Genesis-47: Josefs Weisheit als Verwalter in grosser Not

Gründung der hebräischen Nation

 

 

 Einleitung

In Genesis 47 lesen wir vom „Happyend“ Josefs und seiner Familie. Er wurde nicht nur mit seinem geliebten Vater wieder vereint, sondern durfte sogar der ganzen Familie den schönsten Landbesitz in Goschen geben (47,6). Daraus ist ersichtlich, wie eng die Freundschaft zwischen Josef und dem Pharao war. Allein wegen Josef war der Pharao der ganzen Familie Jakobs freundlich gesinnt.

Im Land Goschen wird Gott nun sein Volk für den nächsten Schritt vorbereiten, um seine Verheissungen an Abraham, Isaak und Jakob zu erfüllen.

 

 I.   Josefs Familie vor dem Pharao (Verse 1-12)

Josef informierte den Pharao über die Ankunft seiner Familie im Land Goschen (V. 1). Es ist interessant, dass hier mit keinem Wort die Frauen, Töchter und Grosskinder erwähnt werden, sondern nur der Vater, Josefs Brüder und das Vieh. Offenbar wurde angenommen, dass die weiblichen Personen auch mitgekommen waren und so zählten sie automatisch dazu.

Statt die ganze Sippe zur Audienz vor dem Pharao erscheinen zu lassen, wählte Josef fünf seiner Brüder aus (V. 2). Jüdische Gelehrte haben später spekuliert, wer diese fünf Brüder wohl gewesen sein könnten. Doch der biblische Text macht diesbezüglich keine Angaben.

Josef warnte seine Brüder schon in Kapitel 46, wie sie sich beim Pharao vorstellen sollten, nämlich; als Schafhirten, die keinerlei Ambitionen hatten (V. 3). Schafhirten und Kleinviehhirten zählten bei den Ägyptern zur untersten Klasse. Damit bekundeten sie, dass sie kleine Männer waren und auch bleiben wollten. So übten sie nur einen kleinen Druck auf den Pharao aus, damit er sie im Land Goschen wohnen liess.

Schliesslich sollten sie noch bekunden, dass sie sich nicht für immer in Ägypten niederlassen wollten (V. 4). Mit andern Worten sollte ihre Absichtserklärung lauten: „Wir sind gekommen, um als Fremdlinge (hebr. gur) für eine begrenzte Zeit in eurem Land zu wohnen.“ Die Hungersnot in Kanaan lastete schwer auf den Bewohnern und deshalb suchte Jakob mit seiner Familie eine vorübergehende Bleibe, bis die Not vorbei war. Mit keinem Wort erwähnten die Brüder das Versprechen Pharaos gegenüber Josef, seine Familie aufzunehmen (Gn. 45,17-20). Vielmehr baten sie den Pharao um Gnade, in Ägypten ble iben zu dürfen.

Die Audienz mit dem Pharao lief sehr gut (V. 5). Der Pharao richtete sich mit seiner Antwort an Josef. Er stellte fest: „Dein Vater und deine Brüder sind also zu dir gekommen.“

Der Pharao vertraute Josef, weil er mit ihm sehr zufrieden war (V. 6). Er gab ihm grünes Licht, indem er sagte: „Das Land Ägypten steht dir offen.“ „Gib ihnen den besten Teil dieses Landes!“ „Sie mögen sich dort niederlassen.“ Vermutlich dachte er, dass alle Hebräer so tüchtige und loyale Leute seien wie Josef. Deshalb fügte er hinzu, dass Josef besonders gute Hirten als Aufseher auch über seine Herden setzen möge (Ihr Titel hiesse dann „Vorsteher der Hörner, Klauen und Federn“).

Erst dann führte Josef seinen Vater Jakob herein, um ihn dem Pharao vorzustellen (V. 7). Die Atmosphäre war bis zu diesem Zeitpunkt steif und formell. Mit grosser Ehrfurcht sprachen die Brüder zwei Mal von sich selbst zum Pharao als „deine Diener“ (V. 3 und 4). Doch als Jakob hereinkam, löste sich die Spannung endgültig, denn er segnete den Pharao zuerst einmal (insgesamt zwei Mal, V. 8 und 10). Obschon Jakob der Patriarch seiner Sippe war, so war er in den Augen des Pharaos nichts anderes als ein verarmter Nomadenhäuptling. Der Unterschied zwischen den Beiden hätte nicht grösser sein können. Trotzdem sah er, dass Jakob ein alter Mann war und respektierte ihn. Auf der andern Seite nahm der Pharao den Segen dankbar an, nicht zuletzt weil er Josef vertraute. Vielleicht war es ungewöhnlich, dass Jakob den Pharao segnete (Heb. 7,7). Aber auch ein Bettler darf einen Segen austeilen! Der Segen muss nicht immer vom Höheren ausgehen. Aus biblischen und ausserbiblischen Quellen geht hervor, dass zu den Segensworten einer Begegnung der Wunsch für ein langes Leben zählte (2. Sam. 16,16; 1. Kön. 1,31; Dan. 2,4; 5,10; 6,6).

Der Pharao wurde persönlicher und fragte Jakob nach seinem Alter (V. 8-10). In der damaligen Kultur war ein langes Leben besonders hochgeachtet und wertvoll (Lv. 19,32; Hi. 12,12; Ps. 128,5-6; Spr. 17,6). Auch wenn es sich im ersten Moment wie eine Klage anhört, aber Jakob war ein gesegneter Mann und das wollte er damit auch zum Ausdruck bringen. Gott segnete ihn bis zu diesem Zeitpunkt mit 130 Lebensjahren. Er konnte stolz sein auf seinen weisen Sohn, der es in Ägypten weit gebracht hatte, der sogar Träume deuten konnte (Gn. 41,16.25.38.39; Ps. 105,17-22). Zudem brachte er eine grosse Nachkommenschaft nach Ägypten, mit dem ihn der Herr segnete. Trotzdem war er ehrlich und echt, denn er gab zu, dass sein Leben nicht immer leicht verlief. Es gab doch einiges in seinem verhältnismässig „kurzen“ Leben das ihm grosses Leid bereitete. (Besonders die Sache mit seinem verlorenen Sohn Josef.) Im Verhältnis zu seinen Vätern, dauerte Jakobs Leben aber nur 147 Jahre (V. 28). Abraham wurde 175 Jahre alt (Gn. 25,7). Isaak wurde 180 Jahre alt (Gn. 35,28). Nachdem Jakob den Pharao noch einmal segnete, verliess er den königlichen Hof.

Josef siedelte seine Familie im Land Goschen an, im Gebiet von Ramses (V. 11; Ex. 12,37; Nu. 33,3.5). Dort gab er ihnen „Grundbesitz“. Das heisst, Josef ging weiter als sich die Brüder beim Pharao erbaten (V. 4). Sie mussten keine Fremdlinge mehr sein, wie in Kanaan, sondern waren nun erstmals Landbesitzer. Das Gebiet von Ramses war der beste Teil des Landes. Der noch schönere Teil des Nildeltas war bereits besiedelt von den Ägyptern.

Josef aber sorgte dafür, dass die ganze Sippe genügend Nahrung hatte (V. 12).

 

 II.   Josefs Agrarpolitik während der Hungersnot (Verse 13-26)

Im ersten Moment scheint uns dieser ganze Abschnitt ein bisschen merkwürdig. Wurde Josef hier zum Unterdrücker des ägyptischen Volkes? Bevorzugte er seine Sippe in Goschen, während er die Ägypter unterdrückte?

Josef tauscht Nahrung gegen Geld, Vieh, Land und Sklavschaft (V. 13-26). Die Hungersnot drückte schwer in Ägypten und den umliegenden Ländern (V. 13). Doch Gott hatte dem Pharao durch Träume diese dürre Zeit vorausgesagt. Der Herr schenkte Josef viel Weisheit und setzte ihn als Verwalter ein, damit er in guten Zeiten Getreide speicherte und das tat er auch „wie Sand am Meer“ (Gn. 41,33-36.49). Weil das Land Goschen nicht so besiedelt war wie die Stadt, war die Versorgung dort leichter. Von einer Bevorzugung der Familie Josefs wird nichts gesagt. In der Stadt sah die Situation jedoch ganz anders aus. Mit dem Geld für das verkaufte Getreide füllte Josef die Staatskasse. Trotz seiner grossen Macht lesen wir nichts von Missbrauch und Korruption. Josef war ein treuer Verwalter, der auch mit viel Geld und grosser Verantwortung umgehen konnte.

Die Ägypter kauften Getreide, bis sie kein Geld mehr hatten (V. 14-15). Doch Josef hatte in seiner Weisheit alles durchdacht, so dass das Land diese extreme Dürre überstehen konnte. Aus allen Orten kamen die Menschen zu den Vorratsspeichern, die im ganzen Land verteilt waren, um Getreide zu kaufen. Doch dann ging ihnen das Geld aus und Josef nahm das Vieh der Ägypter in Zahlung.

Die Ägypter brachten ihr ganzes Vieh zu Josef, um Nahrung zu kaufen (V. 16-17). Die Herden konnten nicht an einem einzigen Ort gesammelt werden. Deshalb wurde das Vieh bei den Leuten gelassen und musste nicht abgeliefert werden, so dass sie trotzdem noch Nutzniesser sein konnten. Bei der Aufzählung des Viehs werden die Pferde zuerst erwähnt. Die Ägypter lernten Pferde erst in der Zeit der Hyksos kennen (ab 1750-1550 v. Chr.). Später wurde Ägypten für seine Pferdezucht bekannt. Der König Salomo kaufte ägyptische Pferde, um sie nach Kleinasien und an die Syrer zu verkaufen (1. Kön. 10,28). Somit wurden sie zwar für kurze Zeit enteignet, bis die Hungersnot vorbei war und sie ihr Vieh wieder zurückkaufen konnten.

Die Ägypter übergaben ihr Land dem Pharao, um Überleben zu können (V. 18-22). Es ist zwar vom zweiten Jahr die Rede, aber diese Angabe bezieht sich nicht auf die Hungersnot, die insgesamt sieben Jahre dauerte. Jakob und seine Familie siedelten sich erst nach den ersten beiden Jahren der Hungersnot in Ägypten an (Gn. 45,6). Wir wissen auch nicht wie viel Zeit verstrich, bis die ägyptische Bevölkerung mit ihren Vorräten und Geldern am Ende waren, so dass sie ihr Vieh und ihr Land dem Pharao übergaben. Eins steht fest, es wäre für die Regierung Pharaos samt seinen Priestern kein Gewinn gewesen, die Bevölkerung sterben zu lassen. Die Priester hatten ein königliches Privileg. Sie mussten ihr Land nicht verkaufen. Zudem wurden sie umsonst ernährt und mussten keine Steuern entrichten. (Siehe Josefs Schwiegervater, Gn. 41,45.) Anders als die Priester später in Israel, waren die ägyptischen Priester Bodeneigentümer mit gesichertem Staatseinkommen.

Die Ägypter wurden zu Sklaven, um am Leben zu bleiben (V. 23-26). Die Sklavschaft war in der biblischen Welt von damals für viele der einzige Weg, um von ihren Schulden loszukommen. Wenn sie tüchtig waren wie Josef bei Potifar (Gn. 39,1-5) und loyal zu ihren Herren standen, konnten sie ein angenehmes Leben führen. Von Abraham ist bekannt, dass er eine gute Beziehung hatte zu seinen 318 Sklaven, die in seinem Haus geboren wurden (Gn. 14,14). Abraham sandte sogar einen seiner Lieblingssklaven nach Charan (Haran), um eine Frau für Isaak zu finden (Gn. 24,1-67).

Später unter dem Gesetz Mose konnte sich eine Person für sechs Jahre in die Sklavschaft verkaufen, um von seinen Schulden loszukommen (Ex. 21,1-6; Dt. 15,12-17). Eine zeitlich beschränkte Sklavschaft konnte aber auch in einen permanenten Status umgewandelt werden. Ein solcher Vertrag schenkte jemandem persönlich, samt seiner ganzen Familie (falls er eine hatte), eine grössere wirtschaftliche Sicherheit. Unter Josef durfte die versklavte Bevölkerung in Ägypten das Farmland bewirtschaften und 80% der Ernte für sich behalten. So machte sie Josef sozusagen zu Pächtern. Er stellte ihnen sogar das Saatgut zur Verfügung und setzte die Pachtabgabe auf 20% fest. Gemessen an den damaligen Verhältnissen, ist diese Besteuerung normal und keineswegs übertrieben. Die Tatsache, dass die Ägypter 80% für sich behalten konnten, schliesst eine Leibeigenschaft aus. Bei einer Leibeigenschaft hätte Josef viel höhere Abgaben gefordert. Nun unterschied sie nichts mehr von der eingewanderten Familie in Ägypten.

 

 Schlussfolgerungen

Alles in allem werden in diesem Kapitel Josefs Weisheit und seine Führungsqualitäten besonders ersichtlich! Vor der grossen Hungersnot liess er Lagerhallen bauen und das Getreide dort als Vorrat aufbewahren. Dann fing er an, mit einer gerechten Verteilaktion, die zwar die Ägypter in eine Form der Sklavschaft trieb, aber ihnen trotzdem möglichst viel Freiheit liess. Nach der Hungersnot konnte sich die Bevölkerung wieder Schritt für Schritt lösen von ihrer Bindung zum ägyptischen Staat. So führte Josef Ägypten sicher durch die schwere Dürreperiode. Er rettete das Haus des Pharaos, sowie das der ganzen Bevölkerung und das seiner eigenen Familie. Dankbar anerkannten die Ägypter die grosse Führerschaft Josefs und sprachen (V. 25): „Du hast uns das Leben erhalten.“ Bei all dem blieb Josef ein treuer Verwalter, der seine Macht nicht missbrauchte und durch den es keine Korruptionen gab.

Das alles tat Josef im Glauben an den allmächtigen Gott – El-Schaddai. Er ist allen Gläubigen ein grosses Vorbild, in vielerlei Hinsicht. Vieles in Josefs Leben weist schattenhaft auf Jesus Christus hin. Lasst uns die Gesinnung Josefs in allen Lebenssituationen nachahmen! Lasst uns tüchtig sein und loyal zu unseren Arbeitgebern stehen, in allem, was wir tun! Lasst uns fromm wandeln, damit die Hand Gottes auch durch uns viel Gutes gelingen lässt!