Gemeinden im Neuen Testament
Römerbrief
Thema: Die Gemeinde, die über Gottes Gerechtigkeit belehrt wurde.
Einleitung
Daniel 2,39-40: „Du bist das goldene Haupt. Und nach dir wird ein anderes Reich erstehen, geringer als das deine, und dann noch ein drittes Reich, ein ehernes, das über die ganze Erde herrschen wird. Und endlich wird ein viertes Reich sein, stark wie Eisen, wie denn das Eisen alles zermalmt und zerschlägt; wie zerschmetterndes Eisen wird es sie alle zermalmen und zerschmettern.“
Ungefähr 600 Jahre v. Chr. prophezeit Daniel durch den Geist Gottes, wie die Menschheitsgeschichte in den nächsten tausend Jahren ihren Lauf nehmen wird. Der seltsame Traum Nebukadnezars vom Standbild steht in einem grossen Zusammenhang mit der Weltgeschichte. Dieses Standbild symbolisierte die vier kommenden Weltreiche:
1. Das goldene Haupt: Das babylonische Reich unter Nebukadnezar (606-536 v. Chr.). Als Israel vollständig in die Verbannung geführt wurde (2Kön 25,8-11).
2. Die silbernen Arme samt Brust: Das medo-persische Reich (536-330 v. Chr.). Unter Cyrus vereinigten sich die Meder und die Perser. Da wurden die Juden wieder nach Jerusalem zurückgeschickt (Esra 1,1-4; Nehemia 1-2) und durften den zerstörten Tempel wieder aufbauen (Esra 6).
3. Die Lenden aus Erz (Bronze): Das griechische Reich (330-63 v. Chr.). Es gewann durch Alexander des Grossen die Weltherrschaft. Verbreitete die griechische Sprache „Koine“ (die LXX und Sprache des NTs).
4. Die eisernen Schenkel und Füsse: Das römische Reich (63 v. Chr. - 476 n. Chr. jedoch nur der Westen). Das Ost-Reich regierte die Welt für 1000 Jahre weiter (Konstantinopel bis 1453 n. Chr.).
Wie man in der Geschichte nachlesen kann, sind alle diese Reiche tatsächlich nacheinander gekommen (siehe Tabelle in Daniel 2b).
Die Traumdeutung zeugt einmal mehr von der Allwissenheit und Allmacht Gottes über die Weltgeschichte.
I. Wie gelangte das römische Reich zur Weltherrschaft?
Durch viele Bürgerkriege! Die Stadt Rom wurde 753 v. Chr. von Romulus gegründet. Rom (Ῥώμη) ist das griech. Wort für Kraft, Stärke. Das einstmals kleine Dorf nahm wuchs über Jahrhunderte zu einem Millionenvolk. Durch einflussreiche Männer, die wie Aussendienstmitarbeiter überall in der Welt erfolgreiche Bürgerkriege führten und Bündnisse eingingen, entwickelte sich Rom von einer kleinen Republik immer mehr zu einem führenden Weltreich (ca. 509-27 v. Chr.).
Besonders hartnäckig stellten sich die Juden gegen die zunehmende römische Herrschaft. Nach jahrelangen jüdischen Revolten, gelang dem römischen General Pompeius 63 v. Chr. endlich der grosse Durchbruch gegen Judäa. Einmal mehr wurden die Tempelmauern in Jerusalem zerstört und die Stadt von einem fremdländischen Volk beherrscht. Doch der endgültige Friede „Pax Romana“ trat erst ein, als Julius Cäsar Octavian (oder Augustus) als erster Kaiser Roms an die Macht kam (27 v. Chr. - 14 n. Chr.). Unter seiner Regierungszeit wurde das römische Imperium gründlich gefestigt und der Wohlstand wuchs. Verschiedene Reformen wurden durchgeführt: Militärische Umstrukturierungen. Verbesserte moralische Einstellungen: Alle Hinweise in Geschichte, Literatur und Kunst, die uns überliefert sind, deuten darauf hin, dass der allgemeine moralische Standard niedriger war als der unsrige heute. Aberglaube, Korruptionen, Verbrechen und Unkeuschheit jeder Art standen hoch im Kurs. Augustus liess auch eine Volkszählung durchführen und veranlasste Steuerreformen.
Einen weiteren grossen Einfluss auf die wachsende Herrschaft Roms waren die vielen gewaltigen Bauwerke!
Z. B. der Häuserbau mit dem neuentwickelten römischen Heizsystem.
Z. B. der Tempelbau, der bekannte Pantheon (griech. Tempel aller Götter) 27 v. Chr. in Rom erbaut.
Z. B. Der Bau des Kolosseums in Rom, 80 n. Chr. erbaut, das bis zu 45'000 Zuschauer fassen konnte, wo die Kämpfe der Gladiatoren stattfanden.
Auch die Bildhauereikunst mit allen den Skulpturen von Gottheiten und Kaisern waren grossartig.
Z. B. der Brückenbau und die gigantischen Aquädukte (Wasserförderungsan-lagen), die grössere Städte mit frischem Wasser von den Bergen versorgten.
Z. B. der Strassenbau, das 80'000 Kilometer umfassende Strassennetz führte in alle Richtungen der Welt, auf denen sich die Armee und die Handelskarawanen bewegten usw.
Ein weiterer wichtiger Grund für die wachsende Macht Roms war die Kaiseranbetung und die Fusionen mit dem griechischen Götterkult! Die römische Religion war ursprünglich sehr einfach und primitiv. Die Römer glaubten, dass unpersönliche Geister oder übernatürliche Mächte in Bäumen, Flüssen usw. wohnen und so die Menschen zum Guten oder Bösen beeinflussen. Die Römer trugen Amulette, um das Unheil abzuwehren (Bronzehand mit Zaubersymbolen bedeckt). Unter Augustus wurden neue Tempel gebaut und neue Priesterschaften gegründet. Griechische Mythen wurden übernommen und in einheimische Götter unbenannt (siehe Tabelle: Die Götter Griechenlands und Roms).
Aber auch die römischen Kaiser wurden angebetet oder liessen sich anbeten (siehe Offenbarung 13b: Der Kaiserkult):
Augustus heisst „der Anbetungswürdige“.
Es gab römische Kaiser, die nach ihrem Tod zum Gott erhoben wurden.
Caligula, Nero und Domitian verlangten die Anbetung zu ihren Lebzeiten.
Damit stärkten sie ihre Macht und vereinigten das röm. Volk.
Das alles sind ein paar Gründe für die zunehmende Macht des römischen Reiches, das zwischen 100 bis 175 n.Chr. seine grösste Macht erreichte.
II. Zu welcher Zeit des röm. Reiches wurde der Römerbrief geschrieben?
Einen Schlüssel für das ungefähre Datum finden wir in Kapitel 15, Verse 22-29 des Briefes: Römer 15,25-26. Paulus redet hier von seinen Reiseplänen. Er erwähnt auch das Spendengeld das er für die Gemeinde in Jerusalem sammeln will. Er selbst hat der Gemeinde in Korinth in seinem ersten Brief (16,2) angeordnet, dass sie Sammlungen durchführen sollen.
Im 2. Korintherbrief lesen wir davon, dass nicht nur Korinth, sondern auch „die Gemeinden in Mazedonien“ (2Kor 8,1) reichlich Geld gespendet haben für ihre Geschwister in Jerusalem. Paulus stellt ihre Liebesgaben als vorbildliches Beispiel hin.
Aus all dem folgern wir, dass der Römerbrief nach dem 2. Korintherbrief geschrieben wurde, nämlich kurz bevor Paulus beabsichtige mit dem Geld nach Jerusalem zu reisen.
Eine weitere Beobachtung ist, dass Paulus zu dem Zeitpunkt als er den Brief schrieb offensichtlich Rom noch nicht besucht hatte (15,22-23). Wir lesen das auch am Anfang seines Briefes: Römer 1,13-15. Wenn wir in das wichtigste biblische Geschichtsbuch gehen, in die Apg. dann stellen wir fest, dass Paulus sich am Ende seiner dritten Missionsreise befand, als er den Römerbrief schrieb. Vermutlich war es während der Zeit, als er sich in Korinth aufhielt (Apg 20,3), das ist gegen Ende 56 oder Anfang 57 nach Christus. Zur Zeit des Schreibens verfügte der Apostel noch frei über seine eigene Person, da er offen von seinen Reiseplänen spricht. Er schreibt deshalb noch vor seiner Verhaftung in Jerusalem, die am Pfingstfest des Jahres 57 stattfand.
Es ist während der Regierungszeit Neros (54-68).
Die ersten fünf Jahre seiner Regierungszeit gestalteten sich friedlich und erfolgreich. Erst im Jahre 64, als in Rom ein grosses Feuer ausbrach, das einen grossen Teil der Stadt zerstörte, kamen seine Perversionen und Exzesse ans Tageslicht. Es sprach sich herum, dass er Leute dafür bezahlte das Feuer zu legen, um Platz für sein neues goldenes Haus zu bekommen das er später baute. Um den Vorwurf von sich abzulenken, beschuldigte er die Christen für diese Katastrophe, so dass eine brutale Christenverfolgung in Rom einsetzte. Doch das alles stand der Gemeinde in Rom noch bevor.
III. Wie sieht der Aufbau und die Gliederung des Römerbriefes aus?
Verfasser und Schreiber:
Der Heilige Geist durch Paulus (1,1). Der Schreiber Tertius (16,22).
Empfänger:
Die Gemeinde in Rom, die höchstens aus einer kleinen Minderheit von Juden bestand. Diese Annahme folgt aus der Tatsache, dass Paulus, als er in einer Mietwohnung als röm. Gefangener in Rom lebte (60-61), die Juden zum ersten Mal mit dem Evangelium konfrontierte: Apg 28,21-24. Die Gemeinde in Rom konnte nicht sehr gross gewesen sein und bestand wahrscheinlich vorwiegend aus Heiden (1,13). Paulus hatte zahlreiche Freunde in Rom (siehe Kap. 16), die er liebend gerne besuchen wollte, doch mehrmals daran gehindert wurde (15,22).
Gründer:
Der Ursprung der Gemeinde in Rom ist uns unbekannt. Wir wissen nur, dass zu Pfingsten in Jerusalem Römer anwesend waren (Apg 2,10). Vielleicht kehrten sie mit der Botschaft von Christus heim. Die römischkatholische Kirche glaubt, dass Petrus der Gründer der Gemeinde in Rom sei. Doch im NT findet sich kein Hinweis darauf, dass Petrus irgend etwas mit der Gründung dieser Gemeinde zu tun hatte. Sicherlich hätte Paulus ihn auch auf der Grussliste (Kap. 16) aufgeführt. Petrus war vermutlich später nach Rom gekommen und wurde, gem. einer Überlieferung, ca. 67 n. Chr. durch Nero gekreuzigt, nachdem er seine Briefe von Rom aus geschrieben hatte.
Echtheit:
Die Echtheit des Römerbriefes wurde nie angezweifelt. Der Römerbrief enthält die grundlegende Heilsbotschaft, wie sie vom Apostel Paulus der heidnischen Welt verkündet wurde. Hingegen gibt es einige Irrlehren, die sich aus dem über die Jahrhunderte Kirchen-geschichte entwickelten. „Es darf mit Recht behauptet werden, dass der Römerbrief die Reformation ausgelöst hat“.
IV. Was ist der Zweck und das Ziel des Römerbriefes?
- Zu erklären, dass vor Gott Juden und Heiden Sünder sind und Gottes Gnade bedürfen (1,20; 3,9-10).
- Die trennenden Unterschiede in der Gemeinde zwischen Juden- und Heidenchristen abzubauen (2,26-29; 3,19-20).
- Zu lehren, dass das Heil nicht aus Werken des Gesetzes erlangt werden kann, sondern durch den Glauben an die Gnade Gottes (6,14).
- Gottes Heilsplan zu verteidigen und zu rechtfertigen (Kap. 9-10): Warum Gott Abraham, Isaak, Jakob erwählt hat, um aus ihnen ein Volk des Eigentums zu machen. Der allmächtige Gott hatte nie im Sinn ein einziges Volk zu bevorzugen und alle anderen Völker hoffnungslos verlorengehen zu lassen (9,14-18). Wenn Paulus von Rechtfertigung spricht, dann meint er damit das rechte Verhältnis zu Gott.
- Die Heiligen in Rom anzuspornen ihr altes Leben ganz hinter sich zu lassen und ihr Leben als ein lebendiges, heiliges, Gott wohlgefälliges Opfer hinzugeben (12,1).
- Mit der Freiheit in Christus richtig umzugehen und die Gnade nicht zu missbrauchen (6,1; 11,17-24 = Ölbaum).
- Den Christen ihre Beziehung zur Regierung zu erklären (Kap. 13).
- Das gegenseitige Verständnis, den Respekt und die Verantwortung zu einander zu fördern, besonders wenn die unterschiedlichen Auffassungen über so manches im christlichen Leben stark auseinandergehen (wie z. B. bei Juden und Heiden, Kap.14).
- Der Aufbau oder die Gliederung des Römerbriefes kann folgendermassen dargestellt werden:
Die erste Gliederung ist ganz einfach in sieben Punkte eingeteilt.
Die zweite Gliederung wird durch den dogmatischen - und den praktischen Teil sehr übersichtlich und ausgewogen dargestellt.
Bei der dritten Gliederung wird dem Lehrteil eine viel grössere Beachtung geschenkt, als der Anwendung, dem praktischen Teil.
V. Welches sind die Problemstellen des Römerbriefes?
Schwierige Stellen im Römerbrief
Problematische Themen im Römerbrief
Schlussfolgerung
Abschliessend darf gesagt werden: Der Römerbrief ist das Herz (Credo) des Evangeliums. Er bildet das Zentrum unseres christlichen Glaubens. Im Römerbrief geht es vor allem darum, dass der Glaube an Jesus Christus der einzige Weg zu Gott ist, vor dem alle Menschen gleich sind.
Augustinus wurde durch das Lesen der Stelle in Römer 13,13-14 ein anderer Mensch.
Chrysostomus (347-407) hatte die Gewohnheit, den Römerbrief zweimal wöchentlich ganz durchzulesen.
Luther sagt in der Vorrede zu seinem Kommentar zum Römerbrief: „Dieses Epistel ist das rechte Hauptstück des Neuen Testamentes und das allerlauteste Evangelium, welches wohl würdig und wert ist, dass es ein Christenmensch nicht allein von Wort zu Wort auswendig wisse, sondern täglich damit umgehe als mit täglichem Brot der Seele. Denn er kann nimmer zu viel und zu wohl gelesen und betrachtet werden, und je mehr er gelebt wird, desto köstlicher wird er schmecken.“ (leicht abgeändert)
Calvin schrieb: „Ein jeder, der zum wahren Verständnis dieses Buches gelangt ist, hat vor sich wie eine offene Tür, um bis in die geheimsten Schätze der Schrift vorzudringen.“
„Es darf mit Recht behauptet werden, dass der Römerbrief die Reformation ausgelöst hat“.
In diesem Sinne wünsche ich Euch allen interessante und auferbauende Ostertage. Möge das Studium des Römerbriefes in uns allen eine Erneuerung unserer Herzen bewirken!