Matthäus-18: Umgang mit Schwächeren

Jesus, der König

 

 

 Kapitel 18,1-5: Die richtige Haltung als Bürger im Reich Gottes

Vers 1: Offensichtlich haben die Jünger immer noch nicht verstanden, um was es im Reich Gottes geht. Siehe Parallelstelle: Markus 9,33-37. Jesus befindet sich immer noch in Kapernaum (Mt 17,24). Vermutlich befindet er sich im Haus, wo er sich öfters aufhielt (Mk 1,29).

Was bewirkte Jesus für eine Reaktion der Jünger mit dieser Frage? Ein Bewusstsein über ihre Haltung. Sie dachten nach, weil sie beschämt waren (Mk 9,34). Im Matthäus werden wir später von der Mutter der Söhne des Zebedäus lesen (Mt 20,20-28). Auch sie hatte nicht erkannt, dass es im Reich Gottes ganz anders zu- und her geht als in der Welt. In der Welt ist der, welcher bedient wird, der Grösste. Im Reich Gottes aber ist der, welcher am besten dient, der Grösste: Mt 20,25-28.

Vers 2: Jesus kannte die menschlichen Gedanken seiner Jünger und deshalb versuchte er sie zu belehren, indem er ein Kind neben sich stellte.

Warum stellt Jesus ein Kind als Vorbild hin?
Weil ein Kind demütig ist und erkennt, dass es kleiner ist als die andern. Weil ein Kind bereit ist, umzukehren und abzulassen vom Bösen, wenn es richtig angeleitet wird. Kinder sind es, denen das Reich Gottes gehören wird: Mt 19,13-14.

„Selig sind die geistlich Armen; denn ihrer ist das Reich der Himmel“ (5,3).

„Selig sind die Sanftmütigen; denn sie werden das Land besitzen“ (5,5).

Vers 3: Jesus ruft alle Nachfolger zur selben Haltung auf, umzukehren und wie die Kinder zu werden. Nicht unmündig im Denken wie die Kinder, sondern in der Bosheit unmündig: 1Kor 14,20; 1Joh 2,12. Nicht sich selbst für klug (Besserwisser) und gross haltend: Römer 12,16-17. Es steht allein in Gottes Hand, uns gross zu machen: 1Chr 29,12. Der Kleinste im Reich der Himmel wird grösser sein als Johannes der Täufer: Mt 11,11.

Warum ist Jesus der Grösste im Reich Gottes?

- Weil er sich am meisten erniedrigte: Phil 2,5-11 (Hebr 2,7-8).

- Weil er dem Vater selbst in Todesleiden gehorchte und das annahm, was Gott ihm gab: Hebr 5,7-10 (Mt 26,39).

- Weil er nicht auf dem hohen Ross, sondern auf einem Esel kam (Mt 21,5-7).

Demut bedeutet, sich unter die Führung Gottes zu stellen und nicht seinen eigenen Willen durchzudrücken. Gott belohnt die Demütigen: Sprüche 22,4. Gott schenkt seine Gnade nur den Demütigen: 1. Petrus 5,5b-6.

Aus verschiedenen Stellen geht hervor, dass Gott mit Hochmütigen nichts anzufangen weiss: Sprüche 15,32-33; 16,5; 16,18-19; Jakobus 4,1-10.

Vers 4: Wie erniedrigen wir uns wie die Kinder?

- Indem wir Verlangen tragen nach der unverfälschten Milch: 1Petr 2,2.

- Indem wir unser ganzes Leben Jünger d.h. Lernende bleiben: Ps 119,155.

- Indem wir unsere Sünden einsehen und bereuen und uns vor dem Herrn demütigen (wie Jak 4 gelesen): Psalm 51,10-13.

- Indem wir formbar bleiben wie eine weiche Tonmasse (2Tim 2,14-21).

Vers 5: Die Betonung liegt hier in „um meines Namens willen ...“
Alles was wir tun, sollen wir im Namen Jesu tun, damit wir uns so Schätze im Himmel sammeln: Kol 3,17. Wir wollen zu Vorbildern in der Gemeinde heranwachsen: 1Thess 1,11-12. Wir wollen einander dienen, so dass sich niemand benachteiligt vorkommt: 1Kor 12,21-24. Wie wir Gottes Kinder behandeln, so behandeln wir Jesus: Mt 25,40.46; Apg 9,4-5.

Vers 6: Wer ist mit den Kleinen gemeint? Es könnten junge Christen, d.h. Neubekehrte gemeint sein. Da Jesus aber in Vers 2 von Kindern spricht und dieser Abschnitt zusammengehört, könnten auch kleine Kinder darunter verstanden werden.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang das Wort „Anstoss“ (skandalon): Jesus will seinen Jüngern zu verstehen geben, dass sie einander mit Liebe und Respekt behandeln sollen (wie in Mt 25 gelesen). Wir sind immer Vorbilder in unserem Umfeld, entweder zum Guten oder zum Schlechten. Wer sein Kind nicht richtig erzieht, macht sich vor Gott strafbar wie Eli (1Sam 3,13; Spr 22,6; Dtn 6,7). Wer einen Bruder oder Schwester in irgendeiner Sache zur Sünde verleitet, der soll in die Tiefe des Meeres verdammt werden (Mühlstein um den Hals ist eine fürchterliche Todesstrafe).

Wir werden aufgerufen, einander zu tragen und füreinander Sorge zu tragen: Römer 14,13-15.21; 15,1-3; 1Kor 8,9-13; 10,32-33.

Vers 7: Verführungen und Versuchungen wird es immer geben! Die Erprobung unseres Glaubens macht uns stark: Jak 1,2-4.12. Die vielen Versuchungen läutern uns wie kostbares Gold: 1Petr 1,6-7. Niemand wird über sein Vermögen versucht: 1Kor 10,13; 2Petr 2,9; Hiob 1,12.

Verse 8-9: Meint Jesus Selbstzerstümmelung? Nein! Man kann auch ohne Augen und ohne Hände lüstern sein. Es geht hier um eine symbolische Sprache, die Jesus anwendet. Jesus betont, dass das ewige Leben viel kostbarer ist als das jetzige! Wichtig ist, dass wir das ewige Leben ererben: Röm 12,1-2.

Vers 10: Hat jeder Mensch seinen Schutzengel? Nein! Sind mit den Gottessöhnen in Genesis 6,2 Engel gemeint? Mit den Gottessöhnen sind die Nachkommen Seths gemeint (5,3ff.), der auf der messianischen Linie steht. Die Töchter der Menschen sind die Nachkommen Kains, die ihren Untergang in der Sintflut fanden. Die Gläubigen damals glaubten, dass Petrus einen Engel hatte: Apg 12,15.

Obschon wir in der Bibel keine Unterstützung finden, dass jeder Mensch seinen persönlichen Schutzengel hat, so haben Engel Gottes den Auftrag, uns Gläubigen auf Erden zu dienen und uns zu beschützen: Hebr 1,14. Jesus hatte Schutzengel: Psalm 91,11-12 (Mt. 4,6). Gläubige haben Schutzengel: Psalm 34,8. Lazarus wurde von Engeln ins Paradies getragen: Lk 16,22. Die Engel spielen im Endgericht eine grosse Rolle: Mt 13,40-42.49 (1Thess 4,16).

Die „Kleinen“ sind dem Himmel sehr kostbar, trotzdem gibt es in der heutigen Zeit keine Engel mehr, die uns erscheinen wie dem Kornelius und zu uns sprechen (Apg 10,1-8). Passt auf, wenn ihr die Kleinen verachtet, denn im Himmel zählen sie viel und haben göttlichen Beistand!

 

 Kapitel 18,12-14: Gleichnis vom verlorenen Schaf

Jesus stellt in unserem Abschnitt zu Beginn eine Frage: „Was meint ihr?“ Auch in Kapitel 17,25 fragte Jesus Simon Petrus: „Was meinst du, Simon?“ Schon in Kapitel 16,15 fragte Jesus die Jünger: „Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“ Jesus will mit diesen Fragen die Jünger zum Mit- und Nachdenken anregen.

In Kapitel 15 des Lukasevangeliums erzählt Jesus das Gleichnis vom verlorenen Schaf, zusammen mit zwei ähnlichen Gleichnissen. Die drei Gleichnisse enthalten alle eine ähnliche Lektion: Gottes Haltung zum Verlorenen.

- Gleichnis vom Schaf: Jesus ist der beste Hirt, der für alle seine Schafe sorgt.

- Gleichnis vom Drachmen: Kein Aufwand ist zu gross, um das Verlorene zu finden.

- Gleichnis vom Sohn: Der Vater freut sich über jeden Sohn, der reumütig nach Hause zurückkommt.

Was gibt es für Gründe, warum Gläubige verlorengehen?

- Es gibt Gläubige, die langsam immer mehr vom Weg der Wahrheit abkommen bis sie sich verlaufen.

- Es gibt Gläubige, die manchmal plötzlich verlorengehen, wie ein Geldstück.

- Es gibt Gläubige, die undankbar der Gemeinde den Rücken zukehren und meinen, dass sie in der Welt mehr vom Leben haben.

In der Bibel lesen wir von verschiedenen Beispielen von Gläubigen, die aufgaben. Einige Jünger verliessen Jesus: Johannes 6,66. Es gibt Menschen des Augenblicks, die nicht genügend Geduld besitzen, um Wurzeln des Glaubens wachsen zu lassen (Mt 13,21). Es gibt Gläubige, die sich von Prüfungen und Leiden des Lebens so stark ablenken lassen, dass sie vergessen auf Jesus zu schauen (Mt 13,22). Andere lassen sich nach ihrer Bekehrung von Irrlehren verwirren: Gal 1,6-10. Wieder andere haben die erste Liebe verlassen: Offb 2,4-5. Demas liess Paulus im Stich: 2Tim 4,10.

Jesus ist der wahre Hirt, der sein Leben hingibt für die Schafe: Joh 10,1-18. Für Jesus ist kein Berg zu hoch, um dem Verlorenen nachzugehen! Für Jesus ist kein Weg zu anstrengend oder zu gefährlich, um das Verlorene zu retten (1Sam 17,35). Jesus ist bereit, den Himmel zu verlassen, um die Verirrten in der Welt zu suchen: 1Petr 2,25.

Warum ist der gute Hirt zu diesem grossen Aufwand bereit?

- Weil er die Schafe liebhat.

- Weil er jedes verlorene Schaf vermisst.

- Weil er nicht will, dass auch nur ein Schaf verlorengeht (Vers 14, 1Tim 2,4; 2Petr 3,9).

Das ist die Grundhaltung, die Jesus seinen Jüngern und uns beibringen will, wenn es um verlorene Menschenseelen geht. Wir sollen einander beistehen und ermutigen: Hebr 3,12-13. Wir sollen einander zu guten Werken anspornen: Hebr 10,24-25. Wir sollen einander aufrichten und helfen, damit niemand zurückfällt und verlorengeht: Hebr 12,12-17. Wenn jemand sich verhärtet oder Sünde getan hat, dann sollen wir im Geist der Sanftmut einander zur Einsicht führen, indem wir bereit sind die Last des anderen mitzutragen: Galater 6,1-2. Die Freude im Himmel ist gross über jeden Sünder, der umkehrt und zum himmlischen Vater zurückfindet: Lk 15,7.

 

Kapitel 18,15-20: Vom Umgang mit Widerspenstigen

Was ist der Unterschied von diesem Abschnitt zum vorhergehenden? Im Gleichnis vom vorherigen Abschnitt ging es um ein verirrtes Schaf, das der Hirt, als er es fand, problemlos auf seine Schultern lud und heimtrug. Im vorliegenden Abschnitt geht es um ein verirrtes Schaf das widerspenstig ist und nicht heimgeholt werden will. Im ganzen Kapitel 18 wird von der richtigen Haltung zum Verlorenen gesprochen.

Von welcher Art Konflikt wird hier gesprochen?
In der Bergpredigt sprach Jesus davon, was zu tun ist, wenn ein Bruder etwas gegen den andern hat. Bevor wir dabei Gott anbeten, sollen wir zum Bruder hingehen und uns mit ihm versöhnen (Mt 5,23-24). Es ging darum, den Streitigkeiten unter den Geschwistern keinen Nährboden zu geben.

Im vorliegenden Abschnitt erklärt Jesus was zu tun ist, wenn ich etwas gegen meinen Bruder habe. Auch in diesem Fall soll ich hingehen und die Sache so bald als möglich klären, um der Sünde keinen Nährboden zu geben! Es geht um Sünden, welche die Gemeinschaft mit Gott und die Gemeinschaft mit den Glaubensgeschwistern zerstören (1Joh 1,5-7). Sünden die bis zum Ausschluss aus der Gemeinde führen können.

Von was für Sünden kann hier die Rede sein?
Es sind schwerwiegendere Sünden gemeint, mit der sich ein Gläubiger vor Gott schuldig macht:

Z. B. ein Arbeitsverweigerer: 2Thess 3,6-15.
Wer nicht arbeitet, der soll nicht essen. Christen sollen allezeit bereit sein, anderen zu helfen. Wenn er das nicht einsehen will, dann sollen wir uns von der betreffenden Person zurückziehen, damit sie zur Einsicht kommt.

Z. B. ein Unzüchtiger (Blutschänder), Habsüchtiger, Trunkenbold usw.: 1Kor 5,9-13.
In Kapitel 5,1 geht es um einen Sohn, der ein sexuelles Verhältnis mit seiner Mutter hatte und ermahnt werden sollte. Christen haben ihr Leben zur Heiligung und nicht zur Unkeuschheit hingegeben (Röm 6,12-19). Im AT wurde ein Israelit, der seine Volksgenossen zum Götzendienst verführte, getötet: Dtn 13,6-11 (1Joh 5,21).

Wichtig ist zu erkennen, dass jede Sünde die Trennung von Gott zur Folge hat. Es gibt keine Sünde, die zu gross wäre, die der Herr uns nicht vergibt.

- Siehe die Bussfertigkeit des Petrus (Mt 26,69-75).

- Siehe die Unbussfertigkeit des Judas (Mt 27,3,-10).

Es gibt keinen Hinweis in den Schriften, dass es nach einer bestimmten Anzahl von Vergehen keine Vergebung mehr geben kann (Mt 18,21-35). Alles, was wir tun oder resp. unterlassen zu tun, steht in erster Linie im direkten Zusammenhang mit dem Herrn:

- Der Herr kennt unsere Herzen und wird uns richten (Apg 1,24; Hebr 4,12).

- Wer gegen Gottes Kinder vorgeht, der geht gegen Jesus Christus vor:

- Wer den Glaubensgeschwistern etwas Gutes tut, tut es für Christus: Matthäus 25,40 (V. 41-46).

- Wer Christen verfolgt, der verfolgt Christus, Apg 9,1-5.

- Wer sich an Brüdern versündigt, versündigt sich an Christus: 1Kor 8,12.

Es kann sich hier nur um Sünden handeln, in der ein Beteiligter sich verirrt hat (wie das Schaf V. 12) –

und nun uneinsichtig verharrt,

und widerspenstig nicht umkehren will.

Wer soll hingehen und zurechtweisen?
Grundsätzlich ist zu sagen, dass Christen lernen sollen, einander zu lieben und einander möglichst viel Kredit zu geben (gem. 1Kor 13; Röm 13,8-10). Nur dort, wo es sich um wirklich grosse Vergehen handelt, die andere Gläubige anstecken können, muss gehandelt werden (1Kor 5,6-8; 8,12).

Der Handlungsbedarf wird normalerweise von den verantwortlichen Brüdern der Herde ermessen; die geistlich Gesinnten: Galater 6,1-5. Wenn eine Gemeinde Älteste hat, dann tragen sie die Verantwortung als Hirten über die Herde (Apg 20,28-39). Der Evangelist soll sich jedoch nicht scheuen, sogar Älteste, wenn nötig und vor allen, zurechtzuweisen: (1Tim 5,19; 2Tim 4,1-5). Schon im AT wird Liebe und Zurechtweisung geboten: Lev 19,17-18.

In welchen Schritten soll mit einem Widerspenstigen umgegangen werden?

1. Das private Gespräch unter vier Augen: Im Geist der Sanftmut wie erwähnt unter Punkt D. (Gal 6,1-5). Die Glieder werden ermahnt, sich den Verantwortlichen zu unterordnen: Hebräer 13,7.17.

2. Das Gespräch mit zwei oder drei Zeugen: Gott gebot den Juden, niemand zu verurteilen, ohne ihn unter mindestens zwei bis drei Zeugen angehört zu haben: Dtn 19,15-21 (Joh 8,17). Die Sache soll gründlich untersucht werden und vor den Priester gebracht werden, der darüber richten wird (Dtn 17,2-13).

3. Das Gespräch mit den übrigen Gemeindegliedern: In dieser Phase beginnt die grosse Prüfung der Gemeinde. Hier wird die Gemeinde in ihrer Wahrhaftigkeit geläutert (Spr 5,23). Hier wird auch offenbar, wie klar und deutlich die entsprechende Sünde sein muss, um von allen als solche erkannt zu werden. In einer Gemeinde wo echte Liebesbeziehung bestehen, gibt es viel Diskussion, Ermahnung, Zuspruch und Hilfe: Jak 5,19-20.

4. Wenn das Verirrte dann immer noch nicht bereit ist zur Umkehr und zur Heiligung, dann soll sich die Gemeinde von der betreffenden Person eine zeitlang zurückziehen. Gemeinschaftsentzug kann als Bestrafung (wie Gefängnis) aufgefasst werden und eventuell jemand zur Umkehr bewegen (2Thess 3,6.14-15). Es kann aber auch für die ganze Gemeinde zu einem ziemlichen Leidensdruck werden, je nachdem wie gross die Beziehungen sind (Hebr 12,4-17). Doch Gott kann eine ganze Gemeinde bestrafen für die Sünde einzelner: Josua 22,18-20. Das Böse soll aus der Mitte der Gemeinde ausgerottet werden (Dtn 13,5; 1Kor 5,13).

5. Wenn das Verirrte auch nach längerer Zeit nicht Busse tut und zur Gemeinde der Gläubigen zurückkehrt, dann sündigt es gegen den Heiligen Geist: Mt 12,32; Hebr 10,23-31; Joh 15,1-8.

Was bedeuten Vers 18 bis 20?
Es bedeutet, dass die Gläubigen die Welt richten werden: 1Kor 6,1-11. Es sind äusserst schwierige Entscheidungen, ob sich eine Gemeinde von einem Glied zurückziehen soll oder nicht, denn es geht hier um eine lebendige Seele. Es geht um Himmel oder Hölle für diese Seele (binden oder lösen). Wenn sich eine Gemeinde von einem Gläubigen zurückzieht, dann ist er verloren, weil er vom Haupt Jesus Christi (vom Weinstock) getrennt wurde. Die Verantwortlichen einer Gemeinde entscheiden darüber.

Doch Jesus trägt bei solchen Entscheidungen mit, aber wie?
Wenn zwei oder drei Geschwister in seinem Namen zusammenkommen und im Gebet für diese Sache um Weisheit bitten, dann wird er ihnen beistehen. Das ist Jesu Versprechen! Wo zwei oder drei Zeugen im Namen Jesu zusammenkommen, um den Willen Gottes zu tun und seine Gebote durchzusetzen, da wird Jesus mitten unter ihnen sein: Matthäus 28,20.

Das Problem, das Gottes Volk schon von Anfang an hatte, ist das Problem der Treue gegenüber dem Herrn und seiner Gemeinde: Kaum führte Gott sein Volk mit starker Hand aus der bedrückenden Sklavschaft Ägyptens heraus, da fingen sie schon an zu murren (Num 14,20-24): Weil sie kein Wasser hatten (Ex 15,22-27). Dann klagten sie, weil sie nichts zu essen hatten (Ex 16,1-13). Es verlangte sie nach den Melonen und Gurken usw.: Num 11,4-6.

Als Israel endlich ins verheissene Land kam und mit Begeisterung das Land einnehmen sollte –

da versündigte sich Achan und musste samt Familie gesteinigt werden (Jos 7),

da waren sie zu müde, um zu kämpfen: Josua 18,1-3.

da verbrauchten sie unnötig Kräfte wegen eines Bruderstreits (Jos 22).

Das Buch der Richter zeigt deutlich auf, wie die Mehrheit des Gottesvolkes dem Herrn immer wieder untreu wurde: Richter 2,11-19.

Die Reichsspaltung war eine Folge der Untreue des Volkes, das sich immer mehr den Götzen zuwendete statt dem lebendigen Gott:

- Der Prophet Jeremia wird der weinende Prophet genannt, weil er über Jerusalem und das Volk weinte, das nicht mehr auf Gottes Wort hören wollte: Jer 2,29-32.

- Auch Jesus weinte über Jerusalem, Jahre bevor es völlig zerstört wurde (70 n. Chr.): Mt 23,37-39.

- Paulus ermahnt alle Gläubigen, dass viele dem Herrn untreu werden und vom Glauben abfallen werden, indem sie Parteiungen anrichten: 1. Timotheus 4,1-5; 1. Korinther 3,1-4.

 

 Kapitel 18,21-35: Gleichnis vom unbarmherzigen Knecht

Die Frage des Petrus ist eine Reaktion zum vorherigen Abschnitt und bekommt plötzlich eine andere Richtung:

- Im Gleichnis vom verlorenen Schaf ging es um das intensive Suchen und Heimführen des Verirrten (V. 10-14).

- Im folgenden Abschnitt (V. 15-20) ist die Rede von einem verirrten Schaf, das widerspenstig ist und nicht heimgeholt werden will.

- Im vorliegenden Abschnitt (ab V. 21) geht es um ein Schaf, das seine Sünde einsieht, Busse tut und auf keinen Fall abgewiesen werden darf.

- Im ganzen Kapitel 18 wird von der richtigen Haltung zum Verlorenen gesprochen.

Das Gleichnis vom unbarmherzigen Knecht:
Es geht um einen Diener, der seinem König ca. 15 Millionen Euro schuldet. Das ist eine Riesensumme, und es gibt keine Entschuldigung für einen Menschen, so viel Geld (ev. Steuergelder) zu verschwenden und dann auf Gnade zu hoffen. Um einen Teil dieser Schuld zurückzubezahlen, befiehlt der König dem Diener, alles, was er besitzt, zu verkaufen, wie es das mosaische Gesetz fordert (Lev 25,39-43; Ex 21,1-6). Der Diener fällt vor seinem König auf die Knie und bittet um Gnade. Der König ist barmherzig und erlässt ihm seine ganze Schuld.

Doch dann geht der Diener hin und findet einen seiner Mitknechte, der ihm nur 15 Euro schuldig ist. Dieser Betrag hätte in angemessener Zeit ohne grosse Probleme zurückbezahlt werden können. Ein Erlass wurde schon gar nicht in Betracht gezogen. Trotz der Bitte seines Gefährten um Geduld, bleibt der Mann hart, drückt sein Recht durch und bringt den Schuldner dafür ins Gefängnis.

Obschon dieser richterliche Entschluss korrekt war, empörte sich die ganze Stadt über die Verurteilung, sodass diese Angelegenheit dem König zu Ohren kommt. Der König lässt den herzlosen Diener vor sich treten und widerruft seinen Schuldenerlass (von 15 Millionen).

Dieses Gleichnis wird dem Reich der Himmel gegenüber gestellt! Jesus versucht zu erklären, dass es sich genauso verhält im Reich Gottes. Jesus Christus ist der König, der uns unsere unermessliche Schuld, die wir durch kein Werk der Welt zurückzahlen könnten, erlassen hat. Nun verlangt er aber von uns, dass auch wir im Umgang mit unseren Glaubensgeschwistern grosszügig sind, d. h. gnädig verfahren und einander von ganzem Herzen vergeben sollen.

Das Gleichnis lehrt uns drei Dinge:
1. Unsere Schuld gegenüber Gott ist unbezahlbar! Die meisten Menschen sind sich gar nicht bewusst, dass sie, selbst wenn sie nicht gesündigt hätten, tief in Gottes Schuld stehen. Wir bezahlen dem Staat auch Steuern, um im Land leben zu dürfen. Gott will keine Steuergelder von uns, trotzdem schulden wir dem Herrn Dank und Anerkennung für alles, was er uns täglich gibt. Das Leben, die Nahrung, die Luft, die wir einatmen usw., die Fähigkeit zu denken, zu entscheiden und zu arbeiten. Doch die Sünde macht unsere Schuld gegenüber Gott noch unbezahlbarer: Epheser 2, 8-9; Lukas 7,40-50.

2. Das Wesen der göttlichen Vergebung ist Gnade und Barmherzigkeit! Als wir noch Sünder waren, gab Gott seinen Sohn: Römer 5,8. Wir sollen bereit sein andern zu vergeben: Lukas 17,1-4.10. Gott will auf keinen Fall, dass wir Rache üben (Röm 12,19) oder einander vor ein weltliches Gericht ziehen: 1. Korinther 6,1-8.

3. Es liegt in der menschlichen Natur, den andern zu verurteilen! Petrus wollte grosszügig sein und 7x vergeben, denn die jüdischen Rabbinen lehrten, dass man einem Menschen dreimal vergeben soll und nicht mehr. Doch es ist nicht eine Frage der Häufigkeit, sondern eine Frage der inneren Einstellung. Wir neigen dazu, an anderen oft einen viel strengeren Massstab anzulegen, als an uns. Was wir anderen als Gemeinheit auslegen, ist bloss ein Versehen, wenn wir es tun. Was wir bei anderen Rücksichtslosigkeit nennen, ist Offenheit bei uns. Die Selbstsucht und der Geiz bei anderen betrachten wir bei uns als gesunde Sparsamkeit usw. Wenn wir doch lernen würden, mit anderen verständnisvoll und freundlich umzugehen wie wir es von anderen erwarten!

Was ist aber, wenn ein Sünder nicht um Vergebung bittet? Müssen wir dann vergeben?

Ja, wir sollen innerlich anderen vergeben können, damit wir frei werden von allen bösen Gedanken, die uns knechten und uns krank machen können: Römer 12,21.

Ja, wir sollen vergeben, aber wir können und sollen nicht vergessen. Aus Fehlern kann man etwas lernen, indem man sie in Erinnerung behält, ohne dass man dabei nachtragend ist. Vergeben heisst nicht vergessen, indem man denselben Fehler immer wieder von neuem macht: Eph 4,26.31-32.

Nein, denn die Versöhnung kann nur Gott anbieten! Kein Konflikt darf bagatellisiert werden mit Worten, wie „das ist nicht so schlimm.“ Alles steht in engem Zusammenhang mit Gott und nicht bloss mit Menschen. Wir dürfen in bestimmten Fällen jemandem erst dann vergeben, wenn er auch um Vergebung bei Gott und uns Menschen gebeten hat: Mt 5,23-26. Wichtig ist, dass wir immer unseren Schuldanteil einsehen und dafür den andern und den Herrn um Vergebung bitten: Kol 3,12-14.