Jesus-12: Jesus und Zachäus

Jesus, der Christus

 

 

 Einleitung

Es gibt Texte wie der Heutige, über den ich bis heute nie gepredigt hatte, weil ich sie noch zu sehr als Kindergeschichten in Erinnerung behielt. Der Zöllner Zachäus zum Beispiel der ist doch jedem Kind wohlbekannt. Dazu sangen wir das Lied: „Zachäus isch en chlinä Ma, en chlinä Ma isch er. Er chlättered uf en Muulbeerbaum und der Hailand chunnt der her, und sait: Chum schnäll abe Zachäus! Denn i gange Hai mit dir. Denn i gange Hai mit dir.“ Ich möchte euch heute nicht weiter mit Kinderliedern „beelenden“, sondern vielmehr über den erstaunlichen Bekehrungswandel des Zachäus vorlesen: Lukas 19,1-10.

 

 I.   Die Stadt Jericho

Die Stadt Jericho lag gut 25 Kilometer nordöstlich von Jerusalem entfernt, im Jordantal. Die Stadt lag nicht direkt am Jordan sondern etwa 8 Kilometer westlich davon. Der Jordan mündete 10 Kilometer südlich im Toten Meer.

Jesus war mit seinen Jüngern auf der letzten Reise nach Jerusalem. Sie wanderten vermutlich westlich des Jordans in den Süden. Je mehr sie sich Jerusalem näherten, desto grösser wurde die Volksmenge. Da kamen sie in die Stadt Jericho, wo Jesus den blinden Bartimäus heilte (Lk 18,35-43).

Die Stadt zählte damals etwa 100 000 Einwohner. Es war eine wunderschöne Stadt mit vielen Palmen und grossen Rosengärten. Herodes der Grosse und sein Sohn Archelaus machten Jericho noch schöner. Sie bauten einen grossen weissen Palast, ein Theater und eine Reitbahn, die für Rennen genutzt wurde. Maulbeerfeigenbäume befanden sich entlang der Hauptstrasse. Ausgewachsen waren sie riesig und gaben den Leuten auf den Strassen einen willkommenen Schatten. Die unteren Äste waren dick und massiv, so dass Menschen ohne weiteres darauf sitzen konnten, wenn es ihnen gelang den Baum hinauf zu klettern.

Jericho hatte viele Reichtümer. Z. B. einen ausgedehnten Palmenwald und Balsamhaine. Die süssen Datteln der Palmen wurden in die ganze Welt verkauft. Der Duft des Balsamwaldes erfüllte die Gegend und war weltberühmt für seine heilende Wirkung. Jericho war auch das Zentrum einiger wichtiger Handelsstrassen. Z. B. die Strasse nach Jerusalem, Richtung Westen. Den Flussübergang am Jordan an der Grenze Richtung Osten. Die Stadt hatte Handelsbeziehungen – nach Norden zu Damaskus, Tyrus und Sidon, nach Westen zu Cäsaräa und Joppe, nach Süden zu Ägypten. Alle Waren, die durch Jericho gingen, mussten verzollt werden.

Jericho zählte deshalb zu den wichtigsten Städten Palästinas, die unter römischer Herrschaft stand.

 

 II.   Der Oberzöllner Zachäus

Viele Juden arbeiteten für die römischen Behörden, auch die Zöllner. Einer, der als Zöllner die höchste Karrieren Stufe erreicht hatte, war Zachäus. Sein Name ist die griechische Form des hebräischen Sakkai, was „unschuldig“ bedeutet, kann aber auch „rein“ oder „gerecht“ sein. Als Oberzöllner war er alles andere als das, was sein Name bedeutete. Die Hoffnung, die seine Mutter bei der Namensgebung hatte, erfüllte sich nicht mit ihrem Sohn.

Die Zöllner waren sehr unbeliebt bei der Bevölkerung, weil sie unehrlich waren. Jedes Jahr musste der Zollbeamte eine bestimmte Summe an die römische Behörde abgeben und der Rest ging in die eigene Tasche. Deshalb rief Johannes der Täufer die Zöllner auf, die sich von ihm taufen lassen wollten (Lk 3,13): „Treibt nicht mehr ein, als euch vorgeschrieben ist!“

Die Zöllner hatten einen sehr schweren Stand bei der Bevölkerung. Sie zählten zu den Verrätern im Land, weil sie Steuern von ihren eigenen Landsleuten und Glaubensgeschwistern eintrieben. Als Folge wurden sie von der jüdischen Gesellschaft nicht mehr als wahre Söhne Abrahams betrachtet. Jesus lehrt im Umgang mit Widerspenstigen (Mt 18,17): „Hört er nicht auf sie, so sag es der Gemeinde. Hört er auch nicht auf die Gemeinde, so sei er für dich wie ein Heide und ein Zöllner.“ Heiden und ein Zöllner wurden auf dieselbe Stufe gestellt. Sie waren Fremde und Gottlose.

Wir kennen das Gleichnis vom Pharisäer und vom Zöllner (Lk 18,11), wo der Pharisäer so betete: „Gott, ich danke dir, dass ich nicht wie die anderen Menschen bin, wie Räuber, Betrüger, Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner.“ Es ist schon krass, wenn man seines Berufs wegen mit Ehebrecher, Betrüger und Räuber gleichgesetzt wird. Im Talmud steht, dass es drei Sorten von Leuten gibt, die man belügen darf: Diebe, Räuber und Zollbeamte. Ein Zollbeamter konnte weder wählen gehen, noch vor Gericht sein Zeugnis ablegen. Er war auch nicht zugelassen in der Synagoge. Wegen der Uneinsichtigkeit seiner Zuhörer sagte Jesus: Matthäus 21,32-33 (die Zöllner und Dirnen kommen vor euch ins Reich Gottes …).

Zachäus war kein gewöhnlicher Zöllner, sondern er war Oberzöllner! Er war der Kopf der lokalen Mafia. In Lukas 19, Vers 2 von unserem Text heisst es: „… und er war sehr reich.“ Zachäus hatte offenbar den Vorteil seines lukrativen Geschäfts als Zollbeamter voll ausgenützt. Heute würde man sagen: Er hat es geschafft. Er gehört zu den Topverdienern des Landes. Er ist eine V.I.P. (= Very Important Person).

Aber, war Zachäus ein glücklicher Mensch? Machte ihn sein Reichtum glücklich? Nein! Er fand keine Zufriedenheit. Er war vermutlich einer der meist gehassten und verachteten Menschen in Jericho. Und diese Tatsache machte ihn traurig und miserabel, trotz seines Reichtums. Wir können daher sicher verstehen, warum alle murrten, die gesehen haben, dass Jesus ausgerechnet zum Zöllner nach Hause ging und dabei sich noch selbst einlud (V. 7). Weshalb tat Jesus das?

Es geht ganz offensichtlich aus unserem Text hervor, dass Zachäus den Herrn suchte. Vielleicht war er bloss neugierig; ich glaube aber, dass es mehr war als Neugier. Zachäus suchte Jesus, weil er verzweifelt war und Hilfe suchte. Er wollte sein Leben ändern. Vielleicht hatte er die Anklagen über Jesus gehört (Mt 11,19): „Der Menschensohn kam, ass und trank, und sie sagen: Seht, ein Fresser und Säufer, ein Freund von Zöllnern und Sündern!“ Vielleicht hatte er aber davon gehört, dass Jesus einen Zöllner zu einer seiner engsten Mitarbeiter einsetzte (der Apostel Matthäus, auch Levi genannt: Lk 5,27). Vielleicht kannten sich Matthäus und Zachäus sogar von früher?!

Wie auch immer, wir können einmal mehr sehen, dass Geld allein nicht glücklich macht! Es kann auch nicht beruhigen. Im Gegenteil! Es bereitet Unruhe und Angst. Um glücklich zu sein, brauchen wir Menschen Beziehungen zu andern Menschen. Am meisten aber braucht der Mensch eine Beziehung mit Gott! Deshalb wollte Zachäus „unbedingt sehen, wer dieser Jesus sei“, heisst es im Vers 3 von unserem Abschnitt.

Zachäus suchte Jesus, doch da gab es ein Problem: Er war zu klein. Jesus war umgeben von vielen Menschen und es war unmöglich für den Zöllner durch die Menge zu Jesus zu gelangen. Vermutlich hätten die Menschen es verhindert. Sie hätten ihn mit ihren Ellbogen in die Seiten gestossen.Sie wären ihm auf die Füsse gestanden. Grössere hätten ihn von oben auf dem Kopf gedrückt. Doch Zachäus war zwar klein, aber nicht dumm. Er gab nicht so schnell auf, denn er wollte unbedingt Jesus sehen. Er rannte voraus und kletterte auf einen dieser Maulbeerfeigenbäume (V. 4).

Mose versprach (Dtn 4,29): „Und von dort aus werdet ihr den HERRN, deinen Gott, suchen, und du wirst ihn finden, wenn du von ganzem Herzen und von ganzer Seele nach ihm fragst.“ Auch Jesus ruft alle auf (Mt 7,7): „Bittet, so wird euch gegeben; sucht, so werdet ihr finden; klopft an, so wird euch aufgetan. Denn wer bittet, empfängt; wer sucht, der findet; wer anklopft, dem wird aufgetan.“ Das ist eine Verheissung Gottes, die durch die ganze Bibel hindurch geht! Wer den Herrn sucht von ganzem Herzen, der wird ihn finden. Es können sich viele Hindernisse in den Weg stellen. Bsp. Wenn wir aber nach Gott suchen, wie wenn wir nach längerem Tauchen nach Luft schnappen, dann wird sich der Herr von uns finden lassen. Das Erlebnis von Zachäus beweist uns das einmal mehr!

 

 III. Die Reaktion Jesu

Als Jesus in die Nähe des Baumes kam, sah er Zachäus (V. 5). Es ist interessant zu sehen, wie Jesus Herr der Lage war, mitten im Getümmel. Wir neigen dazu, uns von den Situationen des Lebens beherrschen zu lassen und das am meisten zu beachten was uns am meisten auffällt. Wir vernachlässigen z. Bsp. die Ruhigeren und Unauffälligeren um uns herum, weil wir zu beschäftigt sind mit dem, was sich gerade vor unserer Nase abspielt. Doch Jesus schaute nach oben. Warum? Weil auch Jesus auf der Suche war! Jesus war auf der Suche nach dem Verlorenen.

Jesus kennt die Menschen und ihre Gedanken (Joh 1,48; 2,24-25; 4,18; Lk 6,8; 11,17). Er kannte auch Zachäus und rief ihn beim Namen. Er wusste, dass Zachäus auf der Suche nach ihm war. Er wusste, dass er Hilfe brauchte und bereit war, von seinem falschen Lebenswandel loszukommen. Deshalb sagte Jesus entschlossen zu ihm (V. 5b): „Zachäus, los, komm herunter, denn heute muss ich in deinem Haus einkehren.“ Jesus musste bei Zachäus einkehren. Trotzdem konnte Zachäus auch dankend ablehnen, wenn er wollte. Denn Jesus drängt sich bei niemandem auf! Er steht bei jedem Menschen mindestens einmal an der Herzenstür und klopft freundlich an, doch öffnen müssen wir ihm alle selbst (Offb 3,20).

Wie reagierte Zachäus auf Jesu Vorschlag? Es heisst (V. 6): „Und der kam eilends herunter und nahm ihn voller Freude auf.“ Endlich kam wieder Freude in sein Leben. Das Erbarmen Jesu erfüllte ihn mit Freude. Die übrigen Menschen um Jesus herum waren gar nicht begeistert (V. 7). Die, welche mit ihm unterwegs waren nicht. Und die Bewohner Jerichos nicht, denn sie fingen an zu murren. Alle, die das miterlebten waren unzufrieden, weil Jesus ausgerechnet diesen unbeliebten und ungerechten Zöllner auswählte, um mit ihm zusammen zu sein. Wir müssen verstehen, dass es damals etwas ganz anderes war als heute, wenn man mit jemandem zu Tische sass. Es bedeutete Identifikation, Einheit und Solidarisierung.

Jesus betonte immer wieder, dass sein Auftrag war, das Verlorene zu suchen und zu retten (Lk 15). Bei einer andern Gelegenheit, als er kritisiert wurde, mit Sündern Gemeinschaft zu pflegen, sagte er (Mt 9,12): „Nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern die Kranken.“ Jesus liebt alle Menschen, egal was ihr Hintergrund ist, was sie schon alles angestellt haben im Leben, wie gut oder schlecht ihr Ruf ist bei ihren Mitmenschen. Auch wir sind aufgerufen die Gesinnung Jesu zu pflegen! Auch wir wollen uns bemühen ein Auge für die Menschen zu entwickeln, die von Jesus gerettet werden wollen!

Es wäre interessant zu wissen, wie lange Jesus im Haus des Zachäus blieb. Über was sie alles miteinander geredet haben.Was es zu Essen und zu Trinken gab. Wie sich Jesus fühlte auf den weichen Polstern eines Reichen. Ob die Jünger Jesu auch dabei waren usw. Leider gibt uns Lukas keine weiteren Informationen darüber, dafür aber über …

 

 IV. Die Bekehrung des Zachäus

Wir werden über die Schlussfolgerung des Zachäus informiert, der plötzlich vor Jesus stand und sagte (V. 8): „Hier, die Hälfte meines Vermögens gebe ich den Armen, Herr, und wenn ich von jemandem etwas erpresst habe, will ich es vierfach zurückgeben.“ Diese erstaunliche Reaktion lässt uns folgern, dass Jesus mit Zachäus ein Gespräch führte über den wahren Reichtum eines Menschen. Zachäus beschloss, die Hälfte seiner Güter den Armen zu geben.  Aber auch die andere Hälfte wollte er nicht für sich behalten, sondern damit seine Betrügereien wieder gut machen. Er war sich bewusst, dass er sich schuldig gemacht hatte vor Gott und den Menschen. Was für eine mutige Entscheidung! Zachäus war ein Mann der Tat und nicht bloss der Worte. Darin ist er uns allen ein Vorbild.

Genau das ist es, was Johannes der Täufer am Jordan so leidenschaftlich predigte (Lk 3,8): „Bringt also Früchte, die der Umkehr entsprechen!“ Der schwierigste Teil der Bekehrung ist nicht die Taufe, sondern die Einsicht und Umkehr vom alten zum neuen Lebenswandel. Erst, wenn wir am Boden sind kann uns Gott helfen. Denn (Ps 51,19): „Das Opfer, das Gott gefällt, ist ein zerbrochener Geist, ein zerbrochenes und zerschlagenes Herz wirst du, Gott, nicht verachten.“ Einsicht bedeutet, dass ich in meinem Herz fest überzeugt bin vom Guten, dass ich zur Tat greife und mein altes Leben verändere. Diese Veränderung fällt dann auch gar nicht schwer, weil sie von der tiefen Einsicht getrieben wird, dass es so nicht mehr weiter geht. Zachäus war von seiner Schuld fest überzeugt und er hielt es nicht mehr aus. Er war bereit seinen Besitz gegen Gemeinschaft mit Gott und den Menschen einzutauschen.

Seine Bekehrung veränderte alles in seinem Leben! Deshalb antwortete Jesus (V. 9-10): „Da sagte Jesus zu ihm: Heute ist diesem Haus Heil widerfahren, denn auch er ist ein Sohn Abrahams. Denn der Menschensohn ist gekommen zu suchen und zu retten, was verloren ist.“ Zachäus hatte es geschafft, denn er hatte kapiert, was wahre Bekehrung ist!

 

 Schlussfolgerungen

Der allmächtige Gott schenkt uns im Leben immer wieder Phasen, in der er uns zur Einsicht und Umkehr ruft. Die Frage ist, wie weit sind wir bereit zur Umkehr? Sind wir unserer Schuld so sehr bewusst, dass wir sogar etwas gut machen wollen?

Unser ganzes Leben ist geprägt von Neuorientierungen und Veränderungen. Der Herr führt uns wie auf einem Orientierungslauf an verschiedene Posten, wo es Aufgaben zu lösen gibt. Sind wir bereit die Herausforderungen des Lebens, die Gott uns gibt, anzunehmen? 1. Korinther 10,13: „Noch ist keine Versuchung über euch gekommen, die nicht menschlich wäre. Gott aber ist treu: Er wird nicht zulassen, dass ihr über eure Kräfte versucht werdet, sondern mit der Versuchung auch den Ausweg schaffen, dass ihr die Kraft habt, sie zu bestehen.“ Darum, lasst uns immer wieder bereit sein zur Einsicht und Umkehr wie Zachäus!