Matthäus-05c: Bergpredigt (Fortsetzung)

Jesus, der König

Christliche Verantwortung

 

 

 Kapitel 5,27-30: Der Umgang mit Ehebruch

Das siebte Gebot lautet (Ex 20,14): „Du sollst nicht ehebrechen.“
Im Alten Testament gab es für eine(n) Ehebrecher(in) keine Vergebung. Auf Ehebruch (μοιχεύω) lag die Todesstrafe: Lev 20,10. Untreue in der ehelichen Gemeinschaft war immer ein grosser Treuebruch.

Jesus geht im neuen Bund viel weiter als das Gesetz (Mt 5,27-30).
Die Juden verdrehten das Gesetz Mose, um ihre Sünden zu rechtfertigen. Sie nahmen das Gesetz in so begrenztem Mass auf, dass sie immer einen Weg drum herum fanden. So betrachteten sie nur den ausgeführten sexuellen Akt mit einer andern Frau als Ehebruch. Doch Jesus macht mit dieser doppelten Moral Schluss indem er lehrt, dass vor Gott eine Ehe schon im Herzen gebrochen werden kann. Jemand hat einmal gesagt (aus Mac Donalds Kommentar):

„Ob du an Ehebruch denkst, oder ihn ausführst, du wirst deinen Trieb dadurch nicht beruhigen, denn du versuchst, mit Öl Flammen zu löschen.“

Ein anderes Zitat: „Der Gedanke ist der Same zur Tat.“

Wir werden nicht nur aufgerufen, keinen Ehebruch zu begehen, sondern wir sollen jede Art von Unkeuschheit unterlassen, sei es in Wort oder nur in Gedanken:

- Das Fleisch soll nicht so gepflegt werden, dass Begierden erwachen: Röm 13,13-14.

- Zur Heiligung und Keuschheit berufen: 1Thess 4,1-8.

- Das griech. Wort für Begierde (ἐπιθυμία = sehnliches Verlangen) gebraucht Jesus (in Lk 22,15) für das letzte Passamahl mit seinen Jüngern.

Wichtig ist, dass wir verstehen, dass Jesus hier nicht das natürliche Verlangen eines Mannes nach der Frau verurteilt, sondern der lustvolle Trieb nach dem, worauf er keinen Anspruch hat (siehe auch Ex 20,17)!

Warnung vor der Ehebrecherin: Spr 5; 6,20-35.
Auffallend ist, dass hier die verheirateten jungen Männer angesprochen werden, weil da das Hauptproblem liegt (Unfallquote am höchsten). Die Frau ist oft die Verführerin, während der Mann in der Regel der Verführte ist. Frauen sollten sich deshalb in Acht nehmen, wie sie schauen und was sie anziehen!

Bsp. Davids Ehebruch: 2. Samuel 11,1-5.
Seine Folgen (siehe auch Psalm 51!): Verleitung zur Trunkenheit des Uria. Planung zum Mord des Uria. Diebstahl durch Heirat der Frau des Uria. Schliesslich starb der neugeborene Sohn: 2Sam 12,1-25. Vielleicht war dies eine Gnade von Seiten Gottes! Wir wissen, was aus den Söhnen Ismaels, Moabs, Ammons wurde.

Der grösste Fehler Simsons: Richter 16.
Er liess sich von einer Hure zur Unzucht verführen. Gott wartete eine Weile zu, doch schliesslich wurde Simson mit dem Tode bestraft.

Warum ist es verboten, als Verheirateter mit einer fremden Frau Sex zu haben?
Weil unsere Seele dabei am meisten Schaden leidet! Weil riesige Probleme vorprogrammiert sind! (Z. B. uneheliches Kind, Alimentenzahlungen, Beziehungsprobleme usw.) Weil bei Ehebruch der betrogene Ehemann oft nicht besänftigt werden kann. Schon mit unseren Augen können wir viele Frauen sehr bedrängen und belästigen. Die liberale Haltung der Welt in Bezug auf die Sexualität hat der Ehe bislang nur geschadet, statt geholfen!

Das Evangelium Christi lehrt uns Männer, unsere Ehepartnerin so zu lieben, wie Christus die Gemeinde geliebt hat: Eph 5,25-33. Durch die aktive Liebe Gottes, die in uns wohnt, kann der Untreue und dem Ehebruch vorgebeugt werden. Der Mann soll seine Frau lieben wie seinen eigenen Leib. Er soll ihr dienen und sie beschützen wie sein eigenes Fleisch. Um dem Ehebruch vorzubeugen, gebietet Paulus: 1Kor 7,1-5.

Das Schlimmste bei allen Verführungen ist, dass wir unsere Liebe zum Herrn und zum ewigen Leben zerstören, denn wer das weltliche mehr liebt als den Herrn, kann keinen Anteil am Himmelreich erhalten. Wörtlich ist hier von der Gehenna (γέεννα) die Rede: Ursprünglich bedeutete es „Tal Hinnom“. Das Hinnomtal lag südwestlich von Jerusalem. Es war der Ort, an dem König Ahas dem heidnischen Gott Moloch gräuelhafte Kinderopfer brachte, indem man sie verbrannte (2Chr 28,3). König Josia verfügte, dass der Ort auf immer verflucht sein soll (2Kön 23,10; Jer 7,31; 19,2). Die Folge davon war, dass der Kehricht von Jerusalem dorthin geschafft und verbrannt wurde, so dass das Tal zu einer Art öffentlichem Verbrennungsofen wurde (Mk 9,43-44). So wurde der Begriff Gehenna schliesslich zum Synonym für den Ort der höllischen Verdammnis. Der Leib wird jedoch nicht in die Hölle geworfen, sondern die Seelen gelangen an den Ort der Qual: Matthäus 10,28.

Skandalon = zum Skandal - zu Fall bringen, zum Fallstrick werden. Dieses Wort wurde mit dem Köderstab einer Falle bezeichnet. Es handelte sich um ein Stück Holz, an dem ein Köder befestigt wurde. Wenn ein Tier sich diesem Köder näherte, schnappte die Falle zu und das Tier war gefangen und verendete. So wurde mit dem Wort alles bezeichnet, was zum Untergang eines Menschen beitrug.

Verlangt Jesus eine Selbstverstümmelung?
Nein! Gott will vielmehr, dass wir lernen wie wir mit unserem Körper richtig umgehen und ihn zu seinem Dienst einsetzen. Es kann aber durchaus um materielle Dinge gehen, denen wir entsagen, weil sie uns hindern, das Ziel des ewigen Lebens zu erreichen; z. B. Fernseher verkaufen, dem Alkohol oder Nikotin völlig zu entsagen.

 

 Kapitel 5,31-32: Der Umgang mit Scheidung

Zum Ehegesetz sagte Mose: Dtn 24,1-4.
Warum lehrte Mose so etwas? Bekam er von Gott die Anleitung dazu? Unterstützte er die Scheidung? Was bedeutet die Aussage „etwas Hässliches“ an einer Frau zu finden?

Was lehrte Mose wirklich?
Es gab damals zwei grosse Schulen, die bezüglich der Ehescheidung wegen „etwas Hässliches“ oder „etwas Schändliches“ unterschiedliche Meinungen vertraten:

- Die Schule Shammais lehrte, dass Mose darunter ausschliesslich Ehebruch verstehe.

- Die Schule Hillels legte diese Stelle viel grosszügiger aus, indem dies auch bedeuten könne, wenn die Frau das Essen verdorben hat, wenn die Frau zänkisch ist oder wenn (gemäss einem einflussreichen Rabbi), der Mann sie nicht mehr schön genug fand und eine jüngere und schönere Frau fand.

Leider ist die natürliche Tendenz des Menschen, die Gebote Gottes zu umgehen oder zu entschärfen (Warnung: Mt 5,19). So waren Ehescheidungen schon damals an der Tagesordnung. Dabei hatten die Frauen nicht viel zu sagen, sondern wurden von ihren egoistischen Männern unterdrückt und beherrscht.

Mose nimmt (in Dtn 24) nur Stellung zur damaligen Situation, indem er davon ausgehend sagt „wenn ...“ Mose führte nicht etwa die Scheidung als Gebot ein! Mose gebot nur, dass man nicht mehr zur Exfrau zurückkehren darf, nachdem sie durch eine andere Beziehung verunreinigt wurde. Im gleichen Sinn unterstützte Mose in keiner Weise die Polygamie (Dtn 21,15-17), sondern sein Ziel war, das Erstgeburtsrecht zu regeln. Tatsache ist, dass Mose (in Dtn 24) die Scheidung entmutigen wollte, indem er ausdrücklich verbot zur ersten Partnerschaft zurückzukehren. Dies ist vor Gott ein Gräuel (Dtn 24,4). Mose versuchte auch hier die gottlose Scheidungspraxis unter dem jüdischen Volk in den Griff zu bekommen und zu regeln. Mose unterstützte in keiner Weise die Scheidung, sondern erduldete die Härte der Herzen der Juden (Mt 19,8).

Was lehrt Jesus über die Scheidung? – Matthäus 19,1-10.
Jesus macht darauf aufmerksam, wie es von Anbeginn war: Gen 2,18-25. Mann und Frau werden „ein Leib“, indem der Mann der Frau anhängt (hebr. ankleben). Der Heilige Geist warnt vor Unzucht: 1Kor 6,15-18.

Wenn zwei Menschen zusammenfinden, dann ist das eine Fügung Gottes, die für Lebzeiten gilt: Röm 7,1-3. Das Ehebündnis ist bindend und grundsätzlich unauflösbar. Gott will nicht, dass der Mann wieder heiratet und damit seiner ersten Frau die Treue bricht. Gott hasst die Scheidung: Mal 2,16. Gott verabscheut Untreue und bestätigt das Gesetz Mose bezüglich der Warnung vor Rückkehr zur Exfrau: Jer 3,1-10.

Gottes Plan für die Ehe war es niemals, dass sie geschieden wird: 1Kor 7,10-11. Wenn sich ein Ehepaar aus anderen Gründen als Unzucht voneinander trennt, so dürfen beide nicht wieder heiraten. Sie dürfen sich jedoch wieder versöhnen und zueinander zurückfinden.

In der Bibel werden zwei Ausnahmen für eine Scheidung erwähnt:

1. Bei Unzucht (Mt 19,9) darf der Veruntreute wieder heiraten.
Er darf sich aber auch wieder versöhnen, sofern der Schuldige um Vergebung bittet (Offb 2,14.20-21; Lk 15,24). Unzucht muss nicht unbedingt zur Scheidung führen (Mt 18,35). Die Bibel macht die Scheidung bei Unzucht nicht zum Gebot!

2. Wenn der ungläubige Teil sich vom Gläubigen trennen will (1Kor 7,12-17).
Dabei muss betont werden, dass der gläubige Teil sich nicht verunreinigt vor Gott, wenn er mit einem Ungläubigen verheiratet ist. Es besteht also grundsätzlich kein Grund zur Trennung.

Auch in dieser Beziehung ist das Evangelium nicht lockerer als das Gesetz. Im Gegenteil! Gott hat seine Einstellung diesbezüglich im Neuen Testament nicht geändert. Wer sich von seiner Frau scheidet, ausser wegen Unzucht, ist ein Ehebrecher (Mt 5,27-28; Mt 19,6-9). Die Bedingungen sind eher noch schwieriger geworden.

Dafür gibt es eine wesentliche Verbesserung vom AT zum NT: die Vergebung! Durch die Vergebung ist es manchmal möglich, dass Ehepaare, die in der Welt ein zweites Mal heiraten, nach der Taufe sich nicht trennen müssen: 1Kor 6,9-11. Die Bibel erwähnt kein einziges Beispiel, wo zwei Wiederverheiratete sich trennen mussten, weil ihre zweite Ehe vor Gott nicht gültig war. Wenn schon die Juden im AT nicht nach Gottes Gesetz lebten und Mose sie erdulden musste, wie viel mehr müssen dann die Heiden erduldet werden? Warum liess der Herr den David nach seinem Ehebruch am Leben, während der er Saul absetzte (Lev 20,10)? Warum bezeichnet der Heilige Geist Polygamisten im AT als Glaubensväter?

 

 Kapitel 5,33-37: Der Umgang mit Schwören

War es im AT falsch zu schwören?
Nein, denn auch grosse Gottesmänner schworen:

- Abraham schwor vor Abimelech, dem Philisterkönig (Gen 21,23-24.31).

- Abraham liess seinen Knecht wegen einer Frau für Isaak schwören (Gen 24,2-3.9; 26,31).

- Jakob und Laban schwuren einander den Frieden (Gen 31,53).

- Jakob forderte durch einen Schwur von Joseph, dass er ihn im Land Kanaan begraben würde (Gen 47,29-31; 50,4-6).

Was für Konsequenzen hat ein Schwur?
Der Schwur ist eine verbindliche Bestätigung einer Aussage, die über Tod oder Leben eingelöst oder eingehalten werden muss. Bsp. von Menschen, die sich zum Schaden schwuren:

- Esau schwur vor Jakob, dass er ihm die Erstgeburt gebe (Gen 25,33).

- Die Ältesten Israels schwuren den Gibeonitern, dass sie sie aufnehmen, ohne vorher den Herrn zu befragen (Jos 9,14-15).

- Im NT schwor Herodes der Salome die Hälfte seines Königreichs (Mk. 6,23) und musste auf ihren Wunsch Johannes enthaupten lassen.

- Juden verschworen sich gegen Paulus (Apg 23,12).

Wichtig war im AT, dass man sein Wort hielt, wenn man etwas schwor: Ps 15,1.4. Selbst wenn man sich zum Schaden geschworen hat, soll der Schwur eingehalten werden: Num 30,1-3; Dtn 23,21-23. Deshalb sollte sich jeder gut überlegen, wenn er ein Gelübde (Gelöbnis, Schwur) macht: Koh 5,1-6.

Gott verabscheut im AT das falsche Schwören in seinem Namen: Lev 19,12. Wer falsch schwört, wurde von Gottes Gemeinschaft verstossen (Ps 24,4-5). Das Eifersuchtsgesetz entschied über Leben oder Tod (Num 5,12-19.29). Das dritte Gebot lautete (Ex 20,7): „Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen.“ Dieses Gebot wurde z. B. durch Fluchen oder Lästern übertreten (1Tim 6,1). Es konnte aber auch durch falsches Schwören verletzt werden.

Es wurde im Gesetz unterschieden zwischen;

- falsch schwören (Lev 6,3-7),

- unbedacht schwören und unfähig es einzuhalten (Lev 5,4-5).

Beim Namen Gottes zu schwören hiess, dass man Gott zum Zeugen aufrief, dass man die Wahrheit sagte. Die Juden versuchten den Schwur im Namen Gottes zu umgehen, indem sie beim Himmel, bei Jerusalem oder bei ihrem Haupt (Kopf) ersetzten. Jesus verdammte eine solche Umgehung des Gesetzes (siehe auch Mt 23), weil sie heuchlerisch war und völlig nutzlos, wenn man einfach ein anderes Hauptwort für Gottes Namen einsetzte.

Im Neuen Bund setzt Jesus dem Schwören unter den Menschen ein Ende (Mt 5,36-37). Damit will Jesus, dass wir untereinander die Wahrheit reden sollen und nicht lügen (siehe Petrus: Mt 26,74). Es gibt keine zwei Wahrheiten; eine gewöhnliche und eine beschworene. Leider stehen Menschen oft nur dann zur Wahrheit, wenn sie dadurch profitieren. Jesus verurteilt jeden „Meineid“ (epirkeio, Eid = horkos). Wer die Wahrheit redet, der braucht nicht zu schwören). Dies bedeutet nicht, dass wir vor dem Schwurgericht der Welt nicht einen Eid ablegen dürfen für Dinge, die wir aus der Vergangenheit in aller Wahrheit darlegen. Jesus selbst sagte vor dem Hohenpriester unter Eid aus: Mt 26,63-64.

Im Jakobusbrief wird eine andere Art von Schwören verboten: Jak 5,12 (4,13-16). Wie können wir unter ein Gericht fallen? Indem wir etwas versprechen, was wir nicht einhalten können. Das einzige Versprechen das wir machen dürfen ist, sich zum Herrn zu bekehren und IHM ein Leben lang die Treue zu schwören! Ansonsten gilt: Nur Gott allein darf Schwören, weil Er seine Versprechungen immer einhalten kann: Ex 6,8 (Gen 22,16; 24,7; 26,3)!

Brach Gott seinen Eidschwur (Num 14,30)? Nein, denn Er hat Israel trotzdem in das verheissene Land gebracht. Gott hat seinen Eid eingehalten: Dtn 9,5. Alle Versprechungen Gottes dürfen als Schwur verstanden werden, die der Herr ganz gewiss einhält: Ex 19,6 – Dtn 28,9.

Widersprach Gott seinem eigenen Gebot (Dtn 6,13)? Nein, denn von Israel forderte der Herr, dass sie den Bundeseid mit Gott einhielten und IHM treu blieben. Doch die Israeliten wurden leider vertragsbrüchig: Jer 11,1-8. Der Prophet Jeremia klagte das Volk Gottes an, weil es sich dem Herrn versprach und dann doch seine Gebote missachtete: Jer 5,1-2. Gottes Eidschwur steht unwiderruflich fest und schenkt uns grosse Hoffnung. Gott schwor dem Abraham: Hebr 6,11-19. Gott schwor dem David: Ps 132,11; Apg 2,30.

Jesus bestärkt seine Aussagen dadurch, indem er sagt: „Wahrlich, wahrlich ...“

- einmal „wahrlich“ (Mt 5,18.26; 6,2; 5,16).

- zweimal „wahrlich“ (Joh 1,51; 3,3.5; 5,19.24).

Auch Paulus verwendete einen Eid, um Gott als Zeugen aufzurufen, dass er die Wahrheit schrieb (2Kor 1,23; Gal 1,20).

 

 Kapitel 5,38-42: Der Umgang mit Rache

Im Gesetz Mose lesen wir: Ex 21,23-25; Lev 24,19-20; Dtn 19,21.
Das Gesetz der gleichen Vergeltung wird genannt:

Englisch: The Lex Talionis (Gesetz der Vergeltung). Wörtlich: The law of the tooth (Gesetz über die Zähne). Retaliation = Vergeltung. Retribution = Vergeltung, Strafe.

Deutsch: jus talionis (lat.) das Recht gleicher Vergeltung, „Auge um Auge, Zahn um Zahn“, ist eines der ältesten Gesetzesprinzipien.

Mundart: „Wie du mir, so ich dir.“

Im ältesten bekannten Gesetzeskodex von Hammurabi, ein grosser babylonischer König, der mehrere Jahrhunderte vor Mose lebte, findet sich schon dieses Lex Talionis Prinzip, indem es heisst: „Wer schuldig ist, dass ein Herr ein Auge verloren hat, soll selbst ein Auge verlieren. Wer einem Herrn ein Glied zerschmettert hat, dem soll selbst ein Glied gebrochen werden. Wer schuld daran ist, dass ein armer Mann ein Auge verloren hat, wer einem armen Mann ein Glied zerschmettert, soll eine Silbermine dafür bezahlen ...“ Im Codex Hammurabi wird ein merkwürdiger Unterschied zwischen der Herrenschicht und der arbeitenden Bevölkerung gemacht.

Dieses mosaische Gesetz hat zu keiner Zeit den einzelnen berechtigt, persönlich Rache auszuüben und sich so Vergeltung zu verschaffen für eine Verletzung. Leider missbrauchten die Juden das Gesetz, indem sie sich selbst für alles und überall Vergeltung verschafften. Nur durch die Richter oder Ältesten konnten diese Rechtssatzungen geltend gemacht werden (Num 35,19.24). Dabei wurde unterschieden zwischen:

- einem versehentlichen Totschlag (Dtn 19,1-10),

- einem absichtlichen Totschlag (Dtn 19,11-12).

Widerspricht das Gesetz der Vergeltung dem sechsten Gebot (Ex 20,13): „Du sollst nicht töten“? Nein! Denn Gott hat die Todesstrafe für alle Mörder in Israel angeordnet (Ex 21,12). Die Todesstrafe ordnete Gott nach der Sintflut dem Noah an: Gen 9,6. Neben dem Totschlag standen folgende Delikte unter Todesstrafe:

- Menschendiebstahl (Ex 21,16).

- Misshandlung und Verfluchung der Eltern (Ex 21,15.17).

- Tierschande (Ex 22,19).

- Kult fremder Gottheiten (Ex 22,20).

- Arbeit am Sabbat (Ex 31,15).

- Kinderopfer für Moloch (Lev 20,2).

- Ehebruch (Lev 20,10).

- Geschlechtsverkehr mit Verwandten (Lev 20,11ff.).

- Gotteslästerung (Lev 24,15-16).

- Zauberer, Wahrsager usw. (Dtn 18,10-11; Ex 22,18; Lev 20,27).

Die Formen der Hinrichtung:

- Steinigung (häufigste Form, siehe Bsp. Gotteslästerung, Ehebruch).

- Tötung durch das Schwert (2Sam 1,15).

- das Erhängen (Dtn 21,22ff.).

- die Verbrennung (Lev 21,9).

- (in der Römerzeit) die Kreuzigung (2Makk 13,4ff.).

Es war nie Gottes Absicht, durch diese strengen Gesetze die Rache- und Vergeltungsgefühle unter dem Volk zu schüren. Im Gegenteil! Gerade dadurch sollte die Rache beschränkt werden, weil der Geschädigte wusste, dass es dafür ein klares Gesetz gab und er sich nicht selbst rächen musste. Zudem sollte sich das Volk diese Delikte besonders gut einprägen und sich allezeit bewusst sein, dass sie vor Gott keine Gnade finden, wenn sie aus Bosheit handeln. Auch im Alten Testament sollte Barmherzigkeit geübt werden:

- Keine Rache üben: Lev 19,18; Spr 24,29; 20,22.

- Feinde lieben: Spr 25,21-22.

- Backe hinhalten: Klagelieder 3,30.

Jesus lehrt seine Jünger, wie sie mit Rachegefühlen und Vergeltung umgehen sollen, indem er drei Beispiele anführt:

1. Der Schlag auf die rechte Backe.
Es geht hier nicht um eine Provokation gegenüber unserem Aggressor, indem wir demonstrativ die linke Backe hinhalten! Es geht hier um das richtige Verständnis zur Rache: Röm12,17-21. Wir sollen nicht Böses mit Bösem vergelten: 1Petr 3,9. Wir sollen vielmehr dem Guten nachjagen: 1Thess 5,15.

Warum ist die Vergeltung nicht gut?
Weil sie uns krank macht und niemals vom Hass befreit! Weil wir zu Knechten des Teufels werden und uns selbst am meisten schädigen (siehe Israel, Moslems etc.). Weil Gott alles sieht und uns Vergeltung schafft (siehe David und Saul: 1Sam 24,13). Dies bezieht sich auf alle Gebiete des Lebens und nicht bloss auf das Beispiel mit der Backe! Kol 3,12-15. Jesus hat uns gezeigt, wie man Versöhnung schafft: 1Petr 2,22-23. Wenn Gott uns alles anrechnen würde, dann gäbe es keinen Dienst der Versöhnung: 2Kor 5,19. Es geht aber auch nicht darum, dass wir uns alles gefallen lassen müssen in der Welt, denn dafür gibt es klare Gesetze, die uns schützen: Röm 13,1-4. Es geht auch nicht darum, dass wir über das Böse hinwegschauen, sondern wir sollen dann besonders bereit sein zur Vergebung, wenn uns ein Bruder oder eine Schwester im Herrn darum bittet: Mt 18,21-35 (Mk 11,25).

2. Hemd und Mantel weggeben.
Wer durch einen Rechtshandel unser Hemd nehmen will, dem sollen wir auch den Mantel geben. Kein Rechtshandel in der Gemeinde: 1Kor 6,1-8. Jesus lehrt, dass Christen nicht auf ihrem Recht bestehen sollen, sie diskutieren und streiten nicht um ihr Recht und sind auch nicht der Ansicht irgendwelche Rechtsansprüche zu haben.

3. Statt eine Meile, zwei Meilen gehen.
Wer möchte, dass wir mit ihm eine Meile gehen, mit dem sollen wir zwei gehen. Bsp. Simon aus Cyrene zwang man das Kreuz Jesu zu tragen (Mt 27,32). Bei den Römern war dies gang und gäbe, dass man jemand aus der Bevölkerung zwingen konnte, etwas der röm. Besatzung ein Stück weit zu tragen. Auch Herren zwangen die Sklaven oft als Gepäckträger. Bereitschaft zu helfen in der Gemeinde: 1Joh 3,17-18.

Es ist sehr wichtig, dass wir diese Prinzipien nicht nur in der Welt, sondern speziell gegenüber unseren Glaubensgenossen anwenden. In der Welt müssen wir uns nicht alles gefallen lassen (Bsp. Backen), aber in der Gemeinde schon. In der Welt müssen wir manchmal Rechtshandel betreiben, aber nicht in der Gemeinde. In der Welt müssen wir uns nicht ausnützen lassen (Bsp. Meile), aber in der Gemeinde wollen wir bereit sein, so viel wie möglich zu geben, auch wenn wir dabei uns manchmal ausgenützt vorkommen.

 

 Kapitel 5,43-48: Der Umgang mit Feindesliebe

Im Gesetz Mose lesen wir: Lev 19,18.
Hier wird von den eigenen Volksgenossen geredet als dem „Nächsten“. Es ging nicht um irgendeinen Menschen mit dem sie es gerade zu tun hatten. Der Nächste war also ihr Volksgenosse; ein Jude, ein Bruder. Soweit verstanden die Juden dieses Gebot richtig, aber sie machten daraus einen Zusatz der nicht im Gesetz stand, indem sie folgerten, dass der Feind gehasst werden müsse.

Wer galt den Juden als Feind? Der Nichtjude: der Heide! Dies hatte bis zu einem gewissen Mass auch seine Berechtigung: Dtn 7,1-6.16.23-26. Die Juden sollten schon im AT unterscheiden zwischen: Menschenhass, Hass gegenüber dem gottlosen Treiben der Völker. Weil die Heiden gottlos waren und mit Gott keinen Bund hatten, hassten die Juden alle Heiden ohne Ausnahme: Eph 2,11-16.

Jesus gebietet den Gläubigen im Neuen Bund selbst die Feinde zu lieben. Wie aber ist das möglich? Indem wir vorerst die Unterscheidung zwischen dem Mensch und seiner Handlung machen. Wir sollen das sündhafte Verhalten eines Menschen hassen, aber niemals den Mensch selbst: Joh 3,16 (Gott unterstützt nicht die Sünder!). Jesus verlangt von uns nicht, dass wir unsere Feinde in derselben Weise lieben wie Menschen, die uns lieb und teuer sind. Aus dem Wortlaut unseres Textes geht hervor, dass es hier um eine andere Art von Liebe geht.

In der griechischen Sprache gibt es vier verschiedene Ausdrücke für unser Wort Liebe:

1. Storge
Familienliebe, die Liebe von Eltern zu ihren Kindern usw. Auch die Beziehung zu Verwandten und Bekannten.

2. Eros
Sinnliche Liebe mit dem Körper. Sexuelle Leidenschaft und geschlechtliche Liebe.

3. Philia
Bruderliebe, freundschaftliche Zuneigung, Sympathie. Höchster Ausdruck für die gefühlsvolle Beziehung zweier Menschen.

4. Agape
Göttliche Güte und Wohlwollen. Sie ist eine Frucht des Geistes; eine Entscheidung, eine Willenskraft, eine entschlossene Haltung, die selbst durch Bitterkeit und Hass nicht entmutigt aufgibt.

Jesus gebietet allen Gläubigen diese „agape“ Liebe zu pflegen. Zuerst aber muss diese agape Liebe an uns selbst angewandt werden. Wer sich nicht liebt, kann andere auch nicht lieben. Dies hat nichts mit egoistischer Selbstliebe zu tun. Gott liebt uns und deshalb sollen auch wir uns selbst annehmen (Mt 22,39).

Wir sollen für unsere Feinde beten: wie Jesus das tat am Kreuz (Lk 23,34), wie Stephanus das tat bei seiner Steinigung (Apg 7,59-60). Der König David legte an Saul keine Hand an: 1Sam 24,1-13.

Wir sollen unseren Feinden helfen: Lk 10,25-37. Juden hatten mit den Samaritern nichts zu tun (Joh 4,9). Ausgerechnet ein von Gott abgefallener Samariter half dem Verletzten.

Es ist Gottes Wille, dass wir im Stande sind, unsere Gefühle und Abneigungen zu überwinden, indem wir selbst denen, die uns nicht mögen liebreich begegnen. Wer nur die liebt, die ihn lieben hat bei Gott noch keinen Lohn: 1Joh 4,7-8. Die Liebe ist die Erfüllung des Gesetzes: Röm 13,8-10.

Wir sollen „vollkommen sein“, das bedeutet nicht sündlos! Es bedeutet in der Gesinnung rein sein, erfüllt sein vom Geist Gottes (1Kor 13; Gal 5). Wir sind verpflichtet, den Bruder im Herrn zu lieben: 1Joh 2,9-11.