Hesekiel-03: Hesekiels Auftrag

Die Herrlichkeit Gottes

 

 Einleitung zu Kapitel 2&3 (Wiederholung)

Aufgrund der unglaublichen Vision von Gottes Herrlichkeit, die Hesekiel hatte und im Kapitel 1 beschrieb, erfolgte seine Berufung und seine Mission (593 v. Chr.). Gott erwartete nicht, dass Hesekiel zum Volk predigte, ohne Gottes Herrlichkeit und Grösse erfahren zu haben. Hesekiels Aufgabe war es, den im Exil lebenden und entmutigten Juden, Gottes wunderbare Eigenschaften zu überliefern. Deshalb erhielt er vor seiner Mission diese göttliche Vision. Der Herr erschien ihm immer wieder, um ihn zu ermutigen und daran zu erinnern, dass Hesekiel nun der Diener des höchsten Gottes ist (3,12.23-24; 8,2-4; 9,3; 10,1-20; 11,22-23; 43,2-4).

 

 I.   Kapitel 3: Hesekiels Auftrag

Verse 1-3: Hesekiel wird aufgefordert die Schriftrolle zu essen.
Eigentlich sollte hier nicht mit einem neuen Kapitel begonnen werden, da Hesekiel mit seinen Gedanken aus Kapitel 2 fortfährt. Seine Aufgabe war es, die Schriftrolle zu verspeisen, egal ob er sie gut findet oder nicht. Bevor jemand das Wort Gottes verkündigt, sollte er die Botschaft in sich aufgenommen und verdaut haben. Viel Unheil ist schon angerichtet worden von unqualifizierten Verkündigern, die das Gottes Wort ungenügend kennen und kaum studiert haben (2. Pet. 3,15-16). Seit es die Bibel in allen erdenklichen Sprachen zu lesen gibt, meinen viele, sie könnten sie selbst auslegen, ohne vorher Gottes Konzept verstanden zu haben.

Als Hesekiel begann die Schriftrolle Gottes zu essen, da war sie ganz süss in seinem Mund (Ps. 19,10-11). Psalm 119,103: „Wie süss sind deine Worte meinem Gaumen, süsser als Honig meinem Mund.“ Das bedeutet, dass Gottes Worte immer gut sind, selbst wenn sie voll sind von Klagen, Seufzern und Wehrufen (2,10). Mit dem Essen der Rolle wird die Botschaft Gottes ein Teil von Hesekiel selbst (Offb. 10,8-10; Jer. 20,9). So ergeht es jedem echten Verkündiger der Botschaft Gottes. Ein treuer Prediger kann mit Gottes Wort niemals neutral und diplomatisch umgehen, als sei es nicht auch seine feste persönliche Überzeugung. Jeder Prediger, der Gottes Wort liebt und es glaubwürdig vertritt, für den ist es Teil seines Lebens und Denkens geworden.

Verse 4-7: Hesekiel wird aufgefordert zum Haus Israel zu gehen.
Mit dem Haus Israel sind alle Juden gemeint (die Nord- und Südstämme). Eine Anzahl Israeliten aus den Nordstämmen zogen damals (zur Zeit Hiskias) in den Stamm Juda, um das Passafest zu feiern (2. Chron. 30). Zum Teil haben sich Juden aus den Nordstämmen mit den Südstämmen vermischt (Apg. 26,7; siehe Hanna in Lk. 2,36). Predigen bedeutet hingehen und Gottes Wort verkündigen (2. Tim. 4,2; Röm. 10,14-15). Hesekiel hatte nicht die Verständigungsprobleme, wie sie heute häufig vorkommen bei Missionaren, die in die Welt entsandt werden. Denn er wurde zu seinen eigenen Volksgenossen gesandt. Sie konnten seine Sprache verstehen. Er hatte auch keine schwerfällige Zunge wie Mose, der sich überfordert fühlte als Gottes Sprecher aufzutreten (Ex. 4,10).

Das sollte Hesekiels Mission eigentlich leichter machen, doch das Gegenteil war der Fall! Es wäre leichter gewesen, mit fremden Völkern zu kommunizieren. Sie hätten Hesekiel angehört über Gottes Pläne. Gott offenbart Hesekiel eine harte Tatsache. Der Herr erklärt ihm, dass das Haus Israel ihn nicht hören will, weil sie an Gottes Wort nicht interessiert sind. Das Haus Israel hat eine harte Stirn und ein verhärtetes Herz (Jes. 48,4; Jer. 3,3d). Das ist keine gute Ausgangslage für einen neu eingesetzten Prediger. Wie sehen unsere Stirn und unser Herz aus? Wie gross ist unsere Liebe zur Wahrheit (2. Thess. 2,10)? Eifern wir für Gott und eifern wir mit der richtigen Erkenntnis? Paulus sagte über seine jüdischen Brüder (Röm. 10,2): „Sie haben wohl Eifer für Gott - doch ohne rechte Erkenntnis.“ Sie waren selbstgerecht. Hosea (760-722 v. Chr.) sprach: „Mein Volk wird ausgelöscht, denn es ist ohne Erkenntnis!“ Ohne die richtige Gotteserkenntnis ist unser ganzes Leben umsonst auf dieser Welt. Deshalb erklärte Jesus den Juden (Joh. 8,31): „Wenn ihr in meinem Wort bleibt, seid ihr wirklich meine Jünger, und ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen.“ Immer wieder sandte Gott Propheten aus, die sein Volk unterrichten sollten, doch sie wollten nicht hören und ihre falschen Wege verlassen (Mt. 5,12; Joh. 15,18-20).

Verse 8-11: Hesekiel wird von Gott auf die Reaktion des störrischen Volkes vorbereitet.
Wie? - Der Herr macht seine Stirn so hart wie ein Diamant. Jeremia wurde für seine Mission ähnlich ausgerüstet (Jer. 1,18). Diamant ist härter als Stein. Diamant braucht man, um harte Gegenstände zu bearbeiten, um zu schneiden und zu schleifen (Jer. 17,1). Das Wort hart wird in Vers 9 wiederholt, weil es ein Wortspiel ist mit Hesekiels Namen (Hesekiel = Gott stärkt, oder macht stark, hart). So wurde Hesekiel einer der hartnäckigsten Prediger. Als Jeremia aufhören wollte im Namen Gottes zu predigen, hat es sein Herz nicht zugelassen. Gottes Worte waren in seinem Herzen wie brennendes Feuer (Jer. 20,9). Hesekiel sollte mit seiner Stärke genauso entschlossen sein, fähig die verhärtedsten Herzen der Menschen zu zerschneiden und zu öffnen für Gottes Wort. Das heisst, der Widerstand der Menschen konnte ihn nicht erweichen. Er liess sich nicht einschüchtern, noch fing er an sanfter zu reden. Vielleicht könnten wir in unserer Zeit auch ein paar solche Prediger brauchen, die sich mit den Ohrenkitzlern ausgleichen (2. Tim. 4,3-4). Hesekiel ist nicht einer, der dem Willen des Volkes nachgibt, sondern der treu, geschickt und mutig Gottes Wort verkündet.

Verse 12-15: Hesekiel empfängt seinen Auftrag.
Es ist Zeit, an die Arbeit zu gehen. Hesekiel wird vom Geist in die Höhe gehoben. Hinter sich hört er eine gewaltige Stimme rufen: „Gepriesen sei die Herrlichkeit des Herrn!“ Dann sieht er wieder die rauschenden Flügel der vier Wesen, die sich berühren. Auch die vier Räder bewegen sich und rasseln. Es tönt wie bei einem Erdbeben.

Und der Geist Gottes trägt ihn fort. Hesekiel ist niedergeschlagen und verstört über seine störrischen Landsleute. Diese göttliche Vision lässt ihn nicht mehr los. Auch Jeremia überkamen ähnliche Gefühle, nachdem er Gottes Vision empfing, aber im Gegensatz zu Hesekiel klagte er Gott an (Jer. 20,7-10).

Hesekiel weiss jetzt, dass seine Landsleute ihn auslachen, ablehnen und verfolgen werden, wenn er ihnen Gottes Botschaft weiter erzählt. Doch wie Jeremia vertraut auch er schliesslich dem Herrn und Seiner Kraft. Sieben Tage lang setzt er sich zu den Leuten am Fluss, wo er alles Erlebte überdenken und innerlich verarbeiten muss.

Verse 16-21: Hesekiel wird als Wächter Gottes eingesetzt.
Er empfängt ein weiteres „Wort des Herrn“. Gott sieht ihn als Wächter (so werden auch andere Propheten bezeichnet: Jes. 52,8; 56,10; 62,6; Jer. 6,17; Hos. 9,8; Mich. 7,4). Wächter standen an strategisch wichtigen Orten der Stadt und hielten Ausschau auf bevorstehende Gefahren. Sie waren das Sicherheitssystem einer Stadt. Wenn sie Gefahren sahen, dann schlugen sie Alarm und warnten die Stadtbewohner. In diesem Sinn sollte Hesekiel ein Wächter sein. Er sollte die Menschen vor dem drohenden Gericht Gottes warnen. Er sollte sie warnen, vor den Konsequenzen ihrer Sünden und der Gleichgültigkeit gegenüber Gottes Wille. In Wirklichkeit ist Gott der Wächter und seine Propheten sind seine Diener, die Gottes Warnrufe weiterpredigen.

Im Gegensatz zu den falschen Propheten, die Friede, Friede verkündigen, predigt Hesekiel nicht seine eigenen Ideen, sondern Gottes Wort (Jer. 6,14; 8,11). Der allmächtige Gott befiehlt ihm den Ungerechten zu warnen, dass er (physisch) sterben wird in seinen Sünden. Das Konzept von Leben und Tod im mosaischen Gesetz war primär physisch, nicht psychisch. Der mosaische Bund wurde denen gegeben, die bereits in einer Beziehung mit Gott standen (Lv. 18,5; Dt. 4,37-40; 6; 7;6-11; 10,15-17; 30,15-20). Der Ungerechte ist das Haus Israel (V. 17; 33,7), nicht etwa die gottlose Welt! Wenn Hesekiel seinen Auftrag nicht oder ungenügend wahrnimmt, wird er von Gott dafür verantwortlich gemacht. Denn für jeden Juden, der nicht gewarnt worden ist und am Ende sterben muss, wird Hesekiel zur Rechenschaft gezogen. Hesekiel hat also keine Wahl, denn sein Leben steht auf dem Spiel. Er muss die Botschaft Gottes seinen Landsleuten weiter verkündigen. Hören sie nicht auf ihn, so ist er frei von seiner Verantwortung. Gott macht keinen Prediger für die Reaktionen seiner Zuhörer verantwortlich, ob die Botschaft angenommen oder verworfen wird. Jeder Prediger ist nur für die Verkündigung der Botschaft Gottes verantwortlich (Jer. 6,17).

Hesekiel soll aber auch den Abgefallenen (Gerechten) warnen und zurückrufen. Tut er das, so ist er seiner Verantwortung entledigt, unabhängig ob der Abgefallene hört oder nicht. Tut er das nicht, so wird Gott sein Blut von ihm fordern. Der Herr will nicht, dass jemand verlorengeht (18,23.32; 2. Pet. 3,9; 1. Tim. 2,4). Jeder, der bereit ist sein Leben zu ändern und zu Gott zurückzukehren, ist beim Herrn willkommen (2. Thess. 2,9-12; 1. Kön. 22,22; Röm. 1,24.26.28). Die Lehre, dass Gott jemand dazu bringt zu stürzen ist nicht biblisch, weder im AT noch im NT. Jeder Mensch verfügt über einen freien Willen und kann sich selbst für das Gute oder für das Böse entscheiden. Selbst der Gerechte in Gottes Augen, der abfällt, tut das auf Grund seiner eigenen Entscheidung (Heb. 3,12-15; Gal. 6,1, Jak. 5,19-20; 2. Pet. 1,9-10; Offb. 2,5.16.21; 3,3.19). In Vers 21 wird das bestmögliche Resultat dargelegt: Der Gerechte lässt sich warnen und bleibt am Leben. Der Wächter hat seinen Auftrag erfüllt und sein eigenes Leben gerettet.

Verse 22-24: Hesekiel wird zurückgehalten.
Er muss über alles nachdenken, was ihm der Herr gezeigt hat. Da schickt ihn der Herr abseits in eine Ebene, um erneut zu ihm zu sprechen. Dort sieht Hesekiel die Herrlichkeit des Herrn zum zweiten Mal, wie am Fluss Kebar (im Kap. 1). Er fällt erneut auf sein Angesicht (= betende Position). Da richtet der Geist des Herrn ihn wieder auf und befiehlt ihm, sich in seinem Haus einzuschliessen. Es scheint auf den ersten Blick widersprüchlich zu sein, was der Herr ihm gebietet. Doch die folgenden Verse geben dazu die Erklärung.

Verse 25-27: Hesekiel wird gebunden.
Das Einschliessen ist offenbar symbolisch gemeint. Auch die Stricke, die ihm von den Menschen angelegt werden sind symbolisch. Wir erfahren nirgends, dass dem Propheten physische Gewalt angetan wurde, oder dass er physisch gehindert wurde, das Wort Gottes zu predigen. Gott lässt ihm damit sagen, dass er seine Botschaft bei den uneinsichtigen Menschen nicht mitteilen kann. Wie auch (wir) ich als Prediger in St. Gallen Einschränkungen und Fesseln verspüre das Evangelium zu verkündigen, aber noch nie physische Gewalt erlebte, so ähnlich musste es zu Hesekiels Zeiten gewesen sein. Wir lesen auch von Jesus, dass er in Nazaret keine grossen Machttaten vollbrachte, weil die Leute nicht an ihn glaubten (Mk. 6,5-6). Ihm waren die Hände gebunden, aber nicht physisch! Genauso ist es auch mit Hesekiels Volksgenossen; sie wären bereit gewesen, ihn mit Stricken zu binden, um ihn nicht anhören zu müssen.

Hesekiel wird also erfahren, dass die Menschen ihn nicht hören wollen. Nur wer ihn aufsucht und zu ihm ins Haus geht, kann eine Botschaft Gottes empfangen (8,1; 14,1; 20,1). Sogar der Herr wird ihn für eine Zeit stumm machen (24,27; 33,22). Gottes Gerechtigkeit ist nicht immer und zu jeder Zeit für uns bereit. Der Zweck ist, dass die Menschen dann nicht mehr gewarnt werden können. So soll es dem rebellischen Haus Israel gehen.

Als Jerusalem im Jahre 586 v. Chr. von den Babyloniern endgültig zerstört wurde, da wusste jeder im Land, dass Hesekiel von Anfang an die Wahrheit verkündete. Aber dann war es zu spät! Doch nicht ganz, denn Gott liess schon wieder Hoffnung verkünden. Nach der Zerstörung Jerusalems und des Tempels erhält Hesekiel einen völlig andern Auftrag von Gott: Der Herr rüstet seinen Propheten aus, nun das Volk zu trösten, zu ermutigen und den Menschen wieder Hoffnung auf eine bessere Zeit zu machen. Die Zeit der Mahnreden war vorbei. Es galt das zerstörte Herz wieder aufzubauen und zu stärken. Die Menschen durften anschliessend also darauf hoffen, wieder in ihr Land zurückzukehren und die Stadt und den Tempel wieder aufzubauen.

 

 II.   Schlussfolgerungen zu Kapitel 3

Der Herr will, dass auch wir ihm treu dienen und unsere Talente für ihn und sein Reich einsetzen. Im Gleichnis von den Talenten lernen wir, dass jeder mindestens ein Talent empfangen hat (Mt. 25,14-29). Dabei geht es dem Herrn nicht bloss ums Geld oder um die Höhe der Geldsumme, sondern darum, dass jeder so viele Talente einsetzt, wie er auch empfangen hat. Wenn jemand vom Herrn viel Geld empfängt, dann kann es sehr wohl um Geldsummen gehen. Wenn jemand vom Herrn das Talent zum praktischen Dienen empfangen hat, dann gilt es, Hand anzulegen und anzupacken, wo Hilfe gebraucht wird (Spr. 24,30-34). Mit zunehmender Erkenntnis wächst auch die Verantwortung (Mt. 13,10-12; Jak. 3,1). Auch wir sind gewarnt durch den Propheten Hesekiel, Gottes Gemeinde nicht zu vernachlässigen und unsere Ohren der Wahrheit zu verschliessen. Wir alle tragen füreinander die Verantwortung, einander im Glauben zu helfen und beizustehen, damit keiner aufgibt, sondern dass wir gemeinsam das himmlische Ziel erreichen (Gal. 6,1).