Hesekiel-11: Ein Rest wird gerettet

Die Herrlichkeit Gottes

 

 I.   Vers 1: Am Osttor

Hesekiel wird noch einmal vom Geist Gottes erfasst. Seit dem achten Kapitel wird er von einer Vision zur andern geführt. Wir haben festgestellt, dass er diese Visionen am 17. September 592 hatte, also 6 Jahre vor der endgültigen Zerstörung Jerusalems. Doch in diesem Kapitel findet nun diese lange Szene voller Abscheulichkeiten ein Ende. Hesekiel befindet sich noch immer sitzend in seinem Haus in Babylonien. Die Ältesten, die sich nach ihm erkundigten, waren noch immer anwesend.

Der Geist Gottes trägt ihn zum Osttor (siehe Tempelkomplex). Dort stehen 25 Älteste. Sie dürfen nicht mit den Männern verwechselt werden, die in Kapitel 8 die Sonne anbeteten. Die Zahl ist zwar dieselbe, aber die Gruppe ist nicht dieselbe. Es handelt sich hier um die führenden Politiker Judas. Diese Gruppe hatte zwei bekannte führende Kräfte: Jaasanja, Sohn des Asur (nicht des Schafan; 8,11). Pelatjahu, Sohn des Benajahu. Uns sind diese obersten Führer unbekannt. Wir wissen nur von Hesekiels Vision, dass sie als böse dargestellt werden. Diese Beiden schmieden offenbar böse Pläne und stürzen andere mit ihren Ratschlägen ins Unglück.

 

 II.   Verse 2-3: Falsche Führung verurteilt

In der Bibel wird immer wieder gewarnt vor schlechter Führung, die ein ganzes Volk in den Abgrund stürzen kann. Sie stellen sich gegen alles, was Gott ihnen durch die Propheten verkündigen lässt. Jeremia zum Beispiel verkündete dem Volk, dass sie sich den Babyloniern kampflos ergeben sollten (Jer. 27,12-16). Doch die führenden Männer stellten sich gegen Jeremia und ermutigten das Volk den Babyloniern Widerstand zu leisten. Später lesen wir im Hesekiel 17 wie der Herr Zedekia verurteilt, weil er sich Nebukadnezar nicht unterordnet. Doch dies war eine direkte Auflehnung gegen Gottes Wille.

Die Führer Israels sagen prahlend: „Baut keine weiteren Häuser, sondern bewaffnet euch, denn wir sind unbesiegbar!“ „Unsere Stadt ist wie ein sicherer Topf für das Fleisch.“ „Es schützt das Fleisch vor dem Feuer. Wir sind das Fleisch im Topf. Solange wir in dieser Stadt bleiben, sind wir sicher vor unseren Feinden.“ (Übrigens, in Hesekiel 24,3-10 ist ein anderes Beispiel vom Topf.)

 

 III. Verse 4-5: Prophezeiung gegen die Führer!

Der Herr befiehlt Hesekiel zwei Mal gegen die beiden Führer zu Prophezeien. Dabei soll er betonen, dass Gott ihre Gedanken kennt und alles, was sie heimlich Böses tun. Mit ihren falschen Ratschlägen dienen sie nur sich selbst. Sie machen sich der vielen Gefallenen schuldig, die kämpfen statt sich zu ergeben.

 

 IV.  Verse 6-8: Die Führer sollen getötet werden

Die Führer sind verantwortlich für die vielen Toten in der Stadt. Sie haben sie auf ihrem Gewissen, weil sie nicht auf das Wort des Herrn hören wollten, der durch die Propheten sprach. Gott gebraucht ihr eigenes Gleichnis und interpretiert es neu, indem er durch Hesekiel sagen lässt: „Ihr meint in der Stadt sicher zu sein, aber das Gegenteil ist der Fall.“ „Das Fleisch im Topf (Kessel) sind die unschuldig Erschlagenen.“ „Aber ihr werdet aus der Stadt geführt und dort dem Feind ins Auge blicken.“

So wahr der Herr lebt, heisst es, Gott wird die Oberen aus der Stadt herausführen lassen, damit sie ausserhalb der Mauern Jerusalems getötet werden. Sie fürchten das tödliche Schwert des grausamen Feindes (Hab. 1,5-10), doch genau damit werden sie umkommen. Die Anführer wollen sich hinter den kämpfenden Soldaten verstecken, die die Stadt verteidigen, aber das wird ihnen nichts nützen. Denn wenn sie in der Stadt umkommen würden, dann würde das bedeuten, dass sie zum Teil auch unschuldig wären. Deshalb dürfen sie nicht in der Stadt bleiben, sondern müssen zuerst hinausgeführt werden, um dort zu sterben. Weil sich Juda so sehr vor ihren Feinden fürchtete, beantragten die Führer Schutz von den Ägyptern (Hes. 17,15), doch es nützte ihnen nichts.

 

 V.   Verse 9-12: Die Führer fallen durch das Schwert

Gerade das, was sie am meisten fürchteten, wird über sie kommen: das Schwert des Todes! Da nützen auch die beruhigendsten Worte nichts. Sie werden aus der Stadt vertrieben. Sie werden in die Hand der gefürchteten Feinde fallen. Und sie werden eines gewaltsamen Todes sterben.

An der Grenze Israels werden sie gerichtet, wie wir das von Zedekia lesen: 2. Könige 25,1-7. Zedekia dachte, er könne mit seinem Heer entkommen, doch das Heer zerstreute sich, während es von den Feinden verfolgt wurde. Die Söhne Zedekias wurden in Ribla getötet (das ist an der nördlichen Grenze Israels; nördlicher als Damaskus, Byblos und Tripolis). Dem König wurden die Augen ausgestochen und er wurde nach Babylon weggeführt.

Deshalb wird Jerusalem ihnen keine Sicherheit und Schutz gewährleisten. Denn die Führer werden aus der Stadt hinausgeführt nach Ribla, um dort hingerichtet zu werden: 2. Könige 25,18-21. Weil sie nicht nach Gottes Satzungen und Geboten gehandelt haben, wird der Herr sie mit dem Tod bestrafen. Alle sollen erkennen, wer der Herr, der allmächtige Gott im Land ist. Alle sollen sich fürchten vor dem Herrn, der die Ungehorsamen bestraft.

Statt sich an Gottes Bund zu halten, lebten sie nach den Gebräuchen der Heiden und verloren so den göttlichen Beistand und Segen, ja ihr ganzes Leben. Denn Gott hat nur denen versprochen im Land zu leben, die seinen Bund halten: Leviticus 18,5 (Dt. 28,1-14). Israel hat sich frei entschieden für den Fluch, der zum Tod führte. Israel war nichts mehr besonders oder einzigartiges in Gottes Augen. Israel entwickelte sich zu einem gesetzlosen Volk. Israel trieb es sogar schlimmer als die gottlosen Nationen, denn sie hielten sich nicht einmal an die Gesetze der fremden Völker (5,7; 16,47). Das Volk war korrupt und tat was es wollte. Deshalb lernten sie nun eine andere Seite ihres Gottes kennen. Mit der Einnahme Jerusalems durch den babylonischen König Nebukadnezar und seiner Armee, wurden sie 587/6 v. Chr. von Gott nicht nur gezüchtigt, sondern verurteilt und mit dem Tod bestraft.

 

 VI.  Vers 13: Pelatjahus Tod

Hesekiel sitzt noch immer in seinem Haus in Babylonien. Pelatjahu aber, einer der Führer Judas, ist in Jerusalem. Doch durch die göttliche Vision sieht Hesekiel was in Jerusalem geschieht. Während er weissagte, fiel Pelatjahu plötzlich tot um. Da wirft sich Hesekiel entsetzt auf sein Angesicht und schreit auf: „Herr, wenn das so weitergeht, dann werden alle sterben, so dass nicht einmal ein Rest übrigbleibt!“ (9,8). Der Prophet war nicht etwa glücklich darüber, dass ein böser Führer in Juda starb. Denn der Name Pelatjahu (Pelatja) bedeutet „Gott befreit“ und verspricht Hoffnung für das Volk. Doch Hesekiel war sehr besorgt, dass es mit Pelatjahu keine Befreiung mehr geben wird und sogar der übriggebliebene Rest Israels noch umkommen werde. Deshalb flehte er mit seinem Ruf Gott um Gnade.

Damit offenbarte Hesekiel - seinen grossen Respekt vor dem Leben, sein inniges Mitgefühl für die Menschen, seine Ehrfurcht vor Gottes Gericht, selbst wenn es gerechtfertigt ist. Seine göttliche Vision bestätigte sich, als der Tod des Pelatjahu bis nach Babylonien drang.

 

 VII. Verse 14-16: Sind nur die Zerstreuten von Gott verurteilt?

Es sieht vielleicht so aus, als ob Gott nur die Weggeführten strafe, aus Nord und Süd. Die Übriggebliebenen im Land seien die Gerechten. Deshalb sagen sie bereits in ihrer Arroganz: „Der Herr hat sie verstossen.“ „Jetzt gehört das Land uns.“ Wie ein Junge, der seine kleine Schwester verlor und die trauernde Mutter fragte, ob er nun ihr Zimmer mit ihren Spielsachen kriege. Doch Jeremia beugte diesen hochmütigen Gedanken bereits vor, indem er das Gleichnis von den guten und den schlechten Feigen erzählte (Jer. 24). Die guten Feigen im Gleichnis sind die Verbannten aus Juda. Die schlechten Feigen sind die, welche im Land zurückblieben und die, welche nach Ägypten entkamen. Sie sind die Verworfenen des Herrn und werden alle umkommen. In diesem Gleichnis wird also der Spiess umgedreht. Den Verbannten wird versprochen, dass sie wieder ins Land zurück-kehren dürfen, nachdem sie ihre Beziehung zum Herrn erneuerten.

Gott lässt den Übriggebliebenen im Land durch Hesekiel weiter sagen, dass die Verbannten ihn trotzdem verehren können, auch wenn sie fern vom Tempel leben (Hfa). Sie machen zwar davon kaum Gebrauch, aber dort, wo zwei oder drei in seinem Namen versammelt sind, da ist Gott unter ihnen (Mt. 18,20). Die Verbannten stehen unter göttlichem Schutz. Denn sie zählen zu dem Rest, mit dem Gott noch etwas vorhat. Sie werden ins Land zurückkehren. Während Hesekiel von einer längeren Zeit im Exil spricht, prophezeit Jeremia eine Zeit von 70 Jahren (Jer. 25,11).

 

 VIII. Verse 17-19: Sammlung Israels

In diesen Versen gibt es endlich eine Botschaft der Hoffnung. Gott verspricht, dass eine Zeit kommen wird, in der er sein verschlepptes Volk in ihr Land zurück bringen wird. Die Propheten betonen immer wieder, dass Gott sein Volk neu sammeln wird aus den Nationen. Das bedeutet, dass das jüdische Volk endlich einsehen musste, dass Gott es war, der sie in die Gefangenschaft brachte. Judas Niederlage geschah nicht, weil die Babylonier stärkere Götter besassen. Diese Niederlage war kein schlechtes Schicksal. Es war ganz allein Gott, der zersprengte und der wieder sammeln würde. Gott der Herr würde ihnen wieder Israels Boden geben.

Wenn sie zurückkehren dürfen in das Land der Verheissung, dann ist es vorbei mit dem Götzendienst. Aussagen wie diese spornte das Volk an sämtliche Götter zu entfernen und nie mehr zum Götzendienst zurückzukehren. Sie hatten ihre Lektion auf die harte Tour lernen müssen. Deshalb erinnerten sie sich später immer wieder an den viel zu hohen Preis, den sie für ihren Götzendienst zahlten. Nie mehr durfte sich die Geschichte wiederholen.

Gott verspricht ihnen ein anderes Herz und einen neuen Geist. Doch der Herr wird niemand dazu zwingen. Nur, wer bereit dazu ist, wird ein anderes Herz kriegen. In Kapitel 18,31 lässt Gott verkünden: „Werft all eure Vergehen von euch, mit denen ihr euch vergangen habt, und schafft euch ein neues Herz und einen neuen Geist! ...“ (Vers 32) „Kehrt um und bleibt am Leben.“ Es ist zwar Gottes Initiative eine Herzverpflanzung vorzunehmen, aber wenn der Mensch eine solche Operation nicht zulässt, dann wird nichts geschehen. Dieses Prinzip wird durch die ganze Bibel hindurch immer wieder gelehrt (2. Kor. 5,17ff; Röm. 5,6ff; 1. Joh. 4,9). Der Dienst der Versöhnung kommt von Gott. Aber der Mensch muss bereit sein, diesen Dienst in Anspruch zu nehmen.

Jeder, der anhand dieser Verse annimmt, dass Gott ohne ihre Einwilligung ein neues Israel schaffen würde, liest zu viel in diese Verse hinein. Es kann niemals sein, dass Gott ein bestimmtes Volk bevorteilt, nur weil es z. B. Israel heisst. Gott ist gerecht; er arbeitet auf dem Freiwilligkeitsprinzip und auf dem Prinzip der freien Wahl des Menschen. Ein steinernes Herz kann nur herausoperiert und mit einem fleischernen ersetzt werden, wenn der Mensch einsieht, dass er todkrank ist und dringend eine Herztransfusion braucht. Denn erst mit einem fleischernen Herz ist der Mensch fähig Gott zu lieben und ihm treu zu sein.

Wenn es heisst Phil. 2,13: „Denn Gott ist es, der in euch das Wollen und das Vollbringen bewirkt, zu seinem eigenen Wohlgefallen“, dann ist damit gemeint, dass Gott in uns das Wollen dadurch bewirkt, dass Er das Heil in Jesus Christus am Kreuz vollendet hat, damit in uns das Verlangen nach ihm geweckt wird, dass Gott die Voraussetzung zur Heilung schenkt, wir aber das Verlangen in uns tragen müssen, geheilt zu werden.

 

 IX. Verse 20-21: Gottes Segen kommt zurück

Nachdem die Züchtigung Gottes für sein Volk zu Ende geht, beginnt die Segenszeit: Erstens, Gott sammelt sein Volk. Zweitens, Gott bringt sie zurück ins Land. Drittens, Gott wird das Land säubern von allen Scheusalen und Abscheulichkeiten. Viertens, ER wird wieder ihr Gott sein.

Um diesen ursprünglichen Zustand wieder herstellen zu können, müssen die Menschen zuerst wieder in Gottes Satzungen wandeln und seine Rechtssätze halten. Daraus erkennen wir, dass die Verheissung konditionell ist. Nur, wenn sie bereit sind umzukehren und seinem Bund treu zu sein, wird der Herr sein Volk von Neuem adoptieren. Noch ist es nicht soweit, denn ihr Herz folgt immer noch dem Götzendienst und deshalb steht ihnen die strenge Züchtigung Gottes noch bevor.

 

 X.   Verse 22-25: Auszug der Herrlichkeit Gottes

Der allmächtige Gott ist entschlossen aus der Mitte seines Volkes auszuziehen. Er hinterlässt aber eine Botschaft der Hoffnung und der Versöhnung. Der Herr kommt wieder (Hes. 43,1-4). Sein Verlassen bedeutet nicht, dass alle Menschen seine Gegenwart verlieren oder dass ER nie wieder zurückkommen wird.

Trotzdem beginnt jetzt eine harte Züchtigungszeit für das Volk. Hesekiel wird vom Geist Gottes wieder nach Hause gebracht in Kaldäa. Damit endete seine Vision, die im Kapitel 8,1 begann. In seinem Haus sassen immer noch die Ältesten zu seinen Füssen, die ihm gespannt zuhörten. Sie waren überwältigt von seinen Worten und empfanden tiefe Trauer und Mitgefühl für ihre Landsleute, die noch in Jerusalem waren.

 

 XI. Schlussfolgerungen zu Kapitel 11

Aus diesem Kapitel lernen wir, dass Gott auch von uns Gläubigen im neuen Bund etwas anderes erwartet als von den gottlosen Menschen. Er will, dass wir nach seinen Anleitungen wandeln (11,12). Gott ist der Arzt unserer Seelen und ER kann unsere Herzen nur heilen, wenn wir es zulassen. Gott liebt uns, aber ER kann uns nur beistehen und uns zum ewigen Leben führen, wenn wir uns von IHM führen lassen. Gott sucht uns, aber ER kann uns nur nahe sein, wenn wir Seine Nähe suchen und uns nicht mit der Welt beflecken.

„Ordnet euch also Gott unter und widersteht dem Teufel, so wird er vor euch fliehen! Naht euch Gott, und er wird sich euch nahen! Reinigt eure Hände, ihr Sünder, und läutert eure Herzen, ihr Zweifler!“ (Jak. 4,8).