Jesus-16: Jesus und Judas Iskariot

Jesus, der Christus

 

 

 Einleitung

Ich möchte heute das Foto Album eines Mannes hervornehmen und euch zeigen. Es ist von einem Mann die Rede, der ganz oben war und ganz tief gefallen ist. Sein Name ist Judas Ischarioth (oder neu: Iskariot; Joh 6,71).

Unter den 12 Aposteln Jesu, ist Judas den meisten Menschen am besten bekannt. Seine „Memoiren“ wurden von den vier Evangelisten erst nach seinem Tod geschrieben. Deshalb wird er in den Evangelien schon bei der Berufung als Verräter entlarvt (Lk 6,16). Die Folge ist, dass wir nur schlechtes über Judas denken. Doch der Name Judas war damals ein gern gehörter Name und bedeutete „Lob und Preis“. Einer der zwölf Stammesführer hiess Juda (das ist die hebräische Form). Ein Halbbruder Jesu, der Bruder des Jakobus, hiess Judas, der den Judasbrief schrieb (Jud 1). Um zu verstehen, was Gott uns durch die Tragödie dieses Mannes lernen will, müssen wir diese Person näher kennen lernen. Denn es gibt viel mehr über ihn zu berichten, als nur dieser eine verräterische Akt.

 

 I.   Von Anfang an ein Teufel?

Es wäre unbiblisch zu behaupten, dass Judas Iskariot von Anfang an vom Teufel durchtrieben war. Damit würden wir nur der Irrlehre Aufwind geben, in der behauptet wird, dass es Menschen gibt, die zur Verdammnis vorherbestimmt sind. Es ist wahr, dass es heisst (Joh 6,64): „Jesus wusste nämlich von Anfang an, welche es waren, die nicht glaubten, und wer es war, der ihn ausliefern sollte.“ Doch diese Voraussage betraf alle seine Nachfolger, die ihn verlassen würden. Später verliessen ihn auch andere (Joh 6,66). Als Sohn Gottes wusste Jesus genau, wer ihn verraten würde, aber er sprach den Namen nicht aus. Es ist auch wahr, dass Jesus sagte (Joh 6,70): „Und einer von euch ist ein Teufel.“ Doch Jesus sagte auch einmal zu Petrus (Mt 16,23): „Fort mit dir, Satan, hinter mich!“ In beiden Fällen betonte er, dass wenn sie sich so weiter entwickeln, es zuliessen, von Satan missbraucht zu werden.

In der Bibel wird zweimal gesagt, dass Satan in Judas fuhr (Lk 22,3; Joh 13,27). Dies geschah aber später, kurz vor Jesu Tod. Judas war also kein Teufel von Anfang an. In Markus 6 wird berichtet, dass Jesus seine ausgewählten 12 Apostel ausstattete und aussandte, um Dämonen auszutreiben. Auch Judas zog mit den übrigen Aposteln umher, verkündigte das Evangelium, trieb Dämonen aus und heilte Kranke (Mk 6,7.12-13). Jesus erklärte einmal, dass Dämonen nicht durch den Teufel ausgetrieben werden könnten, sondern nur mit der Macht des Heiligen Geistes (Mt 12,22-29).

Niemand war von Anfang an ein Teufel, nicht einmal der Teufel selbst!

 

 II.   Ein Strohmann Gottes?

Ein Strohmann ist eine Person, die von einer andern Person für ihren eigenen Zweck missbraucht wird. Judas war kein Strohmann, der für Gottes eigene Zwecke missbraucht wurde. Judas hatte die völlige Entscheidungsfreiheit, ob er zu Jesus halten wollte oder nicht. Die Tatsache, dass Jesus in seiner göttlichen Vorhersehung den Verräter kannte, bedeutet nicht, dass Judas keinen freien Willen und keine persönliche Verantwortung hatte. Der allmächtige Gott sieht in seiner Allwissenheit unser Anfang und unser Ende. Ohne manipulativ einzugreifen, überlässt der Herr uns allen unsere Entscheidungen. Auch Jesus wusste, dass Petrus ihn dreimal verleugnen würde, bevor der Hahn krähte (Lk 22,34). Wenn Judas von Anfang an kein Teufel war und auch kein Strohmann Gottes – wer war er dann?

 

  III. Ein Jünger mit Potential?

Judas war ein Apostel Jesu Christi (Joh 6,70), der vom Herrn selbst unter Fasten und Beten ausgewählt wurde (Lk 6,12). Jesus wählte seine zwölf Apostel nicht auf der Basis ihrer Intelligenz aus, ihres Wissens, ihrer Errungenschaften oder ihrer geistigen Reife. Der Herr sah im unstabilen Petrus das Potential eines sicheren Felsen. Er gab Jakobus und Johannes den Beinamen „Donnersöhne“ (Mk 3,17), weil er in ihnen ein starkes Potential sah. Er sah in Johannes auch das potential eines Apostels der Liebe, sonst hätte er ihn nicht erwählt. So sah Jesus auch im habsüchtigen Judas ein spezielles Potential, das sich zum Guten oder Schlechten weiterentwickeln konnte.

Man könnte vielleicht einwenden:

„Judas war zu ehrgeizig.“
Gut, aber auch die übrigen Apostel stritten sich darum, wer der Grösste unter ihnen sei (Lk 22,24).

„Judas verstand das Reich Gottes überhaupt nicht.“
Gut, aber auch die übrigen Apostel verstanden das Reich Gottes nicht und welche Auswirkungen es auf ihr Leben hatte (Mk 10,37).

„Judas hatte grosse Schwächen.“
Gut, aber auch die übrigen Apostel hatten ihre Schwächen (denken wir an Petrus).

Jesus wählte diese zwölf Jünger zu Aposteln aus, weil er in jedem einzelnen von ihnen nicht nur die Schwächen, sondern auch ein ganz grosses Potential sah, mit dem sie im Reich Gottes viel gutes bewirken könnten. Jeder von ihnen bekam dieselbe Gelegenheit, im Reich Gottes ganz oben zu sein und wie Jesus auf einem Thron zu sitzen, um zu richten (Mt 19,28). Judas war der einzige Apostel, der aus Juda stammte. Er war vermutlich der Mann aus Iskariot, im AT als Keriot-Chezron bezeichnet (Jos 15,25). Wenn das stimmt, dann war er vermutlich besser ausgebildet, als die Übrigen. Das könnte auch der Grund sein, warum ihm die Reisekasse anvertraut wurde (Joh 12,26). Die Jünger verstanden bis zuletzt nicht, dass Jesus seinen Verräter kannte (Joh 13,29). Denn Judas wurde in keiner Weise zurückgehalten oder weniger als die andern eingesetzt. Petrus bestätigte kurz vor Pfingsten über Judas (Apg 1,17), „da er ja zu uns gehörte und am gleichen Dienst teilhatte.“ Judas reiste mit Jesus und sass mit den andern Aposteln um Jesus herum und hörte ihm aufmerksam zu, was er lehrte. Jesus sandte auch ihn aus, um zu predigen und zu lehren (Mk 6,7; Mt 10,6-7). Mit seiner Ausbildung könnte Judas sogar einer der besten Verkündiger des Wortes Gottes gewesen sein (Mk 6,12). Er taufte Menschen, die dem Evangelium gehorsam wurden, denn Jesus selbst taufte nicht (Joh 4,1-2). Er heilte Kranke und trieb Dämonen aus, wie die übrigen Apostel (Mt 10,1; Mk 6,13).

Jesus teilte mit ihm seine Freundschaft und versprach ihm mit ihm auf dem himmlischen Thron sitzen zu dürfen, wenn er ihm bis an sein Lebensende folgte (Mt 19,28). Judas war auf dem besten Weg nach ganz oben! Er zählte zu den 12 auserkorenen, hochrangigen Wesen im Reich! Er hatte alles in der Hand.

 

  IV. Ein tief gefallener Jünger!

Doch leider verspielte Judas alles, wegen ein paar lumpigen Silberstücken, die ihm weder im weltlichen Leben, noch im zukünftigen etwas nützen würden. Wir kennen leider nicht alle Faktoren, die zu seinem fatalen Sturz beigetragen haben. Jesus beobachtete ganz genau das Verhalten des Judas und er erkannte, dass es nur noch eine Sache der Zeit war, bis Judas ihn auslieferte (Mk 14,18; Joh 13,21). Obschon Jesus es allen voraussagte, glaubten sie ihm nicht: Matthäus 26,20-25. Keiner der andern Jünger konnte diese Situation verstehen. Judas hatte sich offenbar gut getarnt vor ihnen.

Im Johannesevangelium wird die Situation folgendermassen beschrieben: Johannes 13,21-30. Selbst, als Jesus den Verräter entlarvte und Judas aufstand und die Gemeinschaft verliess, verstanden die Jünger es immer noch nicht. Sie dachten niemals an Judas. Vieles verstanden sie erst viel später, als der Heilige Geist über sie ausgegossen wurde, zu Pfingsten (Apg 2).

Was brachte Judas dazu, dass er von einem guten und treuen Jünger zum Verräter wurde? Aus den schriftlichen Berichten können wir entnehmen, dass die Liebe zum Geld ein Hauptgrund war. Als Maria am Freitag zuvor eine kostbare Nardensalbe öffnete und Jesu Füsse salbte, reklamierte er heftig und sagte (Joh 12,6): „Warum hat man dieses Öl nicht für dreihundert Denar verkauft und den Ertrag Armen zugute kommen lassen? Das sagte er aber nicht, weil ihm die Armen am Herzen lagen, sondern weil er ein Dieb war und als Kassenverwalter Einnahmen auf die Seite schaffte.“ Judas hatte offensichtlich das Talent, mit Geld umzugehen. Aber ein Talent kann immer zum Guten eingesetzt oder zum Schlechten missbraucht werden. Unser ganzes Leben ist eine einzige Entwicklung! In welche Richtung entwickeln wir uns?

In Hebräer 13,5 lesen wir: „Führt ein Leben frei von Geldgier, begnügt euch mit dem, was da ist.“

Paulus lehrt: 1. Timotheus 6,6-10. Judas verlor offensichtlich seinen Glauben, wegen des Geldes. Es ist wichtig, dass wir durch den Heiligen Geist die richtige Einstellung zum Geld pflegen. Wir sollen weder verschwenderisch sein, noch sollen wir Rappen spalten. Wir werden aufgerufen, unser Herz nicht an die paar „Kröten“ zu hängen, die uns im vergänglichen Leben anvertraut werden. Wir können ja eh nichts mitnehmen. Ich kenne Gläubige, die sassen buchstäblich auf ihrem Geld und am Ende wurden gerade sie arbeitslos oder verschuldeten sich wegen schwerer Krankheit.

Auch Judas entwickelte sich immer weiter in seiner Geldgier, bis er schliesslich zu den Hohen Priestern ging und fragte (Mt 26,14): „Was wollt ihr mir geben, wenn ich ihn an euch ausliefere? Und sie vereinbarten mit ihm dreissig Silberstücke.“ Dieser Betrag beinhaltete etwa vier Monatssaläre, für die Arbeit eines Sklaven. Damit erfüllte sich die Prophezeiung des Sacharjas (11,12).

Ein weiterer Grund seines Verrats könnte Eifersucht gewesen sein. Eifersucht auf Petrus, Jakobus und Johannes. Sie standen bei Jesus hoch im Kurs und zählten zum engeren Kreis: Als Jesus auf den Berg der Verklärung stieg, nahm er diese drei Jünger mit sich (Mt 17,1). Auch bei der Auferweckung der Tochter des Jairus heisst es (Mk.5,37): „Und er liess niemanden mit sich gehen ausser Petrus, Jakobus und Johannes …“ Diese Drei waren auch in Getsemani dabei, als Jesus zu Tode betrübt war (Mk 14,33). Vielleicht nahm er dies Jesus übel, dass er als Judäer nicht immer dabei sein durfte. Nachdem er mit den Hohen Priestern um die Geldsumme verhandelte, suchte er nach einer günstigen Gelegenheit, um Jesus auszuliefern (Mt 26,16), ohne Aufruhr unter dem Volk entstehen zu lassen (Lk 22,6).

Es könnte aber auch Enttäuschung mit im Spiel gewesen sein. Die Apostel dachten nämlich lange an ein weltliches Reich, das Jesus im Begriff war, wiederherzustellen. Sie sahen sich als reiche und einflussreiche Leute, die durch Jesus im Land zu Macht und Ansehen kamen. Doch Jesus offenbarte ihnen, dass er viel Leiden und getötet werde. Er erklärte auch den Jüngern, dass sein Reich nicht von dieser Welt sei (Joh 18,35). Da Judas vielleicht nicht an ein zukünftiges Leben im Himmel glauben konnte (Joh. 6,64a), wurde er zunehmend von seinen falschen Vorstellungen und Träumen desillusioniert. Er war dabei, als die Menschen Jesus gewaltsam zum König machen wollten, doch er floh vor ihnen (Joh 6,15). Auch beim Einzug nach Jerusalem empfingen ihn die Menschen wie ein König, doch Jesus liess diese einmalige Gelegenheit ungenutzt; was für eine Enttäuschung für Judas (Mk 11,11). Er erlebte es, als Jesus von vielen Jüngern verlassen wurde, weil sie sich von ihm mehr weltliche Vorteile erhofften (Joh 6,66). Alle diese Situationen trugen dazu bei, dass Judas äusserlich zwar mit Jesus und den Jüngern wandelte, aber innerlich sich immer mehr distanzierte.

Wenn es heisst, dass Satan ins Herz von Judas fuhr, dann ist damit nicht eine dämonische Besessenheit gemeint (Lk 22,3; Joh 13,27). Vielmehr war es die Glaubensschwäche des Judas, die ihn verletzbar machte gegenüber Satan, so dass er leichtes Spiel mit ihm hatte. Der Teufel muss nie gebeten werden, bei uns einzukehren. Es genügt, wenn wir die Tür unseres Herzens nur leicht öffnen. Satan nützt jede Schwäche bei uns aus und er wird alles versuchen, um unser Herz zu erobern. Darum ruft der Heilige Geist uns auf, zur Wachsamkeit: Hebräer 3,12-13.

Judas überlieferte Jesus ohne Anklagen, ohne Geschrei und ohne grosse Gewalt, sondern mit einem verräterischen Kuss (Mt 26,48). So war es abgemacht: „Den ich küssen werde, der ist es. Den nehmt fest!“ Am frühen Morgen kam er mit etwa 600 Soldaten in Getsemani angerückt. Wenn Jesus und seine Jünger sich gewehrt hätten, dann wären die Männer mit Schwertern und Stöcken vorbereitet gewesen (Mt 26,47). Petrus wehrte sich zwar trotzdem mutig, indem er mit seinem Schwert einem Knecht des Hohen Priesters das Ohr abschlug (Mt 26,51). Doch Jesus wies ihn in Schranken und heilte den Mann, der vermutlich laut aufschrie vor Schmerzen. Jesus fragte Judas (Lk 22,48): „Judas, mit einem Kuss lieferst du den Menschensohn aus?“ Und zu den übrigen Leuten sagte er (Mt 26,55-56): „Wie gegen einen Räuber seid ihr ausgezogen, mit Schwertern und Knüppeln, mich gefangen zu nehmen? Tag für Tag sass ich im Tempel und lehrte, und ihr habt mich nicht festgenommen. Dies alles aber ist geschehen, damit die Schriften der Propheten in Erfüllung gehen. Da verliessen ihn die Jünger alle und flohen.“ Nachdem Judas seinen Auftrag ausgeführt hatte, wurde er sich bewusst, dass er zum Spielball Satans geworden ist. Die letzte liebevolle Umarmung Jesu und seinen Abschiedskuss des tiefen Bedauerns, liess Judas erkennen, dass er das letzte Mal Jesus ganz nah war. Als Judas von seinem Hasstraum aufwachte, klagte ihn sein Gewissen an, so dass er sich bewusst war: Jesus wurde zu Unrecht von den Soldaten so hart angefasst und weggeführt. Jesus war unschuldig, er aber hatte sich schuldig gemacht gegenüber seinem Herrn und Gott! (Mt 27,4). In seiner Verzweiflung brachte er das Geld in den Tempel zurück und erhängte sich: Apg. 1,16-19.

 

 Schlussfolgerungen

Judas war dem höchsten Gott und seiner herrlichen Gemeinschaft so nah. Er war ganz oben und ist ganz tief gefallen. Diese Tatsache quält seine Seele nun in alle Ewigkeit! Es gibt nicht viele, die so weit oben waren und so tief gefallen sind. Wie Luzifer, der vermutlich einmal der mächtigste Engel im Himmel war und genauso tief gestürzt ist (Jes 14,12). Sein Ende wird im Feuersee sein (Offb 20,10). Judas erlitt in seinem Glauben Schiffbruch (1 Tim 1,19). Man kann von der Wahrheit abirren (Gal 1,6-8). Man kann vom Glauben abfallen (Hebr 6,4-10). Man kann durch unbussfertiges Verhalten aus der Gemeinde der Heiligen ausgeschlossen werden (Mt 18,15-17).

Gott gibt uns Talente, so dass jeder ein grosses Potential besitzt. Die Frage ist nur: Setzen wir es ein, um im Reich Gottes aufzusteigen? Wir alle besitzen Schwächen. Doch es ist keine Tragödie, wenn wir fallen, sondern wenn wir nicht mehr aufstehen; d. h. einsichtig werden und den Herrn um Vergebung bitten. Es gibt immer einen Weg beim Herrn, unsere Sünde einzusehen und umzukehren: David kehrte reuig um, von seinem sündhaften Lebenswandel und durfte Gottes Gnade erfahren (2 Sam 12,13). Paulus wurde einsichtig und von Gott begnadigt (1 Tim 1,15). Petrus erlangte Vergebung und konnte im Reich Gottes viel Gutes bewirken, als er seinen Verrat bitterlich bereute und umkehrte (Joh 21,15).

Darum, lasst uns immer wieder einsichtig sein und umkehren, damit wir niemals von Gottes Gemeinschaft getrennt werden, wie Judas. Denn, wir sind wiedergeboren worden, in das Reich Gottes! Wir sind für die ewige Seligkeit bestimmt! Darum, lasst uns mit Ausdauer am himmlischen Erbteil festhalten!