1. Petrus-3d: Seid alle eines Sinnes

Leiden, die sich lohnen

Kapitel 3 (Teil 2): Bereitschaft zu leiden für das Gute

 

 

 Verse 8-12: Seid alle eines Sinnes.

Vers 8: Seid alle eines Sinnes.

Das Wort „Schliesslich” (τέλος) fasst die Mahnungen von Kapitel 2,11 bis Kapitel 3,8 zusammen.

2,11-12: Führt ein wohlgefälliges Leben!

2,13-17: Unterzieht euch jeder menschlichen Ordnung!

2,18-20: Selbst Sklaven sollen sich unterordnen!

2,21-25: Folgt den Spuren Christi!

3,1-6: Ebenso sollen sich die Frauen ihren Männern unterordnen!

3,7: Ebenso sollen die Männer verständnisvoll sein!

3,8-12: Schliesslich, seid alle eines Sinnes!

Der Petrusbrief ruft die Kinder des Gehorsams (1,14) auf verschiedene Weise zum Gehorsam und zum Gott wohlgefälligen Lebenswandel in der vergänglichen und gottlosen Welt auf:

- Lebenswandel (1,15.18; 2,12; 3,1.2.16).

- Heiligung (1,2.15-16.22; 2,9).

- Gute Taten (1,17; 2,12.15.20; 3,11.17; 4,19).

Seid eines Sinnes (ὁμόφρων)!
gleichgesinnt, einträchtig (1x im NT).

homo = gleich
froneo = denken (Phil 2,2; 4,2)
homofroneo = gleich denken

In welcher Beziehung sollen wir Gläubigen gleich denken?
Die NGÜ übersetzt Vers 8 sehr aufschlussreich: „Euch alle schliesslich fordere ich dazu auf, euch ganz auf das gemeinsame Ziel auszurichten.” Es geht also um das gemeinsame Ziel, d. h. um das ewige Leben im Himmelreich Gottes (Kol 3,1-4): Kol 3,12-14 (in der geistlichen Bekleidung!). Es gilt das Ziel unseres Glaubens niemals aus den Augen zu verlieren (Phil 3,14), denn das Ziel ist –

die Rettung unserer Seelen (1Petr 1,9),

der himmlische Sieg, den Gott uns schenkt (1Kor 9,24-25; 15,57: Wir laufen wie Wettläufer, um den Sieg zu erringen).

Jesus betete für die Einheit (ἑνότης) seiner Nachfolger (Joh 17,21-23). Lukas berichtet von der Gemeinde in Jerusalem, dass die Gläubigen „ein Herz und eine Seele” waren (Apg 4,32; 2,1, genau so soll es heute sein in der Gemeinde). Gott segnet die brüderliche Gemeinschaft (Ps 133). Paulus erklärt den Korinthern, dass die Gemeinde wie ein menschlicher Körper ist, der zwar viele Glieder hat, aber alle mit unterschiedlichen Gaben und Aufgaben (Röm 12,4) diesem einen Leib angehören (1Kor 12,12-31). Damit versucht er die Einheit des Geistes unter den Gläubigen zu fördern (Eph 4,2-3: Ein Leib, Geist, Hoffnung, Glaube, Taufe usw.). Mit ähnlichen Worten ermahnt Paulus auch die Gläubigen in Rom (Röm 12,4; 15,5).

Das Problem in der Gemeinde fängt dort an, wo sich einer über einen anderen erhebt und sich besser und gescheiter vorkommt (Röm 12,16).

- Siehe der Rangstreit unter den Jüngern (Lk 9,46-48).

- Siehe Maria und Marta (Lk 10,38-42).

- Siehe Euodia und Syntyche (Phil 4,2-3).

Gläubige sollen einander in brüderlicher Liebe zugetan sein und sich „in gegenseitigem Respekt und Achtung” übertreffen (Röm 12,10; LU). Wie der Vater, der Sohn und der Heilige Geist sich in der Dreieinigkeit vereinen, sollen auch wir Gläubigen in der Gemeinde eines Sinnes sein (Phil 1,27; 2,2). Die Gemeinde soll möglichst vielfältig sein, ohne dabei die Einheit des Geistes zu gefährden. Denn, durch Christus sind Juden und Heiden eins geworden (Eph 2,13-14). Die Gläubigen werden aufgerufen an derselben Lehre festzuhalten (2Kor 13,11). Es soll keine Spaltungen unter Gläubigen geben (1Kor 1,10; 3,3). Viel zu oft trennen sich Gläubige von einer örtlichen Gemeinde, weil sie egozentrisch sind, streitsüchtig und die göttliche Liebe vernachlässigen (1Kor 1,11-12; 1Joh 3,16).

Seid voller Mitgefühl (συμπαθής) 1x!
Mitleiden (Sympathie oder Empathie haben, Röm 12,15). Leiden (πάσχω) 42x im Petrusbrief. Mitleid (συμπαθέω) 2x: Mitleid oder mitgelitten haben (Hebr 4,15; 10,34), indem wir an den Leiden Christi teilhaben (1Petr 1,1; 4,13; 5,1). Dieses Mitgefühl beruht auf selbsterlebten Leiden und auf dem Einfühlungsvermögen für das Leid anderer Menschen. Eine christliche Gemeinde, in der die Sozialkompetenz (Empathie und Mitgefühl) nicht ausreichend vorhanden ist oder ganz fehlt, hat keine Zukunft.

Liebt einander!
Hier ist besonders von Bruderliebe (φιλάδελφος) die Rede.

- Liebe (φίλος).

- Bruder (ἀδελφός).

Wobei damit auch Schwestern im Glauben gemeint sind, d. h. die Geschwisterliebe (wie in Kap. 1,22 und 2,17; 2Petr 1,7; 1Joh 3,14). Wo diese innige Liebe unter den Glaubensgeschwistern fehlt, trocknet fruchtbarer Boden aus und macht geistliches Wachstum unmöglich.

Übt Barmherzigkeit aus!
Barmherzig (εὔσπλαγχνος), mit gesunden oder guten Eingeweiden. In der Antike glaubte man, dass die inneren Organe der Sitz der Gefühle sind (Apg 1,18). Wer barmherzig war, der liess sich die Not anderer wortwörtlich ans Herz oder an die Nieren gehen (Röm 12,15) . Diese Form von Barmherzigkeit drückt ein inniges und herzliches Mitgefühl und Erbarmen aus und ist motiviert, etwas Gutes zu tun (wie bei Jesus: Mt 9,35-36; 14,14; 15,32).

Während homofroneo (ὁμόφρον) = eines Sinnes und sümpathees (συμπαθής) = Mitgefühl die Gesinnung auszeichnen, sind filadelfos (φιλάδελφος) = Bruderliebe und eusplagchnos (εὔσπλαγχνος), Barmherzigkeit Handlungsweisen. Mit anderen Worten bedeutet Barmherzigkeit, sich zu freuen mit den Fröhlichen und zu weinen mit den Traurigen (Röm 12,15).

Paulus formuliert das an die Epheser so (Eph 4,32): „Seid gütig zueinander, seid barmherzig und vergebt einander, wie auch Gott euch in Christus vergeben hat.” Jakobus sagt (Jak 5,11b): „Voll Mitleid und Erbarmen ist der Herr.” Dieses innige Mitleid und Erbarmen Gottes sollen wir Gläubigen füreinander pflegen. Nur dort, wo dieses innige Mitleid und Erbarmen Gottes unter den Gläubigen gepflegt wird, hat die Gemeinde eine Zukunft.

Seid demütig (ταπεινόφρονες)!
Zusammengesetztes Wort: demütig (ταπεινός) und freundlich (φιλόφρων), gütig, menschenfreundlich, wohlwollend (Kol 3,12-13). Wörtlich: niedrig gesinnt, gering (von sich) denkend. Demut ist das Gegenteil von Hochmut, Überheblichkeit, Besserwisserei (Spr 13,10). Demut ist die An- oder Einsicht, dass man falsch liegen könnte. In der Demut liegt der aktive Mut und die Kraft einander zu dienen, sodass keiner sich zurückgedrängt fühlt. Petrus ergänzt in Kapitel 5,5b: „Macht euch im Umgang miteinander die Demut zu eigen, denn Gott widersteht den Hochmütigen, den Demütigen aber schenkt er seine Gnade.”

Schlussfolgerungen:
Diese Ermahnungen sind eine klare Antwort auf alle vorgebrachten Vorwürfe seitens eines Gliedes der Gemeinde. Im Petrusbrief soll die Echtheit unseres Glaubens (1,7) allen Menschen, aber auch Gott, offenbar werden. Als Gläubige haben wir folgende Vorrechte:

- Ihr seid neu geboren (1,3.23; 2,2)

- Ihr seid ein auserwähltes Geschlecht, eine königliche Priesterschaft, ein heiliges Volk (2,9).

- Ihr seid … das Volk Gottes (2,10).

- Ihr seid berufen für gute Taten zu leiden (2,20).

- Ihr seid zurückgekehrt zum Hirten … (2,25).

- Ihr seid selig, wenn ihr um der Gerechtigkeit willen leiden müsst (3,13).

- Selig seid ihr, wenn ihr … beschimpft werdet (4,14).

Deshalb ruft der Apostel alle Gläubigen immer wieder auf aktiv zu werden, indem sie sich auch ihrer Verantwortung bewusst sind:

- Jubelt (1,6.8).

- Gürtet die Hüften, seid nüchtern und hoffend (1,13).

- Seid heilig (1,15).

- Seid wissend (1,18).

- Liebt einander aus reinem Herzen (1,22).

- Verlangt nach der Milch (2,2).

- Lasst euch aufbauen (2,5).

- Haltet euch fern von sinnlichen Begierden (2,11).

- Führt ein wohlgefälliges Leben (2,12).

- Unterzieht euch jeder menschlichen Ordnung (2,13).

- Behandelt alle Menschen mit Respekt, liebt die Geschwister, fürchtet Gott, ehrt den Kaiser (2,17).

- Sklaven, unterordnet euch euren Herren (2,18).

- Frauen, seid euren Männern untertan (3,1).

- Männer seid verständnisvoll mit euren Frauen (3,7).

- Seid alle eines Sinnes, voller Mitgefühl, liebt einander, übt Barmherzigkeit, seid demütig (3,8).

- Segnet (3,9).

- Haltet eure Zungen im Zaum (3,10).

- Geht dem Bösen aus dem Weg (3,11).

- Eifert für das Gute (3,13).

- Seid bereit, Rede und Antwort zu stehen (3,15).

- Wappnet euch mit der Gesinnung Christi (4,1).

- Seid besonnen und nüchtern (4,7).

- Haltet an der Liebe zueinander fest (4,8).

- Seid gastfreundlich (4,9).

- Dient einander (4,10).

- Freut euch, wenn ihr auf die Probe gestellt werdet (4,13).

- Aufrufe an die Ältesten (5,1ff.).

- Jüngere, ordnet euch den Ältesten unter (5,5).

- Werft eure Sorgen auf Christus (5,7).

- Seid nüchtern und wachsam (5,8).

- Seid fest im Glauben (5,9).

 

Vers 9: Segnet, weil ihr Gesegnete seid.

Das Vergeltungsgesetz in Ex 21,23 wird lex talionis genannt. Jesus brachte jedoch ein neues Gebot (Joh 13,34): Mt 5,38-44. Jesus will, dass seine Nachfolger sich nicht rächen, sondern die Vergeltung allein dem Herrn überlassen (Röm 12,19). Gott ist der gerechte Richter und kann unser Unrecht gerecht vergelten (Spr 20,22; 24,29). Jesus will, dass wir uns dem Segnen zuwenden (Röm 12,14) und so dem Zorn Gottes Raum geben, denn die Vergeltung ist seine Sache. Das wichtigste Prinzip bei der Vergeltung ist, dass wer Böses mit Bösem heimzahlt, der offenbart sich selbst als Böse, d. h.; wer Böses tut, der ist böse (Spr 8,13a).

Deshalb gilt (1Kor 4,12-13a: RV): „Werden wir verflucht, segnen wir; werden wir verfolgt, geben wir nicht auf (sondern beten gem. Mt 5,44) , werden wir beleidigt, reagieren wir mit freundlichen Worten …”

1Thess 5,15 (NGÜ): „Achtet darauf, dass keiner Böses mit Bösem vergilt. Bemüht euch vielmehr mit allen Kräften und bei jeder Gelegenheit, einander und auch allen anderen Menschen Gutes zu tun.”

Weil wir die Gesegneten des Herrn sind (Ps 37,22), segnen wir andere Menschen (Jer 17,7). Mit dieser Haltung schaffen wir eine bessere Welt (Spr 15,1; 25,21-22). Der grosse Hirte wird seinen Schafen einmal zurufen (Mt 25,34): „Kommt her, ihr Gesegneten meines Vaters, empfangt als Erbe das Reich, das euch bereitet ist von Grundlegung der Welt an.” Was haben wir als Gesegnete des Herrn noch zu verlieren (Röm 8,31)?

 

Vers 10: Haltet eure Zungen im Zaum.

Eine Fragestellung an dieser Stelle ist sehr geschickt und effektiv, wie das in Psalm 34 zum Ausdruck kommt. Es wird gefragt in Ps 34,13 (NGÜ): „Wer von euch will Freude am Leben haben? Wer hätte gern ein langes Leben, in dem es ihm gut geht?” Niemand würde an dieser Stelle mit „Nein” antworten. Jedermann möchte doch Freude am Leben haben und ein langes und gutes Leben pflegen (Spr 10,27).

Als erstes gilt, für den der sein Leben liebt, seine Zunge in Zaum zu halten. Jakobus warnt eindringlich vor der zerstörerischen Macht der Zunge (Jak 3,1-12). Jesus lehrt (Mt 15,11): „Nicht was in den Mund hineingeht, macht den Menschen unrein, sondern was aus dem Mund herauskommt, das macht den Menschen unrein.” Denn, Tod und Leben sind in der Gewalt der Zunge (Spr 18,21).

Wer die göttliche Weisheit gefunden hat, der hat das Leben gefunden (Spr 8,35; 19,8). Die göttliche Weisheit ist kostbarer als Gold, Silber und Perlen (Spr 3,13-18). Deshalb gilt es göttlichen Verstand zu erwerben (Spr 19,8). Darum ist der Mund des Gerechten eine Quelle des Lebens (Spr 10,11).

 

Vers 11: Tut Gutes.

Jesus lehrt (Joh 12,25: RV): „Wer sein Leben liebt, der wird es verlieren und wer sein irdisches Leben hasst, der wird es fürs ewige Leben bewahren.” Ist das ein Widerspruch zu Vers 10? Nein, denn das irdische Leben verlieren bedeutet loslassen von allem Bösen. Nur wer Christus nachfolgt und Gutes tut, der wird sein Leben für die Zukunft bewahren.

Unkraut wächst von selbst und braucht nicht gepflegt zu werden. So ist es auch mit dem Bösen (Zorn und Hass) das keine Pflege braucht. Deshalb sollen wir dem Bösen möglichst aus dem Weg gehen und uns von allem Bösen abwenden.

Es gibt nur ein Mittel gegen das Böse: Gutes tun in Wort und Tat. Keine christliche Gemeinschaft besteht ohne Glaubenspflege und ohne Beziehungspflege. Wir Gläubigen brauchen viel Belehrung durch das Wort Gottes. Wir Gläubigen brauchen viel Liebe, Ermutigung, Beistand, Trost. Nur mit dem Guten kann das Böse überwunden werden.

Der Frieden liegt uns Menschen nicht. Deshalb werden wir aufgerufen, dem Frieden aktiv nachzujagen, wie ein Jäger. Auch, wenn Christus durch seinen Tod am Kreuz den Frieden schon geschaffen hat (Joh 14,27; 16,33) und wir ihn bloss noch festzuhalten brauchen, so ist er ständig in Gefahr, verloren zu gehen.

 

Vers 12: Gott sieht alles.

Spr 15,3: „Die Augen des Herrn sind überall, sie wachen über Böse und Gute.” Gott entgeht nichts (siehe Jona). Ob wir sitzen oder stehen, Gott weiss es (Ps 139,2). Gottes Augen und Ohren sind auf den Gläubigen gerichtet und allezeit bereit zu helfen (Ps 145,18-20). Das Gebet der Gerechten erfreut den Herrn (Spr 15,8.29). Der Herr hilft denen, die bei ihm Zuflucht suchen (Ps 37,39-40).

Derselbe Gott, der damals zum Volk Israel sprach, spricht heute zu seiner Gemeinde. Das Zitat aus Psalm 34 ist ein Lebensprinzip das heute noch genauso gilt wie damals. Wer aber Unrecht sät, der wird Unheil ernten (Spr 22,8).

 

 Schlussfolgerungen

In vorhergehenden Abschnitten werden unterschiedliche Gruppen angesprochen, wie sie ein gewinnendes Verhalten an den Tag legen. Ab Vers 8 wendet sich Petrus an die ganze Gemeinde. Wenn sich die Glieder einer Gemeinde positiv zueinander stellen, indem sie sich gegenseitig vergeben, dann sind sie der Welt ein grossartiges Zeugnis für den christlichen Glauben (Kol 3,13).

Als „Kinder des Gehorsams” sind wir Gläubigen auch eines Sinnes, wenn es um das himmlische Ziel geht. Mitgefühl, Liebe, Barmherzigkeit und Demut sind für eine christliche Gemeinde überlebenswichtig. Menschen brauchen Jesus und andere Menschen, um gemeinsam das himmlische Ziel zu erreichen (Mt 25,40). Es liegt an uns, alles daran zu setzen, damit jeder einzelne es bis ans Ziel schafft und nicht vorher entmutigt aufgibt, weil es an der nötigen Unterstützung mangelt. Jesus lehrt, dass Christen füreinander verantwortlich sind.

Darum, lasst uns gemeinsam dem Frieden nachjagen wie Jäger! Lasst uns Täter des Wortes sein und nicht bloss Hörer (Jak 2,26). Der allmächtige Gott wird unsere Bemühungen nicht nur sehen sondern auch reichlich belohnen.

 

Fortsetzung Kapitel 3 (Teil 2):  Selig seid ihr, wenn ihr für Christus leidet