Hesekiel-04: Die Belagerung Jerusalems dargestellt

Die Herrlichkeit Gottes

 

 Einleitung

In Kapitel 4 sehen wir von Hesekiels drei symbolische Handlungen (im Kapitel 5 wird eine vierte Handlung hinzugefügt): Einen Ziegelstein vor sich hinstellen (V. 1). 390 Tage lang auf der linken Seite liegen (V. 4). Sein Brot auf Kuh Dreck backen (V. 15). Mit einem scharfen Schwert sich die Haare schneiden (Kap. 5,1).

Die hebräischen Propheten verkündigten Gottes Wort mit Wort und Tat. Jesaja (740-685 v. Chr.) musste drei Jahre lang nackt und barfüssig durch die Gegend ziehen, um die Tatsache zu symbolisieren, dass Ägypten und Äthiopien von den Assyrern erobert würde (Jes. 20,1-3). Jeremia (627-580 v. Chr.) musste einen Krug kaufen und ihn zerbrechen, um damit Gottes Absichten mit Juda zu demonstrieren (Jer. 19). Der Prophet Chananja zerbrach das hölzerne Joch auf dem Nacken Jeremias, so dass es mit einem eisernen Joch ausgetauscht wurde, um dem Volk zu demonstrieren, dass die unterdrückende Gefangenschaft durch die Babylonier unabwendbar war (Jer. 28,12-17). Der Prophet Achija bekam den Auftrag, seinen neuen Mantel in zwölf Teile zu zerschneiden, um Jerobeam zu erklären, dass das Königreich sich in zwölf Teile spalten werde; 10 im Norden und 2 im Süden (1. Kön. 11,30). Ebenso symbolisch handelten Zidkija (1. Kön. 22,11), Elisa (2. Kön. 13,17) und Agabus im NT (Apg. 21,10-11).

Hesekiels befremdende Handlungen fanden in der Öffentlichkeit statt, damit alle es sehen konnten. So verbreitete sich die Botschaft Hesekiels wie ein Lauffeuer in ganz Babylonien. Viele Menschen, die hörten, dass ein Prophet befremdend handelte, gingen hin, um zu sehen, was er machte und was es wohl zu bedeuten habe.

 

 I.   Verse 1-3: Der Ziegelstein

Hesekiel musste einen Ziegelstein vor sich hinstellen. Darauf musste er die Stadt Jerusalem zeichnen. In der Antike wurden sonnengetrocknete oder mit dem Ofen erhitzte Ziegelsteine hergestellt. In Ninive und Babylon wurden sie manchmal mit dem Namen des zur Zeit herrschenden Königs signiert. Man fand Ziegelsteine, auf denen Symbole oder Szenen eingebrannt wurden. Andere wurden mit einer bestimmten Schmelzglasur behandelt. Um dieses antike Verfahren anzuwenden, musste Hesekiel selbst einen Ziegelstein herstellen, um darauf eine Karte von Jerusalem einritzen zu können. Der Ziegelstein stellte Jerusalem dar.

Anschliessend musste er einen Belagerungsring um die Stadt aufstellen, wie das damals Armeen machten. Bevor Nebukadnezar mit seiner Armee Jersualem einnehmen konnte, belagerte er die Stadt zwei Jahre lang. Er liess Rampen rings um die Stadt aufstelllen, das sind Holztürme mit Rädern die so nah wie möglich an die hohen Stadtmauern herangefahren werden konnten (2. Kön. 25,1). So befanden sich die Feinde auf gleicher Höhe wie die Verteidiger hinter den Mauern und konnten so besser angreifen. Sie konnten über die Mauer sehen, die Stadt erspähen und ihre feurigen Pfeile abschiessen. Wenn sie noch näher herangefahren wurden, dann kamen die Rammböcke zum Einsatz. Jede Rampe verfügte unten am Turm über einen schweren Rammbock, der an einer Kette befestigt war. Er konnte wie ein Glockenpendel hin und her geschwungen werden. Mit aller Kraft wurde so gegen die Stadtmauer geschlagen, bis sie einstürzte. Die Römer verstärkten das Ende des Rammbalkens mit einem eisernen Kopf, so dass jeder Einschlag in der Mauer noch effektiver war. Das erklärt die Eisenplatte, die Hesekiel nehmen sollte, um zwischen sich und dem Ziegelstein aufzustellen. Er selbst stellte die übermächtigen Feinde dar, die die Stadt belagerten. Die Eisenplatte repräsentiert vermutlich Gottes Zorn über die Bewohner Jerusalems.

Damit symbolisierte er die Strafe, die über Jerusalem hereinbrechen würde.

 

 II.   Verse 4-14: 390 Tage auf der linken Seite liegen

In der zweiten symbolischen Handlung geht es darum, dass Hesekiel sich auf die linke Seite legt, und zwar 390 Tage lang. Damit soll er die Schuld Israels demonstrieren. Hesekiel wird aufgerufen diese Schuld über ein Jahr lang zu ertragen. Dann soll er sich für weitere 40 Tage auf die rechte Seite legen und so die Schuld Judas darstellen und ertragen. Jeder Tag steht für ein Jahr, indem sich das Volk grosse Schuld aufgeladen hat (wie Nu. 14,33-34). Die „40 Jahre“ für Juda erinnern an die 40 jährige Wüstenwanderung der Israeliten mit Mose. In diesen 40 Jahren wurde das Volk von Gott gezüchtigt und gestraft für ihre Aufruhr und ihr Unglaube. Dieses geschichtliche Ereignis bildet eine direkte Parallele zur Züchtigung Judas, in unserem Text, durch die Babylonier.

Dann muss Hesekiel seinen Arm entblössen und im Namen des Herrn die Belagerung und den Untergang Jerusalems ankündigen (Jes. 52,10). Lag der Prophet tatsächlich so lange auf der Strasse von Tel-Abib (in Chaldäa)? Das wäre eine erstaunlich grosse körperliche Leistung, die nur durch besondere Kräfte des Geistes Gottes möglich gewesen wäre (3,24). Man bedenke alleine an die Probleme der Nahrungsaufnahme, sowie der Ausscheidung usw. Zudem erhielt Hesekiel ja noch weitere Aufträge, die er nicht alle gleichzeitig ausführen konnte. Er musste z. B. Stricke anziehen, so dass er sich nicht mehr bewegen konnte, um die Gefangenschaft Judas zu symbolisieren. In den kommenden Versen ist von Brotbacken die Rede usw. Ob er tatsächlich so lange auf der Strasse lag, wissen wir nicht mit Sicherheit. Hesekiel bewies ohnehin, dass er kein gewöhnlicher Priester war (1,3), sondern ein grosser Prophet Gottes. Seine Darstellungen für die Gefangenschaft Judas waren besonders eindrücklich und einzigartig in der Geschichte. Mit den 390 Tagen, plus 40 dazu, gibt es weitere Probleme bei der Auslegung: Wenn sie wörtlich zu verstehen sind und sich auf die Geschichte Israels beziehen, dann wären das insgesamt 430 Jahre (390 + 40 = 430). Dazu fehlen uns die Angaben, wann diese Periode begann oder wann sie endete. Wir wissen nur aus der Geschichte, dass das Volk Israel so lange in ägyptischer Gefangenschaft verbrachte (Ex. 12,40; Gal. 3,17)

Als Hosea (750 v. Chr.) von der Gefangenschaft des Nordreichs durch die Assyrer sprach, verglich er das mit der Rückkehr nach Ägypten (Hos. 8,13; 9,3). Deshalb kommen wir zur folgenden Schlussfolgerung; diese Tage repräsentieren eine Leidenszeit für die begangenen Sünden des Volkes. Bevor diese Zeit um war, gab es keine Widerherstellung. Erst, nachdem diese Zeit um war, konnte folgendes zum Volk gesagt werden: „Redet zum Herzen Jerusalems und ruft ihr zu, dass ihr Frondienst vollendet, dass ihre Schuld abgetragen ist. Aus der Hand des Herrn musste sie nehmen das Doppelte für all ihre Sünden“ (Jes. 40,2).

 

 III. Verse 15-17: Das Brot auf dem Kuh Dreck

Im dritten symbolischen Akt musste der Prophet den Gefangenen in Tel-Abib die Hungersnot während der Belagerung Jerusalems demonstrieren. Dazu musste er sich täglich von selbstgebackenem Brot ernähren. Die Zutaten für das Brot symbolisierten die Knappheit an Nahrung. Normalerweise wurden die Priester bei allem was sie herstellten dazu angeleitet, möglichst nur eine Materie zu verarbeiten (Lv. 19,19; Dt. 22,9). Doch bei diesem Brot waren es gleich mehrere Zutaten ohne besonderen Nahrungsgehalt. Das Brot selbst war geschmacklos und unappetitlich. Als im dritten Jahrhundert dieses grässliche Brot zu Versuchszwecken erneut hergestellt wurde, stellte man fest, dass nicht einmal Hunde es berühren würden.

Hesekiel musste das Brot und das Wasser genau abwägen, von dem er sich ernähren sollte. Das bedeutet, dass es rationiert wird und nicht genug zu Essen und zu Trinken da sein wird (Lv. 26,26). Zwanzig Schekel im Tag wären umgerechnet etwa 250 Gramm. Doch Hesekiel sollte das nur „von Zeit zu Zeit“ essen. Ebenso sollte er „von Zeit zu Zeit“ einen Liter Wasser abwägen und trinken. Das war viel zu wenig, um in diesem heissen Klima überleben zu können. Jede Belagerung war immer eine schreckliche Situation für die Menschen! Jeremia, der in Jerusalem lebte, machte die Belagerungszeit mit. Der König Zedekia liess ihm täglich aus der Bäckerei ein Brot herstellen (Jer. 37,21). Wasser gab es kaum mehr in der Zisterne, sondern nur Schlamm (38,6). Wie weit Hesekiel das über ein Jahr durchhielt ist sehr fraglich.

Zusätzlich musste Hesekiel sein Brot mit Menschenkot verunreinigen. Das heisst; er wurde angewiesen das rationierte Brot auf Menschenkot zu backen. Hesekiel, der sich immer an alle gesetzlichen Reinheitsvorschriften hielt und nie etwas unreines ass, war entsetzt. Gott selbst gebot seinem Volk durch das Gesetz Mose vieles nicht zu essen, um sich nicht zu verunreinigen und strafbar zu machen (Ex. 22,31; Lv. 7,18; 17,11; 19,7; 22,8; Dt. 12,16; 14,21). Nun wird Hesekiel sogar noch von Gott dazu angeleitet. Das erste Mal äussert sich Hesekiel spontan dazu. Schliesslich kommt der Herr ihm entgegen und gestattet ihm, dass er statt auf Menschenkot auf Kuhfladen backen darf. Eine ziemliche Verbesserung, oder?! Ja, denn im Unterschied zum Menschenkot machte der Kuhfladen das Essen nicht unrein. Im Osten war es nichts ungewöhnliches, dass man sein Brot ohne Ofen, sondern mit der Hitze eines Kuhfladens buk. Auch bei dieser Demonstration stellt sich die Frage, wie lange Hesekiel das tatsächlich machte, oder wie weit vieles symbolischen Charakter hat. Es konnte nicht Gottes Absicht sein, dass Hesekiel durch verunreinigte Nahrung krank wurde.

Was war der Sinn und Zweck all dieser Anweisungen? Gott wollte, dass das Volk verstand, dass es unrein würde. Deshalb musste Hesekiel dies in aller Öffentlichkeit vorführen. Es war unmöglich in einem fremden Land rein zu bleiben. Amos warnte den Priester Amazja mit den Worten (Am. 7,17): „Du wirst auf unreinem Boden sterben, und Israel muss in die Verbannung, fort von seinem Boden.“ Eine ähnliche Voraussage wurde dem Hosea gegeben (Hos. 9,3): „Sie werden nicht im Land des Herrn bleiben, ... und in Assur werden sie essen, was unrein ist.“ Es gab vieles, worauf die Juden achten mussten, um sich nicht zu verunreinigen. Es gab allerdings auch Gefangene wie Daniel (Dan. 1), die sich von unreinem Essen distanzieren konnten. Jeder Gläubige, der Gott und seine Gebote liebte, kam sich schrecklich weit entfernt von Gott vor, weil er unrein war und in einem unreinen und gottlosen Land leben musste. Die Tatsache, dass Hesekiel statt auf Menschenkot, auf Kuhfladen backen konnte, bedeutete, dass es für den Gerechten immer einen Weg gab, um sich nicht zu verunreinigen im fremden Land. Gott illustrierte dem Volk durch den zerbrochenen Stab, dass es aus war mit der Zeit, wo es Brot in Fülle gab. Brot und Wasser würden so knapp werden, dass sie ständig in Angst und Sorge ums Überleben kämpfen werden. Trotz genauer Einteilung würden sie immer mehr abmagern bis sie elend zugrunde gehen. So wird Gott ihre Schuld bestrafen.

 

 IV.   Schlussfolgerungen zu Kapitel 4

Keine schönen Zukunftsperspektiven! Hesekiel soll dem Volk damit verkünden, dass Gott die Sünde nicht unbegrenzt tolerieren wird. Es wird eine Zeit kommen, in der Gott die Schuld des Volkes bestrafen wird. Hesekiel verkündete Gottes Strafgericht deshalb im Voraus, weil das Volk die Gelegenheit bekommen sollte, um einsichtig zu werden und Busse zu tun. Genauso ist es in der heutigen Zeit, in der wir alle gewarnt werden vor dem endgültigen Gericht Gottes (2. Pet. 3,9): „Der Herr verzögert nicht, die Verheissung zu erfüllen, wie einige meinen, sondern ist geduldig mit euch; er will nicht, dass einige zugrunde gehen, sondern vielmehr, dass alle den Weg der Umkehr einschlagen.“

Wichtig ist zu sehen, dass Gott reich ist an Barmherzigkeit und Gnade (Eph. 2,1-10). Er liebt es nicht, uns Menschen zu strafen. Gottes Gerechtigkeit kann seine Geschöpfe aber auch nicht der Sünde überlassen! Trotz harter Strafe gibt es immer wieder Hoffnung für alle, die einsichtig sind und umkehren von ihrem sündhaften Wandel. Auch das Volk Israel durfte auf eine Zeit der Wiederherstellung hoffen. Selbst in schwierigsten Lebenssituationen wird der Herr einen Ausweg schaffen, damit wir uns nicht verunreinigen müssen, sondern Gott und seinem Wort treu bleiben können! Darum verspricht er uns in seinem Wort: „Noch ist keine Versuchung über euch gekommen, die nicht menschlich wäre. Gott aber ist treu: Er wird nicht zulassen, dass ihr über eure Kräfte versucht werdet, sondern mit der Versuchung auch den Ausweg schaffen, dass ihr die Kraft habt, sie zu bestehen“ (1. Kor. 10,13).