Hesekiel-08: Vier Abscheulichkeiten

Die Herrlichkeit Gottes

 

 I.   Kapitel 8: Die Sünde der Menschen

Hier beginnt ein neuer Abschnitt, der bis zum Ende des Kapitels 11 dauert. In dieser Vision wird er Zeuge des Götzendienstes im Tempel von Jerusalem (Kap. 8). Dabei lernt er, wie Gott plant damit umzugehen. Er sieht die Vernichtung der Menschen (Kapitel 9). Er erlebt auch wie Gottes Herrlichkeit vom Tempel weicht, aber gleichzeitig hat er Hoffnung für einen Rest der Menschen, die gerettet werden (Kap. 10-11).

Gott sagte (7,6): „Das Ende kommt.“ Doch die Gründe für diese Verurteilung werden erst in Kapitel 8-11 gegeben. Hesekiel durfte das Ausmass sehen, wohin die Korruption der religiösen Führer Israels führte. Er beobachtete wie unmoralisch die Bewohner Jerusalems lebten. Er sah auch, dass die, welche das Zeichen Gottes nicht trugen, verdammt waren. In den folgenden vier Kapiteln sehen wir verschiedene Aspekte, die zeigen, weshalb das Ende kommen musste.

In Kapitel 8 zeigt Hesekiel vier Abscheulichkeiten, die die Menschen begangen hatten:

1.  Die Götzenstatue, die Gott eifersüchtig machte (V. 5-6).

2.  Der versteckte Götzendienst, den die Ältesten von Juda trieben (V. 7-13).

3.  Die Frauen, die um den Götzen Tammuz weinten (V. 14-15).

4.  Die Sonnenanbeter (V. 16-18).

Zu jeder Abscheulichkeit werden ganz bestimmte Aussagen gemacht, die die Dramatik betonen:

- Vers 5: „Und er sprach zu mir: Du Mensch ....“ (auch V. 12).

Gott entrückte Hesekiel zum Tempel und zeigte ihm die Sünden, die dort täglich stattfanden:

- Vers 7: „Er brachte mich an den Eingang zum Vorhof ...“

- Vers 14: „Er brachte mich an den Eingang des Tors ....“

- Vers 16: „Er brachte mich in den inneren Vorhof ...“

Dann sagte Gott, als wollte er sich vergewissern: „Siehst du ...?“ (V. 6). „Hast du gesehen ...“ (V. 12). „Hast du es gesehen, Mensch ...“ (V. 15.17). Gott versicherte Hesekiel nach jedem Mal, dass er noch grössere Gräuel sehen werde. Die vierte Abscheulichkeit bildet schliesslich den Höhepunkt.

Verse 1-4: Hesekiel wird vom Geist nach Jerusalem entrückt.
Seit der ersten Vision Hesekiels sind etwa 14 Monate vergangen. Wenn es ein Schaltjahr war, dann hatte er seine symbolische Handlung vor 12 Tagen abgeschlossen. (Zwischen Adar und Nisan wurde jedes zweite Jahr einen Monat von 29 Tagen zum Kalender hinzugefügt). Wenn es kein Schaltjahr war, dann lag Hesekiel immer noch auf seiner rechten Seite und trug die Strafe für die Bosheiten Judas. Es gab also bereits Älteste aus Juda, die mit Hesekiel im babylonischen Exil lebten (vermutlich wurden sie 605, oder 597 aus Juda ausgewiesen).

Es scheint logisch, dass Hesekiel mitten im Gericht von Juda eine weitere Vision hatte, etwa am 17. September 592 v. Chr.. Im Buch Hesekiels wird immer wieder gesagt, dass die Ältesten ihn aufsuchten (14,1; 20,1; 33,31). Offenbar erkannten die Juden im Exil, dass Hesekiel ein Prophet, ein Gottesmann war (2,5). Hesekiel war eine Person, die stumm sein konnte und auf den Moment wartete, bis Gott seinen Mund öffnete, um den Menschen zu sagen: „So spricht der Herr!“ (Hes. 3,26-27).

Nun sieht der Prophet eine Gestalt (vermutlich wird hier von Gott gesprochen wie im 1,27; Ex. 24,17), die oberhalb hell glänzte und aussah wie Bernstein, die im unteren Teil wie Feuer war. Es wird ihm eine Hand entgegengestreckt, die ihn in einer göttlichen Vision nach Jerusalem entrückt (ob buchstäblich oder nur im Geist ist nicht sicher). Dort wird er vor das Nordtor geführt, wo ein Götzenbild steht (auch Tammuz, V. 14; siehe Tempelskizze für den Ort!). Es gibt Kommentare, die sprechen vom Standbild der Aschera, die Manasse ins Haus des Herrn stellen liess (2. Kön. 21,7). Doch der König tat später Busse und warf diesen Götzen, zusammen mit andern, aus der Stadt (2. Chron. 33,7.15). Später wurden diese Götzen zwar wieder eingeführt, aber schliesslich vom König Josia16 endgültig zerstört (2. Kön. 23,6). Ich würde zu gern wissen, wie dieser Götze ausgesehen hat. Vermutlich war es eine der vielen primitiven Statuen, die handgeschnitzt waren (Jer. 16,19-21). Sie waren oft keine besonders schönen Kunstwerke. Hesekiel nennt es „das Bild der Eifersucht“. Gottes Eifer für sein Volk des Bundes ist berechtigt und gerecht. Seine Eifersucht ist nicht vergleichbar mit menschlichem Egoismus (siehe Kommentar in 5,13-17).

Dann sieht Hesekiel die Herrlichkeit Gottes, wie er sie ganz am Anfang seiner ersten Vision gesehen hatte, als er am Fluss Kebar war (1,3). Es ist bemerkenswert, dass Gottes Herrlichkeit neben allen diesen Abscheulichkeiten noch zu sehen war. Es war, als ob Gott ihm den starken Kontrast zeigen wollte zwischen seiner heiligen Gegenwart und den toten Statuen und Bildern im Tempel. Doch in Kürze würde die Herrlichkeit Gottes weichen (Kap. 11).

Verse 5-6: Die erste Abscheulichkeit.
Gott spricht zu Hesekiel: „Sterblicher Sohn eines Menschen, schau Richtung Norden ...!“ Endlich war der Prophet zurück in seiner geliebten Stadt Jerusalem. Jerusalem, die Stadt Davids, aber noch wichtiger, die Stadt des lebendigen Gottes. Jerusalem, das Zentrum der Wahrheit und der Heiligkeit. Aber diese Romantik war schnell verflogen, als Gott ihm zeigte, was in den letzten fünf Jahren mit der Stadt alles geschehen war, seit Hesekiel in der Verbannung lebte. Gott zeigte dem jungen Propheten wie böse diese Stadt geworden war.

Am nördlichen Tor, wo Opfertiere geschlachtet wurden (Lv. 1,11), stand eine Götzenstatue (wie gross diese Schnitzerei war, ist unbekannt). Wie konnte so etwas geschehen? Wie konnten die Tempelpriester so etwas zu lassen? Der junge Prophet war entsetzt! Damit vertrieben sie den lebendigen Gott buchstäblich aus dem Tempel!

Dann sagt Gott weiter: „Siehst du, was sie tun? Siehst du ihre Bosheit?“ „Sie beten lieber den toten Götzen an, statt mich in meinem Heiligtum!“ „Doch warte, ich zeige dir noch schlimmeres!“

Verse 7-10: Die zweite Abscheulichkeit.
Vermutlich ist hier immer noch von diesem Nordtor die Rede. Dort gab es auch Räume, oder Kammern für die Priester (40,44-46). Hesekiel entdeckte ein Loch in einer Wand. Es war zu klein, um durchzukriechen. Dieses Loch zeugte von der Respektlosigkeit gegenüber dem Tempelgebäude. Gott befahl dem Propheten diese Wand zu durchbrechen. Nun stand er vor einem Eingang zu einer weiteren Kammer. Gott forderte ihn auf, in diese Kammer hineinzugehen, um zu sehen, welche Abscheulichkeiten sich dort befanden.

Hesekiel ging durch die Tür hinein und sah lauter Götzenbilder, von kriechenden Tieren, von grossen Tieren, von scheusslichen Tieren, von Mistgötzen, die das Volk verehrten. Im Gesetz Mose gelten diese Kategorien als unrein (Dt. 4,16-18; Lv. 11). Es ist unfassbar, dass ausgerechnet solche unreinen Tiere, die verboten waren zu essen, überall in den Wänden eingeritzt waren. Diese Wandgemälde im Heiligtum wurden zusammen mit ihren Götzen vom Volk Gottes angebetet!

Verse 11-13: Die siebzig Ältesten.
Diese Männer waren die Führer der Nation. Offenbar wurde diese Tradition aufrechterhalten, die Mose begann, als er von Gott angewiesen wurde 70 Älteste einzusetzen, um das Volk zu führen (Ex. 24,1.9; Nu. 11,16-25). Auserlesene Männer, die Vorbilder sein sollten in der Gottesfurcht und in heiligem Wandel, trieben nun den Götzendienst voran im Volk. Was für eine Schande und was für ein Skandal!

Die siebzig Männer standen alle mit einer Räucherpfanne in der Hand da, um ihre Götter anzubeten (wie bei der Rotte Kora, Nu. 16,17-18). Mitten unter ihnen befand sich Jasanjahu, der Sohn des Schafans. Vermutlich war er der Anführer der siebzig Götzendiener. Der Schafan war ein bekannter Schriftgelehrter, der dem König Josia aus dem Gesetzbuch Mose vorlas. Sein Bruder, oder Halbbruder war Achikam, der Jeremia unterstützte (Jer. 26,24). Jasanjahu war hingegen „das schwarze Schaf“ in der Familie. Sein Name bedeutet: der Herr hört. Doch er opferte den toten Götzen, die nicht hören konnten. Zudem war das opfern von Räucherwerken nicht die Aufgabe der Ältesten, sondern die der Priester! Hesekiel bekam als Priester wahrscheinlich Wallungen, als er diese Missstände sah.

Sie beteten unreine und abscheuliche Tiere an, die die Ägypter, die Kanaaniter und die Babylonier anbeteten. Jeder Älteste befand sich in einer Kammer mit seinem Lieblingsgötzen, den er anbetete. Dort hielt jeder eine Räucherpfanne in der Hand, aus der es qualmte was das Zeug hielt. Das alles taten sie nicht in der Öffentlichkeit, sondern im Geheimen. Denn sie meinten, dass der lebendige Gott sie dort im Finstern nicht sehen würde (Ps. 94,7; Jes. 29,15). Jeremia 16,17: „Denn meine Augen sind auf alle ihre Wege gerichtet, sie können sich nicht verstecken vor mir, und meinen Augen ist ihre Schuld nicht verborgen.“ Gerade deshalb ist der Herr qualifiziert uns Menschen gerecht zu richten, weil er alles sieht und nicht vergisst (Hi. 7,17-18; 22,13-14; Ps. 10,11; 94,7). Nichts bleibt seinen Augen verborgen (Spr. 15,3). Der Herr sieht sogar ins innerste unserer Herzen: Ps. 139,3-12.23-24.

Der Herr sagt zu Hesekiel: „Hast du gesehen, was hier abläuft?!“ Sie glauben nicht mehr daran, dass der Herr mit ihnen ist. Sie glauben an ihre selbstgemachten Götter, die ihnen nicht helfen können. „Doch komm, ich zeige dir noch schlimmeres!“ sagt der Herr.

Verse 14-15: Die dritte Abscheulichkeit.
Jetzt kommt es noch dicker! Hesekiel wird zum Eingang geführt, zum Nordtor, das in den Tempel führte. Wie Jeremia, so musste auch Hesekiel Zeuge werden von den Abscheulichkeiten, die die Frauen im Land vollbrachten (Jer. 7,18; 44,15-30). Was taten sie? Sie weinten um den verstorbenen Götzen „Tammuz“! Tammuz war ein männlicher Wettergott aus Babylonien, der als Segensspender verehrt wurde. Seine Anbetung kann bis 3000 v. Chr. zurück verfolgt werden. Das ist eine der ältesten Formen von altertümlicher Anbetung. Später wurde Tammuz mit dem griechischen Adonis und der Aphrodite verbunden. Er wurde als Mann, Sohn, oder Bruder der Ischtar, einer babylonischen Fruchtbarkeitsgöttin betrachtet. Er wurde als Wettergott des Regens und der Vegetation verehrt und war ähnlich wie der kanaanäische Gott Adad und Baal. Baal war ein Titel, der für jeden Gott verwendet werden konnte.

Gemäss heidnischer Überlieferung starb Tammuz jeweils im frühen Herbst, wenn die grosse Hitze kam, die Pflanzen verwelkten und die Flüsse vertrockneten. Seine Anbeter beweinten ihn, um seine Auferstehung zu begünstigen. Der Beweis für seine Auferstehung war im Frühling, wenn das Land wieder Regen empfing und die Pflanzen anfingen zu wachsen. Im jüdischen Kalender gibt es einen Monat Tamus (Juni/Juli), an dem am 17. gefastet wird.

Die jüdischen Frauen beteten eine babylonische Gottheit an. Weil die Babylonier die Israeliten besiegten und in die Verbannung führen konnten, glaubten viele, dass die Götter Babyloniens mächtiger waren als der Gott Israels. Zudem war es inzwischen in Israel so trocken, dass eine Hungersnot über dem Land lastete, wie vorausgesagt (5,16). Da die Bewohner Jerusalems der Meinung waren, dass der Herr sie verlassen hatte, wendeten sie sich vermutlich erst recht den Götzen zu. So wandten sich die Frauen an einen babylonischen nicht-gott in der Hoffnung, dass er ihnen ihre Saat wieder wachsen liess. Damit versündigten sie sich noch mehr und es half ihnen nichts, denn nur der lebendige Schöpfergott hätte sie erhören und ihnen helfen können! Genauso handeln heute noch viele, die in ihrem Leben schwer geprüft werden; statt sich an Gott zu wenden, stellen sie Gott erst recht in Frage.

Verse 16-18: Die vierte Abscheulichkeit.
Es ist kaum zu glauben, aber es gibt noch eine Steigerung. Gott führte Hesekiel in den inneren Hof, wo die Brandopfer stattfanden. Zwischen dem Altar und dem damaligen Eingang zum Tempel standen 25 Männer mit dem Rücken zum Tempel und den Gesichtern nach Osten. Die 25 Männer waren vermutlich Priester, denn die Priester brachten an diesem Ort gewöhnlich die Gebete dar (Joel 2,17). Die Zahl 25 hat eine besondere Bedeutung. David teilte die Dienstabteilungen der Priester in 24 Mann ein (1. Chron. 24,3-18). Zusammen mit dem Hohenpriester bildete eine Abteilung 25 Mann. Somit stehen die 25 Männer für die ganze Priesterschaft. In Kapitel 9,6 werden diese Männer Älteste genannt. Vermutlich zählten sie zu den älteren Priestern. Diese 25 Männer sollten eigentlich zum Herrn beten! Doch stattdessen drehten sie dem Tempel des Herrn den Rücken zu und beteten Richtung Osten. Weshalb nach Osten? Im Osten geht doch die Sonne auf? Ja, genau deshalb! Sie beteten den Sonnengott an! Diese Götzendiener drehten Gott im Tempel demonstrativ den Rücken zu und warfen sich vor dem Sonnengott nieder, um ihn anzubeten. Was für ein Skandal! Die Anbetung von Himmelskörper war eine der frühsten Form von Götzendienst (Hi. 31,26-27). Im Gesetz Mose wurde dieses Thema bewusst behandelt, um solchen abscheulichen Handlungen vorzubeugen und sie laut und deutlich zu verwerfen (Dt. 17,3). Deshalb schaffte der König Josia alle Pferde ab, die die Könige für die Sonne aufstellen liessen (2. Kön. 23,11).

Zum Schluss fragt Gott den Hesekiel: „Wann ist es genug, was sie hier treiben?“ Der allmächtige Gott ist aufs Tiefste verletzt worden! Statt die gebührende Dankbarkeit und Anbetung dem Herrn zu bringen, drehen sie dem lebendigen Gott den Rücken zu, halten die Weinranke unter ihre Nase, um tote Götter zu verehren. Wer hat denn die Sonne geschaffen und ihr ihren Schein gegeben? Die Weinranke unter die Nase zu halten, war eine typische Art von heidnischer Anbetung. Gott hat keine andere Option, als sein Volk ohne Mitleid zu strafen!

 

 II.   Schlussfolgerungen zu Kapitel 8

Wie sieht es in unseren Herzen aus? Lebt Gottes Herrlichkeit in uns?

Glauben wir allein an den allmächtigen Gott? Wie viel Prozent bei Prüfungen?