Fleisch oder Geist
William Barclay
Der Begriff pharmakeia wurde im Laufe der Zeit sehr abgewertet. Pharmakon ist eine Droge und pharmakeia der Gebrauch von Drogen. Wir unterscheiden drei Stufen in der Bedeutung dieses Wortes.
1. Pharmakeia wird in der Medizin ohne negativen Sinn gebraucht. Platon spricht von den verschiedenen ärztlichen Behandlungsarten: Ätzung, Schnitt, Gebrauch von Drogen und Hungerkuren (Platon, Protageras 354a). Seiner Ansicht nach sollte man ungefährliche Krankheiten nicht durch den Gebrauch von Drogen verschlimmern (Platon, Timaeus 89b).
2. Später kennzeichnet das Wort den Missbrauch von Drogen zur Vergiftung und nicht zur Heilung. Schon bei Platon können wir von dem Gesetz über Giftmorde lesen (Platon, Gesetze 933b), und Demosthenes beschuldigt einen bösen Menschen des Giftmords und anderer Übeltaten (Demosthenes 40.57). Das ist der Anfang des negativen Gebrauchs von pharmakeia.
3. Schliesslich wird das Wort für Zauberei und Hexerei verwandt. Im Falle der ägyptischen Zauberer und Beschwörer, die mit Mose wetteiferten, als Pharao das Volk nicht ziehen lassen wollte, wird es wiederholt gebraucht (2. Mos. 7,11.22; 8,14). Magie und Zauberei gehörten zu den Sünden, für die Jesaja die Vernichtung Babylons durch den Zorn Gottes voraussagte (Jes 47,9.12). Das Wort hat sich also in seiner Bedeutung vollkommen gewandelt.
Das Christentum entfaltete sich zu einer Zeit, als Magie und Zauberei weit verbreitet waren und oft in verbrecherischer Absicht angewandt wurden. In den frühen Jahrhunderten der griechischen Literatur lesen wir sehr wenig von Beschwörung und Zauberei. Plinius erzählt, dass die Magie zur Zeit der Perserkriege von einem Perser namens Osthanes in Griechenland eingeführt wurde (Plinius d. Ä., Naturalis Historia 30.1). Den ersten Hinweis auf verbrecherische Zauberei finden wir in einer Rede des Demosthenes. In der Rede gegen Aristogeiton spricht er von Theoris von Lemnos, „der gemeinen Zauberin“, die wegen ihres bösen Lebenswandels mit Recht zum Tod verurteilt wurde.
Bei den Römern finden wir schon im Zwölftafelgesetz einen Erlass, der das Wegzaubern der Ernte eines anderen verbietet (Seneca, Nat. Questions 14.7). Aber erst in der Spätzeit des Imperiums war die Magie in Rom weit verbreitet. Der Engländer J. R. Mozley schreibt: „Zweifellos wurden damals Versuche gemacht, durch übernatürliche Mittel Feinde zu verletzen und persönliche Vorteile zu erlangen, um die Macht der Magie zu beweisen“ (Article on Superstitio, in W. Smith, Dictionary of Greek and Roman Antiquities). Es gibt viele Grabinschriften, die an Menschen erinnern, deren Tod angeblich durch Magie herbeigeführt wurde. Eine davon lautet: „Hier liegt Eunia Fructuosa. Sie starb eines unverdienten Todes. Durch Zaubersprüche gelähmt lag sie lange danieder, so dass ihr Geist gewaltsam aus ihr gequält wurde ehe er zur Natur zurückkehrte. Die Schatten oder die himmlischen Götter werden die Rächer dieses Verbrechens sein“ (C.I.L. 2756).
Betrachten wir einige Formen der Zauberei aus der damaligen Zeit. Der Name des Menschen, den man schädigen wollte, wurde auf eine Tafel geschrieben, auf der allerlei drohende und Unheil verkündende Zeichen und Wörter eingeritzt waren; oder man machte ein Wachsbild von der betreffenden Person und zerschmolz es dann langsam oder zerstörte es auf andere Weise (Vergil, Ecloce 8.80; Horaz, Satiren 1,8,32). Bleistreifen mit dem Namen der angegriffenen Person darauf wurden angefertigt und mit einem Fluch an die Geister der Unterwelt gerichtet. Das Bleistück wurde dann in ein Grab gelegt, damit die Geister der Unterwelt es auch sehen und dem Fluch gemäss handeln würden. Man vergrub auch Knochen unter dem Haus eines Menschen, um dessen Tod herbeizuführen. Tacitus erzählt, dass man das bei der Ermordung des Germanicus getan habe (Tacitus, Annalen 2.69; Horaz, Satiren 2.8.22). Liebestränke waren sehr gebräuchlich, die Astrologie nahm überhand, und jedes Jahr gab es neue magische Rezepte für die Herstellung von Gold aus unedlen Metallen. Der böse Blick war allgemein gefürchtet (Alkiphron, Briefe 1.15; Plinius, Naturalis Historia 7.16; Plutardi, Symposium 7). Er war besonders gefährlich für Kinder. Man konnte sich dagegen schützen, indem man in die Falten seines Mantels spuckte oder durch das Tragen eines Amuletts, das das männliche Glied darstellte (Theokrit, Idyll 6.39; Plinius, Naturalis Historia 7.16; Varro, Lingua Latina 7.37). Dieselben eigenartigen Amulette, die offenbar Schutz gewähren sollten, konnte man in Gärten und an Häusern finden (Plinius, Naturalis Historia 19.50).
Das Leben in der Antike war durchdrungen von magischen Bräuchen. In Apostelgeschichte 19,19 lesen wir von Menschen, die sich bekehrten, weil Paulus ihnen die Macht des Namens Jesu gezeigt hatte, und die dann ihre Zauberbücher verbrannten. Es muss ungeheuer schwer gewesen sein, aus einer so stark vom Aberglauben durchsetzten Welt die Gebräuche auszurotten, die ein Teil des täglichen Lebens geworden waren. Tatsächlich wurden manche dieser Gebräuche in der nachapostolischen Zeit in liberal gewordenen Gemeinden nicht ausgerottet, sondern christianisiert. Es gab zum Beispiel Menschen, die jetzt nicht mehr die alten Amulette um den Hals trugen, sondern christliche Sprüche und sogar, offensichtlich für diesen Zweck angefertigte, Kopien von Teilen des Neuen Testaments.
Diese Tatsachen zeigen ganz deutlich das Schreckliche an den Werken des Fleisches. Sie sind ausnahmslos die Verkehrung einer Sache, die an sich gut ist. Unsittlichkeit, Unreinheit und Zügellosigkeit sind Perversionen des Geschlechtstriebs, der an sich gut und ein Teil der Liebe ist. Abgötterei ist eine Verkehrung der Anbetung. Zauberei ist eine Verkehrung des medizinischen Gebrauchs von Drogen. Neid, Eifersucht und Streit sind Verirrungen jenes vornehmen Strebens zum Guten, das ein Ansporn zur Grösse sein kann. Feindschaft und Zorn sind Umkehrungen der gerechten Entrüstung, ohne die die Leidenschaft für das Gute nicht bestehen kann, Uneinigkeit und ein parteiischer Geist Verkehrungen der Treue zu bestimmten Grundsätzen. Trunkenheit und Zechgelage sind die Verkehrung der Freude, die das gesellige Zusammensein bringt und der Dinge, die der Mensch fröhlich geniessen darf. Hier zeigt sich sehr deutlich die Macht des Bösen, der Sünde, die so schrecklich ist, weil sie Schönes in Widerwärtiges, die besten Dinge in eine Gelegenheit zur Sünde verwandeln kann.
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