Einführung-NT04: Hintergründe zum NT

Einführung ins Neue Testament

 

 

 I.   Palästina im ersten Jahrhundert

Das Land Kanaan wurde zu Palästina und war aufgeteilt in folgende Provinzen:

– Galiläa im Norden, westlich vom See Gennesaret (auch galiläischer See genannt). Im Norden vom See liegt die Hauptstadt Kapernaum. In den umliegenden Dörfern gab es einige Synagogen. Jesus wuchs in Nazaret auf.

– Judäa im Süden, mit dem Jordan, der ins Tote Meer fliesst. Die Hauptstadt ist Jerusalem, als religiöses und nationales Zentrum der Juden, in der David und Jesus geboren wurden. Cäsarea (Martima am Mittelmeer) war die Hauptstadt der Römer, die Herodes der Grosse (aus-) baute. Cäsarea war eine wichtige Hafenstadt an der die Handelsstrasse von Ägypten nach Damaskus und den entfernten Teilen des Römerreiches lag.

Samarien (südlich vom See Gennesaret).
Das ganze Gebiet zählte zu Judäa und wurde von der Herodes Dynastie beherrscht. Samaria war lange Zeit die Hauptstadt des Nordreichs, die eine eigene Kultstätte mit Priestern besass und von den Juden gehasst und gemieden wurde.

Peräa (im Ostjordanland)
Östlich vom Jordan lag dieses Gebiet, das von Herodes Antipas kontrolliert wurde. Um nicht über Samarien in den Norden zu gelangen, benutzten die Juden oft den Weg am östlichen Jordan.

Dekapolis (östlich vom See Gennesaret und vom Jordan)
Dekapolis bedeutet zehn Städte und war ein autonomes Gebiet, das Herodes Philippus kontrollierte. Es bestand vorwiegend aus Heiden mit ihren Religionen. Auch Jesus verkündete dort das Evangelium und heilte Menschen.

Palästina wurde von lokalen Herrschern regiert, die im ersten Jahrhundert von den folgenden römischen Kaisern eingesetzt waren (siehe Einführung in die Offenbarung).

1.  Augustus (31 v. Chr. bis 14 n. Chr.), zur Zeit Jesu.

2.  Tiberius (14 bis 37 n. Chr.), zur Zeit Jesu.

3.  Caligula (37 bis 41 n. Chr.), zur Zeit der Apostel.

4.  Claudius (41 bis 54 n. Chr.), zur Zeit der Apostel und Paulus.

5.  Nero (54 bis 68 n. Chr.), zur Zeit der Apostel und Paulus.

6.  Galba (68 n. Chr.), unbedeutend.

7.  Otho (69 n. Chr.), unbedeutend.

8.  Vitellius (69 n. Chr.), unbedeutend.

9.  Vespasian (69 bis 79 n. Chr.), zur Zeit der Zerstörung Jerusalems.

10.  Titus (79 bis 81 n. Chr.), zur Zeit der Zerstörung Jerusalems.

11.  Domitian (81 bis 96 n. Chr.), zur Zeit des Apostels Johannes.

12.  Nerva (96 bis 98 n. Chr.)

13.  Trajan (98 bis 117 n. Chr.)

Die Herodes Dynastie (47 v. Chr. bis 100 n. Chr.).

Die Herodes Dynastie machte ihren Weg in Palästina durch den Idumäer Antipater. Idumäer stammten von den Edomitern ab, d. h. sie waren Nachkommen Esaus (Israels ständige Feinde). Herodes Antipater wurde (47 v. Chr.) vom Kaiser Julius Cäsar in Rom zum Prokurator Palästinas ernannt. Antipater wiederum setzte zwei seiner Söhne als Herrscher ein, wovon der Eine Herodes der Grosse war.

Herodes der Grosse (37 - 4 v. Chr.)
Ältester Sohn Antipaters und skrupelloser König, der sich zwar religiös zum Judentum bekannte, aber die Juden unterdrückte. Jesus wurde unter seiner Herrschaft geboren (Mt 2,1; Lk 1,5) und überlebte, als Herodes der Grosse alle Knaben bis zum Alter von zwei Jahren töten liess (Mt 2,16). Er war ein extrem erfolgreicher und ein eifersüchtiger Herrscher mit mehreren Frauen. Er dehnte die Grenzen aus, brachte die Wirtschaft und Kultur zum Wachsen und baute einige wichtige Gebäude, wie zum Beispiel ein grosses Theater. Dem Tempelausbau, der 46 Jahre dauerte (gem. Joh 2,20), widmete er die meiste Zeit. Doch am Ende seiner Regierung war dieses Projekt noch lange nicht vollendet. Kurz vor seinem Tod liess er ein Testament aufsetzen, indem er sein Herrschaftsgebiet auf die übriggebliebenen drei Söhnen übertrug. Der römische Kaiser Augustus liess dies zu, so dass im Jahre 4 v. Chr. das Land an Archelaus, Philippus und Antipas verteilt wurde.

Herodes Archelaus (4 v. Chr. - 6 n. Chr.)
Auf seinen Münzen wird er als „Herodes der Ethnarch“ bezeichnet. Sein Herrschaftsgebiet erstreckte sich von Judäa, über Samarien bis Idumäa. Er war der älteste und zugleich schlechteste Herrscher. Er beleidigte die religiösen Gefühle der Juden und seine unterdrückende Herrschaft wurde unerträglich. Auch Josef fürchtete sich vor ihm und brachte Maria und Jesus nach Galiläa (Mt 2,22). Schliesslich entsandten die Juden eine Delegation nach Rom, die sich beim Kaiser beklagte und mit einem Aufstand drohte. Im sechsten Jahr nach Christus wurde Archelaus abgesetzt und verbannt.

Herodes Philippus (4 v. Chr. - 30 n. Chr.)
Er erhielt den nordöstlichen Teil (östlich vom galiläischen See) des Herrschaftsgebietes seines Vaters (Lk 3,1). Offenbar war er der fähigste Sohn, der für eine Reihe von Bauprojekten verantwortlich war. Seine Frau hiess Herodias und seine Tochter Salome (Mk 6,14-29).

Herodes Antipas (4 v. Chr. - 39 n. Chr.)
Er erhielt Galiläa und Peräa und war der Herrscher zu Lebzeiten Jesu. Er wirkte bei der Verurteilung Jesu mit (Lk 23,6-12). Jesus bezeichnete ihn einmal als Fuchs, als die Pharisäer ihn loswerden wollten, indem sie sagten, dass Herodes ihm nach dem Leben trachte (Lk 13,31-33). Er liess sich von der Tochter des nabatäischen Königs Aretas IV scheiden, um Herodias (Lk 3,19), die Frau seines (Halb-) Bruders Philippus zu heiraten (Mk 6,17). Johannes der Täufer sagte zu ihm (Mk 6,18): „Es ist dir nicht erlaubt, deines Bruders Frau zu haben.“ Diese Ehrlichkeit kostete ihn seinen Kopf (Lk 3,19; Mk 6,17). Herodes Antipas baute die Stadt Sepphoris, nördlich von Nazaret auf, wo Jesus aufwuchs.

Herodes Agrippa I (37 - 44 n. Chr.)
Agrippa I übernahm das Herrschaftsgebiet von Antipas. Seine Macht und Verantwortung dehnte sich weit über seine Fähigkeiten aus. Dabei entwickelte er einen unkontrollierten und aussergewöhnlichen Lebensstil, verstand es aber mit seinem Scharm und seiner Intelligenz in Roms Gunst zu stehen. Nachdem der römische Kaiser Caligula ermordet wurde, verhalf er dem Claudius zum Thron. Als Dank dafür wurde er von Claudius erneut bestätigt und erhielt auch noch das Gebiet Judäa und Samaria. Das machte ihn zu einem mächtigen Herrscher, wie sein Grossvater, Herodes der Grosse. Agrippa I versuchte die Gunst der Juden damit zu gewinnen, dass er die Christen verfolgen und Jakobus töten liess (Apg 12).

Herodes Agrippa II (50 - 100 n. Chr.)
Er wurde 27 n. Chr. geboren und als zu jung erachtet, um die Nachfolge seines Vaters anzutreten. Doch 53 n. Chr. verlieh ihm der römische Kaiser Claudius den Königstitel und übergab ihm das Herrschaftsgebiet nördlich und nordöstlich von Palästina. Er hörte der Verteidigungsrede des Paulus zu, besass aber nicht die Macht ihn freizulassen (Apg 25,13 - 26,32). Später wurde Agrippa in den jüdischen Aufstand vor der Zerstörung Jerusalems (70 n. Chr.) hineingezogen, hielt aber immer fest zu Rom. Er herrschte bis zu seinem Tod, der das Ende der Herodes Dynastie markierte.

 

 II.   Pontius Pilatus

Der römische Prokurator, zur Zeit Jesu, war Pontius Pilatus (26-36 n. Chr.). Die Kreuzigung Jesu geschah unter ihm (Lk 23,1; Apg 3,13; 4,27; 13,28). Er schneidet in den Evangelien zu gut ab, weil er Jesus freilassen wollte, doch der Grund dafür waren nur grössere Unruhen, die er befürchtete durch das übrige Volk. Wir lesen, dass er sich vom ungerechten Todesurteil der Juden distanzierte, indem er sich die Hände wusch (Mt 27,24; NGÜ): „Pilatus sah, dass er nichts erreichte. Im Gegenteil, der Tumult wurde immer schlimmer. Er liess sich Wasser bringen, wusch sich vor den Augen der Menge die Hände und sagte: «Ich bin unschuldig am Tod dieses Mannes. Was jetzt geschieht, ist eure Sache.»” Als Johannes auftritt wurde er von Kaiser Tiberius eingesetzt, um über das besetzte Gebiet der Römer in Israel zu herrschen (Lk 3,1). Später bestätigt Paulus, dass Jesus „das gute Bekenntnis abgelegt hat vor Pontius Pilatus” (1Tim 6,13).

Er war römischer Statthalter oder Landpfleger (wie ihn Josephus bezeichnete), wohnte im prunkvoll gebauten Prätorium (Mt 27,27; Mk 15,16), neben dem Tempel. Vor ihm regierte Gratus und nach ihm Marcellus. Ohne ihn ging nichts in Jerusalem. Er war ein zynischer, skeptischer und eigensinniger Römer. Es mangelte ihm an ehrenhaften Tugenden, Gerechtigkeit und Rechtschaffenheit. Es sprach sich bei den Juden herum, dass er Galiläer tötete und ihr Blut mit dem der Opfertiere vermischt hatte (Lk 13,1).

Der jüdische Geschichtsschreiber Josephus (37 - 93 n. Chr.) schrieb von drei Ereignissen, mit denen er die Juden verärgerte. Als er sein Heer in das Winterquartier Jerusalem verlegte, brachte er aus Missachtung das Feldzeichen mit der Statue des Cäsars in die Stadt, obschon er wusste, dass das Gesetz der Juden jegliche Bildnisse verbot. Er versuchte auch eine Wasserleitung in die Stadt zu bauen und entwendete das Geld dafür dem Tempel, was zu grossen Demonstrationen führte, bei denen etliche Bürger ihr Leben verloren. Nach zehnjähriger Amtszeit setzte er seine Armee listig ein, um angebliche Aufrührer der Samaritaner niederzumetzeln und hinzurichten. Diese führte zu seiner Amtsenthebung durch seinen Vorgesetzten. Denn die Samaritaner erstatteten Anzeige bei Vitellius, Statthalter von Syrien. Anschliessend sandte er Pilatus nach Rom, um sich vor dem Kaiser Tiberius zu verantworten.

Aus Josephus zitiert: „Um diese Zeit lebte Jesus, ein weiser Mensch, wenn man ihn überhaupt einen Menschen nennen darf. Er war nämlich der Vollbringer ganz unglaublicher Taten und Lehrer aller Menschen, die mit Freuden die Wahrheit aufnahmen. So zog er viele Juden und auch viele Heiden an sich. Er war der Christus. Und obgleich ihn Pilatus auf Betreiben der Vornehmsten unseres Volkes zum Kreuzestod verurteilte, wurden doch seine früheren Anhänger ihm nicht untreu. Denn er erschien ihnen am dritten Tage wieder lebend, wie gottgesandte Propheten die und tausend andere wunderbare Dinge von ihm vorherverkündigt hatten. Und noch bis auf den heutigen Tag besteht das Volk der Christen, die sich nach ihm nennen, fort.”

Der jüdische Philosoph Philo aus Alexandrien (20 v. Chr. – 50 n. Chr.) klagte Pilatus wegen verschiedener Laster an. Er schrieb von der Korruption des Pilatus, seine Anmassungen, seine Gaunereien, seine Art Menschen abzuwerten, seine Misshandlungen und Grausamkeiten. Pilatus soll Menschen ohne Gerichtsurteil umgebracht haben. Philo beschrieb Pilatus als unmenschlich in seinen unaufhörlichen Verletzungen, die er andern zufügte. Die Juden klagten erfolgreich beim Kaiser Tiberius, die Schilde an der Mauer Jerusalems wieder abzubauen, die mit Prägungen der Kaiserverehrung ausgestattet waren.

Viele andere historische Schreiber berichteten negatives über Pontius Pilatus, der (gemäss Eusebius) nach seinem Prozess Selbstmord machte.