Hesekiel-17: Das Gleichnis vom Weinstock und den Adlern

Die Herrlichkeit Gottes

 

 I.   Verse 1-10: Das Gleichnis oder Rätsel.

Hesekiel erhält vom Herrn einen weiteren Auftrag. Er soll dem Haus Juda (dem übriggebliebenen Israel) ein Gleichnis erzählen und gleichzeitig ein Rätsel aufgeben. Ein Gleichnis ist ein Vergleich, bei dem zwei Dinge nebeneinandergelegt und miteinander verglichen werden. In diesem Fall ist das Rätsel die geistliche Anwendung des Gleichnisses.

Weshalb spricht Gott immer wieder in Gleichnissen und Rätsel?

Weshalb spricht der Herr die Problematik Israels nicht direkt an? Gleichnisse und Rätsel können die Herzen der Menschen oft besser erreichen und überführen, bevor sie realisieren, dass es um sie geht (siehe David und der Prophet Nathan). Rätsel geben der Wahrheit ein grösseres Gewicht und sind lebendiger. Rätsel prägen sich besser ein.

Um dieses Rätsel besser verstehen zu können, ist es notwendig, mit der Geschichte Israels vertraut zu sein (2. Kön. 24,6-20; 2. Chron. 36,8-16; Jer. 37; 52,1-7). Die Könige Judas waren, mit wenigen Ausnahmen, schlecht, moralisch als auch politisch. Obschon Gott ihnen, durch das Gesetz und die Propheten, Führung anbot, verletzten sie seine Gebote immer wieder. Sie ignorierten die Propheten, verbündeten sich mit fremden Nationen und liessen sich auf allerlei Götzen ein. In diesem Kapitel stehen diese Allianzen mit fremden Nationen im Zentrum.

Der grosse Adler (V. 3) ist Nebukadnezar, der das mächtige Babylon regiert. Wie ein Adler stürzt er sich aus der Höhe hinunter, um seine Beute zu jagen und zu packen, mit seinen riesigen Krallen. Plünderer der Nationen werden oft mit adlerähnlichen Kreaturen verglichen (Dt. 28,49; Jes. 46,11; Jer. 48,40; Dan. 7,4; Hos. 8,1). In diesem Gleichnis fliegt der Adler in den Libanon, oder ins Land Kanaan (Jos. 1,4; 2. Kön. 14,9). Dort reisst er den Wipfel der Zeder ab. Die Zeder steht für ganz Israel. Der Wipfel der Zeder ist Juda.

Mit dem obersten Schössling oder Zweig (V. 4) ist der junge Joiachin (oder Jehojachin) gemeint, der 19te König über Juda. Er war erst 18 Jahre alt und regierte in Jerusalem gerade mal drei Monate und zehn Tage (2. Kön. 24,8). Dann wurden er und seine Gefolgsleute samt Hesekiel, 598 v. Chr., in die Verbannung nach Babylon geführt (2. Kön. 24,10-15). Die Kaufmannsstadt im Land der Händler ist Babylon (16,29).

Das Samenkorn aus dem Land Israel, ist der 20ste und letzte König über Juda; es ist Zedekia (oder Zidkijahu, der 597-586 v. Chr regierte). Er war der Onkel Joiachins (Jer. 37,1) und hiess ursprünglich Mattanja (2. Kön. 24,17). Nebukadnezar gab ihm diesen Namen (das machte er auch mit anderen Juden wie z. B. Daniel usw.). Nebukadnezar setzte ihn zum König über Juda ein, anstelle Jojachins und gab ihm alle Vorrechte und Möglichkeiten, damit er wachse und gedeihe, wie ein Weidenbaum. Das ist damit gemeint, wenn es heisst, dass er ihn als Ufergewächs setzte. Er pflanzte ihn mit reichlich Wasser in ein gutes Saatfeld (V. 5). Allerdings muss auch gesagt werden, dass er als niedrig wachsender Weidenbaum gedeihen sollte und nicht als hohe Zeder oder als starker Eichenbaum.

Ein Weidenbaum, wie wir ihn kennen, beugt seine Äste auch nach unten, als ob er sich verneigen würde (in diesem Fall wäre es vor Nebukadnezar). Eine Zeder oder eine Eiche stellen mehr dar, als ein Weidenbaum. Sie wachsen in die Höhe und haben ein stärkeres Holz. Nebukadnezar wollte verhindern, dass das Königtum in Juda zu stark wurde und sich erheben konnte, deshalb hielt er es niedrig (V. 14).

Statt ein schöner Weidenbaum, wurde ein wuchernder Weinstock daraus. Ein niedrig gewachsener Weinstock, der seine Äste ausbreitete und immer neue Triebe bildete. Doch seine Ranken streckte er nicht dem Adler entgegen. Er zeigte sich seinem Unterstützer, Nebukadnezar, nicht unterwürfig und dankbar, sondern rebellierte gegen ihn.

Dann gab es noch einen grossen Adler, der allerdings nicht so schön und prächtig war wie der Erste. Es ist der ägyptische Pharao Hophra, dem Zedekia, der Weinstock, seine Ranken entgegenstreckte. Zedekia erhoffte sich von Ägypten Hilfe, dabei verletzte er den Bund mit Babylon. Ägypten fiel später unter Nebukadnezars Hand (Jer. 37,7; 44,30). (Siehe Hintergrundinformationen: Jeremia 21; 37; 39; 52.)

Der Vers 8 macht es klar, dass das Benehmen Zedekias unverständlich und völlig unnötig war. Denn er hatte ja alles, unter Nebukadnezar. Er wurde vom babylonischen König gut behandelt und genoss seinen Schutz. Er musste sich nur unter Babylon unterordnen, das ist alles, was von ihm verlangt wurde. Stattdessen wandte er sich an Ägypten und bat um Unterstützung. Das gefiel Babylon natürlich nicht. Schliesslich verbündeten sich Zedekia und Hophra (aus Ägypten) miteinander. Zedekia erhoffte sich fälschlicherweise Hilfe bei den Ägyptern, gegen Babylon, doch dazu war Ägypten zu schwach.

Hesekiel wird von Gott beauftragt, zu fragen: „Hat der Weinstock eine Chance?“ „Wird ihm Ägypten helfen?“ „Hat es jemals zuvor geholfen?“ „Sollte Israel die Erfahrung nicht gelehrt haben, dass Ägypten keine Hilfe ist?“

Schon Jeremia warnte davor, dass von Ägypten keine Hilfe kommen wird. Weder Zedekia und seine Leute, noch der Pharao und seine Armee, hatten die Kraft, Nebukadnezar zu besiegen. Obschon Nebukadnezar ein gewisses Mitgefühl für die Menschen in Juda empfand und deshalb mit Zedekia einen Bund schloss, tolerierte er keine Anarchie (Regierungslosigkeit, Zügellosigkeit) im Land. Zedekia zeigte sich störrisch gegenüber Babel und brach die Treue. Damit reizte er Nebukadnezar zum Zorn. Für Nebukadnezar war es ein leichtes Spiel, Zedekia als König abzusetzen und Jerusalem einzunehmen. Es brauchte dazu keine grosse militärische Operation.

Als warmer Ostwind kam er nach Jerusalem, der den Weinstock austrocknen liess. Jerusalem wurde belagert und dann eingenommen. Zedekia aber nahm man fest, stach ihm die Augen aus und führte ihn in Ketten nach Babel, wo er bis zum Tag seines Todes blieb (Jer. 52,9-11). Seine Söhne wurden hingeschlachtet und die Stadt wurde niedergebrannt, samt dem Tempel (2. Kön. 25). Das war das Ende für die Stadt Jerusalem (586 v. Chr.).

 

 II.   Verse 11-21: Die Erklärung des Gleichnisses und des Rätsels.

Gott nannte Juda nur noch das Haus der Widerspenstigkeit, oder das widerspenstige Volk. So wie es sich gegen den König von Babel auflehnte und den Bund mit ihm brach, so lehnte es sich immer wieder gegen Gott auf. Diese Gesinnung der Treulosigkeit liess Gott, der Herr ahnden. Er liess Juda die Folgen seiner Bosheit selbst tragen.

Nebukadnezar nahm, bei seinem zweiten Angriff (598 v. Chr.) den König Jojachin, seine Mitregierenden und Grossen des Landes, mit nach Babel (2. Kön. 24,13-16). Dann setzte er Zedekia zum König über Jerusalem ein und machte einen Bund mit ihm. Er liess ihn bei Gott schwören, um seine Treue zu Babylon zu garantieren (2. Chron. 36,13). Zedekia ging diesen Bund ein, lehnte sich aber später trotzdem auf und rebellierte gegen die babylonische Herrschaft. Das ist typisch für das ganze Land Juda, das weder mit Gott, noch mit den fremden Nationen, seine Verpflichtungen einhielt.

Nebukadnezar dachte, dass Zedekia sich dankbar erweise sei für die Gnade, die ihm wiederfuhr, als die Babylonier über das Land herfielen. Doch das Gegenteil war der Fall! Zedekia missbrauchte den Namen Gottes aufs Schändlichste, indem er im Namen Gottes einen Eid ablegte und ihn nicht einhielt. Damit zeigte er grosse Missachtung und Respektlosigkeit, gegenüber dem Herrn.

Jeremia und Hesekiel sagten deshalb und unter anderem dem König, samt seinem Volk, den Untergang voraus. Jeremia wurde dafür in eine Zisterne geworfen (Jer. 37,5-15). Hesekiel bestätigte hier noch einmal im Namen Gottes, dass der untreue König nicht entkommen, sondern in Babylon sterben, werde. Gott liess nicht umsonst durch seine Propheten warnen (Hfa: V. 21b). Denn so wie er den Bund mit Nebukadnezar brach, so brach das Volk seinen Bund mit Gott.

Es war nicht die übermächtige Herrschaft der Babylonier, die letztlich Juda zu Fall brachte, sondern es war ganz allein Gott, der sein Volk hart züchtigen liess. Auch die Ägypter konnten Israel nicht helfen, denn die Züchtigung war von Gott eine beschlossene Sache. Die Juden blieben bis zuletzt übertrieben optimistisch. Sie konnten es nicht glauben, dass die königliche Nachkommenschaft ein Ende hatte. Schliesslich versprach Gott dem Haus Davids ewigen Bestand (Ps. 89). Sie verstanden nicht, dass die Verheissung Gottes an David auch Konditionen beinhaltete (2. Sam. 7,11ff.).

 

 III. Verse 22-24: Das Gleichnis vom zarten Sprössling.

Schliesslich lässt der Herr verkünden, dass er seine Versprechungen einhalten werde, auch wenn es so aussieht, als ob die Babylonier Gottes Verheissungen an Abraham und David zerstören würden.

Obschon es im Neuen Testament keinen Bezug auf diese Stelle gibt, muss angenommen werden, dass dieser Abschnitt messianisch ist. Er zeigt, dass Gott alles unter Kontrolle hat. Der Herr schneidet aus den Wipfeln der Zeder einen zarten Zweig heraus und pflanzt ihn auf dem Berg Zion (20,40; Ps. 2,6). Die Zeder stellt wieder ganz Israel dar, denn dieser Schnitt geschieht nicht etwa aus dem Wipfel, den Nebukadnezar mit sich nahm! (V. 4.12). Jeremia erklärte, dass dem König Jehojachin (oder Konjahu), keine Nachkommen auf dem Thron Davids, geschenkt werden (Jer. 22,28-30). Die Verheissung Gottes wird also durch andere Nachkommen aus David gewährleistet. Der zarte Zweig oder Schössling ist der Messias (Jes. 11,1; Jer. 23,5-6; Sach. 3,8; 6,12-13). Jesus wird als König über Israel, im messianischen Reich, regieren. Ein irdisches Königreich wird es nicht mehr geben! Die Zeder, d. h. das himmlische Königreich, wird prächtig gedeihen und Früchte bringen (Jes. 9,6-7; Amos 9,14). Vögel aller Art (Menschen aus allen Nationen) werden in den Zweigen (= Reich) nisten (Dan. 4,17.32.34-37; Mt. 13,31-32). Alle Bäume des Feldes (= Nationen) werden den Herrn erkennen und sich der Herrschaft des Messias beugen (Ps. 89,30-34; 38-52). Der Starke wird fallen und der Unterdrückte wird gestärkt (Jes. 33,23).

Der Herr bestätigt, dass er seine Verheissung wahr machen wird!

 

 IV. Schlussfolgerungen zu Kapitel 17

Es geht in diesem Kapitel nur um eines: Vertraue Gott und halte seinen Bund. Wer undankbar ist und Gott untreu wird, der wird bestraft. In Vers 16 heisst es deutlich, mit anderen Worten: „Wer wird davonkommen, wer einen Bund bricht?“ Deshalb ist auch unser Ehebund so wichtig, den wir mit einem Eid vor Gott geschlossen haben!

Wer sich einmal zum Herrn und seiner Gemeinde bekehrt hat, der hat genauso einen Bund geschlossen mit Gott und vertraut sich seiner Führung an. Die Gemeinde zu verlassen, bedeutet im übertragenen Sinn, mit der Welt Allianzen einzugehen, wie das Juda bis zuletzt mit dem König Zedekia getan hat. Damit würden wir uns dazu bekennen, der Welt mehr zu vertrauen als Gott. Darum, lasst uns dem Herrn treu sein und ihm unser ganzes Leben anvertrauen, denn ER sorgt für uns und führt uns sicher zum Ziel!