Gemeinden-12: Philippi

Gemeinden im Neuen Testament

Philipperbrief
Thema: Die Gemeinde, die Paulus unterstützte.

 

 Einleitung

Am Mittwochabend haben wir mit dem Philipperbrief begonnen. Dabei betrachten wir den vierten Brief des Paulus, den er aus seiner ersten römischen Gefangenschaft geschrieben hat. Von der Mietwohnung aus in Rom (Apg 28,30), wo Paulus gefangen gehalten wurde, schrieb er zwischen 60-62 n. Chr. folgende Briefe:

- Den Brief an die Epheser und Kolosser.

- Einen Brief an Philemon.

- Und den Brief an die Philipper.

Wenn wir uns mit dem Philipperbrief auseinandersetzen, dann sind die Spotlampen vorwiegend auf Paulus und seine Freude in Christus und Ermahnungen ausgerichtet. Heute morgen möchten wir unsere Blicke auf die Stadt und die Gemeinde in Philippi werfen.


 I.   Was wissen wir über die Stadt Philippi?

Philippi ist in unseren Tagen eine grosse antike Ausgrabungsstätte in der griechischen Region Makedoniens. Die heutige Ruinenstadt liegt an der Strasse von Drama nach Kavala (etwa 20 Kilometer nordwestlich von Kavala). Ursprünglich war Philippi eine thrakische Siedlung mit dem Namen Krenides. Krenides bedeutet kleine Quelle und ist ein kleiner Fluss, der nahe am Berghang vorbeiführt. Philippi wurde um das Jahr 360 v. Chr. gegründet. Wenige Jahre später erfolgte die Eroberung der Stadt durch Philipp II. von Makedonien. Er gab nach seinem Sieg der Stadt seinen eigenen Namen. Er war der Vater von Alexander dem Grossen Eroberer.

Philippi war ein Knotenpunkt und hob sich von andern Städten ab. In der Nähe der Stadt befanden sich Gold- und Silberminen, die von Philipp II. ausgebeutet wurden, um seine Kriege zu finanzieren. Zu Beginn des christlichen Zeitalters waren sie zwar bereits erschöpft, doch hatten sie Philippi längst zu einem wichtigen Handelsplatz der alten Welt gemacht.

168 vor Christus eroberten die Römer ganz Makedonien. Unter der Herrschaft der Römer erlebte Philippi einen grossen Aufschwung, durch die strategisch bedeutende Lage an der Via Egnatia. Diese grosse Verbindungsstrasse verband Durrës (Dyrrhachium) an der Adria mit dem römischen Byzantion. Nach der Eroberung des Byzantinischen Reiches wurde die Stadt von den Türken zerstört. Byzantion wurde um 330 n. Chr. von Konstantin d. Grossen unbenannt in Konstantinopel. Konstantinopel, das heutige Istanbul, wurde die Hauptstadt der Ostkirche. Durch die römischen Strassen gelangte man damals von West (d. i. Rom) nach Ost (= Konstantinopel). Mitten auf dieser römischen Hauptstrasse lag die Stadt Philippi.

Das gesamte römische Strassennetz war 80'000 Kilometer lang und diente der Erhaltung des „Pax Romana“ (röm. Friedens) und der Beherrschung strategisch wichtiger Punkte in diesem Weltreich. Beim Bau der Strassen wurde die oberste Erdschicht abgetragen. Dann wurde das Strassenbett mit drei verschiedenen Schichten von Strassenbaumaterial gefüllt. Die Strassenmitte wurde aufgewölbt, damit das Wasser ablaufen konnte, und die Strassendecke mit Steinen bepflastert. Diese Strassen waren selten breiter als fünf Meter, aber sie waren glatt und dauerhaft. Das Original Pflaster einiger römischen Strassen ist bis heute noch recht gut erhalten.

Der Stadt Philippi wurde aber noch eine andere Ehre zuteil; sie wurde, nach einer entscheidenden Schlacht 42 v. Chr., eine römische Kolonie (Apg 16,12). Das heisst, die Stadtbürger erhielten das römische Bürgerrecht. Nirgendwo waren die Menschen stolzer darauf, römische Bürger zu sein, als in den Kolonien. Es wurde offiziell lateinisch gesprochen und römische Sitten gepflegt. Pensionierte römische Soldaten siedelten sich mit ihren Familien in der Stadt an, zum Schutz und Sicherheit der Bürger des wichtigen Ortes. Auch bei Naturkatastrophen durfte man mit der Hilfe Roms rechnen. Es ist, wie wenn ein Osteuropäer die Vorteile des Westens in Anspruch nehmen darf. Der Weltmacht Roms anzugehören bedeutete Fortschritt und besseres Leben. Auch Paulus machte in seiner Not von seiner römischen Staatsbürgerschaft Gebrauch, indem er Berufung an den Kaiser legte (Apg 25,12).

In unserer Zeit können die Besucher der Ruinenstadt – Reste der Akropolis besichtigen, mehrere frühchristliche Basiliken, sowie das Forum Romanum. Ausserdem werden in der Sommerzeit im restaurierten römischen Theater antike Bühnenstücke aufgeführt.

 

 II.   Was ist uns über die Gemeinde in Philippi bekannt?

Sie ist die erste Gemeinde in Europa, die von Paulus gegründet wurde. Deshalb kommen wir um die Person des Paulus auch kaum herum. Ihre Entstehungsgeschichte ist sehr interessant. Nachdem Paulus vom Heiligen Geist gehindert wurde, das Wort in Asia und Bithynien zu verkündigen, landete er auf seiner zweiten Missionsreise in Troas (Apg 16,6-8). Vermutlich wollte er am folgenden Tag nach Ephesus weiterziehen. Doch dann hatte er in der Nacht eine Vision (Apg 16,9-10): Ein makedonischer Mann stand plötzlich vor ihm und bat ihn um Hilfe. Paulus erkannte sofort, dass Gott ihn rief, in Makedonien das Evangelium zu verkündigen. Nach zwei Tagen erreichten Paulus und seine Reisegefährten den Hafen von Neapolis und zogen nach Philippi hinauf. Doch in dieser Stadt gab es nicht einmal eine Synagoge.

Nach ein paar Tagen fanden sie schliesslich am Sabbat ein paar betende Frauen, ausserhalb der Stadt, an einer jüdischen Gebetsstätte (Apg 16,13). Paulus redete zu ihnen und verkündigte das Evangelium. Eine gottesfürchtige Frau mit Namen, Lydia, hörte besonders gut zu, so dass ihr der Herr das Herz auftat (heisst es in Apg 16,14). Schliesslich liess sie sich samt ihrem ganzen Haus taufen und bat Paulus und seine Reisegefährten, bei ihr zu Hause einzukehren. Damit war die Gemeinde in Philippi gegründet. Wie viele von den andern Frauen später noch zum Glauben kamen, wissen wir leider nicht.

Als Paulus an einem andern Tag wieder die Gebetsstätte aufsuchte, begegnete ihm auf dem Weg eine griechische Sklavin, die einen Wahrsagergeist hatte. Während mehreren Tagen bedrängte sie Paulus und rief ihm hinter her. Bis es ihm zu bunt wurde und er ihr den Geist, im Namen Jesu, austrieb. Offenbar gehörte die Sklavin gleich mehreren Herren, die durch ihre Wahrsagerei nun keinen Gewinn mehr machen konnten. Gemeinsam setzten sie sich dafür ein, dass Paulus und Silas mit vielen Schlägen ins Gefängnis geworfen wurden. Es ist durchaus denkbar, dass die geheilte Sklavin sich später bekehren liess, nachdem sie die Wunder und Zeichen des Paulus an sich selbst erfuhr.

Schliesslich war da noch das Wunder des Erdbebens und die Bekehrung des römischen Kerkermeisters, samt seinem Haus. Bestimmt waren auch die übrigen Gefangenen überwältigt vom starken Erdbeben und von den Türen, die sich öffneten. Was wird der Kerkermeister wohl den Gefangenen nach seiner Bekehrung erzählt haben? Auch ihre Strafe war bestimmt einmal abgesessen und so konnten sie sich der Gemeinde in Philippi anschliessen. Leider erfahren wir auch darüber nichts in der Bibel.

Weil Paulus und Silas von den Behörden aus der Stadt fortgeschickt wurden, liessen sie Dr. Lukas zurück (Apg 17,1). Was Lukas in den kommenden Jahren in Philippi alles bewirken konnte, wissen wir leider nicht. Bestimmt sind noch einige Menschen durch ihn zum Glauben gekommen.

In der Apg 20,1-6 lesen wir, dass Paulus auf seiner dritten Missionsreise die wachsende Gemeinde in Philippi erneut aufsuchte. Einige Jahre waren vergangen. Erst dann verlässt Dr. Lukas zusammen mit Paulus die Stadt (Apg 20,6 „wir“).

In der Einleitung zum Philipperbrief werden etwa zehn Jahre später Heilige, Bischöfe und Diakone genannt, die der Gemeinde dienten. Aus dem Timotheusbrief erfahren wir Anleitungen des Paulus, zur Einsetzung von Bischöfen und Diakonen (1Tim 3). Für die Gemeindeleitung waren mindestens zwei Bischöfe erforderlich, damit sich ein einziger nicht über die Herde erhob. Ein Episkopos, d. h. ein Bischof oder Ältester war verheiratet und hatte gläubige Kinder. Um Bischöfe oder Älteste samt Diakonen einzusetzen, sollte eine Gemeinde schon mindestens etwa zwei Dutzend Glieder aufweisen. Mit ziemlicher Sicherheit war die Gemeinde in Philippi grösser an Zahl.

Die Gemeinde in Philippi war eine sehr vorbildliche und gesunde Gemeinde. Paulus lobt die Glieder im Philipperbrief in allen Tönen. Dieser sehr persönliche Brief wird von einigen Kommentatoren als geistigen Liebesbrief des Paulus bezeichnet. 60 Jahre später ist die Gemeinde in Philippi immer noch aktiv und sehr lernwillig. Aus dem Brief des Polykarps geht deutlich hervor, dass die Philippergemeinde dem Herrn immer noch treu dient und Früchte bringt:

Polykarps Brief an die Phil. Kap. 1
„Ich habe mich gar sehr mit euch gefreut in unserem Herrn Jesus Christus, dass ihr die Vorbilder der wahren Liebe aufgenommen habt und dass ihr, wie es sich für euch gehört, denen euch angenommen habt, die mit Banden gefesselt sind, die den Heiligen zustehen und die ein Schmuck sind der wahrhaft von Gott und unserem Herrn Auserwählten;
„und weil gefestigt ist die Wurzel eures Glaubens, der seit ursprünglichen Zeiten verkündet wird, bis heute fortlebt und Früchte bringt für unseren Herrn Jesus Christus …
an den ihr, ohne ihn gesehen zu haben, glaubt in unaussprechlicher und herrlicher Freude …“

Wenn Frauen Ketten um den Hals tragen, so sind, laut Polykarb, die Ketten der Gefangenschaft für die Heiligen ein viel schönerer Schmuck. Die Gemeinde hat Polykarp, Bischof von Antiochia, gebeten ihr einen Brief über die Gerechtigkeit Gottes zu schreiben:

Polykarps Brief an die Phil. Kap. 3
„Brüder, nicht ich selbst habe es mir herausgenommen, euch dies über die Gerechtigkeit zu schreiben, sondern (ich tat's,) weil ihr mich dazu aufgefordert habt.
Denn weder ich noch sonst einer meines-gleichen kann der Weisheit des seligen und berühmten Paulus gleichkommen, der persönlich unter euch weilte und die damaligen Leute genau und untrüglich unterrichtete im Wort der Wahrheit, der auch aus der Ferne euch Briefe schrieb, durch die ihr, wenn ihr euch genau darin umseht, erbaut werden könnt in dem euch geschenkten Glauben ...“

Daraus entnehmen wir auch, dass Paulus offensichtlich mehr als einen Brief an die Philipper schrieb.

Im Brief an die Korinther werden die Makedonischen Gemeinden als Vorbild im grosszügigen Geben erwähnt: 2. Korinther 8,1-5. Die Bibel berichtet uns von drei Gemeinden in Makedonien; Philippi, Thessalonich und Beröa. Philippi wird zu den vorbildlichen Gemeinden im Geben gezählt. Vermutlich hätte sich Paulus gerne dieser Gemeinde angeschlossen.

 

 Schlussfolgerungen

Fassen wir kurz zusammen, was wir über die Gemeinde in Philippi erfahren haben: Durch die Hingabe des Paulus ans Reich Gottes benutzte der allmächtige Gott ihn als Werkzeug, um eine neue Gemeinde in Philippi zu gründen. Das erste Glied war eine tüchtige Geschäftsfrau mit Namen Lydia. Vielleicht kamen später noch andere Frauen hinzu, die mit Lydia die Gebetsstätte aufsuchten. Auch die griechische Sklavin mit dem Wahrsagergeist schwieg bestimmt nicht über das Zeichen, das an ihr geschah, so dass sie nicht mehr wahrsagen konnte. Vielleicht kam sie sogar selbst zum Glauben. Vielleicht fiel sie andern auch nur auf, dass sie ihr Interesse am Wahrsagen verloren hatte, so dass sich andere Menschen anfingen für den Glauben an Jesus zu interessieren.

Mit der Bekehrung des Kerkermeisters und seinem ganzen Haushalt, wuchs die Gemeinde zu einer kleinen Gemeinschaft. Es kann sein, dass sich später freigelassene Gefangene bekehrten. Auf jeden Fall hatte die Gemeinde bereits Gläubige aus verschiedenen Schichten, die auf die Bevölkerung in Philippi einen guten Einfluss besassen.

Leider lesen wir nichts, was aus der mehrjährigen Gemeindearbeit des Dr. Lukas resultierte, aber es ist anzunehmen, dass noch etliche durch ihn zum Glauben fanden. Auch wird nichts gesagt, was Paulus auf der dritten Missionsreise in Philippi erreichte. Auf jeden Fall waren seine Briefe für die Gemeinde ermutigend und auch von der Lehre her eine grosse Hilfe (sogar Polykarps Briefe halfen der Gemeinde 60 Jahre später).

Alles in allem darf gesagt werden, dass die Philipper als vorbildliche, gebefreudige und wachsende Gemeinde in die Geschichte einging.

Paulus dankt in der Einleitung seines Briefes dem Herrn für die Glieder in Philippi, für ihren Glauben, ihre Einsicht und ihre Liebe: Phil 1,3-6.9-11. Auch wir wollen dem Herrn dankbar sein für jedes Glied in der Gemeinde!