre und allen Respekt zukommen lassen! Paulus adressiert hier den Vater, nicht den Sohn! Der Sohn, Jesus Christus, ist unser Vermittler zum Vater (Joh. 16,23).

Paulus bittet den himmlischen Vater, auf den Knien, dass die Gemeinde mit der Herrlichkeit Gottes reichlich beschenkt werde, dass die Gemeinde im Geist innerlich stark werde.

Hier knüpft Paulus wieder an Vers 1, wo er mit dem Gedanken der Fürbitte begann, aber dann abschweifte und einen Einschub machte. Mit den erwähnten Merkmalen (= Glaube und Liebe) wiederholt er sich, da er sie schon in Kapitel 1,15-16 gebrauchte. Sein ganzer Brief wird damit zu einem einzigen Segensgebet für die Gemeinde. Damit weist Paulus darauf hin, dass jeder Gedanke im christlichen Leben mit einem Gebet beginnt.

Wie wird die Gemeinde innerlich gestärkt? Indem Christus in jedem Gemeindeglied wohnt (κατοικέω). Dieses Wohnen bedeutet dauernd und nicht bloss vorübergehend, wie ein Gast in einem Hotel. Das Geheimnis unserer Stärke ist der Sohn Gottes, der in uns lebt und gegenwärtig ist: Röm. 8,9-11; Joh. 14,23.

Wie kann Gottes Gegenwart in uns erkannt werden? Durch den Glauben an Jesus Christus und seine Verheissungen. Durch Christi Liebe, die in uns lebt und wir mit allen Heiligen pflegen. Es gibt kein grösseres Zeugnis für die Gemeinde in der Welt, als die Liebe. Bsp. In Amerika musste ich oft stundenlang durch das Land fahren, bis ich schliesslich an einem kleinen Ort ankam, wo ich mit den Leitern über die Gemeindearbeit in St. Gallen redete. Manchmal kam ich an einem Ort an und fand das Gemeindegebäude einfach nicht. Oft fragte ich dann Leute auf der Strasse, oder an der Tankstelle um eine Wegbeschreibung. Es kam oft genug vor, dass die Leute keine Ahnung hatten, von einer Gemeinde Christi in der Gegend. Ich wünschte, jemand hätte mir folgende Auskunft gegeben: „Ja, ich weiss wo das ist. Dort hinter dem Hügel trifft sich eine Gruppe wunderbarer Christen, die in der ganzen Gegend bekannt sind für ihre Liebe. Ich weiss nicht, wie die Gemeinde heisst, aber gehört habe ich schon oft von ihnen. Fahren Sie einfach gerade aus, bis zur nächsten Kreuzung …“

Verse 20-21 (NGÜ): „Gott kann unendlich viel mehr an uns tun, als wir jemals von ihm erbitten oder uns ausdenken können. So mächtig ist die Kraft, mit der er in uns wirkt. Ihm gehört die Ehre in der Gemeinde und durch Jesus Christus in allen Generationen, für Zeit und Ewigkeit! Amen.“

Das Gebet des Paulus gipfelt in der Superlative (Röm. 11,33-36; Offb. 7,12). Paulus preist Gott in der höchsten Form und mutet ihm viel mehr zu, als wir uns je von ihm erbitten oder erahnen können. Durch die Zusammenkunft der örtlichen Gemeinde wird Gott in der Welt geehrt. Darum, lasst uns ihm die Ehre geben, denn ihm allein gebührt auch Ehre!