Hesekiel-10: Der Grund für Gottes Gericht

Die Herrlichkeit Gottes

 

 I.  Einleitung

Wir haben in Kapitel 9 gesehen, dass Gott seine Rache unter Kontrolle hat. In Kapitel 10 wird uns die Herrlichkeit Gottes gezeigt und die Berechtigung das Gericht auszuüben (Röm. 12,19-21).

In Kapitel 1 hatte Hesekiel eine Vision von vier Cherubim mit vier Gesichtern, auf vier Rädern. Weshalb tauchen in Kapitel 10 diese vier Wesen wieder auf? Weil es hier wieder um den Herrn geht, der dem Hesekiel in einer weiteren Vision darstellt, dass er sich aus seinem Heiligtum zurückzieht. Es zeigt umso mehr, dass die Visionen Hesekiels göttlicher Natur sind, die miteinander übereinstimmen und einander ergänzen. Obschon es Unterschiede gibt, so geben sie uns ein besseres Verständnis über Gottes Herrlichkeit und rechtfertigen seine Handlungen.

 

 II.   Verse 1-2: Glühende Kohlen

Hesekiel sieht plötzlich über dem Gewölbe der Keruben einen Thron. Das ist der Thron, den er in der ersten Vision sah (im Kap. 1), der sich über dem kristallenen Gewölbe befand (1,22-23). Das Gewölbe bildet das Fundament oder der Boden über dem der Thron Gottes schwebt (siehe Offb. 4,6). Der Thron ist aus Saphir, das ist ein tiefes Blau wie der Himmel und es ist durchsichtig (Guggian103).

Dieses Gewölbe trennt den unteren vom oberen Teil (Seite 12). Im oberen Teil befindet sich Gottes Thron. Im unteren Teil befinden sich die Kerubim und die vier Räder.

Zwischen den Kerubim liegen glühend heisse Kohlen. Der Begriff Kerubim kommt in dem kurzen Kapitel 10 insgesamt 19 Mal vor (auch Kerub, oder Keruben). Offenbar wird Kerubim für die Einzahl als auch für die Mehrzahl verwendet (wie zum Beispiel der Begriff Engel). Wie wir aus Kapitel 1 wissen, werden Kerubim in der Bibel nicht als Engel bezeichnet, sondern sie sind einfach geschaffene Wesen für den Himmel. In Kapitel 1 werden sie jedoch nicht als Kerubim, sondern bloss allgemein als vier Wesen bezeichnet.

Gott spricht nun zum Schriftgelehrten im Leinengewand (dem wir in Kapitel 9,3 das erste Mal begegneten). Er fordert ihn auf zu den Kerubim hinzugehen. Dort soll er mit beiden Händen in die glühenden Kohlen hineingreifen, die zwischen den Keruben liegen. Diese Kohlen sollen zum Gericht über der Stadt ausgestreut werden, um sie zu reinigen. Feuerkohlen sind oft ein Symbol der Reinigung im AT (Bsp. Jes. 6,6-7). Besonders die feurigen Kohlen, die zwischen den Kerubim liegen, dienen zur rechtmässigen Reinigung. Denn nur Gott hat die Macht Sünden auszutilgen (Mt. 9,1-8). Der Mann geht ohne zu zögern zwischen die Kerubim, um in die glühend heissen Kohlen zu greifen und Hesekiel sieht dabei erstaunt zu. Erstaunt vermutlich deshalb, weil ihm erlaubt wird, das alles mitanzusehen. Erstaunt deshalb, weil die Kohlen berührt werden können ohne verletzt zu werden.

 

 III. Verse 3-7: Die Herrlichkeit des Herrn im Tempel

Die Kerubim stehen aufrecht im südlichen Teil des Tempels (beim Ausgang). Sie stehen, weil sie in Bereitschaft sind zu gehen. Denn Gott wird seinen Tempel in Kürze verlassen, doch vorher gibt es noch einiges zu tun.

Dann ist von der Herrlichkeit (hebr. kabod) des Herrn die Rede und eine Wolke erfüllt den inneren Vorhof. Das ist die Gegenwart Gottes. In Exodus 24,16 lesen wir: „Und die Herrlichkeit des Herrn liess sich auf dem Berg Sinai nieder und die Wolke bedeckte ihn sechs Tage lang. Und am siebten Tag rief er mitten aus der Wolke Mose herbei. Die Erscheinung der Herrlichkeit des Herrn aber war vor den Augen der Israeliten wie ein verzehrendes Feuer auf dem Gipfel des Berges.“ Gottes Herrlichkeit ist voll Ehre, Glanz, Pracht, Macht, Erhabenheit, Heiligkeit. Wir lesen weiter, als die Wolke das heilige Zelt in der Wüste bedeckte, dann erfüllte die Herrlichkeit des Herrn das ganze Heiligtum, so dass Mose nicht hineingehen konnte (Ex. 40,35; 1. Kön. 8,10-11). Das Volk Israel hatte nicht verstanden, wie kostbar Gottes Gegenwart war, die sich nun tragischer Weise zurückzog. „Denn obwohl sie Gott erkannten, haben sie ihm nicht die Ehre gegeben, die Gott gebührt, noch ihm Dank gesagt, sondern sie verfielen mit ihren Gedanken dem Nichtigen, und ihr unverständiges Herz verfinsterte sich“ (Röm. 1,21).

Im Neuen Testament wird von Jesus gesagt (Joh. 1,14): „Und das Wort, wurde Fleisch und wohnte unter uns, und wir schauten seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit, wie sie ein Einziggeborener vom Vater hat, voller Gnade und Wahrheit.“ Erst Jesus brachte die Gegenwart Gottes wieder auf diese Welt zurück. Seine Herrlichkeit war von Gott selbst. In Hesekiels Vision erhebt sich nun die göttliche Herrlichkeit. Sie bewegt sich zur Schwelle des Tempels und ist bereit abzuheben. Daraufhin geschehen zwei Ereignisse: Der Tempel wird mit der Wolke erfüllt. Der Vorhof wird vom Glanz der Herrlichkeit des Herrn erfüllt.

Das Flügelgeräusch der Kerubim ist so laut, dass es sogar im Vorhof zu hören ist. Das Geräusch ist beeindruckend und hört sich an, wie die Stimme Gottes (das ist El-Schaddai). El-Schaddai bedeutet „der Allmächtige“.

Der allmächtige Gott befiehlt nun dem Mann im leinenen Gewand, von den feurigen Kohlen zu nehmen. Gehorsam geht der Mann zu den Kerubim und stellt sich neben eins der Räder. Offenbar hat der Mann keine Angst, seine Hände mit den feurigen Kohlen zu verbrennen. Ein Kerub ist ihm behilflich, nimmt von den Kohlen und übergibt sie dem Mann. In Vers 2 wurde er bereits instruiert, die Kohlen über die Stadt auszustreuen. Ob die Stadt damit in Flammen aufgeht? Hesekiels Aufmerksamkeit wird in seiner Vision auf die Kerubim gelenkt.

 

 IV.  Verse 8-14: Das Aussehen der Kerubim

Unter ihren Flügeln sieht Hesekiel wie Menschenhände, das bedeutet, Kerubim sind dienende Wesen. Zusätzlich ist ihr ganzer Körper voller Augen bedeckt; am Rücken und an den Flügeln, d. h. ihnen entgeht nichts.

Neben den Kerubim sind wieder diese grünen Räder (wie ein Türkis Topas), auch voller Augen (wie in Kapitel 1). Das bedeutet, dass dadurch Gottes Augen nichts entgeht (Ps. 139,1-14). Jedes Rad hat mitten drin ein weiteres Rad eingebaut. Alle vier Räder sind fähig sich nach allen vier Seiten gleichzeitig zu bewegen. Sie werden Galgal genannt, das bedeutet „Wirbelwind“(Hfa).

Die vier Kerubim haben alle vier Gesichter, die sich jedoch in einem Teil von den Wesen in Kapitel 1 unterscheiden: Das erste Gesicht ist ein Kerub, statt eines Stiers (Kap. 1). Es kann gut sein, dass das Gesicht des Kerubs dem Stier ähnlich ist. Vielleicht hat Hesekiel dies in seiner ersten Vision nicht richtig erkannt, oder es gibt tatsächlich einen Unterschied. Hesekiel bestätigt jedenfalls, dass dies diesselben Wesen sind, die er am Fluss Kebar gesehen und in Kapitel 1 beschrieben hat (V. 22). Das zweite Gesicht ist das eines Menschen. Das dritte Gesicht ist das eines Löwen. Das vierte Gesicht ist das eine Adlers. Alle vier Gesichter repräsentieren die höchste Macht auf allen Gebieten des Lebens; sei es im Himmel (der Kerubim), sei es auf Erden (der Mensch), sei es in der Wildnis am Boden (der Löwe), sei es in der Wildnis in der Luft (der Adler).

 

 V.   Verse 15-17: Die Räder der Kerubim

Diese vier Wesen erheben sich und die Räder bewegen sich in alle vier Himmelsrichtungen. Die vier oder acht Räder bewegen sich synchron zu den Wesen. Wenn die Kerubim still stehen, dann stehen auch die Räder still. Wenn die Kerubim sich bewegen, dann bewegen sich auch die Räder. Denn diese Räder sind nicht blosse Materie, sondern vom Geist der Kerubim gelenkt.

 

 VI.  Verse 18-22: Die Herrlichkeit Gottes verlässt den Tempel

Hier wird auf eindrückliche Weise geschildert, wie Gott nun den Tempel verlässt. Er reitet sozusagen auf den Kerubim mit ihren Rädern und schwebt davon (Ps. 18,11). In Kapitel 11,23 wird gesagt, dass der Herr nicht nur den Tempel, sondern auch die ganze Stadt verlässt: Deuteronomium 31,17 (Hosea 9,12).

Die Geschichte wiederholt sich (1. Sam. 4). Die Israeliten versündigten sich gegen den Herrn, so dass Gott es zuliess, dass die Bundeslade von den Philistern entwendet wurde. Das war in der Zeit, als die gottlosen Söhne Elis umkamen und die Israeliten im Krieg gegen die Philister eine schwere Niederlage einstecken mussten. Als der Hohepriester Eli davon erfuhr, fiel er rückwärts vom Stuhl und brach sich das Genick, so dass er starb.Das war Anlass dazu, dass die schwangere Schwiegertochter Elis ihren neugeborenen Sohn „I-Kabod“ (= keine Herrlichkeit) nannte und sagte (4,21): „Die Herrlichkeit wurde weggeführt aus Israel!“ (damit meinte sie die Bundeslade, die von den Philistern weggenommen wurde). Wenn die Menschen doch nur aus den Ereignissen der Geschichte etwas lernen würden. In Hesekiels Zeit wurde wieder ein „I-Kabod“ geboren, denn die Herrlichkeit Gottes ist aus der Mitte des Volkes gewichen. Sechs Jahrhunderte später gab es wieder eine Generation, die sich von Gottes Herrlichkeit in der Person Jesus abwendete. Jesus kündigte erneut das Gericht über Jerusalem an: Mt. 23,37-38. Zum Schluss bestätigt Hesekiel noch einmal, dass er die vier Wesen als Kerubim erkannt hat, denn sie tragen dieselben Gesichter wie bei der ersten Vision am Fluss Kebar (Kap. 1).

 

 VII. Schlussfolgerungen zu Kapitel 10

Wie steht es mit uns? Ist Gottes Herrlichkeit noch in unserer Mitte? Brennt der goldene Leuchter noch in unserer Gemeinde? In diesem Kapitel wird eindrücklich geschildert, was für eine Tragik es ist, wenn Gottes Gegenwart verschwindet. Darum wollen wir ein offenes Ohr haben für die Ermahnungen und Warnungen des Wortes Gottes! Wir wollen unsere Herzen nicht verhärten, sondern Gott um seine gnädige Gegenwart bitten.

Denn der allmächtige Gott (El-Schaddai) wohnt unter seinen Kindern: Jesus verspricht (Joh. 14,23): „Wer mich liebt, wird mein Wort bewahren, und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und uns bei ihm eine Bleibe schaffen.“ Und in Offenbarung 3,20: „Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wer immer auf meine Stimme hört und die Tür öffnet, bei dem werde ich einkehren und das Mahl halten, ich mit ihm und er mit mir.“ „Und ich hörte eine laute Stimme vom Thron her rufen: Siehe, die Wohnung Gottes bei den Menschen! Er wird bei ihnen wohnen, und sie werden seine Völker sein, und Gott selbst wird mit ihnen sein, ihr Gott“ (Offb. 21,3). Möge Christus durch den Glauben in den Herzen von uns allen wohnen (Eph. 3,17). Denn wir sind teuer erkauft worden und bilden nun den Tempel des lebendigen Gottes (1. Kor. 6,19-20; 2. Kor. 6,16). Darum, lasst uns mit unserem ganzen Leib und Geist Gott verherrlichen, damit er niemals von uns weicht!