Jesus, der König
Kapitel 24,1-2: Ankündigung der Tempelzerstörung
Jesus verliess das prächtige Tempelgelände vermutlich auf demselben Weg, wie er hereingekommen ist, um zum Ölberg hinüberzugehen (Vers 3, wo sich auch der Garten Gethsemane befand). Es war ein beeindruckendes und faszinierendes Gebäude aus Gold und Marmor. Die Mauern um den Tempelberg waren riesig gross und meterdick. Wie alle diese Steine auf diesen Berg geschleppt, bearbeitet und aufeinander aufgebaut wurden, gehört zu den Geheimnissen der antiken Baukunst.
Die Jünger (als gewöhnliche Fischer) waren von der überragenden Grösse und Schönheit des ganzes Tempelgeländes überwältigt: Mk 13,1; Lk 21,5.
Es war undenkbar und nicht nachvollziehbar, was Jesus prophezeite: Lukas 19,43-44. Schon in den Tagen Salomos warnte Gott sein Volk vor dem Untergang des Tempels: 1. Könige 9,6-9. Später wurde Israel durch die Propheten eindringlich gewarnt:
Jeremia (627-580 v. Chr.): Jeremia 26,18 (siehe auch Klagelieder 1).
Hesekiel (592 v. Chr.): Hesekiel 24.
Daniel (605 v. Chr.): Daniel 9,26-27.
Trost: Niemand soll sich durch äusseren Frieden und weltliche Errungenschaften in falscher Sicherheit wiegen!
Kapitel 24,3-14: Vorzeichen der Zerstörung Jerusalems
Vers 3: Die Jünger stellen Jesus zwei Fragen:
Die erste Frage bezieht sich auf die Zerstörung des Tempels und Jerusalems (Verse 4-35). Wichtig ist in diesem Zusammenhang Vers 34! Die ersten 35 Verse gehören also der Vergangenheit an, weil sie im Jahre 70 n. Chr. in Erfüllung gingen. Die zweite Frage bezieht sich auf das Ende der Welt; die Wiederkunft (Parusia) Christi (Verse 36-41).
Vers 4: Lasst euch nicht irreführen! (Jer 29,8; 2Kor 11,13-15; Eph 4,14; 5,6; Kol 2,8.18; 2Thess 2,3; 2Petr 2,1-3; 1Joh 4,1). Es kann nicht sein, dass Jesus im ganzen Kapitel von der Wiederkunft spricht, da niemand wissen kann, wann die Stunde sein wird und es keine Vorzeichen und Vorwarnungen geben wird (Vers 27!). Deshalb muss dieses Kapitel in die erwähnten zwei Teile aufgeteilt werden. Allerdings gibt es in diesem Kapitel auch Überschneidungen und vielleicht sogar doppelte Ereignisse (wie z. B. bei der Prophezeiung der Jungferngeburt usw.).
Vers 5: Vorsicht vor falschen Christussen!
Auf Jesus wollten sie nicht hören, aber auf Irreführer schon: Joh 5,43. Es gab viele Anführer unter dem Volk, z. B.:
- Theudas (Apg 5,36),
- Judas, der Galiläer (Apg 5,37),
- Simon der Zauberer (Apg 8,9),
- Ein unbekannter Ägypter (Apg 21,38),
- Viele Widerchristen (1Joh 2,18).
Vers 6: Lasst euch von Kriegen und Kriegsgerüchten nicht erschrecken!
Auch wenn von Kriegen und Kriegsgerüchten zu hören ist, ist das noch nicht das Ende Jerusalems und des Tempels! Der jüdische Krieg begann 66 n. Chr. und dauerte 5 Jahre. Im Jahr 69 n. Chr. wurden vier römische Kaiser (Nero, Galba, Otho, Vitellius), in einem Zeitraum von 18 Monaten, gewaltsam umgebracht. Diese Zeit sorgte im römischen Reich für grosse Verwirrungen und Tumulten. Blutige Auseinandersetzungen und kleinere Kriege prägten diese Zeit. Doch, als Jesus diese Prophezeiungen machte, herrschte Friede im röm. Reich.
Verse 7-8: Hungersnöte und Umweltkatastrophen sind erst der Anfang!
Mit „Reich“ sind die irdischen Staaten gemeint, die sich gegeneinander erheben. Die natürliche Folge der zivilen Kriege sind Hungersnöte. Es ist aus der Geschichte bekannt, dass es eine grosse Hungersnot gab, in der Zeit als Caesar Claudius regierte (41-54 n. Chr.): Apg 11,27-30. Es gab auch eine Pest in Rom, die 30'000 Menschenleben forderte. Sogar Umweltkatastrophen sind erst ein Zeichen des Anfangs der Wehen (= Leidenszeit).
Verse 9-14: Krisen und Verfolgungen in den Gemeinden werden kommen!
Die Apostel wurden erneut vor den bevorstehenden Verfolgungen gewarnt (Mt 10,17-22; im Gleichnis: 22,6; 23,34). Kurz nach Jesu Himmelfahrt ging es los:
- Petrus und Johannes gerieten in Gefangenschaft (Apg 4,1-4).
- Nach der Steinigung des Stephanus kam eine Christenverfolgung über die Gemeinde (Apg 7,54 - 8,3).
- Später nahmen die Juden den Paulus gefangen (Apg 21,27-28), der kurz vor dem Ausbruch des jüdischen Krieges im Gefängnis den Tod fand.
- Fast sämtliche Apostel fanden den Märtyrertod: Offb 6,9-11.
Paulus ermutigt die Gemeinde in Thessalonich: 1Thess 2,14-16.
Im Jahre 64 n. Chr. fing der röm. Kaiser Nero an, die Christen zu verfolgen. Er machte Christen für das ausgebrochene Feuer in Rom verantwortlich, das einen grossen Teil der Stadt zerstörte. Es sprach sich jedoch herum, dass er Leute dafür bezahlte, das Feuer zu legen, um Platz für sein neues goldenes Haus zu bekommen, das er später bauen liess.
Jesus sagt voraus,
dass viele Gläubige abfallen werden, weil sie nicht mehr bereit sind zu leiden,
dass viele falsche Propheten die Auserwählten versuchen irrezuführen,
dass die Gesetzesverachtung überhand nimmt,
dass das Evangelium zuerst auf dem ganzen Erdkreis gepredigt wird: Mt 28,19-20; Apg 1,8; Kol 1,23 (= ca. 63 n. Chr. erfüllt).
Trost: Wer trotz Leiden und Glaubenskämpfen ausharrt bis ans Ende, der wird gerettet werden!
Kapitel 24,15-28: Belagerung und Zerstörung Jerusalems
Vers 15: Jesus spricht vom „Greuel der Verwüstung“, von der auch schon der Prophet Daniel redete: Dan 9,27; 11,31; 12,11. Daniel deutete auf den Gräuel der Verwüstung hin, der später über Jerusalem hereinbrach (167 v. Chr.). Ein griechischer König kam nach Jerusalem und wollte den Tempel dem Götzen Zeus weihen. Dafür opferte Antiochus Epiphanes auf dem Altar ein Schwein für Zeus. Dies rief bei den Juden äusserste Empörung hervor und so begann der makkabäische Aufstand gegen die Griechen, die die damalige Welt beherrschten.
Der Prophet Daniel sprach vom Gräuel der Verwüstung, das durch diese heidnischen Götzenopfer über das heilige Land kam und es so verunreinigte. Während dieser Zeit war es den Israeliten verboten, ihrem Gott zu opfern. Sie standen damals unter der Herrschaft der Griechen. Es wurde ihnen befohlen, das abscheuliche Götzenbild zu verehren. Unter dem Führer Makkabäus wehrten sich die Juden mit blutigen Revolten, die sie viele Opfer kostete.
Jesus braucht absichtlich diese Worte, da diese Gräuelzeit allen bekannt war, wie uns der 2. Weltkrieg. Jesus weist mit diesen Aussagen auf Jerusalem hin, das erneut von einem Gräuel heimgesucht wird (Lk 21,20). Damit deutet Jesus auf das Ausmass der Verwüstung.
Verse 16-18: Wenn diese schlimme Zeit nahe ist, dann ist Eile geboten: Wer merkt, dass es so weit ist, der wird kaum mehr Zeit haben, um seine Habseligkeiten zu packen. Wer sich in Jerusalem oder gar in Judäa befindet, der soll auf die Berge fliehen, denn die Römer werden die heilige Stadt so lange belagern (70 n. Chr.), bis der letzte Jude sich ergibt und alles in die Hände der Feinde fallen wird. Wie Noah die Arche baute, als es noch schönes Wetter war und dabei im Glauben auf den Herrn vertraute, so sollen es alle Bewohner des Landes tun (Hebr 11,7).
Verse 19-20: Schwangere Frauen werden besonders betroffen sein, da sie nicht fähig sind, schnell zu fliehen und die Hungersnot in der Stadt gross sein wird. Die Gläubigen sollen beten, dass diese Krise nicht in den Winter fällt. Der Winter war besonders ungünstig zum Reisen, da man lieber in den warmen Häusern blieb. Laut dem Geschichtsschreiber Josephus begann die Belagerung in den Sommermonaten.
Die Gläubigen sollen beten, dass diese Krise auch nicht auf einen Sabbat fällt. Die Reisedistanz war an den Sabbaten durch das Gesetz beschränkt (Ex 16,29). Ein Sabbatweg wäre für sie nicht genug, um aus der Gefahrenzone zu flüchten.
Verse 21-22: Die Zeit der Wiederkunft wird weniger schlimm sein, als dieses schreckliche Ereignis. Siehe Artikel „Vom Todeskampf der Stadt Jerusalems“. Wegen der Auserwählten Gottes wurde diese Zeit verkürzt (Gottes Gnade).
Verse 23-28: Nach der dreijährigen Belagerung wird Jerusalem zerstört (70 n. Chr.).
Wie können die Jünger Jesu die falschen Angaben über das Kommen Christi erkennen? Jesus wird nicht in einem Winkel kommen, der nur für wenige bestimmt ist. Jesus wird so kommen, dass ihn die ganze Welt sehen wird. In diesem Sinn soll sich niemand irreführen lassen, denn jeder noch Lebende auf Erden wird Christi Wiederkunft auf keinen Fall verpassen, wo immer er sich dann auch aufhalten mag.
Für detailliertere Berichte über die Zerstörung: Im Gleichnis vom königlichen Hochzeitsmahl erklärte Jesus, dass der König die Diener aussandte, um die Stadt der Geladenen anzuzünden (Mt 22,7). Mit einem anderen Bild vom Aas und vom Adler rundet Jesus seine prophetische Vorhersage ab. Mit dem Aas deutet Jesus auf den geistlich toten Zustand der Juden in Jerusalem hin. Ihre Haltung stinkt, wie nach Verwesung, zum Himmel. Die Adler stellen die römische Armee dar; auf einem röm. Schild befand sich ein Adler (Adler essen keine Kadaver!).
Kapitel 24,29-35: Nach der Zerstörung Jerusalems
Diese Verse klingen, als ob sie von der Wiederkunft Christi sprechen würden. Die folgenden Begründungen sprechen dagegen:
1. Es geht hier um eine apokalyptische Sprache, die den Juden zur damaligen Zeit sehr verständlich war.
2. Diese Wortlaute kommen auch in anderen biblischen Texten vor, die von verschiedenen katastrophalen Ereignissen berichten.
3. Zum Beispiel, die Sonne, der Mond, und die Sterne werden symbolisch gebraucht, um den Untergang von Königen und Königreichen zu illustrieren.
Siehe der Fall Babylon: Jesaja 13,1.9-11.
Siehe der Fall Edom: Jesaja 34,4.5.
Siehe der Sturz des Königs von Ägypten: Hesekiel 32,2.7-8.
4. Die Wiederkunft des Herrn oder ähnliche Aussagen deuten auch generell auf ein regionales Gericht Gottes hin, z. B.: Gott kommt auf der Wolke, um Ägypten zu zerstören: Jesaja 19,1. Jesus versprach wiederzukommen, um sein Reich aufzubauen (was zu Pfingsten geschah, Apg 2): Mt 16,28; Mk. 9,1.
Vers 29: Sofort nach der Zerstörung Jerusalems.
Die folgenden Wortlaute sind in Anführungs- und Schlusszeichen. Das bedeutet, dass sie aus dem AT zitiert werden und symbolisch verstanden werden müssen.
Vers 30: Das Zeichen des Menschensohnes.
Es wird insofern am Himmel erscheinen, weil die Botschaft von der Zerstörung Jerusalems die ganze damalige Welt erschüttern soll. Diese prophetische Aussage gehört zu den detailliertesten Voraussagen Jesu, die sich vor den Augen aller, die sie hörten, erfüllte. Die Geschlechter der Erde klagten sehr über diesen schrecklichen Vorfall. Es war von grosser Bedeutung und galt als wichtiges Zeichen Jesu für alle zurückgebliebenen Gläubigen. Die Worte, dass der Sohn des Menschen auf den Wolken des Himmels zu sehen sei, steht wiederum in Anführungs- und Schlusszeichen, also ein Zitat und somit symbolisch zu verstehen. Das Kommen Jesu illustriert, dass es mit dem Heilsplan Christi weitergeht, indem er die ganze Menschheit erreichen wird (Lk 21,28).
Vers 31: Der grosse Missionsbefehl Jesu wird durch Gottes Boten (=Evangelisten und Verkündiger) in die ganze Welt hinausgetragen, um die Auserwählten aus allen Ecken und Enden der Welt zusammenzurufen.
Verse 32-33: Das Gleichnis vom Feigenbaum ist eine alte Wahrheit, die Jesus auf die Zerstörung Jerusalems bezieht. Diese Worte können sich nicht auf die Wiederkunft Christi beziehen (siehe Verse 36.42.44.50; 25,13). Die Worte „wenn ihr dies alles seht“ beziehen sich auf die damals Lebenden.
Verse 33-34: Jesu Voraussagen sind wahr!
Die Generation, die zu Jesu Zeiten lebte, wird nicht sterben, bis alles vollendet ist. Vierzig Jahre nach Jesu Prophezeiungen trat alles ein.
Kapitel 24,36-44: Ankündigung der Wiederkunft Christi
Vers 36: Die Worte „jenen Tag“ und „jene Stunde“ beziehen sich auf die zweite Frage: Die Wiederkunft (παρουσια). Weil niemand Tag noch Stunde kennt, können die vorangehenden Verse (32-33) auch nicht auf die Wiederkunft bezogen sein. Denn in Bezug auf die Wiederkunft gibt es keine Vorwarnungen & Zeichen (V. 27). Niemand weiss über die Wiederkunft Bescheid, selbst die Engel nicht, die im Himmel dem allmächtigen Gott ganz nahe sind. In Markus (13,32) wird gesagt, dass sogar nicht einmal Gottes Sohn weiss, wann der Tag des Gerichts sein wird.
Verse 37-44: Die Wiederkunft wird wie in den Tagen Noahs sein (1Petr 3,20-21; 2Petr 2,5-6). Niemand rechnet mit einem Gericht, sondern alle wiegen sich in Sicherheit (Lk 12,16-21). Es wird keine Vorwarnungen und Zeichen geben. Niemand kann dem grossen Gerichtstag ausweichen. Wie ein Dieb in der Nacht wird Jesus wiederkommen (1Thess 5,1-4; 2Petr 3,10; Offb 3,3; 16,15). Das Gericht geht mitten durch Familien und Freunde (Gen 4,4; Mt 10,34). Darum sollen wir wachsam sein, indem wir im Reich dienen und arbeiten, denn wir gehören nicht der Nacht an (Röm 13,13-14; 1Thess 5,4-11). Aus Glauben zum lebendigen Gott erbaute Noah eine Arche (Hebr 11,7).
Kapitel 24,45-51: Gleichnis von guten und bösen Knechten
In diesem Gleichnis nimmt Jesus Bezug auf die Leiterschaft. Älteste, Diakone, Evangelisten, Lehrer. Sie werden von Jesus eingesetzt, um der Herde zu dienen.
Glücklich sind jene Leiter, die der Herr, wenn wer kommt, beim Dienen vorfindet. Nicht alle, die bekennen, zu Christus zu gehören, sind wirklich sein. Von den Knechten Christi wird erwartet, dass sie der Dienerschaft (Gesinde) zur rechten Zeit zu essen geben: 1Kor 4,1-2; 1Tim 1,12; 2Tim 2,2; Hebr 3,5; 1Petr 4,10-11.
Der böse Knecht stellt die falschen religiösen Führer dar. Sie sind wie der König Rehabeam, oder die Hirten Israels, die mehr um sich selbst, als um das Volk bekümmert waren. Sie binden anderen schwere Bürden auf, die sie selbst nicht einhalten können (Mt 23,4). Diese Führer, die andere in eine neue Knechtschaft treiben, wird am Tage des Gerichts die gerechte Strafe erhalten (1Petr 2).