Hesekiel-05: Tragödie der Stadtbewohner

Die Herrlichkeit Gottes

 

 I.   Kapitel 5: Mit einem Schwert soll er sich die Haare schneiden

Verse 1-4: Mit einem Schwert soll er sich die Haare schneiden.
Im vierten Akt soll Hesekiel ein scharfes Schwert nehmen und sich die Kopf- und Barthaare schneiden. In der damaligen Zeit waren solche Handlungen skandalös und aufsehenerregend. Heute würde ein solch Verrückter auf der Strasse innerhalb einer Stunde von der Polizei entfernt.

Der Prophet war in aller Munde. Er handelte nicht von sich aus verrückt. Er wurde vielmehr vom allmächtigen Gott immer wieder zu neuen Handlungen angeleitet.

Vielleicht dachten die Leute, dass Hesekiel trauerte oder sich einfach nur selbst blamierte. Das Haupt scheren war damals ein Ausdruck tiefster Trauer (Jes. 15,2; Jer. 48,37). Es konnte aber auch eine Demütigung bedeuten, wie das die Ammoniter mit einigen Männern Davids taten (2. Sam. 10,4-5). Wenn aber ein israelitischer Priester seine Haare kahl scherte oder seinen Bart stutzte, dann wurde er unrein vor dem Herrn (Lv. 21,5). Die Leute verstanden den Propheten nicht mehr.

Hesekiel musste nun seine Haare abwägen und in drei genau gleich grosse Teile zerlegen. Einen Teil verbrannte er (in der Stadt?), was symbolisierte, dass die Menschen in Jerusalem umkommen werden. Einen andern Teil musste er mit dem Schwert zerhacken, um die Getöteten ausserhalb Jerusalems darzustellen (2. Kön. 25,4-7). Das restliche Drittel sollte er in den Wind streuen, um anzudeuten, dass nach der Belagerung viele Bewohner gewaltsam in fremde Länder vertrieben werden. Einigen gelingt die Flucht und andere werden durch das Schwert umkommen. Deshalb muss Hesekiel davon ein paar wenige Haare nehmen und einen Teil in sein Gewand einbinden, denn diese bleiben bewahrt, den andern Teil soll er verbrennen, weil sie umkommen werden. Dies alles wird vermutlich nach den Tagen der Belagerung stattfinden, d. h.: nachdem Hesekiel 390 Tage auf der linken Seite lag und nach den 40 Tagen, auf denen er auf der rechten Seite lag.

Schliesslich sagt der Herr, dass ein Feuer ausbrechen und das ganze Haus Israel zerstören wird (was genau damit gemeint ist, wird nicht gesagt). Die vier symbolischen Handlungen Hesekiels stellen die Strafe des Volkes Gottes dar:

- Die Belagerung und Einnahme Jerusalems (4,1-3).

- Die Dauer der Strafe für Israel und Juda gemäss der Dauer ihrer Gräuel (4,4-8).

- Die Verhältnisse während der Belagerung und anschliessendes Exil (4,9-17).

- Das Schicksal der Bewohner Jerusalems, die alle Leiden werden, ausser einem kleinen Rest (5,1-4).

Verse 5-6: Auslegung der symbolischen Handlungen.
Jerusalem wird zerstört wegen der Sünde, die auf ihr lastet. Für die Juden bildete Jerusalem das Zentrum der Welt (Hes. 38,12). Jerusalem hätte den umliegenden Nationen ein Vorbild sein sollen. Sie hätte der ganzen Welt die Herrlichkeit Gottes widerspiegeln können. Stattdessen versündigte sich die Stadt schlimmer als die gottlosen Heiden. Sie widersetzten sich Gottes Gesetzen (Rechtssätzen) und Satzungen (Geboten). Diese doppelten Begriffe kommen immer wieder vor (11,12.20; 18,9.17; 20,11.13.16.18-19.21.24-25; 37,24). Die Gesetze (hebr. mishpatim) bestimmen das Verhältnis von Mensch zu Mensch. Die Satzungen (hebr. chukkim) bestimmen das Verhältnis zwischen Gott und den Menschen. Weil Jerusalem sich nicht an den Herrn und seine Gebote hielt, überstieg es in ihrem Ungehorsam bei weitem die Bosheit der umliegenden Länder.

Verse 7-10: Gott bestraft sein Volk so hart wie noch nie.
Im Kapitel 11,12 wird gesagt, dass Gottes Volk nach den Bräuchen der Heiden gelebt habe. Hier in Vers 7 aber wird betont, dass es nicht nach den Rechtssätzen der Nationen gehandelt habe. Diese beiden Aussagen stehen in einem scheinbaren Widerspruch zueinander. Dies muss jedoch kein Widerspruch sein! Damit wird ausgesagt, dass Gottes Volk sogar gegen die Bräuche der Heiden verstossen hat (16,47). Es lebte gesetzlos als verwildertes und ungehorsames Volk. Denken wir nur an die Zeit Manasses (697-642 v. Chr., 2. Kön. 21,11).
b) Jeremia wirft dem Volk vor (Jer. 2,11): „Hat je eine Nation Götter eingetauscht? Und das sind nicht einmal Götter! Mein Volk aber hat seine Herrlichkeit eingetauscht gegen das, was nichts nützt.“ Mit andern Worten: „Die gottlosen Völkern sind ihren toten und nutzlosen Göttern treu geblieben. Ihr aber seid eurem lebendigen Gott untreu geworden.“

Wegen all dieser Sünden wird Gott vor allen Nationen gegen sein eigenes Volk vorgehen und Gericht halten. Der Herr wird mit seinem Volk so umgehen, wie er noch nie umgegangen ist und auch nie mehr umgehen wird. Das ist mehr sprichwörtlich gemeint und steht nicht im Widerspruch zu den Worten Jesu, der vor der weiteren Zerstörung Jerusalems weissagte (Mt. 24,21): „Denn es wird dann eine Bedrängnis geben, wie es noch keine gegeben hat vom Anfang der Welt bis jetzt und wie auch keine mehr sein wird.“ Das bezog sich auf die endgültige Zerstörung Jerusalem (70 n. Chr.). Zur Zeit Hesekiels war jedoch noch nicht das absolute Ende für Jerusalem, wie sich das vielleicht im ersten Augenblick anhört. So verstanden, wird hier von einem einzigartigen Gottesgericht gesprochen, wie es in der Geschichte noch nie vorkam. Die Belagerung führt zu einer schrecklichen Katastrophe, in der die Bewohner Jerusalems einander verspeisen werden. Bei der Belagerung Samariens wird ein Fall von zwei Frauen geschildert (2. Kön. 6,28-29). Als Mose den Israeliten Segen oder Fluch vorlegte, sprach er von einer solchen Tragödie, wenn sie Gott nicht gehorchen: „Und ihr werdet das Fleisch eurer Söhne essen und das Fleisch eurer Töchter verzehren“ (Lv. 26,29). „Dann wirst du die Frucht deines Leibes essen, das Fleisch deiner Söhne und deiner Töchter, die dir der HERR, dein Gott, gegeben hat, unter der Belagerung und in der Drangsal, mit der dein Feind dich bedrängt“ (Dt. 28,53). Auch Jeremia bestätigte diese Katastrophe (Jer. 19,9): „Und ich werde sie das Fleisch ihrer Söhne und das Fleisch ihrer Töchter essen lassen, und jeder wird das Fleisch seines Nächsten essen in der Bedrängnis und in der Drangsal, in die ihre Feinde, die ihnen nach dem Leben trachten, sie bringen.“

Verse 11-12: Das verunreinigte Heiligtum Gottes.
„So wahr ich lebe, spricht der Herr ...“ ist eine Aussage, die besonders von Hesekiel und Jeremia immer wieder gemacht wird (Hes. 5,11; 14,16.18.20; 16,48; 17,16; 18,3; 20,3.31.33; 33,11; 34,8; 35,6.11; oder umgedreht: 17,19; 33,27). Damit wird die Ernsthaftigkeit betont und die Tatsache, dass Gott, der Herr die Quelle dieser Aussage ist. Zur damaligen Zeit gab es viele falsche Propheten, die die Menschen verführten und behaupteten, dass sie für Gott sprachen (Hes. 22,28). Dabei widersprachen viele den negativen Behauptungen Hesekiels und Jeremias und versuchten den Menschen gutes zuzureden (Jer. 14,14).

Das Volk versündigte sich auf vielerlei Arten. Doch durch die Götzenbilder verunreinigten sie nicht nur das Heiligtum (2. Kön. 21,7), sondern beleidigten den Charakter und die Heiligkeit Gottes. Darum sagt Gott: „Ich werde kein Mitleid kennen ...“ (7,4.9; 8,18; 9,5.10). Viel lieber wäre es Gott gewesen, wenn er am Volk seine Liebe und Gnade hätte ausüben können. Doch die wiederholte Ablehnung und die Gräueltaten zwangen den Herrn zu solch harten Aussagen und drastischen Massnahmen.

Dann wiederholt der Herr seine angekündigten drei Gerichte, die Hesekiel mit seinen Haaren symbolisch darstellte: Ein Drittel wird in der Stadt zugrunde gehen und zwar durch die Pest und durch die Hungersnot (2. Kön. 25,1-21; 2. Chron. 36,17-21; Jer. 39,1-18). Ein anderes Drittel wird ausserhalb der Stadt durch das Schwert umkommen. Das letzte Drittel wird verjagt und verfolgt werden.

Verse 13-17: Israel wird zum Gespött für die Völker ringsum.
Im letzten Abschnitt dieses Kapitels verschärft sich das Gerichtsurteil Gottes noch einmal deutlich. Israel hat seinen Bund mit dem allmächtigen Gott gebrochen. Darum ist der Herr nicht länger verpflichtet dafür zu sorgen, dass es seinem Volk gut geht und es gesegnet wird, wie er dem Abraham verheissen hatte (Gn. 12,1-3). Vorbei ist es mit der Verheissung (Gn. 22,18): „Mit deinen Nachkommen werden sich Segen wünschen alle Völker der Erde ...“ Israel war kein leuchtendes Licht mehr, auf das die umliegenden Völker neidisch hinschauten. Deshalb soll Israel zum Gespött für die Völker ringsum werden.

Erst wenn Gottes Zorngericht ausgeübt wird, dann werden sie erkennen, was der Herr ihnen mit leidenschaftlichem Eifer zu erklären versuchte. Gottes Eifersucht wird in Hesekiel immer wieder betont (8,3.5; 16,38.42; 23,35; 36,6; 38,19). Gott ist eifersüchtig für Recht und Gerechtigkeit, wie ein Ehemann auf seine Frau, wenn er sie beim Ehebruch ertappt (Nu. 5,14ff; Spr. 6,34).

Durch die folgenden Hinweise sollten die Juden Gottes Gericht erkennen (V. 13): Gottes angehäufte Wut wird sich austoben (6,12; 7,8). Gottes Zorn wird sich am Volk stillen. Gott wird sich durch seine Rache Genugtuung verschaffen. Jerusalem wird zur Trümmerstätte und zum Gespött (V. 14). Das heisst; die Stadt wird unbewohnbar. Wir dürfen nicht vergessen, dass Gott niemals so handeln möchte an seinem Volk, sondern er muss sich absondern, weil Gott heilig und gerecht ist und keine Gemeinschaft haben kann mit Sünde, Unreinheit und Ungerechtigkeit! Jerusalem wird für die Völker (V. 15) – „zum Hohn und zur Schmähung“, „zur Warnung und zum Entsetzen“.

Gottes Gericht wird begleitet von Wut, Zorn und Züchtigungen. Besiegte Nationen waren immer eine Schande und ein Hohn. Schliesslich wird Juda mit giftigen Pfeilen getroffen, die Hunger, wilde Tiere, die Pest, den Krieg und den Tod bringen werden. Ein schreckliches Szenario; eine sichere Katastrophe, die kommen wird, denn der Herr hat es so gesprochen!

 

 II.   Schlussfolgerungen zu Kapitel 5

Gott züchtigt sein Volk, speziell seine geliebten Kinder. In den Hebräer 12,5-6 steht: „Mein Sohn, achte nicht gering die Erziehung des Herrn, und verliere den Mut nicht, wenn du von ihm gestraft wirst. Denn wen der Herr liebt, den züchtigt er, und er schlägt jeden Sohn, den er annimmt.“ Keine Züchtigung macht Freude, sondern sie bedeutet Schmerz und Demütigung. Alles, was wir negatives im Leben erfahren, ist eine Züchtigung Gottes, mit der wir lernen sollen, richtig umzugehen. Es muss nicht immer Sünde im Spiel sein, wenn der Herr uns züchtigen lässt. Weil Gott uns liebt, lässt er uns züchtigen zum Guten, damit wir immer mehr zur Vollkommenheit heranwachsen!

Gott züchtigt niemals grundlos. Deshalb sollen wir den Herrn jeweils fragen: Was willst du, Herr, damit in mir bewirken? Es gibt allen Grund zur Freude, wenn unser Glaube erprobt wird, denn nur so können wir wachsen (Jak. 1,2-3). Gott möchte uns durch die Züchtigungen nicht zerstören, sondern näher zu sich ziehen.

Gottes Züchtigungen dauern nicht ewig. Gott liebt es nicht, wenn er uns leiden sieht. Der Gottlose hat es besonders schwer, heisst es in den Sprüchen (Spr. 5,22-23 alte Züricher): „Der Gottlose verfängt sich in seiner eigenen Schuld, wird festgehalten von den Stricken seiner Sünde. Aus Mangel an Zucht geht er zugrunde, ob seiner grossen Torheit taumelt er hin.“ Alles hat seine Zeit und alles geht vorbei. Gott hat es so gemacht, dass nach jeder Zucht oder Niederlage auch wieder Lob und Sieg an der Reihe sind. Darum, lasst uns auf die Mahnungen Gottes rechtzeitig hören und seine Züchtigungen annehmen, denn dadurch führt er uns auf dem rechten Weg zum ewigen Leben!