Gemeinden im Neuen Testament
Kolosserbrief
Thema: Die wachsende Gemeinde.
Einleitung
Wer waren die Kolosser?
Was gibt es über die Gemeinde zu Kolossä zu berichten? Wie gross war die örtliche Gemeinde und wie war ihr Zustand?
Diese und viele andere Fragen interessieren uns.
Jeder von uns würde allzu gern wissen, wie die ersten Gemeinden im ersten Jahrhundert aussahen. Durch den Kolosserbrief des Paulus, der ca. 60-63 n. Chr. geschrieben wurde, können wir unsere Neugier ein bisschen befriedigen.
I. Ort und Zeit
Wo befand sich Kolossä?
Ganz in der Nähe der modernen Stadt Denizil, Türkei. Diese Stadt ist völlig zerfallen, so dass man nur Vermutungen über ihre genau Lage machen kann.
Etwa 160 Kilometer nördlich von Ephesus, im Lykostal, lagen die Städte Laodizea (Offb 3,17), Hierapolis und Kolossä. Das Lykostal lag in Kleinasien und war ein Erdbebengebiet. Ca. 60 n. Chr., kurz vor der Abfassung des Kolosserbriefs, wurde Laodizea von einem Erdbeben zerstört, wovon auch Kolossä betroffen war. Ohne finanzielle Hilfe von der römischen Verwaltung wurde Laodizea wieder aufgebaut, von Kolossä erfahren wir nichts.
Ursprünglich waren alle drei Städte in Phrygien gleich bedeutsam, doch im Laufe der Zeit machten sie verschiedene Entwicklungen durch. Laodizea wurde zum Mittelpunkt der Verwaltung und zum Hauptsitz von Geldgeschäften (als die „Wall-Street“ Keinasiens in der Antike bezeichnet). Hierapolis hatte sich zu einem wichtigen Handelsplatz entwickelt und war zugleich ein bekannter Kurort, da es dort bis heute viele Thermalquellen gibt. Kolossä war bekannt für ihre glänzende schwarze Schafwolle, damit hing auch ein zweites Gewerbe zusammen; das Färben der Stoffe. Das griech. Wort für den Farbstoff, der dort produziert wurde ist colossinus und bedeutet violett (dunkelrot/purple). Das kalkhaltige Wasser aus dem Mäanderfluss, das in den Lykusfluss mündete, eignete sich besonders gut für die Färberei von Kleidern.
II. Gründung der Gemeinde
Wer hat die Gemeinde gegründet?
Aus der Apostelgeschichte 2 wissen wir, dass sich einige Bewohner aus Kolossä zu Pfingsten in Jerusalem aufhielten (Apg 2,10). In der zweiten und dritten Missionsreise durchzog Paulus das phrygische Land (Apg 16,6; 18,23), wobei er vermutlich nicht in Kolossä war. Paulus scheint nicht der Gründer dieser Gemeinde zu sein, da die Leser des Briefes „mein leibliches Angesicht nicht gesehen haben“ (2,1). Trotzdem könnte Paulus indirekt einen guten Einfluss auf die Gründung der Gemeinde gehabt haben, da er sich für drei Jahre in Ephesus aufhielt und dort den Menschen in der ganzen Provinz Asien das Evangelium predigte (Apg 19,10). Z. B an Epaphras, der selbst aus Kolossä stammte: Kolosser 4,12-13. Er ist vermutlich auch der Gründer der Gemeinde (1,5-7; 4,12-13). Doch nun ist er ein Mitgefangener des Paulus: Philemon 23. Die Gemeinde war sehr jung (54 n. Chr. - 60-63 n. Chr. = ca. 7 Jahre). Der Brief an Philemon und der Brief an die Kolosser richten sich an einen teilweise identischen Personenkreis.
Aus der Einleitung des Philemonbriefes entnehmen wir, dass es in Kolossä eine Hausgemeinde gab: Philemon 1-2. Apphia war die Frau von Philemon (Phlm 2). Philemon und Apphia stellten ihr Haus zur Verfügung. Archippus könnte ihr Sohn gewesen sein, oder ein Verwandter oder einfach nur ein Freund des Hauses. Auf jeden Fall wird er am Ende des Kolosserbriefes erwähnt und es scheint, als ob auch er eine leitende Funktion in der Gemeinde hatte: Kol 4,17. Vielleicht vertrat er Epaphras in seiner Abwesenheit.
Weiter wird im Brief von einem entronnen Sklaven im Haus des Philemon berichtet. Sein Name war Onesimus und er hatte vermutlich Geld unterschlagen. Auf der Flucht kam er mit Paulus in Kontakt. Nachdem ihn Paulus bekehrte, sandte er ihn reumütig zu seinem Herrn zurück: Philemon 10-12. So wurde aus einem unnützen Knecht ein Onesimus (= Nützlicher).
Paulus übermittelte durch Tychikus und Onesimus gleich mehrere Briefe für verschiedene Gemeinden (Eph 6,21; Phlm 12): Den Epheser- und Philipperbrief, den Kolosserbrief, sowie den Brief an Philemon und den Brief an die Laodizener (den wir leider nicht kennen): Kol 4,16.
III. Der Brief und seine Empfänger
Warum schreibt Paulus einen Brief an die Kolosser?
Gab es Irrlehren, die sich in der kleinen Hausgemeinde ausbreiteten? Oder, warnte Paulus einfach nur vor dem Einfluss verschiedener Philosophien? Woher wusste überhaupt Paulus, wie es der Gemeinde in Kolossä erging?
Vermutlich orientierte sein Mitgefangener Epaphras dem Paulus, wie die Lage in der Gemeinde zu Kolossä aussah (1,7-8). Vieles von dem, was Epaphras ihm mitteilte, war erfreulich. Deshalb zeigt sich Paulus auch so dankbar für die wachsende Gemeinde mit ihrer Hingabe zum Herrn (1,4.6.8; 2,5). Es gibt keinen Hinweis im Brief, dass die Glieder in irgendwelche unmoralischen oder lehrmässigen Abschweifungen verwickelt waren. Trotzdem fehlte es auch in Kolossä nicht an Schwierigkeiten.
Die Heiligen der Gemeinde in Kolossä waren vorwiegend Heidenchristen: Kolosser 1,21.27; 2,13: 3,7. Es gab aber auch eine Minderheit von Judenchristen: Kolosser 2,14.16 (Stichwörter = Satzungen, Sabbat). Der Brief lässt erkennen, dass die Gläubigen durch irreführende, philosophische Propaganda in Gefahr waren. Das Problem war noch nicht seuchenartig oder akut, dennoch musste vorbeugend gehandelt werden. Deshalb warnt Paulus sie eindringlich vor möglicher Verführung und mahnt sie, fest bei Christus und der erkannten Wahrheit zu bleiben (2,4-19).
IV. Die Häresie in Kolossä
Häresie bedeutet Ketzerei, Irrlehre.
Es kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, welcher Art die Ketzerei war, die das Leben in der Gemeinde zu Kolossä bedrohte. Dennoch lassen sich einige Merkmale aus dem Brief aufzählen.
Zunächst muss ergänzt werden, dass sich in dem Gebiet viele phrygischen Juden befanden. Antiochus der Grosse (183 v. Chr.) führte zweitausend jüdische Familien aus Babylon und Mesopotamien nach Lydien und Phrygien. Diese wurden sesshaft und gelangten zum Wohlstand, so dass sie immer mehr andere Landsleute anzogen. So wurde das Land um des phrygischen Weines und der phrygischen Bäder willen sehr beliebt und von Juden bevölkert (62 v. Chr. waren es gegen 50'000 Menschen). Somit darf der Einfluss der Juden mit ihren verschiedenen Glaubensauffassungen auf die Gemeinde in Kolossä nicht unterschätzt werden.
Gleichzeitig gab es auch einen starken Einfluss von den phrygischen Heiden, deren Voraussetzungen in hohem Masse emotional, philosophisch und mystisch waren. Es macht den Anschein, dass die Häresie aus einem Mix aus griechischer, jüdischer und orientalischer Religion bestand. Genauso wie wir heute in einer globalen Multikulti-Gesellschaft stehen, die von den unterschiedlichsten Religionen und Philosophien geprägt wird.
Welche Merkmale von Häresien (= Ketzereien, Irrlehren) können wir aus dem Kolosserbrief erkennen? Da ist zunächst einmal die Tatsache, dass die Überlegenheit Jesu in Frage gestellt wurde. Deshalb betont Paulus im ersten Kapitel, ab Vers 15, die Vollkommenheit, die Erhabenheit und die einzigartige Vorrangstellung Jesu Christi. In Ihm ist die ganze Fülle Gottes enthalten (V. 19). Gleichzeitig hebt Paulus auch die Bedeutung hervor, der Jesus Christus im Hinblick auf die Schöpfung zukommt. Durch ihn wurde alles geschaffen (V. 16), d. h. er ist Schöpfer, in ihm besteht alles (V. 17), er hat in allem den Vorrang (V. 18), er ist auch das Haupt der Gemeinde. Viele glaubten schon damals, dass Jesus bloss ein erschaffenes Wesen war.
Doch Jesus war die Gottheit in Person, das heisst:
100% Gott und
100% Mensch aus Fleisch und Blut.
Das brachte vielen grosses Kopfzerbrechen, da die materielle Welt für sie total böse war und nichts mit der geistigen gemeinsam hatte. Die Folge dieser Philosophie war, dass Gott, der doch gut war, die Welt gar nicht erschaffen haben konnte. Ebenso konnte Jesus nicht Gott sein und gleichzeitig Mensch, das wäre ein Widerspruch in sich. Übrigens, diese Auffassung teilen heute noch viele Unwissende, die grosse Mühe haben, das christliche Leben mit Gott in Einklang zu bringen. Deshalb macht Paulus in diesen Versen deutlich, dass Jesus Christus durch sein Kreuzesblut Frieden stiftete (V. 20). Diese Argumente waren wichtig für den später aufkommenden Gnostizismus, der sich im zweiten Jahrhundert entwickelte.
Die Häresie enthielt auch ein asketisches Element (ev. von jüdischer Seite), da bestimmte Essens- und Trinkvorschriften gemacht wurden (2,16). Das ist der Grund, warum Paulus erklärt, dass sie keine andere Lehre brauchen, als die, welche ihnen durch Jesus gelehrt wurde, denn in ihm sind Christen ganz erfüllt (2,10). Dies erklärt er auch dem Timotheus in aller Klarheit: 1Tim 4,1-4. Bis in die heutige Zeit haben diese Irrlehren die Menschheit gequält (z. B. das Zölibat, der Karfreitag und andere Fastenregeln). Auch in Bezug auf die Einhaltung von Festtagen und Sabbaten sollen sie sich nicht irreführen lassen, denn das AT war nur ein Schatten, der auf Christus hin deutete (2,10). Paulus betont im zweiten Kapitel, dass die Vergebung nicht durch die Einhaltung des Gesetzes kommt. Denn Christus hat die Schuldurkunde, die Satzungen des ATs ans Kreuz geheftet (2,14).
Zudem wurde gelehrt, dass Gott Engel einsetzte, um das Gesetz zu übermitteln (was ja auch stimmte gem. Gal 3,19). Durch die Einhaltung des Gesetzes würden jedoch die Engel geehrt. Wer sich nicht an das Gesetz halte, würde sie beleidigen und kränken. Denn die Engel seien Mittler zwischen Gott und den Menschen.
Die Irrlehre scheint auch ein astrologisches Element enthalten zu haben. In Kapitel 2, Vers 8 heisst es, dass sie sich auf die Elemente der Welt gründeten. Im selben Kapitel, Vers 20 steht, dass sie den Naturmächten (oder den Elementen; „Stoicheia“) der Welt abgestorben sind. In der Antike waren die Menschen von dem Gedanken an den Einfluss der Gestirne (Sterne und Planeten) auf das Leben beherrscht. Es war allgemein üblich, dass man vor wichtigen Entscheidungen die Sterne um Rat fragte. Die Astrologen behaupteten, sie könnten den Menschen zuversichtliche Prognosen geben und sie sogar vor Fehlentscheidungen bewahren.
Was immer auch die genauen Häresien waren und aus welcher Kultur oder Religion sie sich versuchten zu vermischen und durchzusetzen, Paulus warnt mit diesem Brief alle Christen in allen Generationen vor den Weltweisheiten (d. h. Philosophien der Welt). Das griechische Wort „Philosophia“ bedeutet die Liebe zur menschlichen Weisheit. Das heisst, dass jede Philosophie, die behauptet, dass Christus allein nicht genüge, um inneren Frieden zu finden, eine Irrlehre ist und Christus nicht die einzigartige Vorrangstellung zukommen lässt, die ihm gebührt. So bald es sich um eine Lehre der Selbsterlösung handelt und nicht um die Erlösung durch Jesus Christus, ist es eine falsche Philosophie, die uns unseres Glaubens berauben will (2,8). Paulus warnt vor einem „selbsterwählten Gottesdienst“ (2,23). Gleichzeitig muss aber auch gesagt werden, dass nicht alles Philosophische grundsätzlich abgelehnt werden sollte. Auch in der Philosophie gibt es Erfahrungen und Erkenntnisse, von denen wir nur lernen und profitieren können. In der Bibel finden wir nicht zu jeder Erkenntnis des Lebens eine Stellungnahme und eine göttliche Erklärung. Was dem Gesamtbild des christlichen Lebens und der biblischen Weltanschauung nicht widerspricht, ist eine willkommene Ergänzung.
Schlussfolgerungen
Das war die gottlose Welt in der damals die Christen zu Kolossä im Glauben an Jesus Christus festhalten mussten. Es hat sich kaum etwas geändert. Auch sie waren damals in der Minderheit genau wie wir. Auch sie wurden von allen Seiten bedrängt und versucht, genau wie wir. Auch sie konnten zum Trost und zu ihrer Ermutigung im Glauben an Jesus Christus den Kolosserbrief lesen, genau wie wir. Auch sie hatten die freie Wahl, ob sie den leeren Täuschungen und Philosophien der Welt Glauben schenken wollten, oder ob sie in Christus die ganze Fülle der Gottheit erkannten, genau wie wir heute.
Jesus sagte der Gemeinde in Laodizea folgendes (Offb 3,19-22; NGÜ): „So mache ich es mit allen, die ich liebe: Ich decke auf, was bei ihnen verkehrt ist, und weise sie zurecht. Darum mach Schluss mit deiner Gleichgültigkeit und kehre um! Merkst du nicht, dass ich vor der Tür stehe und anklopfe? Wer meine Stimme hört und mir öffnet, zu dem werde ich hineingehen, und wir werden miteinander essen – ich mit ihm und er mit mir. Dem, der siegreich aus dem Kampf hervorgeht, werde ich das Recht geben, mit mir auf meinem Thron zu sitzen, so wie auch ich den Sieg errungen habe und jetzt mit meinem Vater auf seinem Thron sitze. Wer bereit ist zu hören, achte auf das, was der Geist den Gemeinden sagt!”