Genesis-37: Josef, geliebter Sohn und gehasster Bruder

Gründung der hebräischen Nation

 

 

 Einleitung

Die Geschichte Josefs ist sehr berührend und spielt eine wichtige Rolle in der Entwicklung Israels. Sie zeigt, dass niemand Gottes Pläne durchkreuzen kann. Denn Gott wählte für sein Volk die Geburtsstätte in Ägypten aus. Sein Ziel war es, aus seinem Volk seinen eigenen Sohn hervorgehen zu lassen, der die vertriebene Menschheit aus dem Paradies wieder zu IHM zurückführte. Dazu brauchte der Herr 2'000 Jahre Menschheitsgeschichte.

Die Geschichte Josefs ist eine der vielen wichtigen Ereignisse und Etappenziele, die Gottes Pläne gelingen liessen.


 I.   Geliebter Sohn und gehasster Bruder

Zuerst beginnt die Geschichte mit der Tatsache, dass Jakob sich im Land Kanaan niederliess „in dem sein Vater als Fremder geweilt hatte“ (Gn. 37,1). Das ist schon einmal gut, denn Gott wollte, dass sein Volk in Kanaan lebte (Gn. 12,1.5; 13,13-15; 15,7.18; 17,8; 24,7; 26,2-4; 28,4.13-15; 31,3.13; 35,12). Sein Bruder Esau hingegen verliess Kanaan und zog mit seinen Frauen, Kindern, Sklaven und mit allem was er hatte ins „Gebirge Seir“, das ist Edom (Gn. 36,6-8).

In Genesis 37,2 heisst es: „Dies ist die Geschichte Jakobs.“ Die biblische Aufzeichnung sieht nach wie vor Jakob als Hauptperson in der Geschichte Israels. Obschon es in den folgenden Kapiteln hauptsächlich um Josef geht, spielt er eine untergeordnete Rolle in der gesamten Geschichte des Volkes Israel. Diese Tatsache mindert in keiner Weise die wichtige Bedeutung, die Josef einnimmt. Gott benützte Josef für seinen grossen Heilsplan, nämlich; für die Zukunft Israels und für die Erfüllung seiner Verheissung an Abraham, durch dessen Sohn, Jesus Christus, alle Menschen gesegnet werden sollen (Gal. 3,16).

Jakob hatte zwölf Söhne (Gn. 30). Josef war Jakobs Lieblingssohn, den er mehr liebte als die übrigen Söhne (V. 3). Er war der Sohn seiner Lieblingsfrau Rachel (Gn. 29,30; 37,3). Er wurde ihm erst im hohen Alter geboren (in Charan: Gn. 30,22-24). Allerdings war er nicht der jüngste Sohn. Benjamin wurde einige Zeit später geboren, wobei seine Mutter Rahel dabei ihr Leben verlor (Gn. 35,16-18). Mit siebzehn Jahren hütete Josef bereits die Schafe, zusammen mit seinen Brüdern (V. 2). Sie waren die Söhne von Jakobs Nebenfrauen, den Mägden Bilha und Silpa.

Obschon Jakob in einer Familie aufwuchs, wo die Eifersucht unter den Geschwistern durch die Eltern geschürt wurde, lernte er nichts dazu (Gn. 25,28). Auch er begünstigte einen seiner Söhne so sehr, dass Eifersucht entstand und die Halbbrüder Josef dafür hassten (V. 4). Vater Jakob gab seinem Sohn Josef einen Sonderstatus. Er schenkte ihm ein schönes Kleid mit Ärmeln und verwöhnte den Knaben. Es ist nicht klar, ob es ein langärmliges oder ein mehrfarbiges Kleid war. Auf jeden Fall war es kein Arbeitskleid. Es war ungeeignet und unpassend auf dem Feld. Bsp. vergleichbar mit einem Anzug und Krawatte im Strassenbau. Der Knabe berichtete dem Vater regelmässig, was die übrigen Brüder den ganzen Tag anstellten (V. 2b). Ob seine Berichterstattungen immer objektiv waren, wird hier nicht erwähnt. Es könnte jedoch gut sein, dass der Vater Jakob seinen übrigen Söhnen nicht traute, da sie in Schechem ein Blutbad anrichteten und mit ihrer Rache für die vergewaltigte Schwester Diana die ganze Familie in Gefahr brachten (Gn. 34,18-31). Eins steht fest: als Spion machte sich Josef bei seinen Brüdern noch unbeliebter. Seine Brüder „mochten kein freundliches Wort [Schalom = ein Wort des Friedens] mehr mit ihm reden“ (V. 4).

Das Fass zum Überlaufen brachten Josefs Erzählungen über seine Träume (V. 5-11). Der erste Traum handelte von elf Getreide Garben, die sich vor seiner Garbe verneigten. Im zweiten Traum sah Josef die Sonne und der Mond, zusammen mit elf Sternen, sich vor ihm verneigen. Er machte keinen Hehl daraus, seinen Vater und seine Brüder mit diesem Traum zu verbinden. Das war sogar für den Vater zu viel, so dass er ihn dafür tadelte und sagte (V. 10): „Was soll dieser Traum, den du geträumt hast? Sollen etwa ich und deine Mutter und deine Brüder kommen und uns vor dir zur Erde niederwerfen?“ Obschon seine Mutter Rachel zu diesem Zeitpunkt bereits tot war (Gn. 35,18), lautete die Antwort „Ja“, denn Gott hatte es so geplant. Doch vorher musste Josef noch durch eine harte Lebensschule. Weshalb der Herr sich ausgerechnet Josef dafür aussuchte, wissen wir nicht. Damit wurde die Eifersucht der Brüder noch zusätzlich geschürt. Denn Josef ging nicht sehr weise um mit seiner Situation. Bestimmt hatte er die Abneigung seiner Brüder mehr als einmal erfahren. Doch er gab noch einen zusätzlich oben drauf, indem er von seinen Brüdern forderte, ihm zu zuhören (V. 6). In einer andern Übersetzung (Hfa) wird nicht von erzählen sondern von rufen gesprochen („Hört mal, was ich geträumt habe!“ rief er.) Damit machte er eine schlechte Situation nur noch schlimmer. Aus dem Text tritt eine stolze, ja sogar spöttische Haltung seiner jugendlichen Arroganz zum Vorschein. Er überhob sich über seine Brüder und forderte damit seinen eigenen Untergang heraus, denn: „Stolz kommt vor dem Sturz und Hochmut vor dem Fall“ (Spr. 16,18). „Gott widersetzt sich den Hochmütigen, den Demütigen aber schenkt er seine Gnade“ (Jak. 4,6b). Natürlich war es Gottes Plan, der sich viele Jahre später in Ägypten erfüllte, indem seine Brüder sich tatsächlich vor Josef verneigten (Gn. 42,6; 43,26.28; 50,18). Weder Josef noch seine Brüder verstanden die Bedeutung dieser Träume. Trotzdem nahmen die Brüder ihn genügend ernst, so dass sie Neid aufkommen liessen (V. 11). Später verstand Josef, weshalb sich der Traum wiederholte, denn damit offenbarte der Herr, dass sein Plan fest beschlossen war (Gn. 41,32). Übrigens, das ist der erste Traum, der in der Bibel aufgeschrieben wurde, in welchem Gott sich einer Person nicht akustisch hörbar offenbarte (vergleiche: Gn. 20,3-7; 28.12-15; 31,11-13.24).

 

 II.   Die Verschwörung gegen Josef

Die Brüder trieben die Schafe aus Chebron (westlich vom Toten Meer) heraus Richtung Schechem (V. 12) bis nach Dotan (nördlich von Samaria, V. 17). Dies war eine Entfernung von mindestens 70 Kilometer. Offenbar gab es im Norden bessere Weideplätze. Weshalb drangen sie so weit in das Gebiet ein, wo sie vor einiger Zeit ein Massacker anrichteten? (Gn. 34: Simeon und Levi). War das nicht zu gefährlich? Weshalb entsandte Jakob seinen Sohn allein in dieses gefährliche Gebiet, um nach seinen Brüdern zu schauen? (V. 13-14). Weshalb war Josef nicht bei seinen Brüdern auf dem Feld, sondern wurde ihnen als Spion nachgesandt? War sich der Vater Jakob bewusst, wie sehr Josef von seinen Brüdern gehasst wurde? Das sind Fragen, auf die es in der Bibel keine Antworten gibt. Wir wissen nur, dass Jesus solch eine gottlose Einstellung der Brüder Josefs verurteilt (Mk 7,21-22). Paulus zählt Feindschaft, Streit, Eifersucht, Zwietracht, Parteiung und Missgunst zu den Werken des Fleisches die nicht ins Reich Gottes führen (Gal. 5,19-21). Den elf Brüdern war es zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht bewusst, dass sie die Stammväter Israels sind und Gottes heiliges Volk repräsentieren werden. Sie waren von Hass erfüllt und schmiedeten grausame Pläne, um ihren Bruder Josef los zu werden (V. 18-20). In der antiken Welt glaubte man, dass Träume ein schlechtes Omen für die Zukunft seien, deshalb wollten sie den Träumer loswerden.

Als Josef auf dem Weg nach Norden umherirrte, um nach seinen Brüdern zu schauen, begegnete ihm ein Mann (V. 15-17). Nach jüdischer Tradition war das ein Engel, der in menschlicher Gestalt erschien. Der Mann spielte auf jeden Fall eine wichtige Rolle in Gottes Plan, so dass Josef nach weiteren 20 Kilometern Fussmarsch endlich auf seine Brüder stiess.

Ruben, der älteste Sohn, setzte sich für das Leben Josefs ein (V. 21). Vielleicht wollte er damit seine Schuld nicht noch grösser machen. Er schlief nämlich mit der Nebenfrau seines Vaters Jakob, der Magd Bilha (35,22) und brachte damit Schande über die ganze Familie. Er schlug vor kein Blut zu vergiessen sondern Josef in eine Wasserzisterne zu werfen und das taten sie auch (V. 22-23). In den meisten Wasserzisternen wäre Josef auch gestorben, doch diese Zisterne war leer (V. 24). Zudem konnte man bei dieser Zisterne ein langes Seil herunterlassen, um einen Gefangenen wieder heraufzuziehen (wie beim Propheten Jeremia: Jer. 38,1-3). Das gefiel Ruben, denn er hatte vor, später seinen Bruder zu befreien und ihn dem Vater zurückzubringen (V. 22). Damit hätte er beim Vater Jakob bestimmt etwas gut gemacht, für seine Schandtat früher. Denn Josef hätte dem Vater sicher alles genau berichtet was mit ihm geschehen war, dass Ruben, der Erstgeborene ihn aus der Zisterne rettete.

Doch die Geschichte nahm eine andere tragische Wende. Als Erstgeborener war Ruben auch für die Tiere verantwortlich und deshalb entfernte er sich, um nach ihnen zu sehen. Die skrupellosen Brüder machten es sich gemütlich und nahmen Speise zu sich (V. 25). Während Ruben weg war, setzte sich Juda ein für Josef (V. 26). Er schlug vor, einen Profit zu machen und Josef als Sklave zu verkaufen, statt umzubringen (V. 27). Die übrigen Brüder waren einverstanden und als eine midianitische Karawane sich näherte, verkauften sie Josef für 20 Silberstücke (V. 28). Können wir uns vorstellen, wie der damals siebzehnjährige Josef weinte und seine Brüder anflehte ihn nicht zu verkaufen? Als Josef sie später in Ägypten als Spione bezichtigte und Benjamin zurückbehalten wollte, da kam ihnen sofort der Gedanke, dass sie nun für ihre Schuld büssen müssten (Gn. 42,21). Die Midianiter kümmerten sich nicht um interne Familien Angelegenheiten. Sie nahmen Josef mit nach Ägypten und verkauften ihn an den Kämmerer des Potifars (V. 36). Als Ruben zurückkam und sah, dass Josef nicht mehr in der Zisterne war, entsetzte er sich so sehr, dass er seine Kleider zerriss (V. 29). Er dachte, die Brüder hätten den siebzehnjährigen Knaben auf eine andere Weise umgebracht und vergraben (V. 30). Er wusste, dass er so nicht zum Vater nach Hause zurückgehen konnte. Ruben war der Einzige, der mit seinem Bruder Mitgefühl hatte, doch er vermochte ihn nicht zu retten.

Schliesslich schlachteten die Brüder einen Ziegenbock und tauchten Josefs Kleid in das Blut (V. 31). Ihr Plan war, den Vater zu belügen, indem sie ihm erzählten Josef sei von einem wilden Tier getötet und gefressen worden (V. 32). Als Jakob das zerschundene Kleid seines Sohnes sah das mit Blut verschmiert war, zerriss er seine Kleider vor Entsetzen (V. 33). Tagelang trauerte er um seinen geliebten Sohn und war untröstlich (V. 34-35). Selbst zwanzig Jahre später trauerte er noch um Josefs Tod (Gn. 42,36).

 

 III. Schlussfolgerungen

Die Hauptlektion, die wir aus dieser tragischen Geschichte lernen ist, dass Gott fähig ist, aus jeder Situation etwas Gutes zu machen (Röm. 8,28). Gott kann mit guten und mit schlechten Ereignissen seine Pläne verwirklichen. Wäre Josef aus seiner Todessituation befreit worden und hätte seinem Vater zu Hause berichten können, dass seine Brüder ihn zu töten suchten, dann hätte dies vermutlich die Zukunft der ganzen Familie zerstört. So wäre Josef nie nach Ägypten gekommen und Jakob und seine Familie wären später nie nach Ägypten umgezogen. Vierhundert Jahre später hätte es auch kein Mose gegeben, der das Volk Israel aus Ägypten befreien konnte (Apg. 7,6-16). Doch der allmächtige Gott hatte mit dieser Familie noch etwas Grosses vor, das er bereits dem Abraham verheissen hatte (Gn. 12).

Eine andere Lektion, die wir daraus lernen können ist, dass alles auf uns zurückkommen wird, wie bei Jakob. Mit grosser List täuschte er damals seinen fast erblindeten Vater, indem er die Kleider Esaus trug (Gn. 27,15). Nun wurde er selbst getäuscht durch seine älteren Söhne, die das blutbesudelte Kleid seines liebsten Sohnes missbrauchten (Gn. 37,31-34). Galater 6,7-8: „Täuscht euch nicht: Gott lässt sich nicht verhöhnen! Denn was ein Mensch sät, das wird er auch ernten. Wer auf sein Fleisch sät, wird vom Fleisch Verderben ernten, wer aber auf den Geist sät, wird vom Geist ewiges Leben ernten.“ Darum, lasst uns nicht müde werden das Gute zu tun, „denn zu gegebener Zeit werden wir ernten, wenn wir nicht ermatten“ (Gal. 6,9).

 

 Zusammenfassung

Josef beinhaltet viele Schatten, die auf Jesus Christus hinweisen. Auch Jesus wurde von seinen jüdischen Brüdern gehasst, verraten und verkauft (für 30 Silberstücke: Mt. 26,15). Josef wurde von seinen Brüdern gehasst, wegen seiner Träume und Jesus wurde von seinen Brüdern gehasst, weil er behauptete der ewige König zu sein (Joh. 18,37; 19,15). Josef war der geliebte Sohn Jakobs und Jesus der einzige und geliebte Sohn Gottes (Joh. 1,29; 3,16; Lk. 19,10; 1. Joh. 4,14). Josef wurde in die Tiefe der Zisterne geworfen und Jesus in die Tiefe des Todes (Mt. 27,46). Josef wurde Herrscher und vergab seinen Brüdern und Jesus wurde Könige und vergibt allen seinen Feinden (Apg. 2,34-38; Röm. 5,6-11; 1. Pet. 2,24). Josef schenkte seinen Brüdern Land und Jesus schenkt allen Gläubigen ein ewiges Erbteil im Himmel (Eph. 1,11-14; 1. Pet. 1,4).

Auch wenn die Brüder Josef nicht getötet haben, so haben sie ihn mit ihrem Herzen ermordet und brachten grosses Leid über die Familie. Der Apostel Johannes schreibt: „Jeder, der seinen Bruder hasst, ist ein Mörder; und ihr wisst, dass in einem Mörder das ewige Leben nicht bleibt“ (1. Joh. 3,15). „Wenn jemand sagt: Ich liebe Gott, und er hasst seinen Bruder, ist er ein Lügner. Denn wer seinen Bruder, den er vor Augen hat, nicht liebt, kann nicht Gott lieben, den er nicht vor Augen hat“ (1. Joh. 4,20). Auch wenn die Zukunft trostlos ausschaut, so lasst uns dennoch Gott vertrauen! Denn der Herr kann aus jeder Niederlage einen Sieg machen! Wir können eine Arbeitsstelle oder einen geliebten Menschen verlieren, schwer krank werden usw. aber niemand kann unseren Glauben rauben. Nur der Glaube kann uns aufrichten aus aller Not und kann uns die Hoffnung geben, die uns hilft grosses Leid zu ertragen (2 Kor 5,6-9). Auch Jakob musste lernen, in grösstem Leid Gott zu vertrauen, wie auch Josef sich bewährte in allen Leiden und bis zum Ende seines Lebens am Glauben festhielt (Hebr. 11,21).

Darum, lasst uns dem Herrn vertrauen und uns von IHM führen lassen, denn Gott meint es gut mit uns. Niemand kann seine Pläne durchkreuzen!