1. Petrus-4c: Die Liebe deckt die Fülle der Sünden zu

Leiden, die sich lohnen

Kapitel 4 (Teil 1): In allen Lebenslagen Gott verherrlichen

 

 

 Verse 7-11: Die Liebe deckt die Fülle der Sünden zu.

Was meint Petrus mit der Aussage: „Das Ende aller Dinge ist nahe”?

Von unserer heutigen Perspektive aus betrachtet, bezieht sich dieser Satz auf die Wiederkunft Christi. Christen werden aufgerufen allezeit bereit zu sein für den grossen Tag des endgültigen Gerichtes Gottes (Mt 24,37-44; 25,1-13). Paulus sagt am Ende seines ersten Briefes an die Korinther (1Kor 16,22): „Wer den Herrn nicht liebt, sei verflucht: Maranata!” (bedeutet: unser Herr komme). Am Ende der Offenbarung sagte Jesus zu Johannes (Offb 22,20): „Ja, ich komme bald …” Jakobus mahnt (Jak 5,8): „Übt euch in Geduld, stärkt eure Herzen, denn das Kommen des Herrn steht bevor.”

Von der Perspektive der Christen im ersten Jahrhundert aus betrachtet, könnte dieser Satz eine andere Bedeutung gehabt haben. Das Ende (τέλος) bedeutet auch Ziel, d. h. diese Aussage könnte sich auf den Untergang Jerusalems beziehen und nicht auf das Ende der Welt (Apg 2,16-17; 1Kor 10,11; 1Petr 1,20). Gottes Plan und Ziel lag in erster Linie in der Erfüllung seiner Voraussagen, die auf das Ende des jüdischen oder mosaischen Zeitalters, des alten Bundes, hindeuteten (Apg 2,16-17). Jesus sprach davon, dass er Israel und Jerusalem für seine Ablehnung und Kreuzigung richten werde (Mt 23,36-38; 24,2-3). Das geschah im Jahre 70 n. Chr., nur ein paar Jahre nach dem Schreiben dieses Briefes (64 n. Chr.).

Andere folgern aus dieser Aussage, dass Petrus von seinem eigenen Tod spricht, der nahe gekommen ist. Was Petrus auch immer damit meinte, die Anwendung, die an alle Generationen von Gläubigen geht, betrifft uns heute noch.

Vers 7: Seid besonnen (σωφρονέω)!
Das Gegenteil von Besonnenheit ist unüberlegt, ev. spontan, bis verwildert, wie der Besessene Gerasener, der einen unreinen Geist hatte und in Höhlen lebte (Mk 5,15). Wir sind besonnen, wenn wir geistlich denken, reden und handeln, d. h. wenn wir uns nicht von den irdischen Umständen des Lebens einnehmen lassen (Kol 3,17). Besonnen oder weise zu sein bedeutet mit Gott leben und rechnen.

Vers 7: Seid nüchtern oder wachsam (νήφω)!
Handelt nicht unüberlegt, sondern macht euch vielmehr Gottes Weisheit zu Nutze (Spr 8,35-36). Bleibt wachsam, wie ein Soldat in der Nacht, damit euch das Böse nicht überfallen und erobern kann (1Petr 5,8).

Vers 7: Widmet euch dem Gebet (προσευχή)!
Das Gebet ist besonders in Verfolgungszeiten und Versuchungen eine machtvolle Waffe (Eph 6,18-19; 1Thess 5,17.25; Jak 5,16). Das Gebet ist der Atem unseres geistlichen Lebens. Darum, lasst euch durch nichts vom Beten abhalten (NGÜ, 1Thess 5,18).

Vers 8: Haltet an der Liebe (ἀγάπη) fest!
Wie schon in Kapitel 1,22 ruft der Apostel auf zur göttlichen Liebe, die frei ist von jeglicher Heuchelei (Röm 12,9). Die geschwisterliche Liebe ist füreinander da, besonders in schwierigen Zeiten, indem sie einander trägt und erträgt (Eph 4,2). Die Liebe ist gütig und barmherzig mit anderen, denn wir sind uns allezeit bewusst, dass Gott auch mit uns grosszügig ist (Eph 4,32).

In Jakobus 5,20 finden wir eine ähnliche Aussage: „Wer einen Sünder auf seinem Irrweg zur Umkehr bewegt, wird dessen Seele vom Tod erretten und eine Menge Sünden zudecken.” Was ist mit diesem Zudecken gemeint?

Es geht nicht um passive Unterstützung der Sünde. Wir sind verpflichtet einander zu ermahnen, zu warnen (Ez 3,16-21; Hebr 3,12-13). Jesus lehrt, wie wir mit Widerspenstigen umgehen sollen (Mt 18,15-20; Gal 6,1-5). Wer anderen den Willen Gottes so zu erläutern vermag, dass das Gehörte in die Tat umgesetzt wird, rettet damit sich selbst und alle, die auf das Wort hören (1Tim 4,16). Daniel 12,3: „Die Verständigen aber werden glänzen wie der Glanz der Himmelsfeste, und wie die Sterne diejenigen, die viele zur Gerechtigkeit geführt haben, für immer und ewig.“

Es geht hier um die aktive Vergebung, die kleinere Vergehen bewusst übersieht oder grosszügig zudeckt (Spr 10,12) und das Böse nicht anrechnet (1Kor 13,5). Auch unsere Unzulänglichkeiten sind Gott bestens bekannt, doch der Herr nimmt uns trotzdem an in unseren Schwachheiten und stellt uns als Heilige vor sich hin. Manchmal wartet sie ab, ob es eine Besserung gibt oder sucht eine günstige Gelegenheit, bei der das Problem angesprochen und diskutiert wird. Auf diese empathische Weise deckt die Liebe die Vielschichtigkeit der Sünden zu.

Die Liebe ist das Band der Vollkommenheit (Kol 3,14). Sie fügt dem Nächsten nichts Böses zu und deshalb ist sie die Erfüllung des Gesetzes (Röm 13,10). Sie ist die Hauptfrucht des Geistes von der jede andere Frucht abhängig ist (Gal 5,22). 1Kor 13,13 (NGÜ): „Was für immer bleibt sind Glaube, Hoffnung und Liebe, diese drei. Aber am grössten von ihnen ist die Liebe.”

Vers 9: Seid gastfreundlich (φιλόξενος)!
Das griechische Wort bedeutet wörtlich „Liebe zu Fremden”. In der antiken Welt hatte die Gastfreundschaft einen hohen Stellenwert. Das bekannteste Beispiel finden wir in Genesis 18,1-8, wo der Herr dem Abraham erschien, indem er drei Männer schickte, die plötzlich am Eingang seines Zeltes auftauchten. Abraham bemühte sich sehr um diese Fremden, die Sara Nachwuchs verhiessen, so dass sie lachen musste, weil sie zu alt war (Gen 18,9-15). Auch Lot stellte die Gastfreundschaft für zwei Boten, die ihn in Sodom besuchten, höher als die Gegenwart seiner beiden Töchter (Gen 19,8). Schliesslich retteten die Boten ihn und seine ganze Familie vor dem Tod durch den Untergang der Stadt (Gen 19,17). Deshalb lesen wir im NT, dass „manche, ohne es zu wissen, Engel beherbergt” haben (Hebr 13,2).

Später gebot der Herr seinem Volk, dass sie Fremde, die sich im Land niederliessen, wie Einheimische behandeln sollten (Lev 19,34). Auch im NT ist die Gastfreundschaft nicht bloss eine Option, sondern eine klare Anweisung des Geistes (Röm 12,13). Gerade in der Gemeinde der Gläubigen fördert und stärkt die Gastfreundschaft die Beziehung untereinander. Deshalb sollen wir gastfrei sein ohne zu murren. Denn Gastfreundschaft ist ein Zeichen der Liebe. Besonders für Vorsteher der Gemeinde gilt die Gastfreundschaft als Voraussetzung (1Tim 5,9-10).

In den ersten Gemeinden gab es allerdings ein zunehmendes Problem, vor dem der Apostel Johannes warnte (1Joh 4,1). Es gab viele falsche Propheten, die sich in die Häuser einschlichen (2Tim 3,5-6). Deshalb wird abgeraten, solche Verführer ins Haus aufzunehmen, ja, sie nicht einmal zu begrüssen, um sich mit ihren bösen Werken nicht zu solidarisieren (2Joh 7-11).

Im Gegensatz dazu sagt Jesus, dass jeder, der einem seiner Geringsten Gutes tut, dies für den Herrn tut (Mt 25,35.43). Es geht also nicht so sehr um die Frage des eigenen Wohnraums und der Möglichkeiten, sondern um unsere Herzenseinstellung. Lieben wir die Menschen und die Gemeinschaft mit ihnen? Sind wir bereit, ihnen einen Ort der Erholung und Entspannung anzubieten?

Vers 10: Dient einander (διακονέω)!
Es versteht sich von selbst, dass hier nicht bloss Diakone gemeint sind. Das griechische Wort diakoneo (διακονέω) bedeutet dienen. Alle Gläubigen sind aufgerufen anderen zu dienen: Als Neugeborene leben wir nicht mehr uns selbst, sondern wir stehen im Dienst Christi (Gal 2,20; Phil 1,21). Wir sind in den Dienst der Gerechtigkeit gestellt worden (Röm 6,18), um Menschen den Weg zum Herrn zu weisen (Kol 1,28). Jesus hat seinen Jüngern die Füsse gewaschen (Joh 13,15), um ihnen ein Beispiel zu geben, was er sie gelehrt hat (Mt 23,11): „Der Grösste unter euch aber soll euer Diener sein.”

Das neue Leben in Christus bedeutet nach seinen Gaben andern in der Liebe zu dienen (Gal 5,13; 6,2). Das meint Petrus hier mit der „Gabe” oder „Gnadengabe” (χάρισμα), die jeder Gläubige von Gott empfangen hat. Im NT wird dieser Begriff (Charisma) nicht bloss auf besondere (überirdische) Gnadengaben bezogen, die zeitlich beschränkt waren und die Mehrzahl der Gläubigen nicht empfangen konnte. Diese überirdischen Gnadengaben waren nur für die Apostel bestimmt, die vom Heiligen Geist getauft wurden (Apg 1,5) und für Gemeindeglieder, denen die Apostel die Hände auflegten (Apg 8,17).

Petrus spricht hier vielmehr von Gnadengaben, die jeder Gläubige von Gott empfangen hat und die er nun als guter Haushalter (οἰκονόμος) in den Dienst Christi stellen soll. Die Gaben, die wir von Gott empfangen haben gehören nicht uns selbst für egoistische Zwecke (Phil 2,4). Ein guter Haushalter stellt seine Gaben in den Dienst Christi (1Kor 4,2). Das Gleichnis vom anvertrauten Geld (Lk 19,11-27) oder von den Talenten (Mt 25,14-30) macht deutlich, dass unser Einsatz und unsere Hingabe besonders in der Gemeinde gefragt sind. Jesus warnt bei einer anderen Gelegenheit (Lk 12,48b): „Wem aber viel gegeben wurde, von dem wird viel gefordert werden; und wem viel anvertraut wurde, von dem wir man umso mehr verlangen.”

Sind wir uns bewusst, welche Gaben wir von Gott empfangen haben und wie wir mit ihnen umzugehen haben, damit wir anderen dienen können?

Vers 11: Verherrlicht Gott (δοξάζω)!
Was ist gemeint mit „Worte Gottes” sprechen? Sicherlich sind in Vers 11 nicht Bibelzitate gemeint. Es geht auch nicht um prophetische Reden oder Orakel, sondern vielmehr um verständliche Aussprüche (λόγιον), die Gottes Weisheit vermitteln (Spr 10,20).

Ps 37,30: „Der Mund des Gerechten spricht Weisheit, und seine Zunge lehrt das Recht.”

Was ist gemeint mit dienen aus der Kraft Gottes? Das christliche Leben verherrlicht Gott in Wort und Tat (Apg 7,22; Röm 15,18).

Kol 3,17: „Alles, was ihr tut, mit Worten und Taten, das tut im Namen des Herrn Jesus – und dankt dabei Gott, dem Vater, durch ihn.”

Paulus sagt sogar (1Kor 6,20): „Verherrlicht Gott mit eurem Leib!”

Unser Ziel als Christen ist es, in jeder Lebenslage und jeder Situation Gott zu verherrlichen (Eph 1,12). Gott allein gebührt Ehre, Herrlichkeit, Macht und Herrschaft in alle Ewigkeit!

 

 

Fortsetzung Kapitel 4 (Teil 2):  Freut euch an den Leiden Christi