Genesis-39: Josef bewährt sich in Ägypten

Gründung der hebräischen Nation

 

 

 Einleitung

Josef war offenbar ein Mensch, der sich bei andern beliebt machen konnte. Er war der Lieblingssohn Jakobs. Nur bei seinen Brüdern stiess er auf heftigen Widerstand und löste bei ihnen grosse Gefühle der Eifersucht aus. Doch in Ägypten erreichte er einen Stand, den vermutlich noch kein Sklave erhielt. Der Kämmerer des Pharaos machte ihn zu seinem Stellvertreter. Und als er ins Gefängnis geworfen wurde, arbeitete er sich gleich wieder hoch und erwarb sich die Gunst des Gefängnisaufsehers.

Trotz Ungerechtigkeiten, Ablehnungen und Leiden, liess sich Josef nicht entmutigen, sondern wandelte mit dem Herrn. Der einst verwöhnte Sohn wuchs heran zu einem bewundernswerten jungen Mann, mit einer starken Persönlichkeit. Das lehrt uns, dass Menschen die auf den Herrn vertrauen, „Stehaufmännchen“ sind, die aus Niederlagen herauswachsen zum Erfolg.

 

 I.   Erfolgreich in Ägypten (Verse 1-6a)

Josef wurde von den Ismaelitern nach Ägypten gebracht und dort als Sklave weiterverkauft an den Obersten der Leibwache. Hier werden die Midianiter als Ismaeliter bezeichnet (Gn. 39,1; 37,25-36; 21,14.21). Beide sind Söhne der Ketura, Abrahams Nebenfrau und sind genau genommen zwei Völker. Abraham sandte alle Söhne seiner Nebenfrauen mit Geschenken in den Osten, nach Akaba (Gn. 25,2.6).

Der Herr aber war mit Josef, heisst es. Weshalb? Weil er so ein lieber Junge war (siebzehnjährig)? Nein, sondern weil Josef dem Herrn vertraute. Gott hatte mit Josef einen Plan. Gott hat mit allen Gläubigen einen Plan. Die Frage ist nur, ob wir Gottes Plan zulassen, auch wenn es durch Leiden geht. Gott kann seinen Plan mit uns nicht verwirklichen, wenn wir störrisch sind, sondern nur wenn wir gottergeben uns führen lassen von IHM, egal was auch passiert. Ein ägyptischer Sklave besass keine Rechte oder Vorrechte. Sklaven waren lebende Werkzeuge ihres Gebieters. Sie dienten im Haushalt, als Köche, Brauer, Magazinverwalter usw. Sie wurden missbraucht und getötet, wenn sie ungehorsam waren. Sie waren ohne Hoffnung und ohne Lebenssinn. Josef hatte also in seiner Situation zwei Optionen: Auf Gott zu vertrauen oder zu verzweifeln. Josef hoffte auf den Herrn. Josef musste lernen, in einem fremden Haus mit völlig anderen Sitten und Lebensweisen zu Recht zu kommen. Ging es da noch gottloser zu und her als in seines Vaters Haus? – Ohne Zweifel! Doch der Potifar erkannte schnell, dass Josef anders war, als die übrigen Sklaven. Statt bitter zu sein, unglaubwürdig, sich aufzulehnen und nur das Nötigste zu tun, war Josef fleissig. Auf ihn war Verlass und er erledigte seine aufgetragenen Arbeiten zur Zufriedenheit seines Gebieters.

Wie konnte ein verwöhnter Junge mit einer schlechten Haltung sich so schnell zum Guten verändern? Der Erzähler gibt uns keine Gründe für die Veränderung seines Herzens (zu seiner schlechten Haltung, siehe Kommentar in Kapitel 37). Wir können nur entnehmen, dass Josef keinen besonders tiefen Glauben in den Jahwe Gott hatte, als er von seinen Brüdern in die Sklavschaft verkauft wurde. Er hörte zwar das Zeugnis seines Vaters, wie er von Gott sprach, der seine Gebete erhörte, als er in grosser Not war (Gn. 35,3b). Damals war er zwar noch jünger, trotzdem wurden in ihm bereits Samen des Glaubens gelegt, die ihn offensichtlich davon abhielten, ein Sklave voller Auflehnung und Bitterkeit zu werden wie die Übrigen. Er war sich bewusst, dass Gott mit ihm war und dass es keinen Grund zum Selbstmitleid gab. Wie sein Urgrossvater Abraham, glaubte auch er dann, als es nichts mehr zu hoffen gab (Röm. 4,18). Deshalb schenkte ihm der Herr die Kraft zu Überleben und stark zu sein, nach den Worten des Paulus (Phil. 4,13): „Alles vermag ich durch den, der mir die Kraft dazu gibt.“

Auf dem langen Weg nach Ägypten, hatte Josef genügend Zeit, um nachzudenken über sein Leben und Gottes Plan für ihn. Als er in Ägypten ankam, war er eine veränderte Person. Seine Haltung änderte sich radikal und er wurde ein Mann des Glaubens und der guten Werke, der seine Verantwortung erkannte. Im Text lesen wir nur, dass der Herr mit ihm war und ihm alles gelingen liess was er tat. Das waren sicher keine übernatürlichen Wunder, die da geschahen. Denn Gott segnet keine störrischen und widerspenstigen Menschen. Josef trug Gott nicht nur theoretisch im Herzen, sondern er lebte seinen Glauben aus. Josef bewies, dass Jahwe die Quelle des lebendigen und beständigen Lebens ist. Um seinetwillen segnete Gott das Haus Ägyptens. Die Ägypter hatten viele Götter und Potifar war beeindruckt, wie Josef von diesem einzigen Gott, an den er glaubte, so gesegnet werden konnte, dass dieser Segen sogar auf das ganze Haus überging.

Wir lesen immer wieder wie alles, was geschah, sich vor Gottes Augen abwickelte. Der biblische Text will uns bewusst machen, dass Gott alles sieht und aktiv auch an unserem Leben teilnimmt. Mit allem was wir tun oder unterlassen, stehen wir vor Gott. Gott sieht alles und wir befinden uns wie auf einer Bühne. Gott ist mit uns wie er mit Josef war und möchte uns führen und verändern. Sind wir bereit, uns verändern zu lassen wie Josef?

Der Kämmerer des Pharaos vertraute Josef und gab ihm immer mehr Verantwortung. Denn je mehr er ihm anvertraute, desto reicher und wohlhabender wurde er. Potifar brauchte sich um nichts mehr zu kümmern, ausser um die Speise für Josef. Ägyptern war es untersagt, mit Fremden aus andern Ländern zu essen. Mit Hebräern zu essen galt den Ägyptern als Gräuel (Gn. 43,32).

 

 II.   Josef versündigt sich nicht gegen Gott (Verse 6b-18)

Nicht nur Gott warf ein Auge auf Josef, sondern auch die Frau Potifars. Erfolg macht bekanntlich sexy, zudem sah Josef gut aus. Er war „von schöner Gestalt und von schöner Erscheinung“ heisst es (V. 6b). Er war ja auch der Sohn der schönen Rachel, für die sein Vater vierzehn Jahre lang dem Laban diente (Gn. 29,17-18).

Da er trotz allem ein eingekaufter Sklave war, dachte die Frau Potifars, sie hätte das Recht über Josef zu verfügen. Vermutlich war es nicht das erste Mal, dass diese Frau dies tat, da ihr Mann ein Eunuche war. Bis zu diesem Zeitpunkt liessen sich wahrscheinlich die meisten Sklaven nicht lange bitten. Doch Josef war kein gewöhnlicher heidnischer Sklave. Er wies die Verführerin zurück: Dabei dachte er dankbar an die grosse Freiheit, die er als Sklave in Ägypten genoss. Er wollte das grosse Vertrauen seines Herrn nicht missbrauchen, der ihm eine verantwortungsvolle Aufgabe übertrug. Der Hofbeamte hatte ihm nichts vorenthalten, ausser seiner Frau. Das wäre ein grosses Unrecht gewesen in Josefs Augen. Hier sehen wir, was Vertrauen schafft, im Gegensatz zur Kontrollsucht oder Eifersucht. Damit hätte er sich gegen Gott versündigt.

Die Frau des Potifars begegnete noch nie einem Sklaven mit einem solchen Gewissen. Trotzdem liess sie nicht locker und redete jeden Tag auf ihn ein (V. 10). Doch Josef hatte ein starkes Gottesbewusstsein und liess sich nicht beeindrucken von der verführerischen Frau seines Herrn. Bis sie eines Tages ihn dazu zwingen wollte, indem sie sein Kleid festhielt. Naiv wie Josef war, ergriff er die Flucht (1. Kor. 6,18-19). Vermutlich war er nicht ganz nackt, sondern trug um seine Hüften ein Leinentuch, wie das üblich war. Statt sein Kleidungsstück wenigstens mitzunehmen und andern Sklaven zu erzählen was passiert war, liess er es liegen und erzählte niemandem davon. Diese Gelegenheit liess sich die Frau des Potifars nicht entgehen. Gedemütigt rief sie andere Sklaven herbei, zeigte ihnen Josefs Gewand und behauptete, er wollte sie vergewaltigen, dabei liess er erst von ihr ab, als sie um Hilfe schrie. Dann hielt sie das Kleid noch in ihrer Hand als ihr Mann nach Hause kam, um auch ihn zu belügen. Wie so oft im Leben hören sich die meisten Menschen nur die eine Seite eines Streits an und stellen sich dann auch oft auf die falsche Seite. Das tat leider auch der Hofbeamte des Pharaos. Er glaubte seiner Frau jedes Wort und wurde zornig. Dann liess er Josef ins Gefängnis werfen. Viele hundert Jahre später warnte Salomo in den Sprüchen vor solchen Frauen (Spr. 6,20-35; 7,1-27).

Doch Josefs Glaube machte ihn fähig, starke Versuchungen zu überwinden, falschen Beschuldigungen standzuhalten und eine ungerechte Verurteilung zu ertragen. Jesus warnte seine Jünger, dass sie viel Ungerechtigkeiten um seines Namens Willen ertragen werden müssen (Mt. 10,17-25). Auf dem Weg zur Kreuzigung sagte er voraus (Lk. 23,31): „Wenn man solches am grünen Holz tut, was wird erst am dürren geschehen?“ Doch Jesus versprach seinen Jüngern mit ihnen zu sein, selbst in den dunkelsten Stunden ihres Lebens (Lk. 21,12-15). Damit versprach er ihnen kein Leben ohne Leiden. Er verschonte sie auch nicht vor dem Märtyrertod, den die meisten von ihnen über sich ergehen lassen mussten. Er versprach ihnen und auch uns Gläubigen (Mt. 28,20): „Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“ Paulus ruft seinen jungen Mitarbeiter Timotheus auf bereit zu sein, böses zu ertragen (2. Tim. 2,24). Allen Gläubigen sagt Paulus ganz offen folgendes (2. Tim. 3,12): „Alle, die in Christus Jesus ein frommes Leben führen wollen, werden Verfolgungen erleiden.“ Der Heilige Geist tröstet alle Gläubigen mit persönlichen Worten, indem er sagt (Heb. 13,5): „Ich werde dich niemals preisgeben und dich niemals verlassen. So können wir getrost sagen: Der Herr ist mein Helfer, ich werde mich nicht fürchten; was kann ein Mensch mir antun?“ Nehmen wir uns doch ein Beispiel an Josef, an den Aposteln und Propheten, die um des Glaubens Willen viel gelitten haben im irdischen Leben (Jak. 5,10). Denn wer an den Leiden Christi teilhat, der wird auch an seiner himmlischen Herrlichkeit teilhaben (1. Pet. 4,13). Es ist ein grosser Trost in den heiligen Schriften zu lesen, dass Gott mit Josef war, denn genauso ist Gott auch mit uns heute! Selbst wenn es durch Leiden geht, Gott lebt in uns durch den Heiligen Geist, den er uns geschenkt hat und lässt alles zum Guten gelingen (Mt. 1,23; Kol. 1,27).

 

 III. Der Herr verschafft Josef Gunst (Verse 19-23)

Es ist interessant, dieses wiederholende Muster zu beobachten.

 Im Hause Potifars:  Im Gefängnis:
-Der Herr aber war mit Josef (39,2a) -Aber der Herr war mit Josef (39,21a)

-So fand Josef Gnade in seinen Augen (39,4a)

 -Gott machte ihn beliebt und verschafft ihm die Gunst des Gefängnisaufsehers (39,21b)

 -Er setzte ihn über sein Haus, und alles, was er besass, gab er in seine Hand (39,4b)

-So gab der Gefängnisaufs. alle Gefangenen, die im Gefängnis waren, in Josefs Hand
 -Und er legte alles, was er besass, in die Hand Josefs und kümmerte sich um
nichts (39,6a)
 -Der Gefängnisaufseher kümmerte sich selbst um nichts mehr (39,23a)
 -Und sein Gebieter sah, dass der Herr mit ihm war und dass der Herr alles, was er tat, in seiner Hand gelingen liess (39,3)  -weil der Herr mit ihm war. Und was er auch tat, der Herr liess es gelingen (39,23b)

 
Trotz allem was der Herr dem Josef auch gelingen liess, er ersparte ihm nicht den Aufenthalt im Gefängnis. Josef hätte allen Grund gehabt zu klagen und den Herrn um Befreiung zu bitten, doch er tat es nicht. Josef blieb es nicht erspart, als gefangener Sklave in Ägypten sein Leben zu verbringen (2. Kor. 12,9).

Es gibt einige wichtige Fragen in dieser Erzählung, die unbeantwortet bleiben, z. B.: Weshalb hat sich Josef nicht gewehrt und verteidigt gegen die falschen Beschuldigungen? Josef bewies eine überzeugte Haltung und konnte sich vor der Frau mit klaren Worten ausdrücken. Weshalb vermochte er seinen Herrn nicht zu überzeugen? Weshalb liess ihn der Hofbeamte nicht gleich hinrichten, wie es damals im nahen Osten in solchen Fällen üblich war?

Es kann gut sein, dass Potifar hinter diesem Skandal mehr vermutete. Vielleicht gab es in der Vergangenheit wirkliche Fälle von Unzucht, die aufflogen. Er war sich ja bewusst, dass er als Eunuche seiner Frau in sexueller Hinsicht nicht genügen konnte. Bestimmt hatte er gute Gründe, die Ehrlichkeit seiner Frau in Frage zu stellen. Potifar stand vor einem Dilemma. Glaubte er seiner Frau, dann hätte er Josef als Sklave hinrichten müssen. Glaubte er Josef, dann wäre seine Ehe in Gefahr gewesen. Deshalb wählte Potifar einen Mittelweg, indem er Josef ins Gefängnis setzen liess. So musste er ihn nicht töten lassen. Doch damit bestrafte er auch sich selbst, weil er die ganze Arbeit, die er Josef übergab, wieder selber in die Hand nehmen musste.

Josef liess sich nicht verbittern, sondern tat was er immer tat. Er vertraute dem Herrn und bemühte sich weiter gutes zu tun, selbst als Gefangener unter Gefangenen. Die meisten Menschen geben gerne andern die Schuld, um ihre Bosheit zu rechtfertigen. Besonders Ehepaare behaupten nach einer Scheidung oft, dass der Partner sie kaputt gemacht habe. An Josef haben wir den besten Beweis, dass es nichts gibt im Leben, was einen gläubigen und gottergebenen Menschen kaputt machen kann. Josef arbeitete sich langsam wieder hoch und erwarb das Vertrauen des Gefängnisaufsehers. So geschah dasselbe wie mit Potifar damals. Josef übernahm sämtliche Aufgaben des Gefängnisaufsehers und kümmerte sich um alles. War das viel harte Arbeit? – Ja, ohne Zweifel! War das eine verlorene Zeit im Gefängnis? – Nein, keinesfalls! Denn Gott war mit Josef und hatte mit ihm einen Plan – einen Plan der von Josef viel Glaube, Hoffnung, Liebe und Hingabe abverlangte.

 

 Schlussfolgerungen

Der allmächtige Gott hat mit uns allen einen persönlich ausgearbeiteten Lebensplan! Sind wir bereit, Seinen Plan anzunehmen oder stellen wir uns störrisch gegen Gott? Hat uns der Herr versprochen, dass es ohne Probleme und ohne Leiden gehen wird? – Nein! Hat uns der Herr versprochen, dass es eine leichte Aufgabe sein wird? – Nein!

Vieles mag uns manchmal sinnlos vorkommen und wie verlorene Zeit erscheinen. Doch bei Gott ist nichts sinnlos. Es ist auch keine verlorene Zeit bei dem, was Gott mit uns und durch uns tut. Alles bekommt im Glauben an den Herrn einen Sinn im Leben, selbst wenn wir den Sinn nicht kennen. Alles dient zu unserem Besten!

Darum, lasst uns wie Josef in Ägypten nicht murren und klagen! Josef hätte dazu am meisten Gründe gehabt und hat es nicht getan, sondern auf den Herrn vertraut. Gott verfolgt mit dir ein ganz bestimmtes Ziel und es ist besser, wenn du dein „Schicksal“ annimmst, denn der Herr gibt es dir ganz bewusst für etwas viel Höheres, das er mit dir im Sinn hat!