Offenbarung-07: Die erwählten Heiligen

Der Sieg Christi

 

 

 I.   Ruhe vor dem Sturm (V. 1-3)

Der Leser wartet vergebens auf das siebte Siegel, das nun geöffnet wird. Der Grund ist, dass Kapitel 7 sozusagen ein Einschub darstellt. Das Kapitel 6,17 schliesst mit der Frage: „Wer kann da bestehen?“ Eine natürliche Reaktion der Empfänger, in den Tagen des Johannes, war: „Aber was ist mit uns Gläubigen?“ „Was wird mit uns geschehen, wenn alle diese schrecklichen Ereignisse stattfinden?“ Die tröstende Antwort finden sie in Kapitel 7, die mit andern Worten lautet: „Ihr braucht keine Angst zu haben, denn ihr werdet als Sieger hervorgehen.“ Die frühe Gemeinde bleibt zwar nicht ganz verschont, doch die Zeit der Bedrängnis wird sie sicher überstehen. Dieser beruhigende Einschub war äusserst wichtig für die aufgescheuchten und besorgten Gläubigen damals.

Es geht in Kapitel 7 um – eine Warnung (dass eine Zeit der Bedrängnis bevorsteht), eine Zusage (dass alle Gläubigen versiegelt und damit verschont werden), eine Verheissung (dass Gott alle Tränen abwischen wird).

Die meisten Kommentatoren sind sich einig, dass Kapitel 7 dem vorherigen Kapitel nicht chronologisch folgt. Johannes geht es nicht um einen Kalender, mit zeitlichen Ereignissen, die nacheinander folgen. Es gibt einige Hinweise dafür, dass die Ereignisse in Kapitel 7 vor dem sechsten Siegel geschahen, ja sogar vor dem ersten Siegel. Z. B. in Kapitel 7,1 werden die Engel aufgerufen, die vier Sturmwinde zurückzuhalten, bis alle Gläubigen versiegelt worden sind. Doch der Reiter auf dem roten Pferd, brachte bereits den Schrecken des Krieges (6,4). Auch der Reiter auf dem fahlen Pferd, brachte bereits den Tod durch das Schwert, den Hunger, die Pest und die wilden Tiere (6,8). Die vier Reiter wären also bereits losgezogen und hätten der Erde Schaden zugefügt, bevor die Gläubigen versiegelt wurden. Das wäre ein Widerspruch!

Die vier Winde in Kapitel 7 repräsentieren vermutlich die vier Reiter in Kapitel 6. In Sacharjas Vision stellen die vier Winde jedenfalls vier Kriegswagen mit vier Pferden dar (Sach 6,5). In der Offenbarung wird diese alttestamentliche Vision erneut aufgegriffen. Die vier Winde sind also bloss ein anderes Symbol für die vier Reiter. Demzufolge sollte das Kapitel 7 als Einschub betrachtet werden.

Verse 1-3: Von allen Seiten werden grosse Bedrängnisse erwartet.
Johannes beginnt mit einer griechischen Ausdrucksweise: „Danach sah ich ...“ Damit wird ein Szenenwechsel angekündigt. Dies kommt in der Offenbarung häufig vor und ist für die Auslegung eine grosse Hilfe. Der Ausdruck „die vier Ecken der Erde“ steht in der Bibel für die ganze Erde oder von überall her (Jes 11,12; Jer 49,36; Mt 24,31), ebenso ist das Land, das Meer und die Bäume symbolisch zu verstehen. Starke Winde symbolisieren, besonders in Jeremia, den Zorn Gottes (Jer 4,11-12; 23,19; 49,36; 51,1).

Es ist von insgesamt fünf Engeln die Rede (V. 2). Vier Engel stehen an den vier Ecken der Erde und halten die grossen Bedrängnisse von allen vier Himmelsrichtungen, mit ihren Händen, auf. Sie haben einen zerstörerischen Auftrag (V. 3). Doch sie werden zurückgehalten. Ein fünfter Engel steigt vom Osten her empor und erteilt den vier Engeln Weisung. Die Sonne geht im Osten auf, das bedeutet; der Engel bringt eine hoffnungsvolle Botschaft des Herrn. Bei den Juden erschien Gottes Gnade vom Osten her. Das Paradies im Garten Eden wurde im Osten gepflanzt (Gen 2,8). Gottes Herrlichkeit erschien vom Osten her im Tempel (Ez 43,2). Auch der Messias wurde vom Osten her erwartet (Jes 41,2; Mt 2,2).

Der fünfte Engel besitzt das Siegel Gottes, das bedeutet; er kommt mit göttlicher Vollmacht, um einen besonderen Auftrag auszuführen. Der Engel kommt direkt vom lebendigen Gott und Schöpfer. Die Betonung liegt auf „lebendig“, im Gegensatz zu den toten oder nutzlosen Göttern (Jes 44,9-17). Der lebendige Gott wurde nicht von Menschen erschaffen, wie eine nutzlose Götzenfigur aus Stein, Holz oder Bronze. Der lebendige Gott ist ewig (d. h. schon immer dagewesen und bleibt unvergänglich). Deshalb ruft jede gläubige Seele (Ps 42,3): „Meine Seele dürstet nach Gott, dem lebendigen Gott. Wann darf ich kommen und Gottes Angesicht schauen?“ Der Engel kommt mit dem göttlichen Auftrag, die Knechte zu versiegeln. Diese Knechte (plural, δούλους) sind nicht auf Juden oder Heiden beschränkt, sondern beziehen sich auf alle Gläubigen. Die Knechte sind Gottes Eigentum – Sklaven Gottes (1Kor 7,22), Kinder Gottes (1Petr 2,16), die treuen Seelen oder kurz gesagt alle Gläubigen (1,1; 19,5). In Gottes Augen sind alle Menschen gleich, ob Juden oder Heiden, ob reich oder arm (Gal 3,28-29; 6,15-16; Röm 2,28-29).

Gottes Eigentum muss zuerst versiegelt und gekennzeichnet werden, bevor das schreckliche Gericht über die Erde kommt. Ein Siegel war das Zeichen des Eigentums. Im Orient trugen Könige Siegelringe. Alle Dokumente, die mit einem Siegelring des Königs versiegelt wurden, bürgten dafür, dass sie echt waren und aus der Hand des Königs stammten, d. h. von ihm autorisiert waren. Als der Pharao Josef zu seinem Stellvertreter machte, gab er ihm seinen Siegelring und übertrug ihm damit seine Vollmacht (Gen 41,41-42).  Auch Kaufleute und Weingutsbesitzer, versiegelten ihre Ware mit einem Qualitätszeichen. Das ist bis heute so geblieben, indem jeder Vertrieb eines Produkts sein eigenes rechtlich geschütztes Etikett oder „Label“ besitzt. Dieses Bild von der Versiegelung, finden wir auch bei Hesekiel (Ez 9,1-2). Gott rief nach Vergeltung, weil sein Volk ihn verliess und fremden Götzen diente. Deshalb setzte der Herr (babylonische) Vollstrecker ein, die an der Stadt Jerusalem das Gericht vollzogen (vor der Zerstörung, 586 v. Chr.). Um zu verhindern, dass die wenigen, die dem Herrn treu blieben, auch umgebracht werden, wurden sie an der Stirn mit einem „X“ markiert. Bevor das blutige Massaker in der Stadt losging, mussten die Vollstrecker warten, bis der hinterste und letzte Knecht Gottes mit einem Zeichen versehen war, das besagte, dass er nicht angerührt werden durfte. Etwas Ähnliches geschieht auch hier in der Offenbarung 7! Das Aussergewöhnliche daran ist, dass hier nicht von Objekten, sondern von Menschen die Rede ist. Die Gläubigen erhalten aber nicht bloss ein Zeichen an der Stirn. Sie werden mit einem kostbaren Siegel auf der Stirn gekennzeichnet, damit sie vor dem kommenden Gericht verschont bleiben (9,4). Das Land und das Meer, sowie die Bäume sollen noch nicht verwüstet werden, bis alle Auserwählten durch dieses Siegel geschützt sind.

Dieses Versiegelungszeichen geschieht jedoch nicht physisch, wie bei Kain damals (Gen 4,15), sondern geistig! Später werden übrigens auch die Nachfolger des Widersachers, mit einem speziellen Zeichen versehen (Offb 13,16-17; 14,9; 16,2). Diese Szenarien zeigen, dass jeder Herrscher, der im Kampf zwischen gut und böse steht, seine Nachfolger genau kennt.

Schlussfolgerung:
Auch wir sind versiegelt worden, durch den Heiligen Geist, den wir in der Taufe empfangen haben und der in uns wohnt, als Anzahlung unseres Erbes (Eph 1,13-14). In ähnlicher Weise verschonte der Herr sein Volk von den zehn Plagen, während die Ägypter durch die Gerichte Gottes bestraft wurden (Ex 8,18-19; 9,4.25-26; 11,7; 12,11-14). Der lebendige Gott ist fähig für seine Kinder zu sorgen, ihr Leben zu beschützen und sie aus allen Notlagen zu retten (Ex 1,15-2,10; Mt 2,13-23; Ps 5,12; 1 Petr 3,20b). Sie sind seine Lieblinge (Ps 147,11). Sie haben beim Herrn Wohlgefallen gefunden (Spr 3,4; 8,35). Sie müssen sich nicht fürchten, vor dem Gericht (Mt 13,24-30; 25,34).

Wenn das Leben uns mit Problemen überhäuft, dann bedeutet das keinesfalls, dass wir nichts Besonderes oder weniger wichtig sind, in Gottes Augen. Im Gegenteil! Wir sind heilig und gerecht gemacht worden (1Kor 6,11). Wir sind für Würdiges bestimmt, d. h. brauchbar für unseren Besitzer (2Tim 2,21). Wir sind die Brüder und Schwestern Jesu, die dem Herrn für immer geweiht sind (Hebr 2,11; 10;10). Wir sind das auserwählte Geschlecht, die königliche Priesterschaft, das heilige Volk Gottes (1Petr 1,16; 2,5.9-10).

 

 II.   Versiegelung der 144 000 auf Erden (V. 4-8)

Bevor wir uns mit der Zahl 144 000 näher befassen, ein paar Gedanken zur Versiegelung: Es tut gut zu wissen, dass Gott bis heute seine treuen Knechte, die auf Erden leben, mit dem Heiligen Geist versiegelt! (Eph 1,13-14; 4,30; 2Kor 1,21-22). Wenn wir uns zur Vergebung der Sünden taufen lassen, dann empfangen wir den Heiligen Geist als Siegel der Gotteskindschaft (Apg 2,38-39; 5,32; Gal 4,6). Der Heilige Geist, der dann in unseren Herzen wohnt, zeugt davon, dass wir Gottes Eigentum sind (1Kor 3,16; 2Tim 1,14). Der Heilige Geist verändert unser ganzes Leben zum Gott wohlgefälligen Wandel (Röm 8,9-11) und verschont oder beschützt uns ebenso vor den zerstörerischen Einflüssen in der Welt (Röm 8,12-14).

In welcher Form wurden Christen damals wie heute durch die Versiegelung geschützt? Machte sie das Siegel unverletzbar, gegen alle äusseren Einflüsse? Konnten sie weder durch Pfeile noch durch das Schwert getötet werden? Konnte die Hitze des Feuers ihnen keinen Schaden zufügen? Bedeutet es auch heute, keine Leiden ertragen zu müssen für die, welche versiegelt sind? Bleiben die Häuser der Christen vor den zerstörerischen Bomben des Krieges verschont? Geraten Christen nicht in finanzielle Krisen, Ehe- und Familienkrisen usw.? Überleben Christen tödliche Krankheiten und Leiden, weil sie vom Heiligen Geist versiegelt und damit geschützt sind? Jedermann kennt die Antwort zu diesen Fragen und weiss aus Erfahrung, dass Christen, damals wie heute, genauso grossen Gefahren und Leiden ausgesetzt waren und sind, wie alle übrigen Menschen in der Welt!

Aus der Offenbarung geht deutlich hervor, dass auch die Gläubigen viele Leiden und Bedrängnisse im Leben erdulden müssen (Offb 1,9; 2,10.13; 3,10; 6,4.6.8-11). Es wäre fantastisch, wenn alle Ungläubigen mit einem schmuddeligen hellgrünen Fleck auf der Stirn gekennzeichnet würden und alle Gläubigen mit einem schönen roten Siegel. So könnten die Bösen einfacher erkannt und bestraft werden, die Guten aber besser beschützt werden. Doch das ist leider nicht Gottes Plan. Der Herr kann aber, mit seinen scharfen geistigen Augen, die Gläubigen von den Ungläubigen jederzeit ganz klar auseinanderhalten (2Tim 2,19a).

Alles deutet darauf hin, dass das Siegel auf der Stirn kein äusseres Zeichen war, sondern eine seelische oder geistige Markierung. Das heisst, dass Gott alle seine Knechte genau kennt und sie in ihren Herzen durch den Heiligen Geist bewahrt, den er ihnen als Beistand geschenkt hat (Joh 10,27-29). Gott vermag für uns mehr zu tun, als wir erbitten können (Eph 3,20). Gott verspricht, uns nicht über unser Vermögen zu versuchen (1Kor 10,13). Gott wird alles zum Besten für uns geschehen lassen (Röm 8,28).

2Kor 4,16-18: „Darum verzagen wir nicht: Wenn auch unser äusserer Mensch verbraucht wird, so wird doch unserer innerer Mensch Tag für Tag erneuert. Denn die Last unserer jetzigen Bedrängnis wiegt leicht und bringt uns eine weit über jedes Mass hinausgehende, unendliche Fülle an Herrlichkeit, wenn wir nicht auf das Sichtbare schauen, sondern auf das Unsichtbare. Denn das Sichtbare gehört dem Augenblick, das Unsichtbare aber ist ewig.“ Mit andern Worten wird hier gesagt, dass die äusseren Umstände des Lebens, unser himmlisches Erbe nicht zerstören können (2Tim 4,7-8). Gläubige werden leiden, aber nicht zu ihrem Unheil, sondern zu ihrem Heil, weil sie allezeit auf Jesus schauen. Es geht also um eine geistige Versiegelung, die allen Gläubigen als Zeichen dient, dass sie Gott gehören und unter seinem besonderen Schutz stehen.

Vers 4: Es wäre falsch, wenn wir annehmen, dass am Ende bloss 144 000 Seelen gerettet werden. Diese Zahl ist symbolisch und steht für die Vollständigkeit und Vollkommenheit einer riesigen und unzählbaren Schar, die gerettet wird. Sie ergibt sich aus 12 x 12, multipliziert mit tausend. Sie sagt nicht, dass bloss ein paar abgezählte Seelen gerettet werden. Die Bibel spricht zwar von wenigen, die am Ende gerettet werden (Lk 13,23). Wenn wir aber alle Menschen zusammenzählen, die auf dieser Welt je geboren wurden, dann wäre ja die Zahl der Geretteten verschwindend klein und mit Sicherheit bereits erreicht. Das meint Jesus nicht, wenn er erklärt (Mt 7,14): „Wie eng ist das Tor und wie schmal der Weg, der ins Leben führt, und wenige sind es, die ihn finden!“ Es gibt Ausleger, die sind der Meinung, dass die 144 000 die erlösten Juden bedeuten, während die grosse Schar (V. 9), die erlösten Heiden darstellt. Es kann aber niemals sein, dass Gott bloss die Juden versiegelt (Gal 5,6). Im Neuen Bund schaut der Herr nicht mehr auf die äussere Beschnei-dung, sondern auf den Glauben jedes einzelnen Menschen (Röm 4,11). Es wäre ungerecht, Seelen nur auf Grund ihrer Geburt zu bevorteilen, durch das Siegel.

Röm 9,6b: „Nicht alle, die aus Israel stammen, sind auch Israel.“

Gal 6,15: „Denn weder Beschnittensein bedeutet etwas noch Unbeschnittensein - hier ist vielmehr neue Schöpfung.“

Röm 2,28-29: „... nicht das ist Beschneidung, was äusserlich am Fleisch geschieht, nein, ein Jude ist, wer es im Verborgenen ist, und die Beschneidung ist eine Beschneidung des Herzens, nach dem Geist, nicht nach dem Buchstaben ...“

Paulus erklärt, dass er im Geist Christus dient und nicht auf sein Fleisch (gebürtiger Jude) vertraut (Phil 3,3). In der Offenbarung wird kein Unterschied zwischen Juden und Heiden in Christus gemacht, sondern alle Gläubigen bilden ein einziges Volk (Gal 3,28). Jesus machte den ungläubigen Juden, durch ein Gleichnis, unmissverständlich klar, dass das Reich Gottes von ihnen weggenommen wird (Mt 21,33-46). Die Führer der Juden repräsentieren das Israel im Fleisch, das Jesus als Messias ablehnte. Deshalb wendet sich Gott nun allen Völkern zu (Röm 15,12).

Johannes sieht die Versiegelung nicht, sondern vernimmt bloss ihre Zahl. Diese Zahl repräsentiert alle Treuen auf Erden, die versiegelt wurden, um dem bevorstehenden Gericht Stand zu halten.

Verse 5-8: Bemerkungen zur Liste der zwölf Stämme.
Die Reihenfolge stimmt nicht mit den alttestamentlichen Listen überein (Gen 35,23-26; Num 13,4-15; Dtn 33,6-25). Normalerweise müsste die Liste mit Ruben, dem Erstgeborenen, beginnen. Manche begründen diese veränderte Auflistung damit, dass Jesus aus dem Stamm Juda hervorging (Offb 5,5).

Ungewöhnlich ist auch, dass Levi und Josef aufgelistet werden, während Ephraim und Dan ausgeschlossen sind. Der Stamm Levi wurde für den Dienst am Heiligtum bestellt; d. h. sie erhielten keinen Landbesitz, sondern hatten das Priestertum inne, demzufolge wurden sie nicht mit den zwölf Stämmen aufgelistet (Num 18,20-24; Jos 13,14). Josef galt nicht als Stamm, sondern seine beiden Söhne Ephraim und Manasse erhielten Anteil am Land und zählten zu den zwölf Stämmen. Doch Ephraim wird gar nicht erwähnt? Auch Dan ist von der Liste ausgeschlossen? Der Grund dazu könnte (das ist spekulativ) ihr Götzendienst sein (1Kön 11,26; 12,25-33; Ri 18,30-31). Ist hier wirklich die Rede von „jedem Stamm der Söhne Israels“?

Im AT wiesen die einzelnen Stämme unterschiedliche Grössen und somit eine unterschiedliche Anzahl von wehrfähigen Männern auf. Doch aus jedem Stamm sollten genau 12 000 versiegelt werden? Dabei sollte es nur um die wehrfähigen Männer gehen?

Tatsache ist, dass zehn der zwölf Stämme Jakobs bereits um 722 v. Chr. in die Verbannung geführt wurden und nie mehr in ihr Land zurückkehrten, d. h. sie vermischten sich mit den Heiden und können seit dem achten Jahrhundert v. Chr. nicht mehr identifiziert werden (2Kön 17,22-23).

Wie in der Einleitung erwähnt, enthält die Offenbarung viele Hinweise oder Referenzen auf das Alte Testament, die den ersten Christen damals bekannt waren. Deshalb ist diese Liste symbolisch zu verstehen, weil es um jüdische Begriffsbestimmungen und Bilder geht. Gerade weil diese Liste so unvollkommen ist, muss sie bildlich verstanden und auf alle lebenden Gläubigen (auf Erden) bezogen werden, die das göttliche Siegel empfangen sollten. Das Siegel kann sich niemals auf die Geretteten des Alten Testaments beziehen, da diese ja schon lange verstorben sind.

Die Gemeinde des Neuen Testaments besteht aus Juden und Heiden, die an Christus glauben und das geistige Israel bildet (Mt 19,28; Lk 22,30; Röm 2,29; Gal 6,16; Jak 1,1; Offb 2,9; 3,9; 21,2.12). Somit sind mit den aufgelisteten Versiegelten alle Gläubigen in den Gemeinden gemeint, die zur bevorstehenden Gerichtszeit noch auf Erden lebten.

 

III. Die siegreiche Schar im Himmel (V. 9-17)

Bis zu diesem Zeitpunkt haben wir gesehen, was auf Erden geschieht, d. h. vor dem Sturm. Die Gläubigen werden gerettet. In dieser neuen Szene blicken wir direkt in den Himmel hinein und sehen, was nach dem Sturm geschieht. Die Gläubigen werden belohnt. Die Worte: „Danach schaute ich ...“ kündigen jeweils einen Szenenwechsel an.

Vers 9: Die unzählbare Schar aus allen Völkern ist riesengross.
Jesus spricht zwar von wenigen in seiner Zeit, die gerettet werden (verglichen zur damaligen Weltbevölkerung, Lk 13,23; Mt 7,14). Es gilt den Elia Komplex zu vermeiden (1Kön 19,10.14): „Ich allein bin übrig geblieben!“ Immerhin gab es damals einen Rest von 7 000 in Israel, die ihre Knie vor dem Baal nicht beugten (1Kön 19,18; Röm 11,4).

Die Verheissung, die Gott dem Abraham gab, lautet: wie der Staub der Erde, den niemand zählen kann (Gen 13,16), wie die Sterne am Firmament (Gen 15,5), wie der Sand des Meeres, den man nicht zählen kann (Gen 32,13). Im Neuen Bund wird Abraham, durch Jesus Christus, allen Gläubigen zum Vater und erfüllt eine der ältesten Verheissungen Gottes (Röm 4,11-12; Gal 3,29). Deshalb wird das Lamm Gottes gepriesen, weil es die Buchrolle mit den sieben Siegeln öffnen kann und mit seinem Blut „Menschen aus jedem Stamm und jeder Sprache, aus jedem Volk und jeder Nation“ erkauft hat (5,9).

Das geistige Israel ist die Gemeinde des Herrn, die am Ende viel mehr als 144 000 zählt! Diese unzählbare Siegerschar im Himmel wird erst erwähnt, nachdem die Knechte auf Erden versiegelt wurden. Das heisst, es handelt sich um dieselbe Menschenmenge, die nun vor dem Thron Gottes und des Lammes steht. Die Königin von Saba bemerkte vor Salomo, wie gesegnet doch seine Diener sind, die allezeit in seiner Gegenwart stehen dürfen (1Kön 10,8). Wie viel mehr sind „die Knechte“ gesegnet, die für allezeit in Gottes Gegenwart leben dürfen! Sie alle stehen mit weissen Gewändern bekleidet vor dem Thron Gottes und halten Palmzweige in ihren Händen. Die weissen Gewänder bezeugen Reinheit und Festlichkeit. Die Palmzweige sind Zeichen des Sieges und der Freude. Nach dem Passa folgte das siebentägige Laubhüttenfest, das fröhlichste aller jüdischen Feste (Lev 23,26-32.39-44). Am ersten Tag wurden die Menschen angehalten, Palmwedel und Zweige von dichtbelaubten Bäumen usw. in die Hand zu nehmen und vor dem Herrn fröhlich zu sein (V. 40). Dasselbe taten die Menschen beim Einzug Jesu nach Jerusalem (Joh 12,13; Mt 21,8).

Verse 10-12: Die festliche Siegesstimmung wird durch die Zurufe der Erlösten verstärkt, indem sie laut rufen wie (V. 10): „Hoch lebe unser Gott, von dem das Heil kommt durch Jesus Christus!“ Die Szene vom himmlischen Thron (V. 11) wurde uns bereits geoffenbart (Kap. 4): Anwesend sind die sieben Geistwesen, samt den vier Wesen voller Augen. Anwesend sind die vierundzwanzig Ältesten und die vielen tausend Engel. Mitten drin steht der Thron Gottes mit einem Regenbogen umgeben. Darauf sitzt Gott mit seinem wunderschön leuchtenden Angesicht und das Lamm zu seiner Rechten.

Gemeinsam beugen sich alle um den Thron herum, beten Gott an und sprechen (V. 12): „So ist es!“ Sie loben Gott für alles, was er geschaffen hat. Sie preisen Gott für seine Liebe zu seinem Geschaffenen. Sie rühmen Gottes unfassbare Weisheit. Sie danken Gott für seine Gnade und Treue. Sie ehren Gott für seine Gerechtigkeit und Erhabenheit. Sie bekennen, dass Gott jegliche Macht besitzt und der rechtmässige Herrscher über alles ist. Sie bekennen, dass der ewige Gott auch die nötige Kraft besitzt, alles nach seinem Willen vollenden zu lassen. Was für eine wunderschöne und andächtige Feststimmung! Können wir uns vorstellen, wie auch wir überglücklich der himmlischen Schar beipflichten, wenn wir einmal vor dem Thron Gottes stehen werden? Es muss überwältigend schön und erlösend sein!

Vers 13: Ein Ältester, d. h. ein kompetenter Beteiligter, fragt Johannes, wer diese Menschenschar ist und woher sie alle kommen.
Das ist eine entscheidende Frage, die Johannes offenbar nicht beantworten kann. Solche Fragen- und Antwortszenen gehören zur Dramatik der prophetischen Sprache, um vermehrte Aufmerksamkeit zu gewinnen. Ein ähnliches Gespräch wird in Kapitel 17,7-18 geführt. Dort bezieht sich die Frage auf die Nachfolger Babylons. In unserem Kapitel bezieht sich die Frage auf die Nachfolger des Lammes. Der Älteste gibt auch gleich selbst die Antwort, damit dem Johannes un-missverständlich klar wird, was er den Gemeinden zu verkünden hat. Johannes sollte die Gemeinde in einem völlig neuen Licht sehen. Eine Gemeinde, wie er sie noch nie gesehen hatte, ohne geschlachtete Seelen unter dem Altar (6,9). Eine Gemeinde, die nicht mehr in geistiger Armut lebte (2,9). Eine Gemeinde, die keine geringe Kraft mehr besass (3,8), sondern eine Siegerschar mit der grössten himmlischen Macht im Rücken.

Vers 14: Es sind die, „die aus der grossen Bedrängnis kommen.“
Der Gemeinde in Smyrna wurde gesagt (2,10): „Fürchte dich nicht vor dem, was dir an Leiden noch bevorsteht. Siehe, der Teufel wird einige von euch ins Gefängnis werfen, um euch zu versuchen, und ihr werdet Not leiden, zehn Tage lang. Sei treu bis in den Tod, und ich werde dir die Krone des Lebens geben.“ Christen in Philadelphia wurden getröstet (3,10): „Weil du mein Wort bewahrt hast, das dir die Kraft gibt, auszuharren, werde auch ich dich bewahren in der Stunde der Versuchung, die über den ganzen Erdkreis kommen wird, die Erdenbewohner zu versuchen.“

Der Reiter auf dem roten Pferd hatte den Auftrag, Krieg zu bringen (6,4): „Und ein anderes Pferd kam hervor, ein feuerrotes; und dem, der auf ihm sass, wurde die Macht verliehen, den Frieden von der Erde zu nehmen, dass sie einander niedermetzelten. Und ein grosses Schwert wurde ihm gegeben.“ Die Märtyrer wurden zur Geduld aufgerufen (6,11): „Und einem jeden von ihnen wurde ein weisses Gewand gegeben, und es wurde ihnen geboten, sich noch eine kurze Zeit zu gedulden, bis auch ihre Mitknechte und ihre Brüder, die wie sie getötet werden sollten, in die Vollendung aufgenommen würden.“

Die Offenbarung weist immer wieder auf eine Zeit der grossen Bedrängnis (θλίψις) hin, die in erster Linie den Christen damals noch bevorstand (V. 14). Es war eine Zeit, in der Christen von den Römern wegen ihres Glaubens verfolgt und getötet wurden. Johannes erhielt den göttlichen Auftrag, den Christen damals zu schreiben, „was in Kürze geschehen muss“ (V. 1). „Denn die Zeit ist nahe“ (V. 3b). Sie sind es, welche die Versuchungen und Bedrängnisse überwunden haben (3,4.5.18), welche ihre Kleider gewaschen haben im Blut des Lammes (1Joh 1,7-10). Diese Zuversicht gilt schliesslich nicht bloss den Christen damals, sondern auch uns, die wir am Glauben bis zum Ende festhalten (Hebr 10,23; 12,1-3). Gott ist die Quelle der Rettung (σωτηρία) für alle (V. 10), die an ihn glauben (Apg 2,40; Lk 15,10).

Was ist mit der grossen Bedrängnis oder Trübsal nicht gemeint? (V. 14). Es handelt sich hier nicht um eine siebenjährige Zeitperiode, vor der zweiten Wiederkunft Christi. In der Offenbarung wird nichts von einer siebenjährigen Bedrängnis oder Trübsal gesagt. Diese grosse Bedrängnis ist nicht auf sieben Jahre beschränkt.

Johannes sieht alle Gläubigen (inkl. Nachzügler) vollzählig in Sicherheit, vor dem göttlichen Thron versammelt (V. 10). Sie blieben nicht untätig, sondern wuschen ihre schmutzigen Kleider im Blut des Lammes. Damals war es üblich, Kleider nicht bloss als Äusserlichkeit zu betrachten (Ex 19,10.14; Jes 64,5; Sach 3,3-5). Es handelte sich nicht lediglich um ein paar Spritzer der bösen Welt, die von ihren Gewändern entfernt werden mussten. Diese hätte vermutlich jeder selbst abwischen können. Es geht vielmehr um ein Kleid, das ganz beschmutzt war von der Sünde und nur mit dem Blut des Lammes gereinigt werden konnte. Das Kleid ist die Seele des Menschen. Blut bedeutet Leben (Lev 17,11) und ist Schutz zugleich (Ex 12,13). Das Blut des Lammes ist das Blut Christi (Mt 26,28; Eph 1,7). Daher kommt auch die Idee vom Abwaschen der Sünde (Apg 22,16; 1Kor 6,11). Unsere Seelen werden durch die Taufe, wie ein schmutziges Kleid, im Blut des Lammes reingewaschen (1Petr 1,19). Anschliessend wandeln wir im Licht des Wortes Gottes und das Blut Christi reinigt uns fortwährend, von unseren Sünden (1Joh 1,7).

Vers 15: „Darum“ bedeutet so viel wie, das ist der Grund, weshalb die treuen Knechte vor dem Thron Gottes stehen.
Sie haben viel gelitten, für das Himmelreich Gottes. Endlich sind sie angekommen und dürfen Gott ungehindert dienen. Von nun an wohnt niemand anders, als der allmächtige Gott, unter ihnen.

Vers 16: Gottes Gegenwart schützt die Erlösten vor Hunger, Krankheit und Tod, vor allen Gefahren des Lebens.
Diese bildliche Sprache ist uns aus dem AT bekannt. Als die Juden, aus dem Exil, in ihr Land zurückkehren durften, benutzte Jesaja dieselben Worte, um den Segen auszudrücken, den Gott für sein Volk bereithielt (Jes 49,10; 25,8; 66,13).

Vers 17: Jesus ist der Hirte (Joh 10,11), der seine Geliebten weidet und für sie sorgt.
Die Leidensspuren der Gläubigen werden geheilt. Die vielen Tränen, die durch Tod und Zerstörung flossen, werden abgewischt und sie werden für allezeit vom Herrn getröstet.

 

 IV. Schlussfolgerung

Wir sehen also, dass die Frage, die am Ende von Kapitel 6 gestellt wurde, in Kapitel 7 vollständig beantwortet wird. „Wer kann da bestehen?“ – Alle Knechte Gottes, mit dem Siegel auf der Stirn! Gott kennt seine Knechte alle und vergisst auch nicht einen zu versiegeln. Das heisst: Du bist besonders in Gottes Augen! Wie jedes einzelne Haar auf unserem Kopf gezählt ist (Mt 10,30), so kennt Gott die Anzahl seiner Nachfolger ganz genau. Die Offenbarung tröstet alle Christen auf wunderbare Weise, indem sie immer wieder bestätigt, dass Gott für seine Gemeinde sorgt und alle Treuen beschützt.

In diesem Kapitel gibt es zwei Szenen, die dem Johannes gezeigt werden: Die Szene auf Erden, in der alle Gläubigen versiegelt und gerettet werden. Die Szene im Himmel, in der alle Gläubigen vor dem Thron Gottes stehen und für ihre Treue belohnt werden. Gott spricht zu allen Gläubigen: „Es spielt keine Rolle wie heftig du von den Problemen des Lebens bedrängt oder überwältigt wirst, auf dich wartet eine grossartige Zukunft. Darum halte durch!“ Gott bleibt niemandem etwas schuldig (Mt 19,29).

Im Himmel wird für alle Treuen gesorgt und es wird ihnen an nichts fehlen. Darum, steht fest, ihr Knechte des Herrn und lasst euch nicht in Zweifel versetzen. Das Ende ist näher als je zuvor und Gott, der Herr wird alles vollenden, was er versprochen hat. Darum, freut euch auf die grosse Belohnung, die auf euch wartet!

 

V.  Fragen

- Was ist mit den vier Ecken der Erde gemeint?

- Was hat das zu bedeuten, dass ein andrer Engel vom Aufgang der Sonne emporsteigt?

- Wie bleiben die Nachfolger Christi vor dem geistigen Tod verschont?

- Wer sind die 144 000?

- Weshalb können dies nicht bloss Juden sein?

- Weshalb können damit nicht die Geretteten aus dem AT gemeint sein?

- Wer gehört zu der grossen und unzählbaren Schar?

- Wo wird sich diese grosse Schar sammeln?

- Wann wird die Sammlung stattfinden?

- Wie wird das Gewand im Blut des Lammes reingewaschen?

- Was wird mit den Gläubigen nach ihrem physischen Tod geschehen?