Auslegung der Bibel
Einstieg: Um einen Abschnitt in der Offenbarung auszulegen, müssen wir bedenken, dass er zu einer Zeit geschrieben wurde, als Christen schwer verfolgt wurden. Johannes verwendet die bildhafte Sprache aus gutem Grund. Symbolische Sprache kann in diesem Buch nicht wörtlich genommen werden.
Einleitung
Name
Der Name „Offenbarung” ist eine Übersetzung des ersten Wortes im griechischen Text des Buches: Apokalypsis (ἀποκάλυψις = Apokalypse). Manchmal wird das Buch auch als „die Apokalypse” bezeichnet. Zudem gilt es zu beachten, dass der erste Vers des Buches besagt, dass es die „Offenbarung” (Einzahl, nicht „Offenbarungen”) von „Jesus Christus” ist (nicht die „Offenbarung des Johannes”).
Autor und Datum
Im Buch selbst wird Johannes als Autor genannt, der die „Offenbarung Jesu Christi” erhielt (Offenbarung 1,1). Der Autor ist also der Apostel Johannes, der vier weitere Bücher des Neuen Testaments schrieb (das Johannesevangelium sowie der 1., 2. und 3. Johannesbrief). Johannes überlebte alle anderen Apostel und soll der einzige Apostel sein, der eines natürlichen Todes starb und nicht als Märtyrer umkam.
Die Datierung ist zwar umstritten und hängt von der Auslegungstheorie des Auslegers ab, doch die meisten konservativen Gelehrten datieren die Offenbarung auf etwa 95 n. Chr., während der Herrschaft des römischen Kaisers Domitian. Johannes schrieb das Buch im Exil auf der Insel Patmos (Offenbarung 1,9) und richtete es an die „sieben Gemeinden in Asien” (Offenbarung 1,4). Asien war eine Provinz in Kleinasien (der heutigen Türkei), zu der auch Ephesus gehörte (siehe Kapitel 2 und 3).
Art der Literatur, oder Genre
Die Offenbarung besteht aus drei Arten von Literatur: Apokalypse, Prophetie und Brief.
Die Offenbarung als apokalyptische Literatur: Was ist „apokalyptische” Literatur? „Apokalyptisch” bedeutet „Enthüllung” oder „Entschleierung”. Die Apokalyptik war bei den Juden von etwa 200 v. Chr. bis etwa 200 n. Chr. eine beliebte Literaturgattung. Gordon D. Fee und Douglas Stuart sprechen von „Dutzenden” von Apokalypsen, die Juden und Christen in dieser Zeit bekannt waren.
Merkmale der apokalyptischen Literatur: Wie ist diese Art von Literatur beschaffen? Ihre primären Merkmale sind, dass sie (1) dualistisch (zwei gegensätzliche Mächte, Gut und Böse, darstellend) und (2) eschatologisch (auf endzeitliche Ereignisse ausgerichtet) ist.
Einige ihrer sekundären Merkmale sind, dass sie (1) visionär ist, (2) messianisch, (3) die Angelologie und Dämonologie betont, (4) Tiersymbolik verwendet, (5) Numerologie benutzt, (6) die Vorhersage von Wehklagen und (7) den endgültigen Triumpf des Lichts über die Finsternis beinhaltet. Fee und Stuart bestimmten die allgemeinen Merkmale apokalyptischer Literatur folgendermassen:
1. Die Quelle der Apokalyptik ist die prophetische Literatur des Alten Testaments, vor allem in Hesekiel, Daniel, Sacharja und Teilen von Jesaja.
2. Anders als die meisten prophetischen Bücher sind apokalyptische von Anfang an literarische Werke.
3. Der „Inhalt” der apokalyptischen Literatur wird meist in Form von Visionen und Träumen dargestellt. Die Sprache ist kryptisch (mit verborgenen Bedeutungen) und symbolisch.
4. Apokalyptische Bilder entsprechen mehrheitlich der Phantasie statt der Realität.
5. Da es sich um literarische Werke handelt, sind sie sehr formal in ihrem Stil.
Jüdische Apokalypsen werden als pseudonym bezeichnet, was aber bei der Offenbarung nicht der Fall ist. Aus diesem und anderen Gründen widerstrebte es Carson, Moo und Morris, die Offenbarung als Apokalypse zu betrachten. Das Buch Daniel sowie Teile von Hesekiel, Sacharja und Jesaja werden ebenfalls dieser Gattung zugeordnet.
Gründe für apokalyptische Literatur: Eine der ersten Fragen, die man sich in Bezug auf diese Literatur stellen könnte, lautet: „Weshalb sollte Johannes so etwas schreiben?” oder „Warum sollte der Heilige Geist Johannes dazu inspirieren, so etwas zu schreiben?” Die überzeugende Antwort auf solche Fragen lautet: „Das weiss niemand.” Wir können jedoch vermuten, dass die Offenbarung, Daniel und Hesekiel aus zwei Gründen im Stil der apokalyptischen Literatur geschrieben wurden: um zu offenbaren und um zu verbergen. Für einige, die den „Schlüssel” zur Auslegung besassen, würde sie offenbaren, was der Verfasser sagen wollte. Anderen, die diesen „Schlüssel” nicht haben, würde die Wahrheit jedoch verborgen bleiben. Mit ziemlicher Sicherheit war es beabsichtigt, dass es für einige schwer zu verstehen ist.
Die Offenbarung als Prophezeiung: Die Offenbarung ist nicht nur im Stil der apokalyptischen Literatur geschrieben, sondern auch ein Buch der Prophetie (siehe Offenbarung 1,3; 22,18-19). Johannes sagte nicht nur die Zukunft voraus (Offenbarung 4,1), sondern verkündete auch die göttliche Botschaft an diejenigen, die sie zum ersten Mal lesen.
Die Offenbarung als Brief: Die Offenbarung ist nicht nur ein apokalyptisches und ein prophetisches Buch, sondern auch ein Brief. Sie beginnt wie ein Brief (Offenbarung 1,4.11), endet wie ein Brief (Offenbarung 22,21) und enthält sieben Briefe an die sieben Gemeinden in Asien (siehe Offenbarung 2 und 3).
Zusammenfassend kann die Diskussion über die Gattung der Offenbarung mit folgenden Worten abgeschlossen werden: „Am besten betrachten wir die Offenbarung als prophetische und apokalyptische Literatur, die in Briefform niedergeschrieben wurde.”
Umstände der Abfassung, Thema
Die Offenbarung wurde in einer Zeit der Verfolgung abgefasst. Christen starben für ihren Glauben (siehe Offenbarung 6,9.10). Das Thema oder der Hauptgedanke der Offenbarung lautet: Am Ende gewinnt Gott!
Wie sehr entsprach diese Botschaft der Offenbarung den Bedürfnissen der Menschen damals? Johannes tröstet die Gläubigen, indem er ihnen mit seinen Worten Mut macht und sagt, dass die göttliche Macht und Gerechtigkeit siegen wird, trotz ihrer gegenwärtigen Lage, in der es aussieht, als ob das Böse gewinnen würde und der Teufel im Vorteil sei. Deshalb fühlten sich Christen getröstet und gestärkt! Die Offenbarung verkündet, dass Gottes Volk auf der Seite der Sieger steht. Wenn die Gläubigen trotz Verfolgung treu bleiben, können und werden sie gerettet werden. Johannes wollte damit sagen, dass Gott letztendlich triumphieren wird und dass Satan und seine Mächte (einschliesslich derer, die die ersten Leser der Offenbarung verfolgten) vernichtet werden!
Gliederung
Es gibt mehrere Möglichkeiten, das Buch aufzugliedern (siehe die die Offenbarung im Überblick). Roper schlug die folgende Gliederung der Offenbarung mit sieben Punkten vor:
I. Christus inmitten der sieben Gemeinden (1-3).
II. Das Buch mit den sieben Siegeln (4-7).
III. Das Blasen der sieben Posaunen (8- 11).
IV. Die Vorstellung der Feinde der Gemeinde (12-14).
V. Die sieben Schalen des Zorns (15; 16).
VI. Die Vernichtung der meisten Feinde der Gemeinde (17-19).
VII. Die Vernichtung des Drachens, gefolgt von dem neuen Himmel und der neuen Erde (20-22).
AUSLEGUNG DES NEUTESTAMENTLICHEN BUCHES
DER PROPHETIE: OFFENBARUNG
Wie soll die Offenbarung ausgelegt werden? Um diese Frage zu beantworten, werden wir zunächst einen Überblick über die verschiedenen Arten der Auslegung der Offenbarung geben.
Allgemeine Theorien der Auslegung
Verschiedene Autoren haben vier primäre Methoden oder Theorien für die Auslegung der Offenbarung entwickelt.
1. Die präteristische Theorie: Nach dieser Theorie muss „der grösste Teil des Materials die Zeitperiode betreffen, in der das Buch geschrieben wurde”. Diese Sichtweise wird auch als „zeitgeschichtlicher” Ansatz bezeichnet. Diejenigen, die diese Auslegungsmethode anwenden, glauben, dass praktisch alles im Buch bis zum Ende des ersten Jahrhunderts erfüllt wurde: „Die Visionen des Johannes erwachsen aus den Ereignissen in der Zeit des Johannes und beschreiben diese.” Die Gelehrten, die diese Ansicht vertreten, datieren die Abfassung des Buches oft auf die Zeit 70 nach Christus, also wesentlich früher als die meisten anderen. Diese Ansicht kann dazu führen, dass die Ausleger von Offenbarung 21 das Bild der Braut als Gemeinde und nicht als Himmel betrachten. Sie könnten auch glauben, dass praktisch alle Vorhersagen der Zerstörung in dem Buch mit der Zerstörung Jerusalems im Jahr 70 n. Chr. zusammenhängen. Ein Problem bei dieser Ansicht ist die Unwahrscheinlichkeit, dass die Zerstörung Jerusalems im Jahr 70 n. Chr. für die Gemeinden ausserhalb Palästinas so bedeutsam gewesen wäre, wie es diese Theorie voraussetzt.
2. Die historische Sichtweise (oder der „kontinuierlich-historische Ansatz”.): Diese Theorie „versucht, das Material im Sinne der Kirchengeschichte zu interpretieren, indem sie verschiedene Punkte in den Visionen mit führenden Bewegungen und Ereignissen vom apostolischen Zeitalter bis zur Neuzeit in Verbindung bringt.”
Diese Ansicht sieht die Offenbarung als eine im Voraus geschriebene Geschichte, die darauf hindeutet, dass die Ereignisse in den Kapiteln 5 bis 19 zur Zeit der Abfassung des Buches in der Zukunft lagen und nun Vergangenheit geworden sind. Dieser Ansatz sieht die Offenbarung als „eine Skizze der Geschichte von der Zeit Christi bis zum Tag [des Auslegers].” Diese Auslegungsmethode ist unter Protestanten und in den Gemeinden Christi sehr beliebt. Sie führt zur Ansicht, dass vieles von dem, was vorhergesagt wurde, mit der römisch-katholischen Kirche und der protestantischen Reformation zusammenhängt.
3. Die futuristische Sichtweise: Diese Sichtweise „versteht die zentralen Kapitel als Darstellung von Ereignissen der Endzeit, die zur Wiederkunft Christi führen und eng damit verbunden sind”. Diese Theorie „besagt, dass alles in der Offenbarung von Kapitel 4 bis zum Ende seine Erfüllung in den allerletzten Tagen der menschlichen Geschichte findet”. Manchmal wird angenommen, dass Kapitel 2 und 3 sieben Perioden der Kirchengeschichte darstellen. Die Prämillenialisten vertreten den futuristischen Ansatz zur Offenbarung.
4. Die idealistische oder spirituelle Sichtweise (oder geschichtsphilosophischer Ansatz) : Diese Theorie besagt, „dass das apokalyptische Gewand lediglich dazu dient, den zeitlosen Kampf zwischen dem Reich Gottes und den Mächten des Bösen, die sich dagegen auflehnen, darzustellen”. „[Nach diesem Ansatz] ist die Symbolik dazu bestimmt, uns zu helfen, Gottes Person und seine Wege mit der Welt in allgemeiner Weise zu verstehen, und nicht dazu, uns in die Lage zu versetzen, einen Verlauf der Ereignisse zu skizzieren.”
Zu diesen vier Auslegungsmethoden sind zwei Punkte zu bemerken:
(1) Die Tatsache, dass sie alle verwendet wurden, um das Buch zu interpretieren, bedeutet nicht, dass sie alle gleich wertvoll und hilfreich sind. Alle haben Stärken und Schwächen, aber die Schwächen einiger Ansätze sind gravierender als andere.
(2) Die vier Ansätze erschöpfen nicht die Möglichkeiten der Methoden, die bei der Auslegung der Offenbarung verwendet werden können. Es sind auch andere Methoden verwendet worden, und häufig wird eine Kombination von Ansätzen bevorzugt. Roper empfiehlt die von ihm bezeichnete „vernünftige Vorgehensweise”; eine Kombination, die den symbolischen Ansatz betont, aber auch den geschichtlichen Hintergrund berücksichtigt. Mit anderen Worten gibt er einen „symbolisch-präteristischen” Ansatz zur Auslegung.
Zusätzlich zu diesen allgemeinen Auslegungsmethoden können drei Ansichten über das Millenium (die tausend Jahre, von denen in Offenbarung 20 die Rede ist) die Art und Weise beeinflussen, wie eine Person das Buch versteht.
Drei Ansichten über das Millenium
1. Prämillenialismus: Die Prämillenialisten glauben, dass Christus vor dem Millennium kommen wird und dass er, wenn er kommt, einen König auf Erden aufstellen wird, der tausend Jahre lang regiert, wonach die Ewigkeit im Himmel oder in der Hölle beginnt. Nach prämillenialer Ansicht war der grösste Teil der Offenbarung nicht nur für diejenigen, die sie zum ersten Mal lasen gedacht, sondern sind auch für die heutigen Leser zukunftsweisend. Traditionell sind die meisten konservativen Protestanten Prämillenialisten.
2. Postmillenialismus: Postmillenialisten glauben, dass das Millennium eintritt und dass Christus nach dem Millennium (Post = nach) kommen wird. Einige liberale Theologen sahen dieses Millennium Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts kommen, da sie glaubten, dass die Menschheit immer mehr Fortschritte auf dem Weg zu einem göttlichen Reich auf Erden machte. Zwei Weltkriege zerstörten jedoch ihre Illusionen. Einige Postmillenialisten setzen das „Gemeindezeitalter” mit dem Millennium gleich und glauben, dass die Verkündigung des Evangeliums „Satan binden” wird, so dass das Millennium ein Zeitalter grossen Wohlstands des Evangeliums sein wird. Am Ende dieses Zeitalters erwarten sie die Wiederkunft Christi.
3. Amillenialismus: Die Amillenialisten glauben, dass es keine buchstäbliche tausendjährige Herrschaft, d. h. kein Millenium, geben wird. Stattdessen sind sie der Meinung, dass die tausend Jahre in Offenbarung 20 symbolisch zu interpretieren sind und für etwas anderes stehen. So wie es in der gesamten Offenbarung Symbole gibt, betrachten sie die „tausend Jahre” in der Offenbarung als Symbol für ein geistliches Konzept.
Besondere Anforderungen
bei der Auslegung der Offenbarung
Welche Vorschläge können über die allgemeinen Bemerkungen hinaus für die Auslegung der Offenbarung oder eines Abschnitts aus der Offenbarung gemacht werden? Hier sind einige Fakten, die wir im Auge behalten sollten.
1. Das Buch kann und sollte verstanden werden, denn es war dazu gedacht, dass man danach handelt. Es sollte zumindest von einigen verstanden werden; denn es beginnt (Offb 1,3): „Glückselig, der liest und die hören die Worte der Weissagung und bewahren, was in ihr geschrieben ist.” Es geht also nicht bloss ums Hören, sondern auch ums Bewahren der Worte der Weissagung. Zahlreiche Verweise im Buch deuten auf die Notwendigkeit der Treue und Ausdauer hin (siehe Offenbarung 2,10; 12,17; 13,10; 14,4.5.12; 21,7-8). Diese Wahrheiten gelten nicht bloss den sieben Gemeinden, sondern auch den zukünftigen Generationen von Gläubigen. Die Schlussfolgerung, die wir aus der wiederholten Ermahnung aus den Briefen an die sieben Gemeinden ziehen sollten, lautet (Offb 2 & 3): „Wer ein Ohr hat, höre, was der Geist den Gemeinden sagt.” Daher kann erwartet werden, dass die Offenbarung zumindest bis zu einem gewissen Grad verstanden wird, sodass der Leser im Stande ist, den Anweisungen aus dem Buch zu folgen.
2. Da diese sieben Gemeinden tatsächlich existierten, war das, was der Geist ihnen zu sagen hatte, sehr ernst zu nehmen. Diese sieben Gemeinden wurden aus einem besonderen Grund ausgewählt. Vielleicht, weil sie Merkmale hatten, die auch andere Gemeinden in jener Zeit aufwiesen.
3. Einige, der im Buch beschriebenen Dinge, waren zumindest für die Menschen, die es zuerst erhielten, zukunftsweisend. (Siehe Offenbarung 1,19; 4,1.) Daher muss jede Sichtweise, die den Inhalt der Offenbarung ausschliesslich auf die Vergangenheit der ersten Leser bezieht, zurückgewiesen werden.
4. Der beste Weg, die Visionen des Buches zu erforschen, besteht darin, zu versuchen, das zu „sehen”, was Johannes sah. Das Buch ist dramatisch, es ist voll von Bildern. Solange wir sie nicht sehen und schätzen und in gewisser Weise „fühlen” können, werden wir sie nicht wirklich verstehen.
5. Ein Grossteil des Buches ist offensichtlich symbolisch und in sehr bildhafter Sprache geschrieben. Diese Tatsache wird durch das Wort „wie” oder „gleich” immer wieder untermauert (Offb 1,13.14.15.15.17). Zudem werden Details einiger Visionen mit den Worten, „das sind …” (Offb 1,20; 5,8), erklärt. Stellen, in denen das Buch selbst preisgibt, wofür ein Symbol steht, geben uns Gewissheit, die bildhafte Sprache zu deuten.
6. Was uns heute in der Offenbarung rätselhaft erscheint, war für die ersten Leser damals wahrscheinlich nicht so rätselhaft. Offensichtlich hatten sie Anhaltspunkte oder „Schlüssel”, die ihnen zum Verständnis der Visionen mit ihren Symbolen dienten, die wir heute nicht mehr besitzen. Everett F. Harrison sagte: „Es ist ein geheimnisvolles Buch, voller Rätsel für den modernen Leser. Aber das bedeutet nicht, dass es für die Gläubigen, die es am Ende des ersten Jahrhunderts lasen, auch so war.”
7. In den Visionen des Buches ist es unwahrscheinlich, dass jedes Detail wichtig oder sinnvoll ist. Fee und Stuart haben es gut ausgedrückt:
Es gilt, die Visionen als Ganzes zu sehen und nicht sämtliche Details herauszupressen. In dieser Hinsicht sind Visionen wie die Gleichnisse zu verstehen. Eine Vision versucht, etwas zu sagen, in der die Details entweder, (1) den dramatischen Effekt verstärken (6,12-14) oder (2) das Bild des Ganzen ergänzen. Auf diese Weise werden die Hinweise vom Leser nicht verwechselt (9,7-11).
Es gilt also, die Vision als ganzheitliches Bild zu verstehen und zu fragen: Was will der Herr uns mit dieser Vision ganzheitlich mitteilen? Die Details sind vielleicht gar nicht so wichtig.
8. Beim Versuch, die Symbole und Visionen zu verstehen, muss der geschichtliche Zusammenhang des Schreibers und seiner Leser berücksichtigt werden. Wie sieht der Kontext aus?
In der Offenbarung wird häufig auf das Alte Testament angespielt oder es wird zitiert. Wir müssen diese Anspielungen beachten und dürfen nicht denken, dass dieselben Worte sich immer auf dieselben Dinge beziehen. Alttestamentliche Worte oder Symbole, die in der Offenbarung wiederholt werden, bedeuten nicht unbedingt Identität, sondern nur Ähnlichkeit.
Es gibt ein „symbolisches Universum” in diesem Buch. Dieses Merkmal ist auch in anderen Visionen zu finden. Mit anderen Worten: Es ist wahrscheinlich, dass im allgemeinen Sprachgebrauch, insbesondere in einer kleineren Gemeinschaft wie der Gemeinde, einige Worte oder Bilder, die normalerweise für bestimmte Dinge standen, später andere Dinge repräsentierten. Die nicht-kanonische „apokalyptische Literatur” kann uns Hinweise darauf geben, was diese Symbole bedeuteten.
Die geschichtlichen Umstände müssen berücksichtigt werden. So ist es zum Beispiel von Bedeutung, dass das Buch in einer Zeit der Verfolgung geschrieben wurde. Die Tatsache, dass Rom im ersten Jahrhundert die Welt beherrschte, wirkt sich auch auf die Auslegung zumindest einiger Symbole im Buch aus.
9. Um eine beliebige Stelle des Buches auszulegen, muss man wissen, wie diese Stelle in die Gesamtgliederung des Buches passt. Es scheint, dass dieses Buch eine sorgfältige Gliederung verlangt. Deshalb kann es von Bedeutung sein, wo ein Abschnitt innerhalb dieser Gliederung zu finden ist.
10. Auch wenn die Einzelheiten der Offenbarung schwer zu verstehen sind, ist die Hauptaussage des Buches leicht zu erfassen. Jeder, der das Buch in einer Sitzung durchliest und nach der einzigen, primären Botschaft sucht, wird sie wahrscheinlich finden. Worin besteht diese Botschaft, dieses Thema? Wir dürfen nicht vergessen, dass die Offenbarung zu einer Zeit geschrieben wurde, als die Christen verfolgt wurden. Deshalb ist das Thema oder der Hauptgedanke des Buches: Am Ende wird Gott siegen. An manchen Stellen des Buches sieht es nicht so aus, als würde Gott siegen, aber am Ende triumphiert er, und das gilt auch für diejenigen, die auf seiner Seite stehen und ihm treu bleiben!
11. Das Buch kann nicht in einer Weise interpretiert werden, die für die ersten Leser keinen Sinn ergeben hätte. Sowohl der kontinuierlich-geschichtliche Ansatz als auch der futuristische Ansatz scheinen diese Regel zu verletzen. Das heisst, wenn einer dieser beiden Ansätze richtig wäre, hätte der Text für die ersten Leser wenig oder gar nichts bedeutet.
12. Symbolische Sprache darf nicht so interpretiert werden, als wäre sie wörtlich zu nehmen. Wir sollten an die Offenbarung anders herangehen als an die meisten Bücher der Bibel. Die allgemeine Regel lautet wie folgt: Ein Text sollte immer wörtlich genommen werden, es sei denn, es gibt gute Gründe für die Annahme, dass eine symbolische Sprache verwendet wird. Die Offenbarung stellt diese Regel auf den Kopf. Die Regel für die Auslegung der Offenbarung lautet wie folgt: Eine Stelle im Buch der Offenbarung sollte immer so verstanden werden, dass sie eine symbolische Bedeutung hat, es sei denn, es gibt einen guten Grund, sie als wörtlich zu verstehen. In vielen Fällen machen die Menschen den Fehler, die symbolische Sprache wörtlich zu nehmen. Zum Beispiel: Offenbarung 7 und 14 wird fälschlicherweise so ausgelegt, als ob genau 144 000 Seelen gerettet werden.
13. Im Allgemeinen können schwierige oder unklare Stellen nicht zur Auslegung klarer Stellen verwendet werden. Roper sagte: „Lege niemals eine bildliche Stelle so aus, dass sie der klaren Lehre anderer Stellen widerspricht.” Was die Bibel in anderen Stellen klar lehrt, wird in der Offenbarung nicht widerlegt.
Schlussfolgerung
Hat dieses schwierige, geheimnisvolle Buch für heutige Christen noch einen Wert? Ja! Die Offenbarung wurde geschrieben, um nicht nur den ursprünglichen Empfängern zu nützen, sondern auch anderen, die ihre Worte lesen. Wenn die Offenbarung für uns nur ein Buch voller Rätsel bleibt, dann haben wir aus dem Buch nicht das erhalten, was Gott uns geben wollte. Wie kann die Botschaft der Offenbarung angewandt werden?
Erstens bringt sie uns Trost und Ermutigung, so wie sie den ersten Lesern Hoffnung gab. Wir werden vielleicht nicht so verfolgt wie sie, aber wir können uns trotzdem von den Mächten des Teufels überwältigt fühlen. Wenn das der Fall ist, ist es gut zu wissen, dass Gott uns zum Sieg verhelfen wird.
Zweitens ermutigt es uns, unter allen Umständen treu zu sein, auch wenn es noch so schwierig ist. Die ersten Christen wurden ermutigt, auch dann treu zu bleiben, wenn ihr Leben in Gefahr stand, deshalb blieben viele treu. Wir dürfen nicht zulassen, dass Probleme uns dazu bringen, uns von Gott abzuwenden. Vielmehr wollen wir „den Siegeskranz des Lebens” nicht aus den Augen verlieren, indem wir treu sind bis zum Tod (Offenbarung 2,10).
Wenn wir wirklich alles in uns aufnehmen, was die Offenbarung lehrt, dann haben wir das Wort der Wahrheit verstanden, das zu uns spricht (Offb 1,3): „Glückselig, der liest und die hören die Worte der Weissagung und bewahren, was in ihr geschrieben ist.”