Offenbarung-18b: Die Gottlosigkeit Roms

Die Offenbarung

 

 

Über den Reichtum, die Üppigkeit, die Völlerei und die Leichtfertigkeit, die damals in Rom an der Tagesordnung waren, brauchen wir nur Bücher wie „Die römische Gesellschaft von Nero bis zu Marc Aurel“ (von Samuel Dill), „Leben und Sitten im alten Rom“ (von Ludwig Friedländer), vor allem aber die „Satire“ Juvenals, die „Kaiserviten“ Suetons und die Werke von Tacitus zur Hand zu nehmen, die selbst Römer waren und voller Abscheu und Entsetzen von diesen Dingen berichten. Diesen Büchern sind die von uns angeführten Fakten zur Illustration des Reichtums und des ausschweifenden Luxuslebens entnommen, das in Rom herrschte.

Ein blinder Wetteifer, bei dem einer den andern an Üppigkeit und Gepräge zu übertreffen versuchte, beherrschte die Menschen jener Zeit. Von Caligula wurde behauptet, er habe „von allen am meisten nach dem gestrebt, was die Menschen für unmöglich hielten“, und das hervorstechendste Merkmal Neros sei gewesen, „das Unglaublichste zu verlangen“. Senatoren, die zu niedrige Pachtzinsen bezahlten oder mit einem zu kleinen, kümmerlichen Gefolge die Via Appia oder Flaminia entlangfuhren, waren damit gebrandmarkte Leute, die ihre gesellschaftliche Stellung einbüssten.

Die Reichtümer und Schätze der Welt ergossen sich im ersten nachchristlichen Jahrhundert in den Schoss Roms. Bei Dill heisst es: „Dank der langen Friedenszeit, dank der Sicherheit auf den Meeren und dank der Freiheit des Handels war Rom zum Depot aller wertvollen Erzeugnisse und Delikatessen geworden, die die Länder vom Ärmelkanal bis an den Ganges hervorbrachten.“ Der römische Schriftsteller Plinius berichtet von einem Gastmahl, bei dem jeder Gang von einem anderen Land beigesteuert wurde, von Indien, Ägypten, Kyrene, Kreta und so fort. Juvenal spricht von den von grossen Schiffen bevölkerten Meeren und anderen, die bereit lagen, begierig auf neue Fahrten wartend. Bei dem um 189 n. Chr. Gestorbenen griechischen Redner Aristides findet sich in seiner Lobrede auf Rom folgende farbenprächtige Darstellung, die wir trotz ihrer Länge ganz zitieren wollen: „Handelsgüter aller Länder und Meere, alles, was die verschiedenen Jahreszeiten und Länder hervorbringen, Fische sämtlicher Bäche und Seen, die Künste der Griechen und Barbaren, alles wird nach Rom gebracht. Wer all dies sehen will, muss entweder die ganze bewohnte Welt bereisen oder nach Rom kommen. Täglich und zu allen Jahreszeiten legen so viele grosse Schiffe aus aller Welt am Hafen von Rom an, dass Rom einer Handelsniederlassung der ganzen Welt gleicht. Schiffsladungen voll Waren aus Indien oder dem gesegneten Arabien kann man dort sehen, so dass man vermuten konnte, die Bäume dort seien völlig geplündert worden; Kleidung aus Babylon, Schmuck aus den Ländern der Barbaren, alles fliesst nach Rom: Güter, Waren, Landeserzeugnisse, die Ausbeute der Bergwerke, Kunsterzeugnisse aller Art, alles, was erzeugt wird und wächst. Was man in Rom nicht sieht, gibt es nicht und hat es nie gegeben.“ Die Gesamteinfuhr aus Indien betrug an Gewürzen und Duftstoffen zu jeder Zeit jährlich umgerechnet über 3 Millionen Euro. Aus Arabien und China wurden an Seide, anderen Stoffen und Edelsteinen jährlich für mehr als 5 Millionen Euro Waren eingeführt.

Es gab riesige Vermögen, und ebenso kolossal waren die Ausgaben. Ein von Nero Freigelassener zählte einen anderen, der fast 3,5 Millionen Euro besass, zu den Armen. Apicius vergeudete bei seinem ausschweifenden Lebenswandel ein Vermögen im Wert von über 5 Millionen Euro und beging Selbstmord, als er nur noch etwas mehr als eine halbe Million besass, weil er mit einem so armseligen Betrag nicht auskommen könnte. Caligula verschwendete die Einkünfte aus drei Provinzen in Höhe von über fünfhunderttausend Euro an einem einzigen Tage, und im Laufe eines einzigen Jahres verstreute er grosszügig mit seiner Verschwendungssucht über 1 Million Euro. Bei einem Festmahl kostete der ägyptische Rosenschmuck allein etwa 200'000 Euro.

Wenn wir lesen, was der römische Geschichtsschreiber Sueton über seine Kaiser schreibt, sollten wir uns daran erinnern, dass es sich nicht um die prophetische Anklage eines christlichen Predigers handelt, sondern um einen heidnischen Schriftsteller. Über Caligula schreibt Sueton: „In seiner unberechenbaren Zügellosigkeit übertraf er an Verschwendungssucht alles bisher Dagewesene; er ersann neuartige Bäder und unnatürliche Variationsmöglichkeiten beim Essen und Trinken. Es badete in heissen und kalten parfümierten Ölen, trank kostbare, in Weinessig aufgelöste Perlen und setzte seinen Gästen goldene Brote und goldenes Fleisch vor.“ Er liess Galeeren bauen, deren Bug mit Perlen beschlagen waren. Von Nero berichtet Sueton, er habe die Menschen gezwungen, ihm Festessen vorzusetzen, die über 100'000 Euro kosteten. „Er trug keins seiner Gewänder zweimal. Beim Würfeln spielte er um 10'000 Euro je Punkt. Er fischte mit goldenen Netzen an seiner Schnur aus purpur- und scharlachroten Fäden. Er soll keine Reise mit weniger als tausend Wagen angetreten haben, und zwar mit silbergeschmückten Maultieren.“ Wir haben erwähnt, dass Caligula in Essig aufgelöste Perlen trank. Derartige Prahlereien wahren nichts Ungewöhnliches. So soll Kleopatra eine derart aufgelöste Perle im Wert von umgerechnet über 400'000 Euro getrunken haben. Valerius Maximus liess bei einem Fest jedem seiner Gäste eine Perle zum Trinken vorsetzen; er selbst verschluckte, wie es bei Horaz heisst, die in Wein aufgelöste Perle aus dem Ohrring der Metalla, um sagen zu können, er habe mit einem einzigen Schluck eine Million Sesterzen verschlungen.

Es war eine Epoche ungewöhnlicher Völlerei. Bei Festmählern gab es Pfauenhirn und Nachti-gallenzungen zu essen. Vitellius, dessen Regierungszeit nicht einmal ein Jahr betrug, gelang es, in dieser kurzen Zeit vorwiegend für Nahrungsmittel etwa 40'000'000 Euro auszugeben. Über sein Lieblingsgericht heisst es bei Sueton: „Die Leber von Hechten, Fasanen- und Pfauenhirne, Flammingozungen und Neunaugenmilch, die seine Kapitäne auf Dreiruderern aus dem ganzen römischen Reich von Parthien bis an die Strasse von Gibraltar nach Rom brachten, wurden miteinander vermischt.“ Petronius schildert Szenen, die sich beim Gastmahl des Trimalchio abspielten: „Ein Gang verkörperte die zwölf Tierkreiszeichen… Ein anderes Gericht bestand aus einem grossen Eber, von dessen Stosszähnen Körbe mit Konfekt herabhingen. Als ein riesiger bärtiger Jäger ihn seitlich mit einem Jagdmesser öffnete, flog ein Schwarm Drosseln daraus hervor, die geschickt mit Netzen wieder eingefangen wurden. Gegen Ende des Gastmahls wurden die Gäste von merkwürdigen Geräuschen in der Zimmerdecke und von einem Zittern des ganzen Raumes aufgeschreckt. Als sie nach oben blickten, öffnete sich plötzlich die Zimmerdecke und ein grosses rundes Tablett mit einer Figur des Priapus schwebte herab, das voller Früchte und Bonbons aller Art war.“ Es war Sitte, den Gästen bei derartigen Gastmählern alle möglichen Geschenke zu machen. Lucius Verus gab bei einer solchen Gelegenheit etwas 350'000 Euro aus. Selbst der finstere Domitian gab nahezu 150'000 Euro für die Vergoldung eines Tempeldaches auf dem Kapitol aus.

 

Quelle: Offenbarung des Johannes 2, Auslegung von William Barclay (Aussaat Verlag Wuppertal, 1970), 175-178.