Gleichnis-08: Vom unbarmherzigen Knecht

Gleichnisse Jesu

 

 

 Einleitung

Matthäus 18,21-35: Wie oft müssen wir vergeben?
Rabbinen lehrten, dass man dreimal vergeben muss, nicht mehr. Petrus dachte, dass er schon sehr weit gehe, wenn er die drei Male der Rabbinen mit zwei multipliziere und sogar noch einen dazugab. Er wartete nicht einmal auf die Antwort Jesu, sondern beantwortete seine Frage, indem er fragend sagte: „Bis siebenmal?“ Die Antwort, die Jesus gab, verblüffte seine Zuhörer. Jesus sagte, dass man bis 77x vergeben soll. Was meinte er damit? Die Antwort ist ganz offenkundig: unbegrenzt, unaufhörlich, so oft jemand ehrlich darum bittet!

Wie muss dieses Gleichnis in unserer heutigen Zeit verstanden und umgesetzt werden?
In unserem Gleichnis ist der König der himmlische Vater, dem alles gehört (V. 35). Nachdem der König sah, dass der Knecht die riesige Summe nicht zahlen konnte, erliess er ihm die ganze Schuld.

Doch derselbe Knecht ging hin und forderte von seinem Mitknecht die verhältnismässig kleine Summe zurück, die er ihm schuldete. Als ihn sein Mitknecht um Erbarmen bat, war er so ungeduldig und unnachgiebig, dass er ihn ins Gefängnis setzen liess. Als das der König erfuhr, entzog er dem bösen Knecht seinen Schuldenerlass und verpflichtete ihn zur Zahlung, so dass jener Knecht nie mehr von seinen Schulden befreit werden konnte.

 

 I.   Ein Mensch, der von Gott Vergebung empfangen hat, ist verpflichtet, seinen Mitmenschen zu vergeben!

Matthäus 6,12-15 (Vater-Unser Gebet):
Jesus lehrt die Jünger ein gesundes Sündenbewusstsein. Jeder Mensch muss erkennen, dass er ein Sünder ist. Paulus sagt (in Römer 3,23), dass alle Menschen Sünder sind und die Gnade Gottes dringend brauchen. Kein Mensch ist fähig seine riesige Schuld abzuzahlen. Deshalb haben alle Menschen den Tod verdient, weil sie vor Gott schuldig sind. Doch der allmächtige Gott ist bereit, uns die Sündenschuld zu erlassen, wenn wir ihn darum bitten. Gleichzeitig müssen wir uns aber bewusst sein, dass auch wir verpflichtet sind, unseren Mitmenschen die viel kleinere Schuld zu vergeben.

Lukas 17,3-4:
„Seht euch vor! Wenn dein Bruder sündigt, so weise ihn zurecht; und wenn er umkehrt, so vergib ihm. Und wenn er siebenmal am Tag an dir schuldig wird und siebenmal zu dir kommt und sagt: Ich will umkehren, sollst du ihm vergeben.“

Es liegt in der menschlichen Natur, immer die andern zu verurteilen. Wir sehen uns selbst oft mit ganz anderen Augen als unsere Mitmenschen. Was wir bei anderen als Gemeinheit auslegen, ist oft nur ein Versehen, wenn wir es tun. Was wir bei anderen Rücksichtslosigkeit nennen, ist Offenheit bei uns. Die Selbstsucht und der Geiz bei anderen werden bei uns als Sparsamkeit ausgelegt usw. Leider ist es so, dass wir dazu neigen, von anderen oft mehr zu verlangen, als wir selbst zu tun bereit sind. Das darf nicht so sein!

Wenn wir doch lernen würden, mit anderen so feinfühlig und verständnisvoll umzugehen, wie wir es von anderen wünschen!

Matthäus 7,12:
„Wie immer ihr wollt, dass die Leute mit euch umgehen, so geht auch mit ihnen um! Denn darin besteht das Gesetz und die Propheten.“

Wie viele Auseinandersetzungen und Streitigkeiten könnten vermieden werden, wenn dieses Grundprinzip von allen Menschen eingehalten würde. Leider fehlt uns aber oft das nötige Einfühlungsvermögen für andere. Dort, wo wir neigen zuerst an uns zu denken, müssen wir lernen, an andere zuerst zu denken. Dort, wo wir neigen zuerst an andere zu denken, müssen wir lernen, an uns zuerst zu denken (z. B. wenn es darum geht, den Balken aus meinem Auge zu entfernen, statt sich um den Splitter im Auge des Bruders zu kümmern: Mt 7,1-5).

Die Lehre des Gleichnisses besagt, dass Gott unsere Sünden nur dann vergibt, wenn auch wir unseren Mitmenschen vergeben. Was aber heisst das konkret? Was für eine Haltung sollen wir einnehmen?

 

 II.   Wie sollen wir vergeben?

Als Christen dürfen wir nie sagen:

„Ich kann dir nicht vergeben!“
Selbst grosse Männer in der Bibel, die viel gelitten haben, waren bereit zu vergeben. Denken wir an Joseph, der seinen Brüdern von Herzen vergab. Denken wir an Stephanus, der nachdem er gesteinigt wurde noch sagen konnte (Apg 7,60): „Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht zu!“

„Ich werde dir vergeben, aber ich werde in Zukunft nichts mehr mit dir zu tun haben!“
Das ist nicht die Haltung, die wir im Kolosserbrief lesen: Kolosser 3,12-13. Ganz sicher sollten wir aus der Vergangenheit unsere Lehre ziehen, aber das sollte uns nie so weit bringen, dass wir einander den Rücken zukehren. Der Herr vergibt uns unsere Schwachheiten immer wieder, weil er mit uns eine engere Gemeinschaft sucht, nicht weil er sich trotzdem von uns abwenden will.

„Ich werde dir vergeben, um dir damit einen Gefallen zu tun!“
Im College habe ich von einem Studenten, eine mir fremde Einstellung erfahren müssen. Ein Mann, der seiner Frau untreu wurde und später seinen schweren Vertrauensbruch gegenüber seiner Frau bereute, sagte mir: Seine Frau habe ihm einen Gefallen getan, dass sie ihm vergeben hatte und ihn deshalb nicht scheiden wollte, denn sie hätte das Recht gehabt für eine Scheidung (gem. Mt 5,32). Ich glaube nicht, dass Jesus dies damit sagen wollte, dass wir trotz Einsicht und Busse des Sünders das Recht hätten für eine Scheidung. Der zurückgekehrte Mann steht heute noch innerlich mit seinem Gewissen in der Schuld seiner Frau, weil sie ihm diesen Gefallen getan hat. Christus lehrt uns vielmehr zu vergeben, was immer auch vorgefallen ist.

„Ich werde dir vergeben, weil ich muss, aber ich werde niemals vergessen!“
Vergeben heisst, nicht mehr anrechnen und hervorholen. Das schlimmste in einer Ehe ist, wenn die negative Vergangenheit immer wieder hervorgeholt und einander vorgehalten wird. Wenn Gott uns vergibt, dann will er unsere Schuld nimmermehr gedenken: Jeremia 31,34.

Wir sollen von ganzem Herzen vergeben (V. 35)!
Viele Menschen neigen zu denken, wenn sie nicht bereit seien sofort zu vergeben, könnten sie es so jemandem heimzahlen. Das Gegenteil ist der Fall! Wir sind es, die den Krebs der Bitterkeit in uns wachsen lassen, wenn wir nicht bereit sind zu vergeben. Wir zahlen letzten Endes die Rechnung selbst.

Epheser 4,31-32:
„Alle Bitterkeit und Wut, Zorn, Geschrei und Lästerrede sei verbannt aus eurer Mitte, samt allem, was böse ist! 32 Seid gütig zueinander, seid barmherzig und vergebt einander, wie auch Gott euch in Christus vergeben hat.“

Bitterkeit und jede Art von Bosheit machen unsere Seele krank. Deshalb ist es Gottes Wille, dass wir so schnell als möglich all das Negative loslassen und gegen andere Menschen gütig und barmherzig sind und eine vergebende Haltung einnehmen, sonst schaden wir am meisten uns selbst. Wenn wir von unseren Hassgefühlen nicht loskommen, dann sollten wir uns hinsetzen und beten. Wir sollten vielleicht unsere Gefühle an die betreffende Person niederschreiben und alles bis ins Detail erwähnen. Dann sollten wir erneut darüber beten und Christus bitten, unsere Schmerzen und Hassgefühle abzunehmen. Am Ende sollten wir den geschriebenen Brief vernichten und mit dieser Handlung auch unsere inneren Hassgefühle hinlegen.

Nur mit solchen Methoden können wir von ganzem Herzen vergeben und alles Gott übergeben.

 

III. Was ist aber dann, wenn jemand uns gar nicht um Vergebung bittet?

Es gibt zwei Situationen, die wir ganz klar voneinander trennen müssen: Ob uns jemand aus der Welt etwas angetan hat, oder ob es ein Bruder oder eine Schwester aus der Gemeinde war.

Die Ungläubigen in dieser Welt halten sich nicht an das, was Gott gesagt hat. Nur wenige Menschen sagen „Entschuldigung“, wenn sie jemanden verletzt haben. Im Gegenteil! Oft sucht jeder sein eigenes Recht durchsetzen zu können. In solchen Fällen gilt das, was Jesus in seiner Bergpredigt lehrte.

Matthäus 5,7.9.10:
„Selig die Barmherzigen - sie werden Barmherzigkeit erlangen. Selig, die Frieden stiften - sie werden Söhne und Töchter Gottes genannt werden. 10 Selig, die verfolgt sind um der Gerechtigkeit willen - ihnen gehört das Himmelreich.“

Wir wissen auch, dass Jesus uns sogar geboten hat unsere Feinde zu lieben und für die Menschen zu bitten, die uns verfolgen und Schaden zufügen wollen. Ein Grund liegt sicher auch darin, dass wir mit einer nicht vergebenden Haltung, am meisten uns selbst schaden. Ein anderer Grund mag darin liegen, dass nur mit einer solchen Haltung vielleicht einmal Frieden entstehen kann.

Ganz anders sieht es aus, wenn sich ein gläubiger Bruder versündigt hat. Wir dürfen ihm nicht einfach vergeben, wie einem Ungläubigen! In der Welt versuchen wir mit einer vergebenden Haltung Frieden zu stiften, sei es am Arbeitsplatz usw. Das bedeutet manchmal, dass wir nicht jeder Sünde nachgehen können und für alles eine Entschuldigung erwarten dürfen. Aber in der Gemeinde sieht das anders aus, denn wir lesen, dass derjenige, der sündigt, ermahnt werden soll, und wenn ihm sein Vergehen leidtut, soll ihm vergeben werden. Gott geht nicht leichtsinnig über Sünde hinweg und wir wollen das auch nicht tun. Gott vergibt nicht und wird sich nicht versöhnen lassen mit demjenigen, der nicht Busse tut und keine Sinnesänderung zeigt.

Was sagte Jesus am Kreuz (Lk 23,34): „Vater vergib ihnen, denn sie wissen nicht was sie tun!“ Sogar dieses Gebet Jesu am Kreuz wurde nicht eher beantwortet, bis die, für die er gebetet hatte Busse taten (Apg 2,36-38).

Vergeben bedeutet nicht, dass wir die Sünde unter den Tisch wischen sollen! Vergeben heisst auch nicht, um jeden Preis Frieden zu halten! Die Frage, die wir uns in allen Situationen des Lebens stellen müssen ist nicht persönlicher Natur, sondern: Ist Gott bereit diesem Bruder oder Schwester zu vergeben? Wenn ja, dann müssen auch wir bereit sein, die Hand zur Versöhnung zu reichen. Wenn wir in so einem Fall nicht bereit sind zu vergeben, dann stellen wir uns vor Gottes Gnade und machen uns selbst zum Richter.

 

 Schlussfolgerungen

Nun ist es aber so, dass wir uns alle schon von irgendjemandem beleidigt, verletzt oder gekränkt fühlten. Was tun wir dann?

1. Petrus 3,8-12:
„Schliesslich: Seid alle eines Sinnes, voller Mitgefühl, liebt einander, übt Barmherzigkeit, seid demütig! Vergeltet nicht Böses mit Bösem, nicht üble Nachrede mit übler Nachrede. Im Gegenteil: Segnet, denn ihr seid dazu berufen, Segen zu erben. Denn wer das Leben lieben will und gute Tage sehen möchte, der halte seine Zunge im Zaum, fern vom Bösen, und seine Lippen, dass sie nichts Heimtückisches sagen. Er gehe aber dem Bösen aus dem Weg und tue Gutes, er suche Frieden und jage ihm nach. Denn die Augen des Herrn sind gerichtet auf die Gerechten und seine Ohren ihrer Bitte zugewandt; das Antlitz des Herrn aber steht gegen die, die Böses tun.“

Als Christen sind wir aufgerufen, andere Menschen zu segnen! Niemals sollen wir mit der gleichen Waffe zurückschlagen! Gott gehört die Rache! Wir sind zum Segnen berufen, dann werden wir auch Segen ererben! Es gibt viele Situationen im Leben, die man nicht immer lange ausdiskutieren kann. Wir können nicht für jede Kleinigkeit im Leben von anderen eine Entschuldigung erwarten, auch in der Gemeinde nicht.

Paulus sagt in Galater 6,2: „Traget einer des andern Lasten, und so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen.“ Wer das Gesetz Christi erfüllen will, der muss bereit sein, etwas zu ertragen und einzustecken, selbst wenn es Unrecht ist. Jeder von uns muss stark werden, die Lasten des andern zu tragen.

Unsere Schuld gegenüber Gott ist unbezahlbar und trotzdem hat Er uns vergeben! Das Gleichnis in Matthäus 18 lehrt uns, dass alle Menschen vor Gott Schuldner sind. Wir schulden Gott mehr, als wir je bezahlen können. Die zwei Summen, die in dem Gleichnis genannt werden, sind absichtlich so ausgewählt worden. Die Summe, die der Mitknecht dem andern schuldete, war lächerlich im Gegensatz zu der Summe, die dem einen Knecht vor dem König erlassen wurde. Was können wir einander schon schuldig bleiben? Wir sind ja alles nur unnütze Knechte und Sünder (Lk 17,10)? Wenn Gott nicht nachtragend ist gegenüber uns, wie viel mehr sollten wir es mit all unseren Mitmenschen sein.

Es ist deshalb von grösster Wichtigkeit, dass auch wir vergeben können! Was wir von unseren Mitmenschen zu ertragen haben, ist völlig unbedeutend gegenüber unserer unbezahlbaren Sünde vor Gott. Deshalb sind wir verpflichtet einander zu vergeben, weil auch Gott uns vergeben hat.