Griechische Begriffe 1
5. Eilikrines = Lauterkeit
von William Barclay
Das Adjektiv eilikrines und das entsprechende Substantiv eilikrineia sind zwei sehr interessante Wörter. Eilikrines kommt in Philipper 1,10 und in 2 Petr 3,1 vor und wird in den bekanntesten deutschen Übersetzungen mit lauter wiedergegeben. Eilikrineia kommt im 1 Kor 5,8; 2 Kor 1,12 und 2,17 vor. Auch hier steht in den meisten deutschen Übersetzungen das Wort Lauterkeit.
Im klassischen Griechisch ist weder das Substantiv noch das Adjektiv sehr gebräuchlich. Eilikrines findet im klassischen Griechisch zwei charakteristische Anwendungen. Erstens bedeutet es: ungemischt, ohne jegliche Beimischung, rein. Vom Feuer, dem reinsten aller Dinge, wird z. B. gesagt, dass es eilikrines rein sei. Es wird auch benutzt, um eine totale Sonnenfinsternis zum Ausdruck zu bringen. Zweitens wird dasselbe Wort gebraucht im Sinne von ausschliesslich, völlig, schier (schier unmöglich). In den Papyri kommen beide Anwendungsarten selten vor. Ein Bittsteller appelliert an die Lauterkeit eines Beamten. Hier trägt das Wort den Sinn von Rechtschaffenheit, Gerechtigkeit, Redlichkeit.
Der Ursprung und die Abstammung dieser griechischen Wörter war schon immer zweifelhaft. Es gibt zwei mögliche Erklärungen:
1. Sie mögen von dem griechischen Wort eilein abstammen, was die Bedeutung hat von: hin und her schütteln in einem Sieb, bis das letzte Teilchen einer fremden Beimischung ausgeschieden ist und die absolut reine Substanz übrigbleibt. So beschreiben diese Wörter also eine Reinheit, die durch sieben, filtern erreicht wurde. Sie beschreiben einen Charakter, der durch die Gnade Gottes gereinigt, geläutert wurde, bis keine böse Beimischung mehr vorhanden ist.
2. Die Entstehung der Wörter mag auf eine Verbindung der zwei griechischen Wörter heile - das Sonnenlicht und krinein - richten zurückzuführen sein. In diesem Falle würden sie etwas beschreiben, das einer Prüfung im Sonnenlicht standhalten kann, etwas das, selbst wenn man es gegen das helle Sonnenlicht hält, keinerlei Fehler und Makel zeigt. Wir haben hier ein sehr treffendes, deutliches Bild. In den östlichen Basaren sind die Läden klein und dunkel. Ein Artikel, sei es eine Keramik, Glasware oder ein Kleidungsstück, mag im dämmrigen Winkel des Ladens gut aussehen; aber ein kluger Käufer wird damit auf die Strasse gehen und sich im Sonnenlicht den Gegenstand genau betrachten. Oft offenbaren die hellen Sonnenstrahlen Makel, die man im Halbdunkel des Ladens nie bemerkt hätte. Theopylakt muss wohl daran gedacht haben, wenn er von eilikrineia spricht, von der Reinheit des Gemüts, der Aufrichtigkeit, die nichts im Schatten zu verbergen hat und nicht im Verborgenen auf der Lauer liegt.
Die Frage, die uns dieses Wort stellt, ist folgende: Könnten unsere innersten Gedanken an das volle Tageslicht gebracht werden? Könnten unsere innersten Motive das helle, alles offenbarende Licht vertragen? Ja, können die innersten Regungen unseres Herzens vor dem prüfenden Auge Gottes bestehen?
Die Reinheit des Christen ist durch eine Läuterung entstanden, die die letzte Beimischung des Bösen ausgeschieden hat, eine Reinheit, die nichts zu verbergen hat, deren innerstes Denken und Begehren das volle blendende Tageslicht aushalten kann.