Hesekiel-19: Klage über Israels Fürsten

Die Herrlichkeit Gottes

 

 I.   Einleitung

Gott tat alles, damit die Könige Judas erfolgreich waren. Er gab ihnen ausreichend prophetische Führung, zusammen mit seinen göttlichen Geboten. Zusätzlich konnte Juda profitieren und auf die Geschichte zurückblicken; die lehrreiche Geschichte, mit ihrer Schwester Israel, die tragische Geschichte, vom Untergang Israels (722/1 v. Chr.).

Juda konnte lernen aus dem, was mit den 10 Stämmen im Norden geschehen war. Sie war vorgewarnt, damit dieselben Fehler nicht noch einmal passierten. Doch das Volk war in seiner Arroganz fest davon überzeugt, dass es Juda niemals gleich ergehen würde. Aussagen, wie die Verheissungen des Propheten Nathans an David, wogen sie in falsche Sicherheit (2. Sam. 7). Auch der Psalm 89 ist voll von unterstützenden Gedanken, wie: „Für ewig gründe ich deine Nachkommenschaft und für alle Generationen erbaue ich deinen Thron“ (Ps. 89,5). „Vor ihm zerschmettere ich seine Gegner, und die ihn hassen, schlage ich nieder“ (Ps. 89,24). Sie meinten, solange sie den Tempel besassen, wären sie sicher vor ihren Feinden (wie Jeremia 7 das bestätigt). Aus Hesekiel 8 wissen wir, welch abscheuliche Dinge im Tempel, in all seinen Nebenräumen und Vorhöfen getrieben wurde. Götzendienst statt Gottesdienst fand dort statt. Die Könige von Juda setzten ihren Glauben auf eine vergebliche und falsche Hoffnung.

Hesekiel vergleicht in diesem Klagelied die Könige Judas mit einem Löwenjungen.

 

 II.   Verse 1-4: Die Löwin Juda und ihr Kleines.

Juda wurde schon in den Weissagungen Jakobs als Löwin bezeichnet (Gn. 49,9). Auch später wurde sie immer wieder als Löwin bezeichnet (Mi. 5,8). Salomo hatte neben seinem Thron, auf beiden Seiten zwei Löwen anfertigen lassen (1. Kön. 10,19-20), usw.

Die Mutter Löwin ist keine bestimmte Person, sondern stellt Juda als Nation dar. Sie gebar die Könige in Juda, die Junglöwen. Der erste König war Joahas17 (Jehoachas oder Schallum), der nur drei Monate regierte. Er wurde 609 v. Chr. vom Pharao Necho abgesetzt und als Gefangener nach Ägypten gebracht, wo er starb (2. Kön. 23,30-34; 2. Chr. 36,1-8). Er war ein ungerechter und gottloser König. Jeremia prophezeite seinen Untergang (Jer. 22,10-12).

 

 III. Verse 5-9: Aufzucht eines weiteren Junglöwen.

Weil die Hoffnung auf das erste Löwenkind umsonst war, zog die Löwin ein weiteres ihrer Jungen auf. Jüdische Kommentatoren sehen im zweiten Welpen den König Jojakim18 (Jehojakim), der als direkter Nachfolger (609-598 v. Chr.) regierte. Seine elfjährige Regierungszeit war katastrophal. Er wurde vom ägyptischen Pharao Necho auf den Thron gesetzt und war ein Monster der Ungerechtigkeit und Gräueltaten. 605 v. Chr. wurde er vom babylonischen König Nebukadnezar in einer Feldschlacht besiegt und drei Jahre untertänig gemacht (2. Kön. 24,1-5). Als er drei Jahre später gegen die Herrschaft Nebukadnezars rebellierte, brachte man ihn in Ketten nach Babylon. Anschliessend setzte man ihn wieder ein, doch nach seinem zweiten Aufstand wurde er umgebracht und ausserhalb der Stadtmauern Jerusalems begraben.

Ein anderer Kommentator erklärt, dass die Fakten mehr für Jojachin19 (Jehojachin) sprechen, der mit 18 König wurde, aber nur 3 Monate und 10 Tage regierte. Er ist der König, der mit seiner Mutter, seinen Beamten und Dienern, sowie mit Hesekiel, in die babylonische Gefangenschaft abgeführt wurde (598/7 v. Chr.), zusammen mit insgesamt 10 000 Menschen, nur die Ärmsten durften im Land zurückbleiben (2. Kön. 24,11-17). Alle Daten im Buch Hesekiel gehen von seinem Exil aus und können deshalb auf den Tag genau bestimmt werden. Er erfülle den Vergleich von den beiden Klagen Jeremias am besten (Jer. 22,10-19). Zudem passte das Entsetzen des Landes und das laute Gebrüll des Löwen (V. 7) am besten zum König Jojachin, heisst es. Auch unter ihm litt das Volk, während er unnötigerweise an Gebäuden baute und das geistliche Wachstum vernachlässigte (Jer. 22,13-19). Schliesslich starb er als Verbannter im fremden Land (Jer. 22,24-30). Sein Leben wird in einem Satz zusammengefasst, indem es heisst (2. Kön. 24,9): „Und er tat, was böse war in den Augen des HERRN, genau wie sein Vater es getan hatte.“

 

 IV. Verse 10-11: Israel, der prächtige Weinstock.

Hier wird ein weiteres, wohlbekanntes Bild (besonders im Buch Hesekiel: 15,1-6; 17,1-10; aber auch in Jes. 5,1-7; 27,2-6; Ps. 80,8-16; Mt. 21,33-41; Joh. 15,1-8) für Israel gebraucht.

Diesem Weinstock wurde alle Beachtung geschenkt, damit er viel Frucht bringe. Deshalb wurde er am Wasser gepflanzt. So wuchs er hoch hinauf und war weithin sichtbar. Er war so gross wie die Bäume und seine Zweige waren so kräftig, dass man daraus Zepter für Könige anfertigen konnte. Offenbar konnten die alten Ranken (Wingertsknoten) doch noch für etwas nützliches gebraucht werden. Der Weinstock hatte viele Ranken und trug reiche Frucht.

So war Israel in allen Nationen bekannt, als gesegnetes Volk Gottes. Diese Beschreibung passt am besten in die Zeit Davids und Salomos. Das war die Blütezeit Israels, doch was geschah dann?

 

 V.  Verse 12-14: Israel, der verdorrte Weinstock.

Wegen Ungehorsams und Rebellion wurde der Weinstock an den Wurzeln gepackt und ausgerissen. Der Ostwind trocknete ihn aus, das sind die Babylonier (Hes. 17,6-15). Er wurde in der Wüste neu angepflanzt, damit ist das Volk in der babylonischen Gefangenschaft gemeint. Doch dort trocknete er ohne Wasser (= ohne Gott) schnell aus, sodass er Feuer fing und völlig niederbrannte.

Zuerst aber verdorrte sein kräftiger Ast, das ist Zedekia20 (Zidkijahu), der letzte König Judas. Er übernahm die Regierung (597-586 v. Chr.), nachdem der amtierende König Joiachin gefangen abgeführt wurde. Feuer hat ihn gefressen, das bedeutet; der König fand den Tod. Das Feuer, das von diesem Ast ausging, brannte schliesslich den ganzen Weinstock nieder. Nicht alle Krankheiten des Weinstocks waren Zedekias Fehler. Doch der letzte König Judas trug wesentlich zum endgültigen Untergang Jerusalems bei (587/6 v. Chr.). Zedekia hörte nicht auf den Propheten Jeremia. Damit lehnte er sich gegen Gott auf. Die Folge war, dass er dafür verantwortlich gemacht werden musste, dass das Volk die allerletzte Gelegenheit verpasste, doch noch zum Herrn zurückzukehren. Hesekiel gab damit den Verbannten gute Gründe, nicht länger auf ihren König Zedekia zu vertrauen. Er konnte sie nicht befreien, aus der Gefangenschaft. Denn es gab keinen starken Ast mehr. Juda hatte das Zepter verloren, d. h. das Königtum, das sie führen sollte. Von diesem Tag an gab es in Israel keinen König mehr.

Damit hatte der Herr sein Gericht an seinem Volk vollständig ausgeführt.

Dieses Klagelied war ein Trauergesang Israels mit einem Rhythmus, der von den Hebräern gesungen wurde.

 

 VI. Schlussfolgerungen zu Kapitel 19

Dasselbe gilt auch für uns Gläubigen heute! Darum sollen wir uns am Volk Israel ein Beispiel nehmen, denn es dient als warnendes Beispiel für alle Gläubigen und Gemeinden in der heutigen Zeit. Wie fing in Israel alles an? Es fing an durch einen Bruderstreit, der zur Spaltung der Nation führte. Damit war es aus, mit der Blütezeit der Volksgemeinde Gottes. Statt Aussprache und Vergebung, regierte Absonderung und Rache im Land. Doch Gottes Liebe und Geduld zu seinem Volk wuchs ins Unermessliche. Was hat doch der Herr nicht alles getan, um seinen geliebten Weinstock am Leben zu erhalten. Doch seine Früchte blieben aus. Es wurde immer schlimmer, so dass zuerst Israel und dann Juda aus dem Weinberg ausgerissen wurden.

So ergeht es vielen Gläubigen in ihrer Beziehung zum Herrn! Am Anfang sagen sie begeistert und ehrfurchtsvoll (wie die Israeliten): „Alles, was der Herr befohlen hat, wollen wir tun!“ Doch mit der Zeit wurden sie immer nachlässiger, bis sie anfingen fremden Göttern zu dienen, wie die gottlosen Nationen. Statt auf die Propheten zu hören, die Gottes Wort predigten, rebellierten sie gegen die Verkündiger und liessen sich immer mehr mit der Welt ein. So verloren sie ihr Land und Leben. Was für eine tragische Geschichte!

Darum, lasst uns aus der Geschichte lernen (1. Kor. 10,6.11; Röm. 15,4)! Lasst uns nicht dieselben fatalen Fehler machen wie die Israeliten! Wie geben wir Gegensteuer? Indem wir unsere Beziehung zum Herrn immer wieder auffrischen, geistlich wachsen, Frucht bringen und IHM und seiner heiligen Gemeinde treu dienen! Indem wir unsere Ehen und Familien pflegen, weil wir fest davon überzeugt sind, dass Gott uns zusammengeführt hat, so dass wir voneinander lernen und immer mehr zueinander hinwachsen! Indem wir unseren Bruder und unsere Schwester in der Gemeinde lieben, weil jeder von uns ein Abbild Gottes ist und durch die Wiedergeburt in der Taufe ein Teil, von Gottes ewigem Reich! Möge der allmächtige Gott uns zum ewigen Leben im himmlischen Land führen!