Jesus, der Diener
DER DIENST JESU IN GALILÄA
(Fortsetzung)
I. Jesus berichtigt falsche Vorstellungen (Verse 1-23)
Jesus verwirft alle menschlichen Überlieferungen (V. 1-13): Weshalb halten Jesus und seine Jünger sich nicht an die Überlieferungen der Ältesten? Mit dem Gesetz kann im NT folgendes gemeint sein:
- die 10 Gebote,
- der Pentateuch (fünf Bücher Mose),
- das ganze Alte Testament.
Der Pentateuch enthält zwar eine gewisse Zahl detaillierter Vorschriften und Anweisungen, die jedoch für die Gruppe von Gesetzesexperten (Schriftgelehrten) zu oberflächlich waren. Sie gaben sich mit den grossen Prinzipien nicht zufrieden. Mit einer Leidenschaft zur Definition wollten sie die Grundlagen der Ethik weiter ausführen. So entstanden Tausende und Abertausende von kleinen Satzungen und Bestimmungen, die auf jede Handlung und jede nur denkbare Lebenssituation angewandt wurden. Dadurch beherrschten immer mehr Einzelvorschriften das Leben der Menschen, die zum Teil schriftlich und mündlich festgehalten wurden. Das mündlich überlieferte Gesetz hiess „die Tradition der Ältesten“ (oder „der Alten“, Vers 3). Das schriftlich überlieferte Gesetz, dass erst viel später alle mündlichen Bestimmungen zusammenfassen sollte, heisst „Mischna“. In der Mischna ist auch die rituelle Waschung der Hände genau beschrieben. Vieles galt den Juden als unrein, auch wenn es noch so gut gewaschen war (Lv. 11). Jesus attackierte ein System, bei dem irgendwelche Vorschriften den Vorrang vor menschlicher Not hatten.
Jesus erklärt alle Speisen für rein (V. 14-20): Interessant ist, dass es heisst, dass Jesus in diesem Fall das Volk herbeirief. Offensichtlich lagen ihm die folgenden Belehrungen besonders am Herzen. Denn es geht hier um etwas grundlegendes, das in einem völlig neuen Licht betrachtet werden muss. Auch wenn es heute nicht mehr so zu sein scheint, so waren die Worte Jesu damals revolutionär.
Wir müssen uns die Juden vorstellen, die seit Jahrhunderten von dem Gesetz Mose lernten, was unreine Speise und was reine Speise war: Leviticus 11. Jetzt kommt Jesus und will ihnen erklären, dass es auf das alles gar nicht mehr ankommt. Es geht darum, dass Jesus sagt, dass sie nicht so sehr um die äusseren Dinge besorgt sein sollen, was rein und unrein ist, sondern vielmehr um ihr Herz.
Matthäus 5,8:
Selig sind, die reinen Herzens sind.
Matthäus 6,21; 12,35:
Wo dein Schatz ist, da wird auch dein Herz sein. Wovon das Herz voll ist, davon redet der Mund. Jesus ging es immer um das Herz. Wir können Gott loben mit unseren Lippen, dennoch kann unser Herz weit weg sein von Gott (Mk. 7,6).
Markus 12,30:
Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen.
In Christus gibt es keine Vorschriften mehr in Bezug auf das Essen:
Titus 1,15:
Den Reinen ist alles rein ...
1. Timotheus 4,1-5:
Irrlehrer werden auftreten ...
Apg. 10,15:
Was Gott für rein erklärt ...
Apg. 15,19-21:
Heiden sollen sich von Blut und Ersticktem ...
Römer 14,13-15:
Wir sollen einander kein Anstoss bereiten ...
1. Korinther 8,8-13:
Rücksicht auf die Schwachen ...
Weil es Gott um die inneren Werte unserer Seele geht, beginnt Jesus hier mit den Gedanken, Überlegung. „Der Gedanke ist der Same zur Tat.“ Jedem Akt der Sünde geht ein innerer Akt der Überlegung und Entscheidung voraus: Römer 1,21.
Wenn wir also etwas reinigen sollen, dann sind es unsere Gedanken, denn das Wort Gottes ist ein Richter der Gedanken: Hebräer 4,12.
Denn Gott kennt unsere Gedanken: 1. Korinther 3,20.
Unsere Gedanken sind oft nicht Gottes Gedanken: Jesaja 55,8.
Deshalb müssen wir in unserer innersten Seele um Reinheit bemüht sein: 2. Korinther 10,5.
Aufzählung, was den Menschen verunreinigt (V. 21-22):
1. Unzucht, Hurerei
Hier geht es um unerlaubten und unmoralischen Geschlechtsverkehr und sexuelle Beziehungen, wie z. B.: 1. Korinther 6,12-20 (kein Verkehr mit Dirnen); 1. Korinther 5,1 (Sohn mit Mutter); 1. Thessalonicher 4,3 (Brautwerbung); Römer 1,26-27 (homosexueller Verkehr); Matthäus 1,18-21 (voreheliche Beziehung); Römer 13,13-14 (Begierden nicht wecken); 1. Timotheus 4,12 (Vorbild in der Keuschheit).
2. Diebstahl, Dieberei, Stehlen
Epheser 4,28 (Geben statt Stehlen); Römer Apg. 20,35 (Geben macht glücklicher als Nehmen).
3. Mord
Römer 13,8-10 (Die Liebe fügt dem Nächsten nichts Böses zu); 1. Johannes 3,15 (Wer seinen Bruder hasst wird zum Mörder).
4. Ehebruch
Matthäus 5,27-30 (in Gedanken fängt Ehebruch an); 1. Korinther 6,9-10 (Ehebrecher werden kein Anteil am Himmelreich haben).
5. Habsucht, Habgier, Mehrwollen
Epheser 5,3:
Habsucht hat viel mit Geiz zu tun, indem man alles für seine eigene Befriedigung tut und nichts für andere, d. h. nicht teilen will. Die Folge von Habsucht ist Unzufriedenheit, Einsamkeit!
Kolosser 3,5:
Habsucht ist Götzendienst! Auch arme Menschen können habgierig sein!
1. Timotheus 6,6:
Wir wollen jedoch genügsam sein wie Paulus (Philipper 4,11). Wir wollen lernen zu geben und grosszügig zu sein.
6. Bosheit, Schlechtigkeit, Gemeinheit, anderen Schaden und wehtun
Lukas 11,39-40; 1. Korinther 5,8.
7. List, Arglist, Gaunerei, Betrug
Mat. 26,3-4 (schlaue, listige, verschlagene, kluge Tücke); Apg. 13,6-10 (Paulus und Elymas der Zauberer voller List); 2. Kor. 11,3 (nicht dolos! Auch Eva wurde mit List betrogen); Eph. 6,11 (nicht dolos! Satan macht listige Anschläge!).
8. Ausschweifung (ase/lgeia), Schwelgerei
Bezeichnet die leichtsinnige und freche Liebe zur Sünde, die einen Menschen aufhorchen lässt, sich Gedanken darüber zu machen, was Gott oder Menschen von seinen Taten denken. Eph. 4,19 (alles Schamgefühl verloren); 2. Pet. 2,1-2, 7, 18 (Irrlehrer).
9. Neidischer Blick, Neid, Missgunst
Apg. 17,5 (Juden waren eifersüchtig); „Eifersucht ist eine Leidenschaft, die mit Eifer sucht, was Leiden schafft.“ Matthäus 7,17; 13,19 (schlecht, unbrauchbar, böse).
10. Lästerung, Schmähung, Verleumdung
Mat. 27,27-31 (nicht Blasphemie! Jedoch grösste Verspottung). Wir wollen acht geben, damit nicht durch unser falsches Verhalten, Gott oder die Lehre gelästert wird: Römer 14,16; 1. Timotheus 6,1.
11. Hochmut, Übermut, Stolz
Interessant an diesem Wort ist, dass nach dem griech. Sprachgebrauch damit eine Verhaltenswiese gekennzeichnet wurde, die unter Umständen niemals deutlich zum Vorschein kam, weil der Betreffende äusserlich Demut vortäuschen konnte und innerlich doch sehr hochmütig sein konnte. Jakobus 4,6 (Aufrichtige Demut ist gefragt vor Gott); 1. Petrus 5,5 (Gott widersteht den Hochmütigen).
12. Narrheit, Torheit, Unvernunft
Damit ist nicht Dummheit als Folge eines schwachen Verstandes gemeint, sondern sittliche Torheit und Unbesonnenheit. Man kann töricht Handeln oder Reden (wie Nabal: 1. Sam. 25,25.33).
Es sind genau zwölf böse Gedanken aufgelistet, die gern aus den Herzen von uns Menschen kommen und uns verunreinigen (siehe weitere Bibelstellenlisten). Wir alle vergehen uns da oder dort immer wieder, weil wir sündhafte Menschen sind. Es ist aber wichtig, dass wir uns ständig überprüfen und dort wo wir durch den heiligen Geist aufgedeckt werden, es zulassen und unsere Sünde reuig bekennen und umkehren.
Galater 5,13-26 (Die welche solches verüben, werden das Reich Gottes nicht ererben). Heisst das, dass wir ohne Sünde leben müssen, um gerettet zu werden?! Röm. 3,10.23-24 (alle Menschen sind Sünder, sogar die Juden); Jak. 3,1-2 (besonders Lehrer in der Gemeinde fehlen viel mit ihrer Zunge!).
II. Jesus heilt die Tochter einer Griechin (Verse 24-30)
Hier geht es um die praktische Verwirklichung von dem was Jesus im ganzen Kapitel zu berichtigen versucht. Was ist das? Es geht um menschliche Traditionen, Überlieferungen, die Jesus verwirft. Jesus attackiert ein System, bei dem irgendwelche Vorschriften den Vorrang vor menschlicher Not haben. Darum erklärt er alle Speisen für rein und zeigt, was den Menschen wirklich verunreinigt. Und schliesslich bricht Jesus einmal mehr die Traditionen, indem er einer fremden Frau hilft.
Wo befindet sich Jesus zu dieser Zeit? Im Gebiet von Tyrus. Tyrus ist eine phönizische Stadt und gehörte zu Syrien. Syrien war für die Juden im Ausland, bei den gottlosen Heiden. Jesus befand sich also auf heidnischem Boden. Warum wollte er nicht, dass jemand erfährt, dass er sich in diesem Gebiet aufhielt? Weil es das Gebiet der Heiden war. Zu wem wurde Jesus in erster Linie ausgesandt?
Matthäus 15,21-24:
Wer sind die verlorenen Schafe des Hauses Israels? Zu dieser Zeit war Israel am Ende ihrer Kräfte. Vieles war nicht mehr so wie früher. Die Juden bekamen den Fluch Gottes zu spüren, der ihnen ganz am Anfang durch Mose vorgelegt wurde (Segen oder Fluch). Sie taten, was dem Herrn missfiel: 2. Chronik 29,6; Jeremia 32,26-35. Das Volk war eine verlorene Herde: Jeremia 50,4-7. Doch der Herr schenkte durch die Propheten dem Volk immer wieder neue Hoffnung. Obwohl sie sich gegen den Herrn versündigten, will er sich erbarmen. Es geht um den ewigen Bund, den Gott aufrichten wird. Dieser Bund wird nicht nur für Israel aufgerichtet werden: Jes. 55,3-7. Das Volk Israel hatte offensichtlich seinen Höhepunkt als Nation erreicht (das war zur Zeit Davids). Es durchwanderte ein dunkles Tal. Das Volk wartete auf den grossen Erlöser - den Messias.
Die meisten verstanden nicht, was die Grundbedingung ihrer Erlösung war: Die Busse! Es war nicht Gottes Absicht, sein Volk für immer gegenüber den Heiden zu bevorteilen und nur ihnen einem neuen König zu geben. Es ging dem allmächtigen Gott in seinem Plan nicht um ein weltliches Königreich (Joh. 18,36). Es ging nicht darum, das Volk bedingungslos aus ihrer Not zu befreien, so dass sie wenn möglich wieder falschen Göttern dienten usw.
Die meisten Israeliten erkannten ihre Schuld und ihre Verlorenheit immer noch nicht. Jesus erzählte viele Gleichnisse, um den Juden ihre Situation zu illustrieren. Matthäus 21,8; Matthäus 21,33 (lesen: Vers 42-46). Deshalb taten die meisten auch gar nicht Busse.
Die Israeliten wollten nicht einsehen, dass sie die verlorenen Schafe waren: Deshalb kehrten sie auch nicht zum Herrn zurück von ihrem Abfall. Deshalb liessen sie von ihrem Götzendienst nicht ab.
Trotzdem bestand der Auftrag Jesu darin, zuerst zu seinen Volksgenossen zu gehen, weil sie wussten um was es ging. Sie kannten Gott, seine Strenge und seine Liebe. Sie verstanden die heiligen Schriften im AT. Sie konnten ein gutes Fundament zum neuen Bund bilden. Deshalb sagte Jesus zu der Frau folgendes (in Vers 27).
Warum ging Jesus in dieses heidnische Land, wenn er einen anderen Auftrag hatte? Vielleicht musste er sich von den Pharisäern und Schriftgelehrten gezwungenermassen zurückziehen, damit sich die Lage ein bisschen beruhigte. Sie nahmen an Jesu Worten und an seinem ganzen Verhalten heftig Anstoss, weil er die menschlichen Traditionen und Vorschriften nicht beachtete. In dieser Zurückgezogenheit lehrte Jesus seine Jünger, dass auch die Heiden im Heilsplan Gottes miteinbezogen sind: Epheser 3,4-6.
Die Heiden müssen in richtigem Verhältnis zu Gott gesehen werden: Jeder, der ein falsches Erbarmen in sich trägt, wird die Reaktion Jesu nicht verstehen! Der Heilsplan Gottes lautet nicht, dass man das Heilige nun den Hunden zum Frass hinwerfen soll: Matthäus 7,6. Heiden wurden als Hunde bezeichnet. Hunde und Schweine können Perlen nicht Schätzen. Jesus benutzte hier jedoch nicht das übliche Wort für Hunde: Er benutzte eine Verkleinerungsform. Es sind also nicht die umherstreichenden Strassenhunde gemeint. Er benutzt das Wort, das für kleine Schosshunde gebraucht wurde. Wie im Schweizerdeutsch: „Hund - Hündli“. Zweifellos war auch der Ton, in dem Jesus zu der Frau sprach, ausschlaggebend.
Die Antwort der Frau war dann mit andern Worten: „Ich weiss, dass die Kinder zuerst an die Reihe kommen; aber kann ich nicht wenigstens die Brocken auflesen, die von den Kindern vom Tisch herunterfallen?“ Diese Aussage zeugte von grossem Respekt gegenüber den Juden. Deshalb heilte Jesus ihre Tochter auch, weil er bei der Mutter einen grossen Glauben feststellen konnte.
Jesus verlangte nicht in allen Heilungsfällen solchen Glauben. Doch wenn er heilte, dann geschah die Heilung sofort und vollständig.
III. Jesus heilt einen Taubstummen (Verse 31-37)
Jesus ging über Sidon und kam in das Gebiet der 10 Städte (= Dekapolis). Sidon liegt nördlich von Tyrus am Mittelmeer. Die 10 Städte befinden sich östlich vom galiläischen See. Jesus zog von Tyrus aus zuerst nach Norden und drehte dann Richtung Südosten ab. Diese ganze Reise hat vermutlich über 6 Monate gedauert.
Menschen brachten einen Taubstummen zu Jesus. Offensichtlich konnte der Taubstumme noch ein bisschen reden (mogila/loj = schwer, oder mit schwerer Zunge redend). Trotzdem baten ihn seine Freunde um Heilung. Was waren das wohl für Menschen, die sich für den Taubstummen so einsetzten? Menschen, die mit dem Taubstummen Bedauern und Erbarmen hatten. Menschen, die an die Macht Jesu glaubten. Menschen, die bereit waren, sich für andere einzusetzen.
Schlussfolgerungen: Wie steht es mit uns?
Sind wir von der Lehre der Bibel überzeugt? Glauben wir an die Macht die Jesus besitzt, Menschen von körperlichen und seelischen Gebrechen zu heilen? Können wir die geistige Blindheit und Taubheit der Menschen erkennen? Haben auch wir Erbarmen und Bedauern mit verlorenen Seelen? Der Begriff „Hören“ kann verschiedenes bedeuten:
- Matthäus 7,24 (hören = Weisheit)
- Johannes 5,24 (hören = Gehorsam)
- Jakobus 1,22-25 (hören = Tat)
Jesus nimmt den Taubstummen „beiseite“ (V. 33): Finger in die Ohren. Zunge mit Speichel berühren (damals glaubte man an die heilende Wirkung des Speichels). Gebet zum Vater um zu zeigen, dass die eigentliche Hilfe von Gott kommt.
Hier erfüllt sich das Wort des Propheten Jesaja 29,18; 35,6-7. Hier sehen wir, dass wir mit biblischen Begriffen, die immer wieder vorkommen, sehr vorsichtig sein müssen:
- Handauflegen wurde zur Heilung eingesetzt: Apg. 9,17.
- Handauflegen wurde zur Übertragung von Geistesgaben gebraucht: Apg. 8,17-18.
- Handauflegung wurde zur Einsetzung eines Dienstes gebraucht: 1. Timotheus 4,14.
- Handauflegung bedeutet nicht in jedem Fall dasselbe!!
Warum gebietet Jesus dem Volk, dies nicht weiter zu erzählen? Er wollte nicht als blosser Wundervollbringer und Heiler bekannt werden. Er wollte sich als Sohn Gottes präsentieren, der die Sünden der Menschen wegnehmen kann. Er hatte den Auftrag die gefallene Menschheit mit Gott zu versöhnen und sie zu Gott zurück zuführen: 2. Korinther 5,18-20.