Jesus, der König
Kapitel 20,1-16: Gleichnis - Von Weinbergarbeitern
Jesus vergleicht hier das Himmelreich mit einem Weinbergbesitzer (Gleichnis 21):
Gott = Weinbergbesitzer
Weinberg = Himmelreich (Gemeinde)
Arbeiter = Juden und Heiden
Arbeitstag = ev. ganze Weltgeschichte (von Schöpfung bis jüngster Tag)
Ein Denar = ewiges Leben (Lohn)
War der Weinbauer ungerecht?
Der jüdische Tag begann um 6:00 Uhr morgens und endete um 18:00 Uhr (12 Stunden Arbeitstag, V. 9+12).
Um 9:00 Uhr (dritte Std.) kamen weitere Arbeiter (Total 9 Std. gearbeitet).
Um 12:00 Uhr (sechste Std.) kam die dritte Gruppe (Total 6 Std. = die Hälfte eines Arbeitstages gearbeitet).
Um 15:00 Uhr (neunte Std.) kam die vierte Gruppe (Total nur 3 Std. gearbeitet).
Um 17:00 Uhr (elfte Std.) kam die fünfte Gruppe (Total nur 1 Std. gearbeitet).
Aus menschlicher Sicht neigt man dazu, den Weinbauer zu verurteilen. Doch bedenken wir, dass die ersten Männer aufgrund eines Handels eingestellt wurden. Bei den weiteren Einstellungen während des Tages wurde keine Lohnvereinbarung getroffen. Obwohl nicht alle Arbeiter dieselbe Behandlung erfuhren, können wir nicht sagen, dass einer ungerecht behandelt wurde. Der Weinbauer handelte völlig korrekt, indem er sich an seine Vereinbarungen hielt.
Es war nichts Aussergewöhnliches zur damaligen Zeit, dass die Tagelöhner schon früh am Morgen auf den Marktplatz gingen, in der Hoffnung Arbeit zu finden. Bei der Weinlese im Herbst gab es besonders viel Arbeit. Ein Weinbauer konnte durchaus mehrmals am Tag auf den Marktplatz gehen, um noch mehr Arbeitskräfte anzustellen. Denn es war ein Wettlauf mit der Zeit, in der jeder Arbeiter willkommen war. Gleichzeitig wollte der Weinbauer nur gerade so viele Leute anstellen, wie er auch benötigte. Bei Tagelöhnern, die den ganzen Tag keine Arbeit gefunden hatten, mussten die Kinder am Abend ohne Essen auskommen. Es war ein harter Überlebenskampf für Tagelöhner (billige Arbeitskraft), denn ein Tageslohn (ein Denar) war knapp kalkuliert und reichte täglich nur für das Allernötigste.
Jesus will hier seinen Jüngern (und auch uns) lehren, dass wir im Reich Gottes völlig anders denken lernen müssen. Dieses Gleichnis ist eine Fortsetzung der Ausführungen über den Lohn im vorherigen Kapitel 19. Es geht hier darum, dass Jesus mit diesem Gleichnis nochmals Bezug nimmt, auf das, was er seinen Jüngern erklärte (19,27-30).
Was war im letzten Abschnitt das Lernziel des Glaubens?
Jeder, der bereit ist, alles Weltliche loszulassen, wird nicht leer ausgehen, sondern im Himmel reichlich dafür belohnt werden.
In diesem Abschnitt lautet die Lektion:
Sei nicht um deinen Lohn besorgt!
Gott wird alle reichlich belohnen!
Im Reich Gottes wird nicht um des Geldes willen gearbeitet. Wir können mit Gott nicht abrechnen wie mit einem Arbeitgeber und ihm die vielen Arbeitsstunden und guten Taten auf einer Stempelkarte präsentieren. Gottes Gnade können wir nicht verdienen: Röm 11,6. Gott ist keinem von uns die Errettung schuldig: Röm 9,16.21. Echter Dienst für Christus muss im Geist des Vertrauens getan werden, dass der Herr jeden Arbeiter entlohnen wird.
Was bewirkt die Gnade Gottes?
= gute Werke: Tit 2,11-14.
= Fleiss und Einsatz: 2Petr 2,5-11.
= Tüchtigkeit: Hebr 13,20-21.
Jesus warnt hier seine Jünger noch einmal vor der falschen Arbeitsgesinnung, indem er erklärt, dass am Ende die Letzten die Ersten sein werden und die Ersten die Letzten. Das Gleichnis kann als Warnung für die Juden betrachtet werden. Sie hatten sich durch Jahrhunderte als das auserwählte Volk Gottes gesehen. Sie waren durch einen besonderen Vertrag mit Gott verbunden, und sie waren die ausschliesslichen Empfänger der Verheissungen Gottes (Röm 9,4). Sie waren zuerst an der Arbeit, indem sie durch die Wüste zogen, das Land einnahmen und über Jahrhunderte im Glauben kämpften. Sie waren es, die sich durch die Werke des Gesetzes das Himmelreich verdient hatten, alle andern Völker jedoch waren die zu spät Gekommenen.
Die Juden sind es, die nun rebellieren und eifersüchtig sind auf die Heiden. Bsp. des Murrens: Lk 5,30; 15,2; 19,7. Gleichnis vom verlorenen Sohn: Lk 15,28-32. Bsp. Apg 11,2-3; 13,45; 22,21-22; 1Thess 2,16; Jud 16.
Dieses Gleichnis steht in einer Reihe von Gleichnissen, die alle mit der Ablehnung des Reiches Gottes durch die Juden zu tun haben. Die Heiden illustrieren die Arbeiter, die nicht an die Bezahlung denken. Sie handelten keine Bedingungen aus, sondern waren froh, überhaupt noch etwas Arbeit gefunden zu haben. Sie verliessen sich ausschliesslich auf die Grosszügigkeit des Besitzers.
Jesus will Petrus und den Jüngern erklären: Bei allem, was wir tun, kommt es auf unsere Gesinnung an (Phil 2,5). Vielen, die meinen verdienstvolle Taten für das Reich Gottes getan zu haben, könnte Jesus einmal zeigen, dass sie nichts als Sünder waren. Für die, die im Reich Gottes hart arbeiten, sei gesagt, dass die harte Arbeit während der Hitze des Tages nicht automatisch das Gefallen des Herrn finden wird, wenn der Abend naht. Gott sieht nicht die Person an (Jak 2,1-9).
Kapitel 20,17-19: Jesu dritte Ankündigung seines Leidens
Vers 17: Jesus zog nach Jerusalem hinauf. Wie schon in Kapitel 19,1 erwähnt, zog Jesus mit seinen Jüngern „jenseits des Jordans“ Richtung Süden. Wir haben im Bericht des Lukas gelesen, dass Jesus durch versch. Dörfer zog und sich Jerusalem näherte (Lk 13,22). Wir haben festgestellt, dass viel Volk mit Jesus unterwegs war und er viele heilte. Jesus war ohne Zweifel unterwegs zum Passafest in Jerusalem (evtl. in Jericho). Alle jüdischen Männer waren verpflichtet dreimal im Jahr nach Jerusalem zu reisen, um vor dem Herrn zu erscheinen: Ex 23,17. Die Strassen waren voll von Reisenden, die gemeinsam in Gruppen wanderten: Lukas 2,44.
Jesus nahm die Zwölf ein bisschen abseits von der Reisegruppe. Markus berichtet, dass Jesus den Jüngern vorausging und sie sich fürchteten: Markus 10,32. Sie fürchteten sich, weil Jesus ihnen schon einmal angekündigt hatte, dass er „in die Hände der Menschen ausgeliefert werde“ (Mt 17,22). Sie waren erstaunt, weil Jesus unter solchen Umständen so selbstsicher und überzeugt auf die Gefahr zuging. Den Jüngern war es sicher nicht ganz geheuer, da sie auch um ihr Leben fürchteten. Jesus hatte seinen Jüngern etwas mitzuteilen, dass nicht gleich alle in der Reisegruppe mitbekommen sollten, da sie es noch früh genug erfuhren.
Verse 18-19: Jesus versichert seinen Jüngern, dass er in Jerusalem sterben wird. Was sie also befürchteten wird in den nächsten Tagen eintreffen. Er wird den Juden ausgeliefert (verraten) werden: Mt 26,15.57. Er wird zum Tode verurteilt werden: Mt 26,66. Er wird den Römern ausgeliefert werden: Mt 27,2. Er wird verspottet und gegeisselt werden: Mt 27,26-30. Er wird gekreuzigt werden: Mt 27,31-32. Er wird auferweckt werden am dritten Tag: Mt 27,62-66; 28,11-15. Hier erfüllt sich, was die Propheten voraussagten: Jes 53; Dan 9,26-27. Laut Lukas 18,34 verstanden die Jünger Jesu Worte nicht, weil sie nach wie vor auf ein materielles Reich warteten (Lk 19,11). Wer weltlich denkt, wird die Leiden und Probleme, die auf dieser Welt durchzustehen sind, nie verstehen (1Kor 2,14-16). Bsp. Veredlungsprozess: 1Petr 1,6-11.
Kapitel 20,20-28: Bitte einer Mutter
Verse 20-21: Die Mutter der Söhne des Zebedäus: Jakobus und Johannes. Offenbar war sie auch unterwegs nach Jerusalem. Es nahm sie vielleicht Wunder, warum die Jünger alle so eng um Jesus herum waren und konnte eventuell noch ein paar Brocken mitkriegen. Sie erzwang es, dass Jesus anhalten musste, weil sie sich ihm vor die Füsse warf (προσκυνέω = anbeten) mit einer ungewöhnlichen Bitte. In Markus 10,35-45 sind es die beiden Jünger selbst die sehr fordernd an Jesus diese Bitte stellen. Lukas 22,24-27 bekennt, dass unter den Jüngern ein Streit ausgebrochen war, wer unter ihnen wohl der Grösste sei.
Es ist auf jeden Fall sehr typisch für eine Mutter, eine solche Bitte vorzubringen. Sie war sehr stolz auf ihre beiden Söhne und wollte nur das Beste für sie. Es gibt keine höhere Stellung, als neben einem Herrscher zur Rechten oder zur Linken sitzen zu dürfen. Vermutlich dachte sie, dass ihre Söhne diese Plätze verdienten und dafür am meisten qualifiziert seien? Die Familie hatte Geld (Mk 1,20). Sie hatten auch Beziehungen zum Hohenpriester (Joh 18,15). Vielleicht meinten sie, zum engsten Kreis Jesu zu gehören (Mt 17,1). Damit offenbarte sie jedoch, dass sie nicht verstand,
dass es im Reich Gottes nicht um Rangstreitigkeiten ging,
dass niemand sich im Reich Gottes einen bestimmten Platz erbitten kann,
dass es um ein geistiges und nicht um ein materielles Reich ging.
Verse 22-23: Jesus macht weder der Mutter noch den beiden Jüngern einen Vorwurf. Tatsache ist, dass während Jesus an das Kreuz dachte, seine Jünger über eine Krone nachdachten. Bei der ersten Ankündigung versuchte sich Petrus dem Herrn in den Weg zu stellen (16,22). Nach der zweiten Ankündigung folgte ein Rangstreit unter den Jüngern, wer von ihnen wohl der Grösste sei (18,1). Während Jesus seine dritte Ankündigung machte, baten Salome (Mk 15,40) und die beiden Jünger Unmögliches.
Jesus sagt: „Ihr wisst nicht, um was ihr bittet.“ Diese Antwort mag die Jünger sehr überrascht haben, denn sie wussten sehr wohl, um was sie baten. Sie wollten Macht, Ehre und Ruhm.
Jesus fragt sie, ob sie den Leidenskelch (Jes 51,17) mit ihm trinken können. Ohne zu zögern beantworteten sie die Frage mit einem selbstsicheren „Ja“. Im Markusevangelium fragt Jesus noch von der Taufe: Mk 10,38-39. Der Kelch als auch die Taufe sind auf die Leiden bezogen. Die Taufe stellt vielleicht eine Überwältigung der Leiden dar. Da Jesus alles zum Voraus wusste, war er schon zu diesem Zeitpunkt überwältigt: Lukas 12,50. Jakobus und Johannes dachten sicherlich, dass Jesus von einem militärischen Konflikt mit der römischen Armee redete. An Mut zu so einem Konflikt fehlte es ihnen nicht. Sie wurden ja auch die Donnersöhne genannt (Mk 3,17). Jesus wusste im Voraus, was mit den beiden Söhnen in Zukunft geschieht. Jakobus starb unter Herodes Agrippa, um 44 n.Chr. (Apg 12,2), Johannes floh ins Exil auf die Insel Patmos (Offb 1,9).
Warum sagt Jesus, dass es ihm nicht zustehe, im Reich Plätze zu verteilen? Weil es keine Plätze zu verteilen gibt (Röm 2,5-9), bei denen es um das Ansehen der Personen geht. (Röm 2,11). Wie wir in Kapitel 19,28 behandelt haben, verspricht Jesus allen seinen Jüngern einen besonderen Lohn im Reich Gottes. Jesus weist darauf hin, dass nur die einen Platz im Reich Gottes kriegen werden, die zu folgendem bereit sind (V. 26-28).
Verse 24-28: Die übrigen Zehn wurden unwillig. Auch sie hätten gern eine Vorrangstellung gehabt und ärgerten sich über die Direktheit der andern, mit der sie sich vielleicht noch Vorteile verschaffen könnten. Doch Jesus rief die Jünger zusammen und erklärte ihnen, dass es im Reich Gottes ganz anders zu und her geht als in der Welt. Es geht nicht darum, wer zuerst eine gute Idee hat und der Erste ist (denn die Ersten werden oft die Letzten sein). In der Welt geht es darum, wer Macht hat und Ansehen. Wer es am besten weiss und wer am meisten kann, der hat das Sagen und macht seine Untertanen zu Dienern.
Im Reich Gottes heisst es: Ohne Kreuz keine Krone! Wer sich am meisten erniedrigt der wird am meisten erhöht werden. Jesus stellt sich als Vorbild hin (Phil 2,8), indem er erklärt, dass er als Sohn Gottes nicht gekommen ist, um eine weltliche Macht auszuüben und Menschen als seine Untertanen zu unterdrücken. Jesus ist gekommen, um uns Menschen mit seinem Opfertod zu dienen, damit wir das ewige Leben ererben (Lk 22,27).
Kapitel 20,29-34: Jesus heilt zwei Blinde
Verse 29-31: Jesus befindet sich in der Nähe Jerichos.
Vergleiche zwischen den Evangelien.
Die Anzahl von Blinden: In unserem Text ist von zwei Blinden die Rede. In Lukas 18,35 wird nur von einem Blinden mit Namen gesprochen.
Die Ortschaft Jericho: In unserem Text verlässt Jesus Jericho. In Lukas 18,35 näherte sich Jesus Jericho.
In dieser Hinsicht scheint die Bibel für uns manchmal nicht vollkommen zu sein, aber muss sie das? Die Bibel erhebt keinen Vollkommenheitsanspruch: Joh 20,30-31; 21,25. Sie enthält aber eine vollkommene Lehre und das ist das Wesentliche: 2Petr 1,3-4; Jak 1,25; Gal 1,9; Offb 22,18-19.
Vieles ist für uns schwer verständlich, aber wenn wir die verschiedenen Evangelisten, die das geschrieben haben, direkt fragen könnten, so würde jeder uns eine klare und einleuchtende Antwort geben. Wenn wir etwas nicht verstehen und einen Widerspruch erkennen, dann bedeutet dies noch lange nicht, dass es sich tatsächlich um einen Fehler handelt. Vieles hat damit zu tun, von welcher Seite man etwas angeht. Es gibt Kommentatoren die reden von einem alten und einem neuen Jericho und dass Jesus sich zwischen den zwei Ortschaften befand.
Es war vermutlich Sonntagmorgen (Lk 19,28; Mk 11,11), jene Woche, in der Jesus gekreuzigt wurde. Es ist die Rede von „viel Volk“, das von Jericho wegzog, warum (Joh 11,55; 12,1)? Das Passafest der Juden war ein Grund für das grosse Volk (15. Nissan). Im Lukas lesen wir, dass sich der blinde Bartimäus erkundigt, warum so viel Volk vorbeizog: Lukas 18,36-37. Gemäss dem Johannesevangelium ging Jesus vorher noch nach Bethanien in Peräa, also über den Jordan, bevor er nach Jerusalem hinaufging. Jericho liegt etwa 25 Kilometer von Jerusalem entfernt (ein Tagesmarsch).
Die Blinden beginnen ohne Hemmungen nach Jesus zu schreien. Obschon sie durch das ungläubige Volk bedroht wurden, liessen sie sich nicht mehr zum Schweigen bringen. Sie schämten sich nicht nach Jesus zu rufen, denn sie waren überzeugt, dass er ihnen helfen konnte: Mk 8,38; Röm 1,16. Sie erkannten ihre einmalige Situation, die sie jetzt mit allen Mitteln nutzen wollten. Da sie Jesus als den Sohn Davids anriefen, bewiesen sie,
dass sie Juden waren und die Prophetenworte kannten,
dass sie an Jesus als den verheissenen Messias glaubten.
Obschon sie körperlich blind waren, so sahen sie mehr als das übrige verblendete jüdische Volk, die den Messias nicht erkennen wollte.
Verse 32-34: Jesus hatte Erbarmen.
Bevor Jesus sie heilte, fragte er etwas Merkwürdiges: „Was wollt ihr, dass ich euch tun soll?“ Wer seine Lebenssituation demütig vor dem Herrn eingesteht, kann geheilt werden (Bsp. Alkoholiker: Ich bin ein trockener Alkoholiker). Jesus fordert unseren Glauben an ihn heraus und will, dass wir ihn, wie die Blinden, um Heilung bitten.
Wer sich Jesus nicht schämt sondern fest an den Erlöser glaubt, der wird bei ihm Erbarmen finden und dem werden die geistigen Augen geöffnet werden. Die Blinden konnten sofort wieder sehen und folgten Jesus dankbar nach. Was für ein Zeugnis und was für ein grosses Wunder, das Jesus vollbracht hatte: Lk 18,43.