Gleichnis-12: Vom Feigenbaum

Gleichnisse Jesu

 

 

 Einleitung

Auseinandersetzungen mit dem Feigenbaum kommen mehrmals in den Evangelien vor:

- Das Gleichnis vom Feigenbaum, in Lukas 13,6-9.

- Nach dem Einzug in Jerusalem, in Markus 11,12-14.20-25.

- Nach dem Einzug in Jerusalem, in der Paralellstelle von Matthäus 21,18-19.20-22.

Bevor wir uns mit dem Gleichnis vom Feigenbaum (in Lukas 13) beschäftigen, sehen wir uns das Ereignis der „Verfluchung des Feigenbaums” näher an. In vielen Bibeln trägt das Ereignis Jesu mit dem unfruchtbaren Feigenbaum den Titel: „Die Verfluchung des Feigenbaums.” Doch Jesus hat den Feigenbaum nicht wortwörtlich und im Jähzorn verflucht. Jesus vollbrachte vielmehr ein Wunder, indem er den unfruchtbaren Feigenbaum verdorren liess. Wir haben es also mit zwei Ereignissen zu tun, die beide Male darauf hinweisen, was mit dem Volk Israel in Zukunft geschehen wird.

 

 I.   Der Feigenbaum im Orient

Das Bild des Feigenbaums war den Juden so bekannt wie das Bild vom Weinberg. Der Prophet Jeremia erwähnt den Weinberg zusammen mit dem Feigenbaum:

Jer 5,17b
„… sie [Babylon] wird deinen Weinberg kahl fressen und deinen Feigenbaum.”

Jer 8,13
„Am Weinstock sind keine Trauben mehr und am Feigenbaum keine Feigen, und die Blätter sind verwelkt.”

Feigenbäume sind uns fremd, weil sie mehr südlich der Alpen vorkommen, wo das Wetter wärmer ist. In Quinten, am Walensee und im Tessin, gibt es allerdings Feigenbäume, weil dort mediterranes Klima herrscht. Weil wir die Feigenbäume nicht so beobachten können, wie z. B. die Apfelbäume, wissen wir auch wenig über sie.

Kanaan ist ein Land der Feigenbäume (Dtn 8,7-8).
Die spezielle Sorte von Feigenbäumen im Orient brachten Feigen hervor, bevor sie Blätter sprossten. Wenn der Baum also Blätter aufwies, dann war das ein Zeichen dafür, dass er auch Früchte trug. Die Feigen waren eine stärkende Verpflegung für alle, die auf dem Weg nach Jerusalem waren und vielleicht noch kein Frühstück zu sich nahmen.

Nachdem Jesus mit seinen Jüngern in Betanien übernachtete, ging er am nächsten Tag mit ihnen wieder in die Stadt Jerusalem. Weil er hungrig war, suchte er nach etwas Essbarem. Jesus beobachtete die Natur und kannte die Orte, wo etwas zu finden war. Schliesslich entdeckte er einen Feigenbaum und ging zu ihm hin. Er sah die Blätter, die ihm durch den sanften Wind von ferne zuwinkten (Mk 11,13). Doch leider war jede Mühe umsonst, denn der Feigenbaum wies zwar Blätter auf, aber er trug keine Früchte. Im Bibeltext von Markus 11,13b heisst es: „… es war nicht die Zeit für Feigen.” Der Baum konnte also nichts dafür, denn es war nicht seine Erntezeit. Die Reaktion Jesu darauf verwundert uns vielleicht sehr. Doch es geht hier nicht darum, dass Jesus trotzig oder gar verstimmt wurde. Es geht hier nicht so sehr um Jesus, als vielmehr um die Symbolkraft dieses Feigenbaums mit Israel. In diesem Ereignis steckt viel mehr, als der ungestillte Hunger Jesu! Denn es geht um eine wichtige Lektion für seine Jünger, als auch für uns.

 

 II.   Das Gleichnis vom Feigenbaum

Schon bei einer früheren Gelegenheit sprach Jesus von einem Feigenbaum, jedoch in Form eines Gleichnisses: Lukas 13,6-9. Mit diesem Gleichnis weist Jesus seine Zuhörer darauf hin, dass Krankheit, früher oder gewaltsamer Tod, nicht die unmittelbare Folge der Sünde sein muss. In den Versen zuvor erklärte er mit einem anderen Beispiel (Lk 13,1-5), dass ein schreckliches Ende eines Menschen nicht bedeuten muss, dass er ein grösserer Sünder war, als die übrigen Menschen. Die Juden waren in dieser Hinsicht bei anderen sehr verurteilend. Doch Jesus wollte ihnen klarmachen, dass auch sie umkehren sollen, von ihrem gottlosen Wandel. Wenn sie sich nicht bekehren, werden ihre Seelen ewiglich verloren gehen und zwar deshalb, weil sie halsstarrig und uneinsichtig waren. Das Gleichnis in Lukas 13 ist eine der letzten Vorwarnungen an das Volk Gottes, das sich gerecht vorkam, statt einsichtig wurde über ihre Sünden.

Schon Hesekiel musste dem Volk, ca. 600 Jahre v. Chr. im Auftrag Gottes, verkündigen, dass sie gestraft werden, wenn sie nicht umkehren von ihrem gottlosen Wandel (Ez 19,1-10.14). Aus der Geschichte Israels erfahren wir, dass schon damals auf die Boten Gottes nicht gehört wurde. Deshalb wurde Jerusalem, ca. 586 v. Chr., von den Babyloniern zerstört. Viele Juden kamen damals um, oder wurden gefangen aus dem Land weggeführt und im Land Babylon verteilt angesiedelt.

Auch auf Jeremia (627-580 v. Chr.) hörte das Volk Gottes nicht, als er es damals vorwarnte (Jer 2,14-15.17.21-23). Nicht nur drei Jahre (wie im Gleichnis aus Lk 13 symbolisch dargestellt), sondern Jahrhunderte lang hatte Gott als Weingärtner mit seinem Volk Geduld. Jahrhunderte lang liess der Herr um diesen besonderen Baum (= Israel) graben und Düngern. Damit bekam Israel die Gelegenheit, umzukehren und endlich Frucht zu bringen. Leider wollte das Volk nicht hören und sich zum Herrn bekehren. Deshalb wurde Jerusalem schliesslich zerstört und alles Volk in die Verbannung geführt.

Mose erklärte dem Volk schon während der Wüstenwanderung, ca. 800 Jahre vor dem Exil, ziemlich detailliert Segen oder Fluch ihres Bundes mit Gott (Dtn 28). Weil sich Israel, über Generationen, immer mehr vom Herrn abwandte, kamen alle vorhergesagten Flüche einzeln über sie. Jeremia und Hosea sprechen eine ganz deutliche Sprache zum Volk: Jeremia zeichnet ein Bild von ungeniessbaren Feigen (und meint damit die Uneinsichtigen), von denen sich der Herr abwenden wird (Jer 24). Zudem wird sie der Herr bei den heidnischen Nationen zum Schrecken und zum Gespött machen (Jer 24,9). Hosea sagt (Hos 9,10): „Wie Trauben in der Wüste fand ich Israel. wie eine Frühfeige am Feigenbaum, als dessen erste Frucht, habe ich eure Vorfahren angesehen. Sie aber sind zum Baal-Peor gegangen und haben sich der Schande geweiht und sind zu Scheusalen geworden, wie es ihrer Liebe entsprach.” Wir sehen also, dass das Bild vom Feigenbaum den Juden nicht fremd war, sondern ihre Beziehung mit Gott betraf.

Doch Gott gab sein Volk im Exil noch immer nicht auf.
Durch die Propheten des ATs, liess der Herr Israel verkünden, dass er ihnen noch einmal gnädig sein werde, indem er seinen eigenen Sohn schickt, der sie endgültig aus ihrer Niederlage befreien wird. Obschon die Juden gespannt auf den Tag dieses Sohnes warteten, konnten sie ihn nicht annehmen, als er endlich da war. Jesus bezeugte ihnen immer wieder, dass er der verheissene Messias sei, der alle prophetischen Hinweise erfüllte (Mt 21,16), doch sie wollten ihn nicht hören. Sie nahmen vielmehr Anstoss an Jesus und seinen Aussagen als Sohn Gottes. Deshalb fällt Jesus in Matthäus 21, kurz vor seinem Tod, das endgültige Gerichtsurteil über Israel. Hier wird Jesus nicht als sanfte und ruhige Person dargestellt. Jesus ist hier aggressiv (siehe Ausrufzeichen Mt 21,19), richtend, machtvoll und deutet an, dass es mit der Geduld Gottes für Israel endgültig vorbei sei.

Der Feigenbaum, der ohne Zweifel das Volk Israel versinnbildlicht, soll verdorren und dann umgehauen werden, wie im Gleichnis dargestellt. Er soll nicht länger nutzlos herumstehen und der Welt Früchte versprechen, die er gar nicht besitzt. Denn Gottes Volk ist nutzlos geworden, wie dieser Feigenbaum, von dem Jesus essen wollte. Es versprach geistliche Früchte und besass keine. Lange genug hatte dieser Baum dem Boden Nahrung und Kraft entzogen, ohne selbst Frucht hervorzubringen. Lange genug galt Israel in Glaubensfragen vor den Menschen als kompetent und heilig, war es aber nicht. Lange genug hatte dieses Volk von den Vorteilen des Landes profitiert. Doch der Glaube des Volkes brachte nur Blätter hervor, aber keine Frucht! Dies soll nun ein Ende nehmen, indem die Blätter des Baumes verdorren, damit jedermann von weitem erkennen kann, dass es dort nichts mehr zu holen gibt. Denn der Herr hat das Ende der jüdischen Nation fest beschlossen. Als Johannes der Täufer auftrat, sagte er (Mt 3,10): „Schon ist die Axt an die Wurzel der Bäume gelegt: Jeder Baum, der nicht gute Frucht bringt, wird gefällt und ins Feuer geworfen.” Als endgültiges Gerichtsurteil über das Volk, sagte Jesus zu den widerspenstigen Juden (Mt 21,43): „Das Reich Gottes wird euch weggenommen und einem Volk gegeben werden, das dessen Ernte abgibt.”

Im Jahre 70 n. Chr. erfüllten sich diese göttlichen Prophezeiungen und Jerusalem wurde von der römischen Armee völlig zerstört, so dass kein Stein mehr auf dem andern lag, wie Jesus klagend voraussagte: Matthäus 23,37-39. Das Volk wollte nicht auf die Warnungen hören und umkehren, sondern tötete sogar die Boten Gottes, die zu ihnen gesandt worden waren. Alles Bemühen, von Seiten Gottes, nützte nichts mehr. Das Haus Israel sollte öde gelassen werden, bis zur Wiederkunft, wo sich jedes Knie vor dem Herrn Jesus beugen wird und wo jede Zunge bekennen muss, dass Christus der Herr ist (Phil 2,9-10). Wie wir aus der Geschichte wissen, wurde den Juden, nach der Zerstörung Jerusalems (70 n. Chr.), ihre Heimat geraubt, so dass sie ohne ihr Land über 2000 Jahre lang auf der ganzen Welt zerstreut lebten. Auch die angebliche Sammlung Israels, im 20. Jahrhundert, konnte kaum etwas zu ihrer verbesserten Situation beitragen. Es ist und bleibt ein Land voller Konflikte und Kleinkriege und hat nichts mehr mit biblischen Verheissungen zu tun, die erfüllt werden sollten.

Aus dem Markusevangelium erfahren wir, dass die Jünger am folgenden Tag an diesem Feigenbaum vorbeikamen und sahen, wie er verdorrt war: Markus 11,20-25. Unglaublich, aber wahr! Ein sterbender Baum braucht normalerweise Wochen, wenn nicht sogar Monate bis er so ausgedorrt aussieht. Doch bei Jesus ging es nur um Stunden. Jesus ermahnt seine Jünger (V. 22): „Habt Glauben an Gott!“

 

 III. Was können wir daraus lernen?

Was hat der Glaube an Gott mit einem verdorrten Feigenbaum zu tun?
Jesus will sagen: Was dem Feigenbaum widerfahren ist, das kann jedem von euch auch passieren. Darum, habt Glauben an Gott, damit ihr nicht verdorrt, sondern Frucht bringt! Es ist nicht möglich, dass jemand an Gott gläubig ist und doch keine Frucht bringt. An den Früchten kann man erkennen, ob jemand Christus treu nachfolgt oder nicht. Kein gesunder Baum bringt faule Früchte.

Jesus lehrt (Mt 7,18-19): „Ein guter Baum kann nicht schlechte Früchte tragen, und ein fauler Baum kann nicht gute Früchte tragen. Jeder Baum, der nicht gute Frucht bringt, wird gefällt und ins Feuer geworfen. So werdet ihr sie an ihren Früchten erkennen.” Es geht hier vor allem um die Warnung vor falschen Propheten. Aber dieses Prinzip lässt sich auch auf alle übrigen Gläubigen anwenden. Dabei sollte beachtet werden, dass es Jesus nicht um kleinere oder grössere Ausrutscher im Leben eines Christen geht. Es gibt kaum ein gesunder Baum, der nicht ab und zu ein paar faule Früchte aufweist. Wir Christen sind und bleiben alle unvollkommen, wie ein Baum! Es ist hier vielmehr von der Wurzel die Rede, einer schlechten Glaubensgesinnung, die unverändert andauert. Es geht um die schlechte Gesinnung der Juden, die am Ende nur noch Disteln und faule oder gar keine Früchte mehr hervorbrachten. Bei den Juden war die Wurzel d. h. die Seele stachelig und faul, d. h. sie wurden selbstsüchtig, beziehungsunfähig, ungehorsam gegenüber Gott usw.

Israel verstand sich als gepflanzter Weinstock an den Wasserbächen des Lebens: Psalm 80,9-20. Diese Einstellung (aus Psalm 80), hätte die Juden vor ihrem Untergang bewahrt. Diese beschriebene Reaktion (in Vers 20) hätten die Juden auf das Gleichnis vom Feigenbaum haben sollen (Jes 5,1-7).

Wie es Israel ergangen ist, weil es nutzlos geworden ist, ergeht es allen Menschen, die durch ihren Glauben keine Frucht bringen. Viele versprechen von weitem viele Früchte der Liebe, aber wenn man ihnen näherkommt, findet man keine oder faule Früchte. Viele nennen sich Christen, rascheln mit ihren Blättern und rufen: „Herr, Herr!“ Sie geben sich für etwas aus, was sie gar nicht sind. Viele versprechen viel und halten wenig oder gar nichts. Jeder geheuchelte Glaube, der nur Blätter aufweist, aber keine Frucht, wird früher oder später Schiffbruch erleiden!

Wie bringen wir Gläubigen Frucht?

- Jesus lehrt seine Jünger: Johannes 15,5-8.

- Dann fährt er weiter, indem er sagt: Johannes 15,12-17.

Die Frucht, die der Heilige Geist in uns hervorbringt, heisst: Liebe, Freude, Friede ... (Galater 5,22). Das Hauptmerkmal eines Christen ist die Liebe zum Vater, zum Sohn und zu allen Menschen, am meisten aber gegenüber den Glaubensgeschwistern. „Wer nicht liebt, hat Gott nicht erkannt; denn Gott ist Liebe“, sagt der Apostel Johannes (1 Joh 4,8). An unserer Liebe zueinander wird auch die Welt erkennen, dass wir Jesu Jünger sind (Joh 13,34)!

Frucht bringen bedeutet aber auch, auf Gott völlig zu vertrauen: Mt 21,20-22.
Der Glaube vermag Berge zu versetzen (nicht wörtlich zu verstehen!). Jesus spricht hier nicht von gerechten Taten, die wir tun sollen, um uns von anderen Menschen abzuheben. Die Berge stellen die Probleme des Lebens dar. Wer in allen Lebensproblemen im Glauben auf Christus vertraut, der wird fähig sein, das Unmöglichste und Schlimmste zu überleben. Der lebendige Schöpfergott hat uns in dieses Leben gestellt, damit wir lernen, IHN zu fürchten und zu respektieren, ohne ihn gesehen zu haben (Spr 3,1-7), damit wir lernen, an IHN zu glauben und auf IHN zu vertrauen, auch in grösster Prüfungsstunde.

 

 Schlussfolgerungen

Die wichtigste Frage, die uns Christen gestellt werden kann, lautet: „Wozu warst du nützlich auf dieser Welt?“ Im NT wird immer wieder betont, dass der Mensch an den Früchten seines Glaubens zu erkennen ist (Mt 7,16). Dabei sind nicht die grossen Taten, Predigten und Bekehrungen gemeint, sondern die Frucht der Liebe, der Treue und des guten Vorbilds!

Im Glauben Frucht bringen und nützlich sein heisst, Gott immer mehr verherrlichen mit unserem Leben, andere Menschen glücklich machen mit unserer Gegenwart.

Darum, lasst uns einen ungeheuchelten Glauben leben und fruchtbar sein, damit wenn Jesus wiederkommt, an uns viel Früchte der Liebe und der Treue finden wird!