Offenbarung-11b: Wer sind die beiden Zeugen?

Die Offenbarung

 

 

 I.   Einleitung

Offenbar geben die beiden Zeugen Anlass zu vielen Spekulationen. Es ist ungeheuerlich, was Kommentatoren in diesen beiden Zeugen alles sehen wollen. Eine sachliche Untersuchung der Offenbarung, kann jedoch niemals zu bestimmten Personennamen führen, da uns Johannes auch keine gibt. Deshalb gilt es, an der folgenden Tatsache festzuhalten: Das Buch der Offenbarung dreht sich einzig und allein um Jesus Christus und seine Gemeinde.

Bei allen Auslegungen darf, der gesamte Überblick der Offenbarung, nicht aus den Augen verloren werden. Die Offenbarung wurde, in erster Linie den Gläubigen im ersten Jahrhundert, zum Trost geschrieben. Jesus weist darauf hin, dass die neu entstandene Gemeinde von Satan, mit allen Mitteln verfolgt und bekämpft wird. Doch Gott verspricht die Gläubigen im Geist zu beschützen, auch wenn sie extremen Leiden (ja sogar Todesleiden) unterworfen werden. Deshalb verspricht der Engel, dass der Herr zwei Zeugen senden wird, die durch ihre Verkündigung den Gläubigen Wegweisung, Trost und Hoffnung spenden. Alle, die bis zum Ende am Glauben an Jesus Christus festhalten, werden zum Sieg geführt.

Wer sind die beiden Zeugen in der Offenbarung 11?

 

 II.   Zerubbabel und Jehoschua (Sach 4,14)

Zerubbabel war Statthalter der babylonischen Provinz Jehud (zur Zeit des Perserkönigs Darius I, im 6. Jahrhundert v. Chr.). Er war der Enkel des judäischen Königs Joiachin19 (oder Chonja, 1 Chr 3,17-19). Er zählte zur messianischen Linie, in der Jesus geboren wurde (Mt 1,12-13; Lk 3,27). Der Prophet Sacharja bezeichnet ihn und seinen Mitarbeiter Jehoschua als „die beiden Gesalbten“ des Herrn (Sach 4,6-7.14). Im AT wurden Könige als auch Priester gesalbt (1Sam 10,1; 16,12.13; Lev 8,12.30). Die Gesalbten wurden im Auftrag Gottes für das Volk eingesetzt.

Josua (oder Jehoschua) war Hoher Priester und Mitarbeiter Serubbabels (Sach 3,1; 6,11). Beide lebten in der Zeit der Rückkehr aus dem babylonischen Exil. Sie führten die erste Rückkehr mit ca. 50 000 Juden an (Esr 2,64-65; Hag 1,1). Als sie in Jerusalem ankamen, begannen sie den Tempel wieder aufzubauen, doch das führte bei den Gegnern zu grossen Oppositionen (Esr 4). Erst 15 Jahre später (520 v. Chr.) begannen die Propheten Haggai und Sacharja mit der Wiederaufnahme des Tempelbaus und vollendeten sie im Jahre 515 v. Chr. (Esr 5-6). Der Herr beauftragte sie dafür, indem er sprach (Sach 4,6): „Nicht durch Kraft und nicht durch Stärke, sondern mit meinem Geist!, spricht der Herr der Heerscharen.“

Meint nun Johannes in seiner Offenbarung Zerubbabel und Jehoschua oder Haggai und Sacharja? Es sind keine der vier Personen gemeint! Das Bild des Johannes deckt sich nicht mit dem des Sacharja: Bei Sacharja sind es zwei Ölbäume und ein Leuchter (Sach 4,3). Bei Johannes sind es zwei Ölbäume und zwei Leuchter (Offb 11,4).

 

 III. Elija und Elischa

Beide waren aussergewöhnliche Propheten, die grossartige Wunder vollbrachten. Elija wirkte von 875-850 v. Chr. (1Kön 17,1-2Kön 2,14). Elischa war der Nachfolger und wirkte von 850-800 v. Chr. (2Kön 2,15-13,20).

Sie waren Gottes unbesiegbare Zeugen in der Vergangenheit, doch sie können in der Offenbarung des Johannes niemals gemeint sein.

 

 IV. Mose und Elija

Wer die Bibel gut genug kennt, dem poppen beim Lesen von Vers 6 (Offb 11,6) Mose und Elija im Gedächtnis auf. Mose verwandelte in der ersten Plage das Wasser zu Blut (Ex 7,17-20). Elija weissagte dem König Achab7, dass weder Tau noch Regen fallen werde und es regnete 3 ½ Jahre nicht in Israel (1Kön 17,1; Lk 4,25; Jak 5,17). Als der König Achasja8 fünfzig Männer aussandte, um Elija gefangen zu nehmen, fiel Gottes Feuer vom Himmel und tötete sie alle (2Kön 1,9-16).

Elija galt als grösster Prophet im AT und wurde so wichtig wie Mose betrachtet. Mose und Elija erschienen auch den drei Jüngern, auf dem Berg der Verklärung Jesu (Mk 9,4). Alttestamentliche Prophezeiungen (in Dtn 18,15.18; Mal 4,5-6) liessen Juden glauben, dass Mose und Elija als Personen wieder kommen würden. Doch das NT gibt unmissverständlich darüber Aufschluss. Die Verheissung auf Mose erfüllte sich mit Jesus Christus (Apg 3,19-26). Die Verheissung auf Elija erfüllte sich mit Johannes dem Täufer (Mt 11,11-14; 17,11-13; Lk 1,13.17).

Die Sprache in der Offenbarung 11,6 erinnert uns tatsächlich an Mose und Elija. Es ist daher verständlich, wenn einige Kommentatoren auf diese beiden Gottesmännern schliessen. So gut diese Erklärung auch passen mag, sie trifft nicht auf diese alttestamentlichen Zeugen zu. Denn die zwei Zeugen kommen vielmehr im Geist des Mose und Elija. Sie sind von Gott beauftragt und bevollmächtigt, wie Mose und Elija. Sie werden siegreich sein wie Mose und Elija; denn wie der Pharao Mose nichts entgegenhalten konnte, wie der König Achab Elija nicht zerstören konnte, so kann auch der Kaiser Domitian, noch irgendeine andere weltliche Macht, die Zeugen Gottes von ihrer Mission abhalten. Doch die Sprache in der Offenbarung 11,6 ist nicht buchstäblich, sondern symbolisch zu verstehen.

 

 V.  Andere Zeugen

Es wird gesagt, dass die zwei Zeugen die beiden Dimensionen Jesu darstellen: Jesus als Menschensohn. Jesus als Gottessohn.

Die Liste der Kandidaten für die beiden Zeugen ist unendlich: Jesus und die zwölf Apostel. Petrus und Paulus. Religionsführer bis in die heutige Zeit.

Andere setzen die Betonung nicht auf zwei Personen, sondern auf die Zahl zwei: Das Gesetz und die Propheten. Das Alte und das Neue Testament. Gesetz und Evangelium.

Wenn diese beiden Zeugen buchstäblich zu verstehen sind, dann könnten sie auch den Heiligen Geist und die Apostel bedeuten (Joh 15,26-27). Die Apostel empfingen den verheissenen Heiligen Geist aus der Höhe (Lk 24,49; Apg 1,9; 2,1-4). Dieser Geist führte sie in die ganze Wahrheit (Joh 16,13 ff.) und bestätigte die frohe Botschaft, durch Zeichen und Wunder (Mk 16,19 ff.; Hebr 2,4). Petrus bestätigte, dass er und die Apostel, samt dem Heiligen Geist, für die Wahrheit des Evangeliums zeugen (Apg 5,32). Johannes weist auf dieselben Zeugnisse zum ewigen Leben hin (1Joh 1,1-3; 5,7).

 

 VI. Die beiden Zeugen repräsentieren alle Bekenner

Bei der Auslegung der Offenbarung sollten wir uns nicht zu sehr in Details verlieren. Es geht darum, eine hoch symbolische Sprache zu verstehen. Es geht um Beispiele, die den Lesern damals sehr wohl bekannt waren und die im übertragenen Sinn ihre Lebenssituation aufhellte.

Das heisst, dass die Gläubigen damals, in den beiden Zeugen, zuerst ihre eigenen Märtyrer sahen, die um Christi Willen den Tod fanden (Offb 2,13; 6,9). Sie erkannten sogar sich selbst wieder, in diesen beiden Zeugen! Denn sie standen mitten in einer schrecklichen Verfolgungszeit.

Die Zahl zwei ist genauso symbolisch zu verstehen, wie alles andere im Abschnitt. In der Einleitung wurde erklärt, dass die Zahl 2 eine doppelte Einheit darstellt, diese Zahl bedeutet Stärke (Bsp. Koh 4,9-11). Im AT wie im NT brauchte es jeweils zwei Zeugen, um die Wahrheit einer Sache zu beglaubigen (Dtn 17,6; 19,15; Mt 18,16; 1Tim 5,19). Auch Jesus sandte seine Jünger zu zweit aus, damit sie sich gegenseitig ergänzen konnten (Mk 6,7; Lk 10,1). Dazu kommt, dass gegen zwei Personen niemals ein Krieg angezettelt werden muss. Aber, um hunderte oder tausende Gläubige zu töten, die Gottes Gebote befolgen schon (Offb 12,17). Es geht nicht bloss um zwei Zeugen. Es geht auch nicht bloss um einige Märtyrer. Es geht um alle Gläubigen, „die am Zeugnis Jesu festhalten.“

 

 VII. Schlussfolgerungen

Im ganzen Buch treten immer wieder Zeugen auf, die wegen ihres Glaubens an Christus verfolgt wurden: Johannes selbst wurde auf die Insel Patmos verbannt, „um des Wortes Gottes und um des Zeugnisses Jesu willen“ (Offb 1,9). Die Seelen unter dem Altar wurden hingeschlachtet, „um des Wortes Gottes und um des Zeugnisses willen“ (Offb 6,9). In Kapitel 12 verfolgt der Drache die gläubigen Nachkommen, „die die Gebote Gottes beachten und am Zeugnis Jesu festhalten“ (Offb 12,17).

Es war nie bloss ein paar wenigen Auserwählten vorbehalten, Zeugnis über Jesus abzulegen, sondern jedes Glied der Gemeinde wurde und wird dazu aufgerufen. Es heisst, dass die beiden Zeugen als zwei Leuchter definiert werden (Offb 11,4). In Kapitel 1 sind die sieben Leuchter, die sieben Gemeinden (Offb 1,20). Weil die Gläubigen, Kinder des Lichts geworden sind, leuchten sie in dieser Welt, so dass die Menschen ihre guten Taten sehen und den himmlischen Vater preisen (Mt 5,14-16; Eph 5,8; Phil 2,15; 2Kor 4,4.6). Deshalb stellen diese beiden Zeugen die Treuen aus allen Zeitaltern dar, die für die Wahrheit Gottes eintreten, egal was die Konsequenzen sind. Gott ist mit uns, wie er mit Zerubbabel, Jehoschua, Elija und Mose war, besonders dann, wenn wir von Menschen abgelehnt werden. Seine Verheissung gilt allen, die den Missionsbefehl Jesu ernst nehmen (Mt 28,20): „Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“