Offenbarung-05: Das Lamm und das Buch

Der Sieg Christi

 

 

 I.   Wer ist würdig, das Buch zu öffnen (V. 1-5)

Einleitung: Kapitel 4 und 5 gehen zusammen.
In Kapitel 4 wird Gott als Schöpfer angebetet. In Kapitel 5 wird Christus als Erlöser angebetet. „Und ich sah ...“ leitet die neue Vision ein.

Vers 1: Die Buchrolle.
Das Buch ist eine Schriftrolle (βιβλίον). Eine Schriftrolle ist eine handgeschriebene Papyrusrolle, die an zwei Holzstangen aufgerollt wird. Es muss sich um eine extrem grosse und schwere Schriftrolle gehandelt haben, die viele Informationen enthielt. Diese Rolle, in der Vision, hat zwei Besonderheiten: Sie ist auf beiden Seiten beschrieben, was auf ihren vollständigen Inhalt schliessen lässt, dem nichts mehr hinzuzufügen ist. Sie ist mit sieben Siegeln versiegelt (κατασφραγίζω), d. h. von oben nach unten. Wichtige Dokumente wurden seit Jahrhunderten versiegelt (Jes 29,11; Jer 32,44; Dan 6,17; 12,4). Die Versiegelung geschah mit flüssigem Wachs, der mit einem Ring oder einem Stempel aus Metall gepresst und somit signiert wurde. Ein Siegel diente drei Zwecken: Eigentumsmerkmal (es bestätigte den Eigentümer). Echtheitsmerkmal (es beteuerte die Echtheit). Schutzzeichen (es schützte den Inhalt). Nur Testamente wurden mit sieben Siegeln versiegelt. Nach römischem Recht wurde ein Testament mit sieben Zeugen versiegelt und rechtskräftig. Nur in Gegenwart aller sieben Zeugen durfte es geöffnet werden.

Die Buchrolle hat sieben Siegel. Wie gesagt bedeutet das, dass es sich um einen endgültigen Inhalt handelt, der vollkommen geschützt ist und dem niemand mehr etwas hinzufügen kann. Gott allein ist der Verfasser dieser Schriftrolle und deshalb ist sie auch nur ihm vorbehalten. Gott hält sie in seiner rechten Hand (die Hand der Tat, Ps 118,15c), was andeutet, dass sie sehr wichtig ist. Wir wissen (noch) nicht, was der Inhalt des Buches war. Auch Hesekiel sah eine Schriftrolle, die auf beiden Seiten beschrieben war (Ez 2,10). Doch in seiner Vision lag der Inhalt des Buches offen. Es war mit Klagen, Seufzern und Wehrufen beschrieben. Erst ab Kapitel 6 werden die sieben Siegel einzeln geöffnet und geben uns detaillierte Auskunft über den Inhalt des Buches (6,1-8,5). Es handelt sich dabei um das, was in Kürze geschehen wird. Es handelt sich um den letzten Willen (Testament) Jesu Christi, d. h. um den Heilsplan für die Menschen. Es geht in diesem Kapitel jedoch nicht so sehr um den Inhalt dieses Buches, als vielmehr um die Öffnung selbst. Sie steht symbolisch für Christus, der etwas tat, was niemand anders tun konnte als er, der für die Menschheit ein neues Zeitalter eröffnete. Durch sein Blut können wir die Vergebung unserer Sünden empfangen. Der Tod Jesu am Kreuz eröffnete uns Menschen einen viel besseren Weg, nämlich, den Zugang zum Allerheiligsten Gottes (Hebr 10,19-20).

Vers 2: Der starke Engel.
Der Ruf des Engels ist laut, durchdringend, aber auch besorgt. Denn selbst dieser starke Engel kann das Buch nicht öffnen. Dazu ist jemand nötig, der spezielle Qualitäten aufweist (V. 9; Röm 1,3). Weshalb muss dieses Buch überhaupt geöffnet werden? Dieses Buch muss geöffnet werden, damit sich alles zum Guten wendet und Gott seine Herrschaft über Himmel und Erde demonstriert. Dieses Buch beinhaltet den Heilsplan Gottes für die Menschheit. Deshalb fordert der Engel alle intelligenten Lebewesen heraus und fragt: „Wer ist würdig, das Buch zu öffnen und seine sieben Siegel zu lösen?“ Es geht hier nicht um physische Kraft. Es geht um die Qualifikation oder Bevollmächtigung eines moralisch einwandfreien Charakters.

Vers 3: Niemand vermag das Buch zu öffnen.
Johannes wartet auf eine Antwort, doch es gibt eine lange Pause. Die traurige Tatsache ist offensichtlich: Niemand vermag das Buch zu öffnen noch hineinzuschauen. Es zu öffnen und hineinzuschauen bedeutet, es zu enthüllen, zu verstehen und den Inhalt auszuführen. Niemand im Himmel, auf Erden und im Hades vermag (δύναμαι) das Buch zu öffnen. Im Himmel gibt es mächtige Wesen: Cherubim und Seraphim sowie der Archengel Michael. Auf Erden gibt es Gläubige, Älteste, Diakone und Evangelisten in den örtlichen Gemeinden. Im Hades (d. h. unter der Erde wie in Phil 2,10) gibt es verstorbene Glaubenshelden wie Abraham, Mose, David, Elia, Elischa, Paulus usw.

Vers 4: Johannes weint.
Niemand ist würdig, niemand! Was für ein tragischer Moment für Johannes. Es gibt keinen Trost für die Verfolgten Gläubigen, denn es sieht aus, als ob das Böse siegen wird. Niemand weiss, wie es einmal enden wird, denn es gibt keinen, der die Menschen je aus ihren Leiden befreien kann. Es gibt keinen Erlöser für die Menschheit, oder zumindest ist er nicht bekannt. Johannes weint sehr, d. h. es schmerzt ihn wie Jesus damals, als er über die Stadt Jerusalem weinte (Lk 19,41). Wie sinnlos ist es doch, auf dieser Welt ohne Erlöser zu leben. Es ist alles umsonst! (Koh 1,2). Unsere Lebenssituation ist so sinnlos und leer, dass es sich nicht einmal lohnt zu weinen (Mk 14,72; Jak 4,9). Ohne Erlöser rückt Gott und sein Reich, indem Gerechtigkeit, Frieden und Freude wohnt, in weite Ferne (Röm 14,17).

Vers 5: Der Löwe aus dem Stamm Juda.
Doch dann wird Johannes von einem der vierundzwanzig Ältesten getröstet, der bereits erlöst worden ist (4,4). Welch herrliche Erlösung in tiefster Trauer.  Nur wer selbst einmal mit tröstenden Worten in grosser Trauer gestärkt wurde, kann die grosse Befreiung verstehen. Worte wie, „das ist doch nicht so schlimm“, oder „das Leben geht weiter“ können uns vom Druck der Trauer nicht befreien. Aber die Worte, die der Älteste spricht, kommen gerade im richtigen Moment und sind eine wirkliche Erleichterung. Gott wird auch unsere Tränen abtrocknen (Offb 21,4)! Der Älteste erklärt, dass es jemand gibt, der das Buch mit den sieben Siegeln öffnen kann. Es ist der Löwe aus dem Stamm Juda (Gen 49,8-11). Diese Sprache stammt aus der Segnung Jakobs, die er seinen Söhnen weitergibt (Gen 12,2-3). Der Stamm Juda wird ein junger Löwe (König unter den Tieren) genannt. Während die anderen Stämme später im Exil sich mit den heidnischen Völkern vermischten, durften aus Juda etliche in ihr Heimatland zurück-kehren und den Tempel wieder aufbauen. Jesus ist aus dem Stamm Juda hervorgegangen (Mt 1,1.17; Hebr 7,14). Juda ist der vierte Sohn Jakobs, der die Stelle des Erstgeborenen eingenommen hat (Gen 44,18-34). Jesus ist der mächtige Löwe aus dem Stamm Juda, der neue starke Führer der Familie Jakobs. Der Löwe steht in starkem Kontrast zum Lamm. Jesus darf nicht bloss als schwaches Opferlamm gesehen werden. Jesus ist auch mit einem unbesiegbaren Löwen zu vergleichen, der alle Macht besitzt, im Himmel und auf Erden (Mt 28,18). Jesus hat den Sieg bereits errungen! Er hat über alles Böse gesiegt und uns zu Mitsiegern gemacht! Es ist der Spross Davids (Röm 15,12; Offb 22,16). Aus dem Stamm Juda ging Isai hervor, der Vater Davids (Jes 11,1-10). Der Prophet Natan verhiess dem König David einen ewigen Nachkommen auf seinem Thron, das ist Jesus (2Sam 7,11-14). Durch diesen Nachkommen schloss Gott einen neuen Bund (Ps 89,4). Nicht einen Bund, wie damals, mit den Vätern Israels (Hebr 8,9). Einen besseren Bund, der allen Menschen gilt, die an Jesus glauben (Röm 8,6; 15,9-12; 4,17). Jesus Christus ist der Einzige, der qualifiziert ist das Buch mit den sieben Siegeln zu öffnen. Jesus ist der grosse Sieger und Überwinder (5,5). Er hat alle Versuchungen überwunden und die Sünde besiegt (Mt 4; 1Petr 2,22). Er hat durch seine Auferstehung den Teufel und die Macht des Todes überwunden (Hebr 2,14; 1 Kor 15,20-22). Unser Glaube an Jesus Christus überwindet die Welt (1 Joh 5,4-5).

Wer überwindet,
„dem werde ich zu essen geben“ (2,7),

„dem wird der zweite Tod nichts anhaben können“ (2,11),

„dem werde ich vom verborgenen Manna geben“ (2,17),

„dem werde ich Macht geben über die Völker“ (2,26),

„der wird in weisse Gewänder gehüllt“ und dessen Name wird nie getilgt im Buch des Lebens (3,5),

„den werde ich zu einer Säule im Tempel meines Gottes machen“ (3,12),

der „soll mit mir auf meinem Thron sitzen“ (3,21),

der „wird dies alles erben ...“ (21,7),

Diese überwältigende Botschaft erfüllt alle Gläubigen mit grosser Freude, denn sie haben den Teufel besiegt „dank dem Blut des Lammes“ (12,11).

 

 II.   Das geschlachtete Lamm (V. 6-10)

Vers 6: Das Lamm steht in der Mitte.
„Und ich sah“ leitet ein neues Bild ein. Das Lamm steht im Mittelpunkt der Szene. Rings um das Lamm stehen – die vier Wesen (4,6b-8a), die vierundzwanzig Ältesten (4,4), Das Lamm ist wie geschlachtet. Das griech. Wort für Lamm (Arnion) ist „Lämmlein“, diese Verkleinerungsform lässt auf eine Opferung schliessen. Das griech. Wort für geschlachtet (σφάζω) steht für gewaltsamen Tod. Statt eines Löwen sieht Johannes ein Opferlamm, das einen tödlichen Schnitt am Hals aufweist. Es hat eine unverheilte offene Wunde, aus der noch immer Blut tropft. Zu allem Elend steht das Lamm vor ihm, als ob es durch den gewaltsamen Tod nicht im Geringsten geschwächt wurde. Es besteht kein Zweifel, dass dieses Lamm Jesus Christus darstellt. In der Offenbarung wird dieses Wort achtundzwanzig Mal für Christus verwendet. Der Prophet Jesaja sprach von Jesus wie von einem „Lamm, das zur Schlachtung gebracht wird“ und vor seinen Scherern verstummt (Jes 53,7). Johannes der Täufer weist auf Jesus als „das Lamm Gottes“ hin, das die Sünden der Welt hinwegnimmt (Joh 1,29.36). Petrus spricht vom „teuren Blut Christi eines makellosen, unbefleckten Lammes ...“ (1Petr 1,19).

Das Lamm bedeutet einerseits Opferung, aber weil es steht, weist es auf seine Auferstehung hin, wie Jesus dem Johannes selbst mitgeteilt hat (1,18b). Das Lamm steht und ist fähig das erwähnte Buch zu öffnen. Einmal mehr werden wir bei diesem Bild daran erinnert, dass Gottes Wege und Gedanken nicht die Wege und Gedanken der Menschen sind (Jes 55,8). Im Kampf gegen das Böse stellen wir uns eher einen gefährlichen Löwen vor, der den Feind verletzen kann, stattdessen gibt uns Gott das Bild eines Opferlammes, das die Verletzungen anderer trägt. Gottes Macht und Taktik arbeiten ganz anders als wir Menschen. Wir Menschen meinen das Böse mit denselben Waffen bekämpfen zu müssen, mit denen es uns angreift. Deshalb freute sich der Teufel für einen Moment, als er Jesus am Kreuz hängen sah und meinte, er habe damit die Gottheit besiegt. Dass Jesus gerade mit seinem Tod und seiner Auferstehung zum Erlöser für die Menschheit wurde, damit hatte der Teufel nicht gerechnet. Diese gewaltlose Macht Gottes ist für uns Menschen unbegreiflich.

Das Lamm hat sieben Hörner und sieben Augen. Es ist offensichtlich, dass das Lamm nicht so hilflos ist, wie es im ersten Augenblick aussieht. Die sieben Hörner stehen für Stärke und Allmacht (siehe Dtn 33,17), aber auch für Ehre (siehe Ps 112,9; 148,14). Die sieben Augen stehen für das Allessehende und für die Allwissenheit (siehe 2Chr 16,9a; Sach 4,10). Die Zahl sieben steht für vollkommen und vollständig sehend, wissend und allmächtig, der niemand zu widerstehen vermag. Die sieben Augen werden als die sieben Geisterwesen identifiziert, das ist der Heilige Geist, der in die ganze Welt hinausgesandt wird. Mit dem Heiligen Geist wird die Allgegenwart Jesu dargestellt. Wir sehen also, dass das Lamm keinesfalls hilflos ist, sondern es ist der siegreiche Herr der Herren und König der Könige (wie in 17,14)! Diese Beschreibungen mögen wohl der Grund sein, weshalb Johannes in der Offenbarung für Lamm den neuen griechischen Begriff Arnion gebraucht und nicht Amnos, wie in anderen Bibelbüchern.

Das Lamm wird in der Offenbarung mit Allmacht, Allwissenheit und Allgegenwart in Verbindung gebracht und nicht wie gewohnt mit einem Opfertier. Durch diesen neuen Begriff entsteht beim Leser ein verändertes Bild. Es geht in der Offenbarung um ein machtvolles und siegreiches Lamm, weniger um ein Lamm, das die Spuren seines Opfers trägt. Das ist ein gewaltiges und einzigartiges Bild von Jesus Christus! Jesus ist die Hoffnung aller Gläubigen, denn er ist tatsächlich der Löwe aus dem Geschlecht Juda und der Wurzelspross Davids. Jesus ist das Opferlamm, das seine Schmerzen und Wunden noch im Himmel trägt. Jesu Niederlage hat sich in einen triumphalen Sieg umgewandelt. Schmach in Herrlichkeit. Tod in ewiges Leben. Unterwerfung in Herrschaft.

Vers 7: Das Lamm empfängt das Buch.
Mit sicheren Schritten geht es auf den Thron Gottes zu. Mit unangefochtener Überzeugung nimmt es das Buch mit den sieben Siegeln in Empfang und die Spannung löst sich. Gott sei Lob und Dank! Der Heilsplan Gottes ist in sicheren Händen. Jesus Christus ist würdig und hat alles vollbracht. Welch grosse Erleichterung. Das ist die entscheidende und offizielle Handlung, die uns das vollbrachte Heil in Jesus Christus vollends bestätigt. Das grosse Geheimnis Gottes, wie er seine Geschöpfe mit sich versöhnt, ist allen Lebewesen offenbart worden durch den Sohn (Eph 1,7-10; 3,9-11).

Vers 8: Das Lamm wird angebetet.
Wie Gott in Kapitel 4, wird nun Jesus (das Lamm) von denselben himmlischen Wesen fussfällig angebetet: Es sind die vier Wesen (wie Löwe, Stier, Mensch, Adler) und die vierundzwanzig Ältesten (stehen repräsentativ für alle Gläubigen aus AT & NT). Damit wird bestätigt, dass der Sohn dieselbe göttliche Autorität besitzt wie der Vater (Joh 10,30; Hebr 1,2-4). Niemand anders als die höchste Gottheit, darf angebetet werden (22,9)! Nach der Auferstehung von den Toten und der Himmelfahrt, hat Jesus seine Herrschaft angetreten (1Kor 15,25-26). Die Harfen in den Händen der Anwesenden sind ein Symbol des Lobpreises. Die goldenen Schalen mit Räucherwerk symbolisieren die Gebete der Heiligen.

Schlussfolgerung: Wenn wir Gott lobpreisen mit unseren Gemeindeliedern, dann ist das, als stünden wir vor Gott, jeder mit einer Harfe in seinen Händen. Wenn wir in der Gemeinde gemeinsam beten, dann halten wir wie goldene Schalen mit Räucherwerk in unseren Händen, das aufsteigt als lieblicher Duft für den Herrn (Ps 141,2; Ex 30,1-10.34-38).

Vers 9: Ein neues Lied wird gesungen.
Vergleich: In Kapitel 4 wurde Gott angebetet, weil er der Schöpfer ist (4,11). In Kapitel 5 wird das Lamm gepriesen, weil Jesus der Erlöser ist. Endlich darf das neue Lied gesungen werden, von dem das AT sprach (Jes 42,8-10; Ps 33,3). Es ist das Lied der Erlösung, oder, das Lied der neuen Schöpfung. Das Lied ist neu (kainos), weil es um einen neuen Textinhalt geht (14,3). Die Gläubigen unter dem Gesetz Mose konnten dieses Lied nicht singen, weil sie keine Vergebung der Sünden kannten und Jesus noch nicht gestorben war (Hebr 9,15).

Im neuen Lied wird das Lamm gepriesen, das würdig ist das Buch mit den sieben Siegeln zu öffnen. Durch die Öffnung der sieben Siegel wird der Heilsplan Gottes bekannt gemacht und ausgeführt. Der allmächtige Gott liebt seine Geschöpfe so sehr, dass er seinem einzigen Sohn den Auftrag gibt, den Preis für uns Menschen zu zahlen (Joh 3,16). Der Preis ist zu hoch, als dass er mit Geld oder Gold bezahlt werden könnte. Der Preis kann nur mit dem Lebensblut eines untadeligen Menschen bezahlt werden. Es ist ein hoher Preis für unsere Seelen bezahlt worden (1Kor 7,23; 6,19-20). Der Preis ist das kostbare Blut Christi (Apg 20,28). Christus hat diesen Preis für Gott und für uns Menschen bezahlt. Die Betonung liegt auf allen Menschen (2Kor 5,15):

- aus jedem Stamm (d. h. aus jeder Familien Gruppe),

- aus jeder Sprache (d. h. aus jeder Linguistik Gruppe),

- aus jedem Volk (d. h. aus jeder sozialen Gruppe),

- aus jeder Nation (d. h. aus jeder ethnischen Gruppe).

Vers 10: Die königliche Priesterschaft.
Alle Gläubigen bilden – das geistliche Israel (Röm 2,28-29; 1Petr 2,4-5), das auserwählte Geschlecht (Röm 4,16-17; 9,6-8), die königliche Priesterschaft (1Petr 2,9), das heilige Volk Gottes (1Petr 2,10; Kol 3,12; Gal 3,25-29). Im AT durften sich nur die Priester Gott nähern (Num 18,7). Jesus Christus öffnete allen Gläubigen den Zugang zum Allerheiligsten Gottes (Hebr 10,19-22). Jesus Christus ist der Hohepriester, der uns voraus in den Himmel hineinging (Hebr 9,11-12). Alle Gläubigen sind Priester Gottes, die geistliche Opfer darbringen (Hebr 13,15-16).

Die Heiligen werden mit Christus herrschen. Die Herrschaft Gottes hat nichts mit einer weltlichen Herrschaft zu tun. Gottes Herrschaft ist nicht korrupt und voller Gewalt. Gottes Herrschaft ist überragend, deshalb muss der Herr sich seine Herrschaft auch nicht erkämpfen, erzwingen und mit Gewalt erobern. Deshalb sieht es für weltliche Verhältnisse aus, als ob Gott gar nicht regieren würde, weil Kaos und Krieg die Welt regiert. Doch Gottes Herrschaft ist still und sanft. Gott verspricht allen Menschen, die an seinen Sohn glauben und sich freiwillig seinen Bestimmungen unterwerfen, vollständige Erlösung von den Sünden, eine himmlische (Milliarden) Erbschaft, eine geistliche Herrschaft, die bereits begonnen hat und nie enden wird.

Die Herrschaft dieser Welt: Besonders die Christen im ersten Jahrhundert (während Johannes die Offenbarung schrieb), wurden für ihren Glauben ins Gefängnis geworfen, weil sie den Kaiser nicht anbeteten, in der Arena den Löwen zum Frass hingeworfen, verbrannt, zersägt, grausam gefoltert usw. Aber auch in den letzten zweitausend Jahren mussten Christen oft schwer leiden und mit ihrem Leben bezahlen für ihren Glauben an Christus Jesus. Das sieht für viele nicht gerade nach einer Herrschaft aus. Doch wie es oft im Leben ist, werden wir, durch äusserliche Umstände getäuscht in unserer geistlichen Wahrnehmung!

Wie Gottes Herrschaft funktioniert: Der allmächtige Gott hat die Parameter für das menschliche Leben auf dieser Erde gesetzt und niemand kann ihnen ausweichen oder sie ignorieren. Alle Menschen müssen essen, trinken, schlafen, ob sie wollen oder nicht. Gerade das Schlafengehen ist für mich immer wieder erstaunlich. Es wird dunkel und ruhig, weil es alle Menschen nach einer gewissen Arbeitszeit automatisch in die Knie zwingt. Kein Mensch kann sich dieser sanften Herrschaft Gottes entziehen. Niemand kann sagen: „Ich fliehe auf eine Insel und mache mir dort mein eigenes Leben.“ Von der ersten Minute an geht es ums Überleben (Wasser, Nahrung, Feuer, Kleider, Behausung, usw.). Der Schöpfer hat uns Menschen unsere Aufgaben festgelegt. Niemand kann tun und lassen, wie er will. Der Mensch wird von der täglichen Arbeit beherrscht. Seine Zeit ist kurz auf Erden und seine Möglichkeiten begrenzt. Gottes Herrschaft bestimmt den Rhythmus des menschlichen Lebens. Alle Menschen werden älter und körperlich schwächer, ob sie wollen oder nicht. Alle Menschen müssen nach kurzer Lebenszeit von ca. 80 Jahren sterben, ob sie wollen oder nicht. Alle Menschen haben gesündigt, ob sie das einsehen wollen oder nicht. So funktioniert die Herrschaft Gottes über das Leben und die Gesetze des Lebens.

Wie herrschen wir Gläubigen mit Christus? Christus hat seine Herrschaft bereits angetreten (Apg 2,33-36; 1Kor 15,25). Durch unseren Glauben sind wir „in Christus“ (2Kor 5,17) und herrschen mit ihm, egal was die äusseren Umstände auf Erden sind. Jesus ist unser grosser Bruder und Gott ist unser Vater (1Kor 1,3), demzufolge zählen wir zur königlichen Familie, zu den Siegern des Lebens (1Kor 15,57). Wir bilden die Gemeinde Christi, die das Reich Gottes ist (1Kor 12,27; Offb 1,6; Mt 16,18-19). Wir sind von den Sünden Erlöste, die mit Christus im Leben zur Herrschaft gelangt sind und nicht mehr sterben müssen (Röm 5,17.14.21). Niemand hat die Macht über das was wir denken und glauben. Selbst wenn wir äusserlich sterben, hat der ewige Tod keine Macht über uns, sondern wir triumphieren mit Christus bereits in diesem Leben bis in alle Ewigkeit. Die Herrschaft in Christus ist also ganz anders, weil sie geistlicher Natur ist (1Kor 1,21-25).

Deshalb ist der Ort symbolisch zu verstehen, d. h. „sie werden herrschen auf Erden“ bezieht sich hauptsächlich auf den Sieg und nicht auf den Ort, mit andern Worten: „... sie werden herrschen über die Erde.“

 

 III. Würdig ist das Lamm (V. 11-14)

Vers 11: Myriaden singen vereint.
Die vier Wesen und die vierundzwanzig Ältesten singen gemeinsam (= 28 Singende) das Lied der Erlösung. Dazu kommen die Stimmen vieler Engel im Himmel, d. h. Myriaden singen im Chor vereint vor dem Thron Gottes (Hebr 12,22). Die unzählbare Engelschar (tausend und abertausend) bedeutet, dass alle Engel vollständig am himmlischen Gesang teilnehmen (Ps 68,18; Dan 7,10). Sie alle freuen sich über den Heilsplan Gottes, der durch Jesus Christus geoffenbart und in Erfüllung gegangen ist (Lk 15,10; Eph 3,10; 1Petr 1,12). Sie alle erwarten die Geretteten mit aufrichtigem Interesse in der himmlischen Gemeinschaft.

Vers 12: Würdig ist das Lamm.
Die gesamte himmlische Schar ehrt und lobpreist einstimmig, in einem gewaltigen Chor, Jesus Christus (das Lamm). Dabei wird das perfekte Lamm für seine sieben göttlichen Merkmale angebetet und verehrt:

- für seine Macht (δύναμις) (Mt 28,18; Joh 17,2),

- für seinen Reichtum (πλοῦτος) (Kol 1,16-17; 2,9),

- für seine Weisheit (σοφία) (Kol 2,3),

- für seine Kraft, oder Stärke (ἰσχύς) (Eph 1,20-21; 6,10),

- ihm gebührt die Ehre, Verehrung (τιμή) (Hebr 2,7.9; 1Tim 1,17; 6,14b-16),

- ihm gebührt Lob-Preis, Herrlichkeit, Anerkennung (δόξα) (2Petr 1,17),

- ihm gebührt Lob, Segen, Anbetung (εὐλογία) (Offb 5,13; 7,12).

Vor diesen sieben Begriffen steht im Griechischen nur einen Artikel (ό), was darauf schliessen lässt, dass diese Begriffe alle wie ein einziges Wort formen. Alles, was Jesus besitzt, stellt er in den Dienst der Menschen für die er gelebt und gelitten hat. Es gibt nichts, was Jesus für sich behält, vielmehr giesst er alles reichlich über seine Geschöpfe aus.

Vers 13: Jedes Geschöpf betet Gott an.
Die Szene, die Johannes sieht, endet mit dem Höhepunkt wie eines Feuerwerks. Der Kreis der Anbeter vergrössert sich, indem jedes Geschöpf anbetet (siehe Ps 148), d. h.:

- himmlische Geschöpfe (= Engel),

- irdische Geschöpfe (= Menschen),

- die Seelen im Hades (= Verstorbene),

- auf dem Meer (= Geschöpfe in allen Lebensbereichen).

Philipper 2,10-11: „... damit im Namen Jesu sich beuge jedes Knie, all derer, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind, und jede Zunge bekenne, dass Jesus Christus der Herr ist, zur Ehre Gottes, des Vaters.“ Zwei Lieder wurden in Kapitel 4 für Gott gesungen und zwei Lieder in Kapitel 5 für Jesus, doch dieses fünfte Lied, gilt Gott und Jesus. Beiden Gottheiten gilt: Lob (εὐλογία), Ehre (τιμή), Preis (δόξα), Herrschaft (κράτος).

Dies gilt nicht bloss heute, sondern für immer und ewig. Es gibt keine andere Gottheit, die würdig ist, unsere Anbetung zu empfangen, ausser dem Gott, der alles erschaffen hat. In der Vision des Johannes wird die Gottheit von allen Geschöpfen verehrt. Was für eine machtvolle und überwältigende Szene muss dies für Johannes gewesen sein, die bestimmt unvergessliche Erinnerungen in seinem Herzen hinterlassen hat.

Vers 14: Die Reaktion der vier Wesen und der Ältesten.
Während der Chor den Lobpreis singt und ständig wiederholt, sprechen die vier Wesen unaufhörlich „Amen, Amen“ (= so sei es, siehe Ps 89,53). Dann endet das Lied und die Ältesten fallen auf ihre Füsse nieder und beten an wie zuvor (4,10; 5,8). Habakuk 2,20: „Der Herr aber ist im Tempel seiner Heiligkeit, Stille vor ihm, ganze Erde!“

 

 IV.  Schlussfolgerung

Was für eine überwältigende Szene, die uns mit Ehrfurcht erfüllt. Gross ist Gott für seinen weisen Heilsplan. Gross ist Jesus Christus für seine Liebe zu uns. Ohne Jesus gibt es keine Rückkehr ins Paradies.

Jesus ist das Lamm, das allein würdig ist, uns von allen Sünden zu erlösen. Mit seinem kostbaren Blut hat er uns gereinigt und sich die Gemeinde erkauft. Die Gemeinde ist IHM heilig und deshalb ist sie das auch für uns. Wir sind Gottes königliche Priesterschaft und leben im Reich Gottes, egal, was die äusseren Lebensumstände sind. Diese Tatsache schenkt uns viel Kraft und Ausdauer im Glauben, unsere Lebensprüfungen zu bestehen.

Gottes Herrschaft ist sanft, aber bestimmt, auch wenn es äusserlich gesehen anders aussieht. Gott regiert über alles Leben im Himmel und auf Erden. Alles ist seiner überragenden Herrschaft unterstellt. Gott hat die Gesetze des Lebens bestimmt. Jedes Knie wird sich vor El-Schadai beugen.

Darum, lasst uns anbeten und verehren unseren unbesiegbaren, über alles erhabenen und ewig herrschenden Gott, der uns so sehr liebt, dass er uns erlöst hat durch Jesus Christus, Amen!