Gründung der hebräischen Nation
Einleitung
Bevor wir uns mit Genesis 48 befassen möchten wir das Kapitel 47 abschliessen mit dem letzten Abschnitt der vom Versprechen Josefs gegenüber seinem Vater Jakob berichtet. In Genesis 48 erfahren wir von der Segnung der beiden Söhne Efraims und Manasses.
Jakobs letzter Wille (Kapitel 47,27-31)
Einige Kommentatoren betrachten diesen Bericht über Jakobs Tod als ungewöhnlich. Es stimmt, dass diese Erzählung von der Norm abweicht. Denn Abrahams Tod (Gn. 25,7-8) und Isaaks Tod (Gn. 35,28-29) werden erst am Ende ihrer Lebensgeschichte erwähnt. Trotzdem passt dieser Text sehr gut in die Gesamtgeschichte hinein und ist eine Art Zusammenfassung der letzten Tage Jakobs in Ägypten. Im ganzen Kapitel 47 wird davon gesprochen, dass Jakob und seine Sippe weiter im Land Ägypten wohnten. Es war Gottes Verheissung an Abraham, dass seine Nachkommen sogar für einige Generationen dort wohnen werden (Gn. 15,13). Doch für Jakob war nach siebzehn Jahren Ägypten Endstation. Vermutlich waren es die einzigen Jahre, die er in Ruhe und Frieden lebte. Sein Leben war turbulent und von einigen Umzügen geprägt (2006-1859 v. Chr.). Für Jakob war Ägypten das was die Arche für Noah war; ein zeitlich begrenzter Schutz vor der Naturkatastrophe, die ausserhalb tobte. Wenn er auch nur durch eine Grabstätte mit Knochen im „gelobten Land“ repräsentiert werden konnte, liess er es sich nicht nehmen, Teil an Gottes Erlösungsplan für sein Volk zu sein.
Jakob liess Josef rufen, um ihm seinen letzten Willen kundzutun. Er sah die Zukunft der ganzen Familie nun in Josefs Hand. Denn Josef war ein mächtiger Herrscher im Land und sorgte für seine Familie. Deshalb sprach er seinen Sohn in einer Form an, wie es Unterlegene gegenüber ihren Herren tun. Jakobs grösster Wunsch war es, im Land Kanaan begraben zu werden, bei seinen Vorfahren in der Grabstätte Machpela zu Chebron (Gn. 23,17-20; 25,8-10; 35,27-29). Der Nil war nicht seine Heimat und vor allem nicht der Bestimmungsort den Gott für sein Volk vorgesehen hatte. Er fühlte sich fremd im gottlosen Ägypten, das voller Götzendienst war. Deshalb liess er Josef schwören, dass seine Gebeine nicht in Ägypten begraben werden. Als Josef ihm durch einen Schwur die Zusicherung machte, dankte Jakob dem allmächtigen Gott für die Erhörung seines letzten Wunsches. Deshalb warf er sich am Ende des Bettes nieder und betete. Im Hebräer 11,21 wird gesagt: „Durch Glauben segnete Jakob vor seinem Tod jeden der Söhne Josefs und beugte sich betend über die Spitze seines Stabes.“
Schlussfolgerung:
Weil es in unserer Zeit des neuen Bundes nicht mehr um ein irdisches Land geht, das wir einmal besitzen werden, spielt es keine Rolle, wo und wie unsere Gebeine begraben werden. Früher war es so, dass Gläubige das traditionelle Begräbnis wünschten. Nur Hexen und Atheisten wurden verbrannt oder kremiert. Heute kann gerade durch eine Kremierung den Hinterbliebenen mitgeteilt werden, dass wir nicht auf eine leibliche Auferstehung der Toten hoffen. Es spielt keine Rolle, was mit unserem irdischen Leib geschieht, denn wir werden einst einen himmlischen Leib erhalten, bei der endgültigen Auferstehung am grossen Gerichtstag (1. Kor. 15,50-54).
Jakob segnet Efraim und Manasse (Kapitel 48,1-22). Über Jakobs Leben in Ägypten wird nicht viel gesagt, ausser, dass er am Ende seines Lebens von Josef besucht wurde (V. 1-2). Josef erfuhr, dass sein Vater krank war, d. h. kurz vor dem Sterben. Deshalb nahm Josef seine beiden Söhne mit. Obschon Jakobs Gesundheit sich von Tag zu Tag verschlechterte, war er noch klar im Kopf und erinnerte sich an früher.
Jakob sprach von seiner dritten Erscheinung, die er hatte (V. 3-4). In Bethel wurde er von El-Schaddai gesegnet (Gn. 32,27-31; 35,1.9-15). Der allmächtige Gott bestätigte ihm das Versprechen, von dem ihm schon sein Vater Isaak berichtete (Gn. 28,1-4). Jakob hätte von seinen Fehlern sprechen können, die er in seinem Leben begangen hatte, doch er sagte nichts von all dem. Zum Beispiel hätte er davon reden können, wie er seinem Bruder Esau das Erstgeburtsrecht abnahm und ihn um den Segen des Vaters betrogen hatte. Er bedauerte offenbar auch nicht, dass er seine Frau Rachel und ihre beiden Söhne bevorzugte und damit grosses Leid in der Familie auslöste. Er hätte sich bei Josef für viele andere Fehler entschuldigen können, die er ihm gegenüber begangen hatte (z. B. Bevorzugung durch das Kleid).
Seine Gedanken waren ganz beim Segen Gottes. Er sagte mit andern Worten: „Der Herr hat mich gesegnet trotz den vielen Fehlern die ich begangen habe in der Vergangenheit.“ Denn El-Schaddai hatte ihm versprochen, dass er fruchtbar sein und sich mehren werde (was ja in Ägypten auch geschah, gemäss Gn. 47,27).
Dann machte Jakob die Söhne Josefs zu seinen Söhnen (V. 5-7). Dabei bestätigte er Josef, dass er eine göttliche Autorität dafür besass. Denn Gottes Verheissungen an Abraham sollten nun auf Josef und seine beiden Söhne übertragen werden. Im 1. Chronik 5,2b wird gesagt: „Das Erstgeburtsrecht aber gehörte Josef.“ Ruben, der Erstgeborene hatte es durch seine Unzucht mit seines Vaters Frau verspielt (1. Chr. 5,1; Gn. 34,25; 35,22). Juda, der vierte Sohn, war zwar seinen Brüdern überlegen, aber aus ihm sollte Jesus Christus hervorgehen (1. Chr. 5,2a). Deshalb nahmen Efraim und Manasse die Stellen ein, die jeweils den Erstgeborenen zukamen, „wie Ruben und Simeon“. So erhielten Jakobs Enkelkinder, Efraim und Manasse, einen neuen Status in der Familie, mit ihren zwölf Söhnen. Auf diese Weise vermehrten sich die Nachkommen Rachels, trotz ihres frühen Todes und wurden so zu den zwölf Stämmen Israels hinzugefügt.
Wie Jakob Efraim und Manasse segnete (V. 8-16).
Bei den folgenden Versen poppen bei mir einige Fragen auf? Zuerst einmal die merkwürdige Frage Jakobs: „Wer sind diese?“ Standen die Enkelsöhne so weit weg von Jakob oder war es auf seine Sehschwäche zurückzuführen, dass er sie nicht erkannte? Wie wollte er sie denn segnen, wenn er sie nicht einmal sehen konnte? (Auf diese Weise könnte ihm doch ein ähnlicher Fehler passieren, wie damals, als er seinen Vater überlistete.) War dies etwa der erste Besuch von Jakobs Enkelsöhnen? Hatte Jakob sie tatsächlich noch nie zu Gesicht bekommen? War diese Frage nicht eher eine Beleidung für die Enkelsöhne? Er hätte ja fragen können: „Seid ihr Efraim und Manasse? Ich sehe euch nicht richtig. So tretet doch bitte näher zu mir heran!“ Jakob wandte sich an Josef und bat ihn seine Söhne näher zu sich heranzuführen. Dann küsste er sie und umarmte sie herzlich. Anschliessend sagte er zu Josef, dass er ihn für viele Jahre als tot gehalten hatte und niemals dachte, ihn lebendig wieder zu sehen. Besuchte Josef in den letzten 17 Jahren seinen Vater kein einziges Mal? Solche Gespräche sollten sich doch schon längst erübrigt haben? Liegt es vielleicht am Erzähler, der seinen Lesern einen abgerundeten Abschluss der Geschichte Josefs vermitteln wollte?
Jakob freute sich nicht nur seinen Lieblingssohn wieder lebend sehen zu dürfen, sondern auch seine Nachkommen kennen zu lernen. Noch mehr befremdet der Satz: „Da nahm sie Josef von seinen Knien und warf sich mit dem Gesicht zur Erde nieder.“ Als ich das Alter von Manasse und Efraim ausrechnete, stellte sich heraus, dass sie über zwanzig Jahre alt gewesen sein mussten, als sie Jakobs Segen empfingen! Wie kommt es, dass zwei erwachsene junge Männer auf den Knien ihres altersschwachen Grossvaters (147) sassen? Die einzige Erklärung dafür ist, dass hier von einer symbolischen „Kniesetzung“ die Rede ist. Das sogenannte Sitzen zwischen den Knien Jakobs war Teil der Adoptionshandlung. Damit wird gesagt, dass Jakob Efraim und Manasse als rechtmässige Nachfolger und Erben über seine Familie einsetzte. Josef verneigte sich vor seinem Vater und gab damit zum Ausdruck, dass er einverstanden war und den Vater nun um seinen Segen bat. Anschliessend positionierte Josef seine beiden Söhne vor seinem Vater so, dass Manasse auf der rechten Seite Jakobs stand, da er ja der Ältere war. Efraim aber stellte er auf die linke Seite Jakobs. Mit der rechten Hand sollte Jakob Manasse zuerst segnen und anschliessend mit der linken Hand den jüngeren Efraim. Doch es kam anders, als es Josef sich vorstellte. Jakob kreuzte seine beiden Hände und segnete Efraim zuerst. Damit übergab er ihm eine grössere Ehre und Verantwortung, d. h. er gab ihm die Position des Erstgeborenen. Als Erstgeborener war Efraim voll erbberechtigt und verantwortlich für die Nachkommen Jakobs. Der Erstgeborene war es, der den Familiennamen und die Verheissung Gottes weitertrug. Die Hand auf jemanden zu legen bedeutet soviel, wie zu einem Menschen zu sagen: Du gehörst Gott. Damit wurde jedoch erst die Handlung vollzogen, aber noch nicht der Segen. Auch hier fragt man sich, was das soll mit den gekreuzten Händen? Gab Jakob Efraim den Vorrang, weil er ihm sympathischer war? Tat er das ,weil er selbst als zweiter geboren wurde und nur mit grosser List sich den Vorrang erzwang? Weshalb stellte sich Jakob gegen die traditionelle Erbberechtigung? Fühlte er sich weiser als Josef, dem der Herr die Fähigkeit gab, Träume zu deuten? Hatte Jakob wirklich den Geist Gottes, als er dies tat oder tat er das aus reiner Willkür?
Efraim wird grösser sein als Manasse (V. 17-22).
Jakob war zwar altersschwach und sah kaum mehr, aber sein Verstand war klar und seine Handlungen und Prophetie entsprachen dem Plan Gottes. Manasse wurde damit auf die Liste derer gesetzt, die zwar das Erstgeburtsrecht besassen, aber umgangen wurden (wie Kain, Ismael, Esau, Ruben). Zuerst bekannte Jakob seinen Glauben an El-Schaddai (Gn. 17,1), der sein Hirt war, ihn beschützte und führte wie das ein Hirt mit seinen Schafen tut (Ps. 23,1ff.). Der Herr sprach zu Jakob in Lus, d. h. Betel (Gn. 28,15): „Ich bin mit dir und behüte dich, wohin du auch gehst, und ich werde dich in dieses Land zurückbringen. Denn ich verlasse dich nicht, bis ich getan, was ich dir gesagt habe.“ Gibt es eine schönere Zusage Gottes an einen Menschen? Dieses Versprechen gab Jakob seinen Adoptivsöhnen weiter, indem er sie segnete, damit der Herr auch diesen Knaben [Männern] beistand. Gottes Führung wird in einigen Gebeten des Alten Testaments mit einem Hirten verglichen (Ps. 77,21; 78,52; Ps. 95,7).
Jakob war sich zwar nicht immer der Führung Gottes bewusst. Doch wenn er zurückblickte, dann konnte er klar erkennen, dass es Gottes [Engel] Bote war, der ihn vor allem Bösen bewahrte. Damit meinte er nicht etwa ein Engelwesen, sondern Gott selbst, der ihm mehrmals in Form eines Engels erschien (Gn. 28,15.20; 31,3.11.42; 35,3). Es kann gut sein, dass „der Engel des Herrn“ Jesus Christus war. (Siehe Engel, Lektion 2.) Derselbe Gott werde nun mit seinen Nachkommen sein und sie sicher in das Land ihrer Vorfahren zurückbringen (Gn. 48,21). Mit den zwölf Stämmen sollte die Geschichte, die Gott mit seinem Volk schrieb, weitergehen. Bevor Jakob seine Segnungen über Efraim und Manasse aussprach, wollte Josef noch die scheinbar falsche Rangordnung korrigieren. Er unterbrach Jakob und berichtigte, dass Efraim der Jüngere sei von den beiden Brüdern. Dabei versuchte er die Segenshand Jakobs auf Manasse zu legen. Doch Jakob, der zwar fast blind war, konnte mit seinen geistlichen Augen für Efraim und Manasse ganz klar Gottes Plan erkennen. Deshalb gab er Josef ruhig und überzeugt zur Antwort: „Ich weiss, mein Sohn, ich weiss.“ Und Josef liess es zu, dass diesmal sein Vater Gottes Wille besser kannte und genau wusste was er tat. Dann segnete Jakob jeden der beiden Söhne mit den Worten: „Durch dich wird Israel segnen und sprechen: Gott mache dich wie Efraim und Manasse.“ Daraus hat sich im Judentum bis heute eine Sitte entwickelt. An jedem Sabbat legt das Haupt der Familie seinen Söhnen die Hände auf und segnet sie mit den Worten: „Gott mache dich wie Efraim und Manasse.“ Aus der Geschichte wissen wir, dass Efraim tatsächlich grösser an Zahl wurde, als sein älterer Bruder Manasse (Nu. 2,18-21; Dt. 33,17). Doch Manasse erhielt den grösseren Landbesitz. Auf der biblischen Karte ist ersichtlich, dass es ein zusätzliches Manasse im Nordosten gab, das aber nicht sehr besiedelt war. Der andere Teil befand sich westlich vom Jordan, im Land Kanaan. So erhielt Josef mit diesem zusätzlichen „Bergrücken“ ein weiteres Erbteil. In der Bibel lesen wir nichts davon, dass Jakob sich dieses Land von den Amoritern mit Schwert und Bogen erkämpfte. Sicher ist, dass dieses Landstück Schechem einschloss (Gn. 34), wie auch das hebräische Wort für „Bergrücken“ zum Ausdruck bringt.
Schlussfolgerungen
Jesaja 55,8-9: Gottes Wege sind nicht unsere Wege.
Gottes Wege sind oft seltsam und deshalb gilt es im richtigen Augenblick nachgiebig und gehorsam zu sein, wie Josef in Bezug auf Jakobs Segnungshandlung. Gott weiss, was er tut und er arbeitet gerne durch verschiedene Personen. Deshalb ist jeder in der Gemeinde wichtig und alle sollen lernen aufeinander zu hören.
Wünschen wir unseren Kindern den Segen Gottes?
Sehen wir unsere Kinder als Nachkommen und Erben unseres Glaubens? Es ist nicht falsch, mit den Kindern zusammen zu sitzen und um den Segen Gottes für ihr Leben zu bitten! Können wir einmal unseren Kindern den Segen erteilen, weil sie heute schon auf dem Weg Gottes gehen?
In Jesus Christus werden alle Gläubigen noch viel mehr gesegnet mit der himmlischen Erbschaft, die für uns bereitsteht: 1. Petrus 1,3-4 (Heb. 12,22-24).
Wir brauchen keinen irdischen Landbesitz. Es spielt keine Rolle, wie und wo unsere alten Knochen einmal begraben werden. Wichtig ist nur, dass wir im Glauben leben und im Glauben an Jesus Christus sterben, damit in allem Gott verherrlicht werde (Phil. 1,20).