Begriffe2-08+09: Zelos u. Phthonos – Eifersucht u. Neid

Fleisch oder Geist

William Barclay

 

Wenn zelos positiv gebraucht wird (Röm 10,2; Phil 3,6; 2 Kor 7,7; 9,2), dann wird es oft mit Eifer übersetzt: „Er berichtete uns von eurem Verlangen, eurem Weinen, eurem Eifer für mich, so dass ich mich noch mehr freute“ (2 Kor 7,7b).

Zelos und phthonos müssen zusammen betrachtet werden, denn sie kommen sehr oft zusammen vor, und in einigen Fällen muss man sie gegenüberstellen, um sie definieren zu können. In der Regel hat zelos eine positive und eine negative Bedeutung, während phthonos immer negativ ist.

Im griechischen AT kommt zelos in beiden Bedeutungen vor. In positivem Sinne wird es in der Septuaginta wiederholt auf Gott angewandt. „Solches wird tun der Eifer des Herrn Zebaoth“ (Jes 9,7b). Hier ist zelos das unermüdliche Streben Gottes, seine Absichten auszuführen und sein Eigentum zu schützen. Mit anderen Worten: zelos ist die nie erschlaffende Begeisterung Gottes für die Ausführung seines Vorsatzes in dieser Welt.

Zelos bezeichnet häufig die heilige Eifersucht Gottes. Wenn Israel sich von Gott abwendet, um anderen Göttern zu dienen, gibt es sich falschen Liebhabern hin. In einer solchen Situation sprechen Moses und die Propheten von der Eifersucht Gottes, der der wirkliche Partner Israels ist (2. Mos. 20,5; Ez 16,37-38; 23,25). Die Eifersucht Gottes ist verglichen mit der Eifersucht eines Liebenden, dessen Geliebte ihm aus Torheit untreu ist.

Wie auf Gott, so kann zelos auch auf den Menschen in positivem Sinne angewandt werden. Der Psalmist sagt: „Der Eifer um dein Haus hat mich gefressen“ (Ps. 69,10). „Ich habe mich fast zu Tode geeifert“ (Ps 119,139). Dieser Eifer ist die Leidenschaft für Gott, die einen Menschen verzehrt und ihn für Gott entbrennen lässt.

Im griechischen AT (LXX) wird zelos aber auch negativ gebraucht, nämlich für den Neid und die Eifersucht, die zerstörend auf menschliche Beziehungen und persönliches Glück wirken. Eliphas sagt zu Hiob: „Einen Toren tötet der Unmut, und den Unverständigen bringt der Eifer um“ (Hiob 5,2). „Denn Eifersucht erweckt den Grimm eines Mannes“ (Spr 6,34). „Ich sah alles Mühen an und alles geschickte Tun: da ist nur Eifersucht des einen auf den anderen“ (Koh 4,4). „Ihr Lieben und ihr Hassen und ihr Eifern ist längst dahin“ (Koh 9,6). Zelos kann also auch Böses, Lebensfeindliches kennzeichnen.

In den Briefen des Apostels Paulus kommt zelos neunmal vor, davon sechsmal in positiver Bedeutung. Die Juden eifern für Gott, auch wenn es mit Unverstand geschieht (Röm 10,2). Paulus war in seinem Eifer für das Gesetz zum Verfolger der Gemeinde geworden (Phil 3,6). Paulus spricht von dem Verlangen und dem Eifer der Korinther für ihn (2 Kor 7,7) und von dem Eifer, den ihre Busse unter ihnen bewirkt hatte (2 Kor 7,11). Er spricht von dem Eifer (Luther: guter Wille) der Korinther bei ihren Sammlungen für die Bedürftigen der Gemeinde in Jerusalem (2 Kor 9,2). Er eiferte um die Korinther, denn er wollte Christus eine reine Jungfrau zuführen (2 Kor 11,2). Andererseits sind Hader und Eifersucht (Luther: Neid) zwei Dinge, die der Christ angesichts der nahen Wiederkunft Christi ablegen muss (Röm 13,13). Eifersucht oder Neid und Hader bewiesen, dass die Korinther immer noch ihrer niederen Natur gehorchten (1 Kor 3,3). Eifersucht (Luther: Neid) war einer der Fehler, die Paulus bei seiner Rückkehr nach Korinth in der dortigen Gemeinde vorzufinden fürchtete (2 Kor 12,20).

Untersuchen wir die Bedeutung von zelos und phthonos in der griechischen Literatur, so kommen wir dem Verständnis der beiden Begriffe viel näher. Besonders drei Schreiber sind hier wesentlich.

1. Platon benutzt die beiden Wörter oft zusammen. Zorn, Furcht, Sehnsucht, Trauer, Liebe, Eifersucht - zelos, Neid - phthonos sind Qualen der Seele (Philebus 47e) Eine Gesellschaft, in der es weder Reichtum noch Armut gibt, ist die einzige Gesellschaft, in der Anmassung und Ungerechtigkeit, Streit und Eifersucht nicht gedeihen können (Gesetze 679c). Sobald es Reichtum gibt, gibt es eifersüchtige Blicke (Republik 550e). Besonders interessant ist folgender Zusammenhang: Nach dem kriegerischen Erfolg Athens gegen die Barbaren und nach der Rettung Griechenlands durch Athen musste es unausweichlich die Strafe für den Erfolg auf sich nehmen. Zuerst wurde die Stadt von der Eifersucht - zelos angegriffen und dann vom Neid - phthonos, was den Krieg nach sich zog (Menex. 242a). Platon betrachtete also zelos als eine Vorstufe zu phthonos. Zelos ist der Neid, der missgünstige Blicke wirft; phthonos der Neid, der zu feindseligen Taten bereit macht. Im weiteren werden wir noch einen Unterschied feststellen. So viel ist klar: zelos ist weniger ernst, weniger bitter, weniger böswillig als phthonos. Phthonos kennzeichnet den möglichen Höhepunkt von zelos, zu dem der Mensch gelangt, wenn er sein neidisches Herz nicht vorher reinigt.

2. Aristoteles befasste sich genau mit dem Unterschied zwischen den beiden Begriffen: Zelos ist Wetteifer; es ist das lobenswerte und notwendige Gefühl eines Menschen, der etwas Gutes im Besitz eines anderen sieht, der aber nicht traurig darüber ist, dass der andere das Gute besitzt, sondern darüber, dass er selbst es nicht besitzt. Zelos ist eine Tugend und eine charakteristische Eigenschaft eines rechtschaffenen Menschen. Es ist ohne Neid, und es kennzeichnet den Ansporn für das Streben nach einer noch nicht erreichten Eigenschaft. Phthonos dagegen ist der Schmerz über den Besitz eines anderen, wie die Stoiker es definierten. Dieser Schmerz kommt nicht daher, dass dem Betrachter etwas Gutes mangelt, sondern daher, dass der andere es besitzt. Der Mensch, der phthonos in seinem Herzen hat, ist nicht von gutem Streben beseelt, sondern er ist einfach darüber verbittert, dass ein anderer etwas besitzt, was er nicht hat; er setzt alles daran, nicht etwa dasselbe zu besitzen, sondern den anderen an seinem Besitz zu hindern. Phthonos bezeichnet etwas Niedriges und den Wesenszug eines niedrig gesinnten Menschen (Aristoteles, Politik 2.10.11). Zelos kann edles Streben sein; phthonos ist immer boshafte und verbitterte Eifersucht. Der Neidische empfindet nicht Schmerz über das Unglück eines Freundes, sondern über seine Erfolge (Xenophon, Memorabilia 3.9.8). Phthonos ist eine hässliche, widerwärtige Eigenschaft.

3. Plutarch gibt sich grosse Mühe, die Bedeutung dieser Wörter zu erklären. Zelos, so schreibt er, ist das Verlangen, dem nachzueifern, was wir rühmen. Es ist der Eifer, das zu tun, was wir bewundern und das nicht zu tun, ja nicht einmal zu dulden, was wir missbilligen. Es ist die Nachahmung - mimesis dessen, was vortrefflich ist. Liebe zu jemand, so sagt er, kann nicht lebendig sein, wenn nicht auch Eifersucht - zelos dabei ist. Echte Liebe zur Tugend wird wirksam, indem sie Eifer - zelos nach dem Ehrenwerten in uns schafft, aber nicht Neid - phthonos. Zelos ist nicht Streitsucht, sondern Wetteifer im Guten. Phthonos dagegen neidet jeden Wohlstand und jeden Erfolg und scheut das Licht „wie entzündete Augen, denen jede Helligkeit Schmerzen bereitet.“ Phthonos ärgert sich über Wohlstand, greift das Gute an und die, die in Tugend und gutem Ansehen zunehmen. Neid, sagt Euripides, ist die grösste Krankheit unter den Menschen.

Zwei griechische Geschichten machen den Unterschied zwischen den beiden Empfindungen, zelos und phthonos, sehr deutlich. Themistokles fand keine Ruhe, wenn er an den grossen Sieg des Miltiades in der Schlacht von Marathon dachte. Der Gedanke daran erfüllte sein Herz mit edlem Ehrgeiz, und er ruhte nicht, bis er einen gleichen Sieg bei Salamis errang und so seine Tat neben die des Miltiades stellen konnte. Er missgönnte Miltiades seine Grösse nicht, sondern er sehnte sich danach, ebenbürtiges zu tun (Plutarch, Themistokles 3). Das ist zelos. Aristides, mit dem Beinamen „der Gerechte“, stand vor Gericht. Es kam ein Mann zu ihm, der ihn nicht kannte und bat ihn, da er selbst nicht schreiben könne, seine Stimme für Aristides Verbannung niederzuschreiben. „Was hat Aristides dir getan?“ fragte ihn der Angeredete. „Ich bin es überdrüssig zu hören, dass er der Gerechte genannt wird“ (Plutarch, Aristides 7). Das war kein edler Ehrgeiz, der selbst gerne Grosses leisten möchte, sondern nur erbitterter Groll darüber, dass jemand gross war. Das ist phthonos.

Phthonos kommt in den kanonischen Büchern des Alten Testaments nicht vor, sondern nur in den Apokryphen. „Durch den Neid des Teufels kam der Tod in die Welt, und es erfahren ihn alle, die jenem angehören“ (Weisheit 2,24). Neid ist also teuflisch. „Ich will mit dem blassen Neid nicht zusammengehen, denn der hat mit der Wahrheit nichts gemein“ (Weisheit 6,23). Im ersten Buch der Makkabäer sagt der Schreiber von den Römern: „Die Gewalt über sich und die Herrschaft über ihr ganzes Land vertrauen sie alljährlich einem einzigen Manne an; diesem sind sie alle gehorsam, und es gibt weder Neid noch Eifersucht bei ihnen“ (1. Makkabäer 8,16).

Paulus benutzt phthonos nur zweimal. In Römer 1,29 ist es eine der charakteristischen Sünden der heidnischen Welt. In Philipper 1,15 ist es das Motiv derer, die Christus nicht so sehr verkündigen, um Seelen zu gewinnen, sondern vielmehr um Paulus zu schaden. Sie arbeiten nicht, um den gleichen Erfolg zu erringen, sondern sie wollten Paulus seinen Erfolg absprechen.

Im Heidentum hatte zelos also diese zweifache Bedeutung, es bezeichnete die zerstörende Eifersucht, aber auch den zu grossen Taten anspornenden Eifer für das Gute. Später jedoch führte Clemens von Rom alle Sünden auf diese Regung des menschlichen Herzens zurück. Neid - zelos, so schrieb er an die Korinther, war der Beweggrund für den Brudermord Kains, für die Flucht Jakobs vor seinem Bruder Esau, für den Verkauf Josephs nach Ägypten, für Sauls Mordverdacht an David und für den Hass, der zum Märtyrertod der Christen führte (Clemensbrief 1,4-6).

Hier sehen wir, dass der Mensch von sich aus zu nichts Gutem fähig ist. Phthonos hatte schon immer eine sehr negative Bedeutung, während zelos ein gutes Motiv kennzeichnete, das erst im Laufe der Zeit zur Sünde wurde. Vielleicht zeigt die Reaktion eines Menschen auf Grösse und Erfolg eines anderen am besten seinen Charakter. Wenn er durch zelos zu lobenswertem Ehrgeiz angeregt wird, dann ist zelos eine Frucht des Geistes, bewegt es ihn aber zu bitterem und neidischem Groll, dann ist zelos ein Werk des Fleisches, und was zum Guten anspornen sollte, verleitet ihn nun zur Sünde.