Griechische Begriffe 1
3. Akolouthein = Nachfolgen
von William Barclay
Akolouthein ist das allgemein gebrauchte griechische Verb, das folgen bedeutet. Es ist ein Wort, mit vielen Anwendungsmöglichkeiten in verschiedenen Verbindungen, die es alle für den Christen in seiner Bedeutung reicher machen. Zuerst wollen wir seinen Gebrauch und seine Bedeutung im klassischen Griechisch untersuchen.
1. Es ist das allgemein gebräuchliche Wort für Soldaten, die ihrem Führer und Kommandeur folgen. Xenophon (Anabasis 7) spricht von den Generälen und Hauptleuten, die ihrem Führer folgen, für den sie kämpfen.
2. Es wird benutzt für einen Sklaven, der seinem Meister folgt oder ihn begleitet. Theophrast sagt in seiner Charakterstudie über den misstrauischen Menschen, dass ein solcher seinen Sklaven nötigt, vor ihm herzugehen, statt hinten nachzufolgen, wie das für Sklaven üblich ist, damit er sicher sein kann, dass der Sklave nicht wegläuft (Characteres 18).
3. Es wird allgemein benutzt für: dem Ratschlag oder der Ansicht eines anderen folgen oder gehorchen. Platon sagt, dass man die Führernaturen der Philosophie und Staatskunst finden muss, wie auch diejenigen, die von Natur aus zum Folgen bestimmt sind (Der Staat 474).
4. Man benutzt dieses Wort auch, um den Gehorsam gegenüber dem Gesetz auszudrücken. Den Gesetzen einer Stadt zu folgen, bedeutet, sie als Norm für das eigene Leben und Verhalten anzunehmen.
5. Es bedeutet ferner, dem roten Faden oder der Beweisführung eines Vortrages zu folgen. Wenn Sokrates einen schwierigen Gedankengang klarlegen wollte, so sagte er: „Kommt und versucht mir zu folgen, um festzustellen, ob wir diese Sache hinlänglich erklären können“ (Platon, Der Staat 474).
6. In den Papyri wird akolouthein oft gebraucht für: sich jemand anschliessen, um eine Gunst von ihm zu erlangen. Jemand gibt einem anderen den Rat: „... halte dich immer zu Ptollarion ... halte dich zu ihm, damit du sein Freund wirst.“ Der Sinn ist, jemand zu folgen, bis man ihm endlich abgerungen hat, was man von ihm haben will.
Jeder einzelne Sprachgebrauch erhellt die Bedeutung des christlichen Lebens. Der Christ befindet sich in der Lage eines Soldaten, der Christus folgt und dem Gebot seines Führers sofort gehorchen muss. Der Christ lebt ebenfalls wie ein Sklave, der zu gehorchen hat, sobald sein Meister spricht. Der Christ muss um die Anweisung und Leitung durch Christus bitten und demütig genug sein, um jeder Führung zu folgen. Der Christ möchte das Bürgerrecht im Königreich der Himmel besitzen. Dazu muss er bereit sein, nach den Gesetzen dieses Reiches zu leben. Der Christ ist ein Schüler und Hörer, der den Worten Jesu lauschen und ihrem Sinn folgen will, damit er Tag für Tag mehr von der Weisheit seines Lehrers lernt. Der Christ befindet sich immer in der Lage eines Menschen, der die Gnade und die Hilfe sucht, die Christus ihm gewähren kann und der Christus folgt, weil er sie allein bei ihm findet. Nun wollen wir sehen, wie das NT das Wort Akolouthein benutzt; es kommt dort sehr häufig vor.
1. Es wird gebraucht für die Jünger, die ihre verschiedenen Handwerke und Berufe verliessen und Jesus nachfolgten. In diesem Sinn spricht es von Petrus und Andreas (Mt 4,20; Mk 1,18). Es wird für die zwei Johannesjünger verwendet, die Jesus folgten, als Johannes der Täufer auf das Lamm Gottes hinwies (Joh 1,37). Es bezeichnet die Reaktion der Jünger nach dem wunderbaren Fischfang; sie verliessen alles und folgten Jesus (Lk 5,11). In Matthäus 19,27 bezeugen die Jünger, dass sie alles verliessen, um Jesus zu folgen. Es bezeichnet auch das Vorhaben der Männer in Mt 8,19 und Lk 9,59 und 61, denen Jesus riet, die Sache erst noch einmal zu bedenken, ehe sie das Wagnis der Nachfolge auf sich nehmen würden.
2. Dasselbe Wort benutzt Jesus, um Menschen in seine Nachfolge zu rufen. Im Munde des Herrn wird das Wort zu einer Aufforderung, zu einer Herausforderung. Es ist sein Gebot an Matthäus: folge mir (Mk 2,14; Lk 5,27; Mt 9,9); es ist der Ruf Jesu an Philippus (Joh 1,43), sein endgültiges Gebot an Petrus (Joh 21,19.22) und seine nicht befolgte Forderung an den reichen Jüngling (Mt 19,21; Lk 18,22). Es ist sein Gebot an alle diejenigen, die ihm nur unter gewissen Umständen nachfolgen möchten, dass sie ihr Kreuz auf sich nehmen und ihm folgen sollen (Mk 8,34; 10,21; Mt 10,38; 16,24; Lk 9,23).
3. Ganz allgemein wird das Wort auch gebraucht im Bezug auf die Menge, die Jesus nachfolgte (Mt 4,25; 8,1; 12,15; 14,13; 19,2; 21,9; Mk 3,7; 5,24; 11,9; Joh 6,2). Hier steht der Gebrauch des Wortes in engem Zusammenhang mit seiner Anwendung in den Papyri, wo es darum geht, sich an jemand zu hängen, bis eine Bitte gewährt ist. Manchmal folgte die Menge dem Herrn Jesus, um seine heilende Kraft zu erfahren, manchmal folgte sie ihm, um seine Worte zu hören und manchmal, vor allem gegen Ende seines irdischen Lebens, folgten sie ihm in staunender Bewunderung, um zu sehen, was mit ihm geschehen würde. Ein anderes Beispiel dieses Gebrauches des Wortes akolouthein ist uns in Matthäus 9,27 gegeben, wo die zwei blinden Männer sagen, dass sie Jesus folgten, damit er sie heilen möchte.
4. Manchmal folgten die Menschen Jesus aus Dankbarkeit. Von den zwei blinden Männern in Matthäus 20,34 wird gesagt, dass sie Jesus folgten, nachdem sie ihr Augenlicht erlangt hatten; dasselbe wird von den Blinden in Lukas 18,43 gesagt und von Bartimäus in Markus 10,52. Sie folgten, weil die Dankbarkeit sie zu Jesus hinzog.
5. In Markus 2,15 heisst es, dass die Sünder Jesus folgten. Das ist der bedeutungsvollste Gebrauch des Wortes. Bei Jesus fanden sie, was sie brauchten. Einen Pharisäer hätten sie gemieden, aber Jesus folgten sie, weil sie wussten, dass er sie kannte und verstand.
In diesen verschiedenen Anwendungen des Wortes akolouthein können wir fünf Gründe für die Nachfolge Jesu unterscheiden.
1. Die Jünger folgten Jesus wegen seiner klaren, zwingenden Aufforderung.
2. Die Menge folgte Jesus, weil sie Dinge begehrte, die nur er geben konnte.
3. Die Sünder folgten ihm, weil sie fühlten, dass Jesus allein ihr zerbrochenes Leben in Ordnung bringen und neu machen konnte.
4. Die Blinden folgten ihm, damit sie sehend werden möchten, sie wollten seine wunderwirkende Kraft erfahren.
5. Der Blinde, dessen Augen aufgetan wurden, folgte Jesus in überströmender Dankbarkeit.
Hier sehen wir zusammengefasst, was das menschliche Herz bewegen kann, sich Jesus zu nähern. Es wird sich aber auch lohnen, die weiteren Anwendungsmöglichkeiten von akolouthein in den Evangelien zu untersuchen.
1. Wir können erkennen, was die Nachfolge von uns fordert.
a) Die Nachfolge Jesu verlangt das Überschlagen der Kosten. In Lukas 9,59.61 scheint Jesus die Menschen von der Nachfolge zurückzuhalten, bis er sicher ist, dass sie wissen, was sie tun. Jesus will keine Nachfolger, die sich falsche Vorstellungen machen und keine rein gefühlsmässigen unüberlegten Entscheidungen treffen.
b) Die Nachfolge Jesu erfordert Opfer. Es wird wiederholt darauf hingewiesen, was die Menschen alles verliessen, um Jesus zu folgen (Lk 5,11; Mt 4,20.22; 19,27). Der Sinn ist hier folgender: Nachfolge Jesu bedeutet, in einem 24-Stunden-Arbeitsverhältnis zu stehen. Der Unterschied für uns heute ist der, dass wir Jesus nachfolgen, indem wir ihm mit unserer Arbeit dienen und nicht durch das Verlassen unserer Arbeit. Unser Dienst ist es, da für ihn zu zeugen, wo er uns hingestellt hat.
c) Die Nachfolge Jesu bringt das Kreuz (Mt 16,24; Mk 8,34; Lk 9,23). Der Grund hierfür ist, dass - wer Jesus nachfolgt - nie wieder das tun kann, was er selbst gern möchte. Die Nachfolge Jesu kann sehr wohl den Verzicht auf Vergnügen, Gewohnheiten, Ziele und ehrgeiziges Streben bedeuten. Die Nachfolge Jesu birgt immer den Akt der Selbstaufgabe in sich, und das ist nie leicht.
2. Wir müssen auch sehen, was die Nachfolge Jesu uns gibt. Im Johannesevangelium haben wir dafür zwei grosse Verheissungen.
a) Jesus zu folgen, bedeutet, nicht in der Finsternis zu wandeln, sondern im Licht (Joh 8,12). Wenn ein Mensch seine eigenen Wege geht, wandelt er im Dunkel der Ungewissheit. Dieser Weg endet in der Finsternis der Sünde. Mit Jesus zu wandeln heisst, seines Weges gewiss und in seiner Gegenwart geborgen zu sein.
b) Die Nachfolge Jesu gibt uns die Gewissheit, endlich auch seine Herrlichkeit zu erreichen (Joh 12,26). Das ist die andere Seite der Nachfolge. Das Opfer und das Kreuz sind nicht sinnlos. Sie sind der Preis für die ewige Herrlichkeit. Jesus versprach nie einen leichten Weg, aber er verhiess einen Weg, an dessen Ende alles Schwere vergessen sein wird.
3. Es gibt auch unzureichende Wege der Nachfolge.
a) In Mt 26,58, Mk 14,54 und Lk 22,54 lesen wir, dass Petrus dem Herrn Jesus von ferne folgte; er wagte es nicht näher zu kommen. Wäre er nahe bei Jesus geblieben, hätte er seinen Herrn vielleicht nie verleugnet, denn als er das Angesicht Jesu wiedersah, erkannte er, was er mit seinem wiederholten Verleugnen getan hatte.
b) Auf der letzten Reise nach Jerusalem folgten die Jünger ihrem Meister voller Furcht (Mk 10,32). In einer Hinsicht war das die mutigste Tat. Sie verstanden das Geschehen nicht. Sie fürchteten das Schlimmste und folgten Jesus trotzdem. Es kann uns ein Trost sein, wenn wir uns daran erinnern, dass derjenige, der Jesus mit Furcht und Zittern folgt, oft den grössten Mut zeigt.
4. Letztlich müssen wir daran denken, dass der Mensch die Nachfolge Jesu auch ablehnen kann. Das war die Entscheidung des reichen Jünglings (Mt 19,21; Lk 18,22). Das Ergebnis seiner Ablehnung war, dass er traurig wegging. Die Folge der Ablehnung wird immer Traurigkeit sein. Das Ergebnis der treuen Nachfolge aber, wie schwer und beängstigend der Weg auch sein mag, ist immer Freude.