Einführung ins Neue Testament
Rom führte seinen Namen nach der wichtigsten Stadt in Italien, der ursprünglichen Siedlung, aus der der römische Staat wuchs. Nach der Gründung im Jahre 753 v. Chr. war es zuerst ein Gemeinwesen aus einer Vereinigung kleiner Siedlungen in seiner Nachbarschaft, das von einem König regiert wurde. Etwa um den Beginn des 5. Jahrhunderts v. Chr. hatte es unter einer republikanischen Regierungsform eine gewisse solide politische Organisation erreicht. Durch Bündnisse mit umgebenden Staaten und durch eine lange Reihe von Kriegen gegen die Etrusker im Norden und gegen andere Stämme im Süden wurde Rom bis um 265 v. Chr. zur Herrin der italienischen Halbinsel. Die eroberten Völker waren durch Verträge verpflichtet, Frieden zu halten; nach und nach wurden sie im römischen Reich absorbiert.
Die rasche territoriale Expansion brachte jedoch tiefgreifende Veränderungen im Leben des römischen Volkes mit sich. Als die militärischen Führer Geschmack an der Macht gewannen, benutzten sie ihre Armeen nicht nur für Eroberungen in fremden Ländern, sondern auch zur Durchsetzung ihrer Herrschaft in der Heimat. Das Jahrhundert zwischen der Eroberung Karthagos und Griechenlands und dem Tod Cäsars war durch eine beständige Folge von Bürgerkriegen gekennzeichnet. Marius, Sulla, Cäsar, Antonius und Octavian - sie alle strebten danach, sich zum Herrn von Rom aufzuschwingen, bis es schliesslich im Jahre 30 v. Chr. Octavian oder Augustus, wie er vom Senat genannt wurde, gelang, seine Gegner auszuschalten und der erste Kaiser zu werden.
AUGUSTUS (27 v. Chr. bis 14 n. Chr.)
Unter seiner Regierungszeit wurde das römische Imperium bzw. die Macht des kaiserlichen Staates gründlich gefestigt. Augustus rühmte sich, dass er Rom in Ziegeln vorgefunden und in Marmor hinterlassen habe. Während der 41 Jahre seiner Verwaltung schuf er Ordnung aus einem Chaos. Er stellte das Vertrauen in die Regierung wieder her, füllte den Staatsschatz auf, schuf eine leistungsfähige Behörde für öffentliche Arbeiten und förderte Frieden und Wohlstand.
TIBERIUS (14 bis 37 n. Chr.)
Nach dem Tod von Augustus wurde sein Adoptivsohn Tiberius zum Nachfolger gewählt. Das Imperium bzw. die Macht, die Augustus nach verfassungsmässigen Regeln und für eine begrenzte Zeit erhalten hatte, wurde Tiberius auf Lebenszeit übertragen. Er war 56 Jahre alt, als er die Nachfolge antrat. Die meiste Zeit seines Lebens hatte er im Staatsdienst verbracht, und er war daher kein Neuling in Politik. Während seiner Regierungszeit erlitten die römischen Armeen Rückschläge in Germanien mit dem Ergebnis, dass er die Grenze an den Rhein zurücknahm. Schwierigkeiten im Inneren verdüsterten seine letzten Jahre. Im Jahre 26 n. Chr. zog er sich nach Capri zurück und überliess die Regierung dem Stadtpräfekten. Als er im Jahre 37 n. Chr. starb, konnte der Senat endlich wieder frei aufatmen.
CALIGULA (37 bis 41 n. Chr.)
Gaius Caligula, das „Stiefelchen“, wie ihn die Soldaten liebevoll nannten, wurde vom Senat zum Nachfolger von Tiberius berufen. Zu Beginn seiner Laufbahn war er so beliebt, wie Tiberius unbeliebt gewesen war. Er amnestierte politische Gefangene, senkte die Steuern, gab öffentliche Unterhaltungen und machte sich allgemein bei den Massen beliebt. Bald begann er jedoch Zeichen von Geistesschwäche zu zeigen. Er verlangte, als Gott angebetet zu werden und errichtete ein Standbild im Tempel zu Jerusalem, wodurch er sich die Juden in seinem Reich entfremdete. Manche glauben, dass der Hinweis von Markus auf das „Gräuelbild der Verwüstung“ (Mk 13,14) sich auf die angedrohte Errichtung der Kaiserstatue im Tempel zu Jerusalem bezieht.
CLAUDIUS (41 bis 54 n. Chr.)
Die rasche Ausdehnung des Reiches erforderte eine neue Art der Regierung, um leistungsfähig zu sein. Unter Claudius wurde Rom eine Bürokratie, die von Ausschüssen und Sekretären regiert wurde. Claudius dehnte das Privileg des Bürgerrechtes auf Bewohner der Provinzen aus. Seinen Generälen gelang es, in Britannien festen Fuss zu fassen; sie eroberten es bis zur Themse im Norden. Während seiner Zeit wurde Thrakien beim Tod seines Fürsten, der ein Verbündeter Roms gewesen war, zur Provinz.
Claudius unternahm einen entschiedenen Versuch, der alten römischen Religion ihre frühere Bedeutung in der Gesellschaft wieder zu verschaffen. Er besass eine starke Antipathie gegen fremde Kulte. Suetonius berichtet, dass unter Claudius die Juden aus Rom vertrieben wurden wegen einiger Unruhen, die „auf Anstiftung eines gewissen Chrestus“ ausgebrochen waren. Es ist nicht sicher, ob Suetonius Chrestus anstelle von Christus missverstand und sich auf einen Tumult unter den Juden wegen der Verkündigung Jesu als der Christus bezog oder ob Chrestus der tatsächliche Name irgendeines Aufrührers war. In jedem Fall war der Ausweisungsbefehl wahrscheinlich derjenige, der den Weggang von Aquila und Priscilla aus Rom zur Folge hatte (Apg 18,2). Im Jahre 53 n. Chr. heiratete Nero Claudius’ Tochter Octavia. Ein Jahr später starb Claudius und hinterliess Nero die Nachfolge auf dem kaiserlichen Thron.
NERO (54 bis 68 n. Chr.)
Die ersten fünf Jahre der Regierungszeit Neros gestalteten sich friedlich und erfolgreich. Im Jahre 59 n. Chr. liess er seine Mutter ermorden und übernahm die Regierung voll in eigene Hand. Nero war seinem Temperament nach eher ein Künstler als ein Manager. Ihm war mehr an einer Bühnenlaufbahn gelegen als an grossartigen Leistungen in politischer Administration. Seine Sorglosigkeit und Extravaganz leerten den Staatsschatz, und ebenso wie Caligula nahm er seine Zuflucht zu Unterdrückung und Gewalt, um ihn wieder aufzufüllen. Im Jahre 64 brach in Rom ein grosses Feuer aus, das einen grossen Teil der Stadt zerstörte. Nero wurde verdächtigt, er habe das Feuer mit Vorbedacht legen lassen, um Platz für sein neues Goldenes Haus zu schaffen, einen prächtigen Palast, den er auf dem Esquilinus baute. Um den Vorwurf von sich abzulenken, wurden die Christen beschuldigt, Ursache der Katastrophe zu sein. Ihre Zurückhaltung den Heiden gegenüber und ihre Reden von der endgültigen Zerstörung der Welt durch Feuer verliehen dieser Beschuldigung eine gewisse Glaubwürdigkeit. Viele von ihnen wurden vor Gericht gezerrt und zu Tod gefoltert. Die Tradition berichtet, auch Petrus und Paulus seien bei dieser Verfolgung, der ersten von Staats wegen durchgeführten, zu Tode gekommen.
Es gibt wenige Hinweise darauf, wie umfangreich diese Verfolgung war. Wahrscheinlich wurde kein Territorium ausserhalb von Rom und seiner unmittelbaren Umgebung betroffen, obgleich auch die Provinzen davon bedroht gewesen sein mögen (vgl. 1Petr 4,12-19).
GALBA (68 n. Chr.)
Die Revolte der Legionen hatte gezeigt, dass das Reich in Wirklichkeit von der Armee befehligt wurde, denn sie konnte ihren Kandidaten nominieren und auf den Thron bringen, ohne den Senat einzuschalten. Galba, Neros Nachfolger, wurde von den Legionen nicht einmütig gewählt. Als er Lucius Calpurnius Piso zu seinem Nachfolger adoptierte, überredete Otho, der ihn einst unterstützte in der Hoffnung, selbst Kaiser zu werden, die Prätorianergarden, Galba zu töten und ihn zum Kaiser zu machen.
OTHO (69 n. Chr.)
Othos Herrschaft war von kurzer Dauer. Der Senat war mit seiner Ernennung einverstanden, doch marschierte Vitellius, der Legat von Germanien, mit seinen Truppen auf Rom. Otho wurde im Kampf getötet, und Vitellius nahm seine Stelle ein.
VITELLIUS (69 n. Chr.)
Vitellius wurde zwar vom Senat anerkannt, doch gelang es ihm nicht, die Soldaten unter Kontrolle zu halten oder eine stabile Regierung herzustellen. Die Armee im Osten griff in die Staatsaffären ein und machte ihren General, Vespasian, zum Kaiser. Vespasian war zu dieser Zeit mit der Belagerung von Jerusalem befasst. Er übergab diese Aufgabe seinem Sohn Titus und zog nach Ägypten weiter, wo er die Kontrolle über das Land an sich riss und die Nahrungsmittelversorgung Roms abschnitt. Sein Stellvertreter Mucianus zog nach Italien weiter. Trotz des entschiedenen Widerstandes der Truppen von Vitellius nahmen die Anhänger Vespasians Rom ein und plünderten es. Vitellius wurde getötet und Vespasian zum Herrscher ausgerufen.
VESPASIAN (69 bis 79 n. Chr.)
Vespasian war ein einfacher alter Soldat, sparsam in seinen Gewohnheiten und tatkräftig in seiner Administration. Er unterdrückte Aufstände unter den Batavern und den Galliern, während Titus die Niederwerfung Jerusalems zu Ende führte. Die Stadt wurde vollständig zerstört und die Provinz einem Militärlegaten unterstellt. Vespasian stärkte die Grenzen, indem er abhängige Fürstentümer auf den Status von Provinzen herabstufte. Durch strenge Sparsamkeit und die Einführung neuer Steuern wurde der Staatshaushalt wieder solvent gemacht. Er baute das heute berühmte Kolosseum. Im Jahre 79 n. Chr. starb Vespasian und hinterliess das Amt Titus, den er zu seinem Mitregenten gemacht hatte. Er war der erste der Flavier-Dynastie, zu der auch seine Söhne Titus und Domitian gehörten.
TlTUS (79 bis 81 n. Chr.)
Die kurze Dauer der Herrschaft von Titus liess ihm keine Zeit für irgendwelche bemerkenswerten Taten. Trotzdem war er einer der beliebtesten Kaiser, die Rom je besass. Der Glanz der öffentlichen Unterhaltungen, die er veranstaltete, und seine persönliche Grosszügigkeit entwaffneten die potentielle Feindschaft des Senats, der befürchtete, er könne ein Diktator werden wie sein Vater. Während der Regierungszeit des Titus ereignete sich der furchtbare Untergang von Pompeji und Herculaneum, Städte an der Bucht von Neapel, beim Ausbruch des Vesuvs. Titus setzte einen Ausschuss ein und tat sein Möglichstes, um so viele Opfer wie möglich zu retten. Einige Monate später wurde Rom von einem schweren Brand heimgesucht, der das neue Kapitol, den Pantheon und die Thermen des Agrippa zerstörte. Titus verkaufte sogar einige seiner persönlichen Einrichtungsgegenstände, um zur Linderung der allgemeinen Not beizutragen. Er errichtete neue Gebäude, darunter ein grosses Amphitheater.
DOMITIAN (81 bis 96 n. Chr.)
Titus starb im Jahre 81 n. Chr.. Er hinterliess keinen Sohn, und der Senat übertrug die kaiserliche Macht auf seinen jüngeren Bruder Domitian. Domitian war ein gründlicher Autokrat. Er versuchte, das moralische Niveau der römischen Gesellschaft durch Eindämmung der Korruption auf der römischen Bühne und durch Kontrolle der öffentlichen Prostitution anzuheben. Die Tempel der älteren Götter wurden wieder aufgebaut und fremde Religionen unterdrückt, vor allem solche, die versuchten, Menschen zum Übertritt zu bewegen. Eine Christenverfolgung wurde ihm zugeschrieben, doch fehlen Beweise für irgendeine umfangreiche Gesetzgebung oder Aktion gegen die Christen in seiner Regierungszeit. Er forderte Anbetung für sich selbst und bestand darauf, als Dominus et Deus gepriesen zu werden. Als Volkswirtschaftler war er ein guter Manager. Die geschäftlichen Angelegenheiten des Imperiums wurden von seinen Untergebenen wirkungsvoll geführt.
Domitian war von Natur aus hart und misstrauisch gegen mögliche Rivalen. Ihm fehlte die Genialität seines Bruders Titus, und so machte er sich viele Feinde. Wenn ihre Verschwörungen aufgedeckt wurden, war er unbarmherzig in seiner Rache. Die letzten Jahre seiner Regierung waren für die Angehörigen des Senats ein Alptraum, die durch Spione und Spitzel in ständiger Angst gehalten wurden. Selbst seine eigene Familie fühlte sich nicht sicher, und schliesslich veranlassten sie in Selbstverteidigung seine Ermordung.
NERVA (96 bis 98 n. Chr.)
Nerva Domitians Nachfolger, wurde vom Senat ausgewählt. Er war ein Mann von fortgeschrittenem Alter und mildem Verhalten, der vom Senat wahrscheinlich als „sicherer“ Kandidat angesehen wurde. Seine allgemeine Verwaltung war freundlich und relativ frei von inneren Spannungen. Die Armee hatte Domitians Ermordung abgelehnt, denn die Flavier waren in Kreisen des Militärs beliebt gewesen. Nerva war jedoch geschickt genug, Trajan zu seinem Nachfolger zu machen, der in der Lage war, die Truppen in Disziplin zu halten und die Regierung mit starker Hand zu führen.
TRAJAN (98 bis 117 n. Chr.)
Nerva starb im Jahre 98 n. Chr. und Trajan folgte ihm auf den Kaiserthron. Er war von Geburt Spanier, von Beruf Soldat, energisch und aggressiv in seinem Temperament. Er annektierte Dakien nördlich der Donau und begann mit der Ausdehnung der östlichen Grenzen durch die Eroberung von Armenien, Assyrien und Mesopotamien. Ein Aufstand der Juden im Nahen Osten wurde im Jahre 115 n. Chr. unterdrückt, doch Unruhen in Afrika, Britannien und an der Donaugrenze forderten seinen Rückruf nach Rom. Er starb unterwegs auf der Reise nach der Hauptstadt von Kilikien im Jahre 117 nach Christus.
In dieser Umwelt des sich ausdehnenden Reiches wuchs das Christentum von einer obskuren jüdischen Sekte zu einer Weltreligion. Jesus wurde während der Regierungszeit von Augustus geboren (Lk 2,1); sein öffentliches Wirken und sein Tod geschahen unter Tiberius (3,1); die grosse Zeit der sich ausbreitenden Missionierung erfolgte während der Herrschaft von Claudius (Apg 18,2) und Nero (25,11.12). Nach der Tradition wurde die Offenbarung in der Regierungszeit Domitians geschrieben, und ihre Anspielungen auf kaiserliche Macht und Tyrannei der Herrschenden mögen die zu jener Zeit herrschenden Zustände widerspiegeln.
Es überrascht nicht, dass sich im Neuen Testament nur selten Anspielungen auf zeitgenössische Ereignisse in der römischen Welt finden. Das nationale Interesse in den Evangelien und einem grossen Teil der Apostelgeschichte, den wichtigsten historischen Werken, liegt mehr im Judentum als in Rom. Darüber hinaus richtete sich die Botschaft des Neuen Testamentes eher an das innere Leben der Leser als an deren äussere Lebensumstände. Die Betonung lag mehr auf der geistlichen als der politischen Welt, mehr auf dem Ewigen als dem Zeitlichen. An zahlreichen Stellen ist das Neue Testament jedoch durchaus mit den politischen Gegebenheiten des ersten Jahrhunderts verknüpft, und seine historische Bedeutung muss in diesem Zusammenhang interpretiert werden.
Die Provinzregierung
Roms Erwerb von Provinzen begann mit Sizilien, das im ersten Punischen Krieg (264 bis 241 v. Chr.) den Karthagern abgenommen wurde. Danach verleibte sich Rom Sardinien (237 v. Chr.), zwei Provinzen in Spanien (197 v. Chr.), Mazedonien (146 v. Chr.) und Afrika (146 v. Chr.) ein. Asien wurde nicht mit Waffengewalt eingenommen, sondern im Jahre 133 v. Chr. dem römischen Volk von dessen König vermacht und im Jahre 129 v. Chr. als Provinz organisiert. Gallia Transalpina und Gallia Cisalpina wurden 118 v. Chr. hinzugefügt. Kyrene wurde 96 v. Chr. an Rom übereignet, und auch Bithynien wurde Rom im Jahr 75 v. Chr. geschenkt. Im Jahre 67 v. Chr. annektierte Pompeius Kilikien und Kreta, und 63 v. Chr. eroberte er Palästina und machte es zur Provinz Syrien. Mit Ausnahme von Italien selbst war der grösste Teil der römischen Welt in Territorien unter Provinzregierung organisiert.
Für diese Regierung gab es zwei Formen. Provinzen, die relativ friedlich und loyal gegenüber Rom waren, wurden von Prokonsuln regiert (Apg 13,7), die dem römischen Senat verantwortlich waren. Unruhigere Provinzen unterstanden der Autorität des Kaisers, der dort oftmals Armeen stationierte. Sie wurden von Statthaltern, Prokuratoren und Proprätoren regiert, die vom Kaiser ernannt und ihm direkt verantwortlich waren. Zur ersten Gruppe gehörte Achaia, wo Gallio zur Zeit des Besuches von Paulus (Apg 18,12) Statthalter war. Palästina unterstand zur Zeit Christi dem Kaiser, dessen Bevollmächtigter der Prokurator Pontius Pilatus war (Mt 27,11, übersetzt „Statthalter“). Prokonsuln erhielten ihr Amt durch jährliche Ernennung; sie wurden im allgemeinen jedes Jahr ausgewechselt. Prokuratoren und Proprätoren blieben im Amt, solange der Kaiser sie auf einem bestimmten Posten wünschte.
Um die Provinzen enger mit der Mutterstadt Rom zu vereinigen, wurden an strategischen Punkten in den Provinzen kleine römische Siedlungen angelegt. Allmählich breitete sich die römische Zivilisation aus, so dass die Provinzen mit der Zeit römischer wurden als Rom selbst. Im 2. Jahrhundert, als Rom noch Griechisch als Hauptsprache benutzte, waren Gallien, Spanien und Afrika überwiegend lateinisch.
Der Kaiserkult hatte seine grösste Anhängerschaft in den Provinzen. Die Anbetung des römischen Staates und des regierenden Kaisers begann mit Augustus. Er befahl den Bau von Tempeln zu Ehren von Julius Cäsar in Ephesus und Nikäa durch dort lebende römische Bürger, und er gestattete den Bewohnern des Landes, Schreine zu seinen eigenen Ehren aufzustellen. Der Staatskult wurde von den lokalen Räten gefördert, welche die Verantwortung für die Lenkung des Provinzkultes übernahmen.
Apostelgeschichte 19,31 bietet uns eine anschauliche Illustration eines Provinzrates, wo „angesehene Männer der Provinz Asien“ erwähnt werden. Es handelte sich um Richter, die als verantwortliche Führer der Provinz angesehen wurden und die möglicherweise als Hohepriester des Staatskultes dienten. In der Apostelgeschichte erscheinen sie als dem Paulus freundlich gesinnt, denn sie warnten ihn davor, sich der Gewalttätigkeit der Menge im Theater auszusetzen.
Im Neuen Testament erscheinen folgende römischen Provinzen: Spanien (Röm 15,24), Gallien (2Tim 4,10; In der Luther-Übersetzung ist an dieser Stelle von Galatien die Rede.), Illyrien (Röm. 15,19), Mazedonien (Apg. 16,9), Achaja (Röm. 15,26), Asien (Apg. 20,4), Pontus (1Petr 1,1), Bithynien (Apg 16,7). Galatien (Gal 1,2), Kappadozien (1Petr 1,1), Zilizien (Gal 1,21; Apg 6,9), Syrien (Gal 1,21), Judäa (Gal 1,22), Zypern (Apg 13,4), Pamphylien (Apg 13,13) und Lyzien (Apg 27,5). Einige dieser Provinzen werden mehr als einmal erwähnt; im Falle von Illyrien erscheint dessen späterer Name Dalmatien in den Pastoralbriefen (2Tim 4,10). Paulus benutzte im allgemeinen Provinznamen, wenn er auf Teile des Reiches anspielte, während Lukas sich auch nationaler Einteilungen bediente. Provinzen umfassten oft mehr als eine ethnische Gruppe, wie etwa die Lykaonier von Lystra und Derbe (Apg 14,6.11), die der Provinz Galatien unterstanden.
Um den Posten von Provinzgouverneuren bemühten sich öffentliche Beamte, da sie ihn für eine fruchtbare Einkommensquelle hielten. Manche dieser Herrscher waren so raffgierig, dass die Provinzen infolge hoher Besteuerung rasch verarmten. Andere, denen das öffentliche Wohl mehr am Herzen lag, nutzten die Steuern sinnvoll für den Bau von Strassen und Hafenanlagen, so dass der Handel gedieh und das allgemeine wirtschaftliche Lebensniveau sich verbesserte. Rom betrachtete die Provinzen als rechtmässiges Feld der Ausbeutung. Bis zur Zeit Konstantins waren die Provinzen der Zentralregierung tributpflichtig und nie wurden sie als gleichberechtigte Staaten innerhalb einer gemeinsamen Föderation behandelt.
Auszüge aus: "Die Welt des Neuen Testaments" von Merrill C. Tenney (Verlag der Francke-Buchhandlung GMBH Marburg an der Lahn, 1979), 21-34. Ganzer Artikel über E-Mail bestellbar.