Hesekiel-20: Israels Untreue und die Langmut des Herrn

Die Herrlichkeit Gottes

 

 

 I.   Kapitel 20: Israels Untreue und die Langmut des Herrn

In der Welt des Alten Testaments war es üblich, irgendwelche Gegenstände anzubeten. Eine Anbetung ohne Gegenstände war so undenkbar, wie wir uns heute kein Flugzeug ohne Flügel vorstellen können. Zu einer Anbetung gehörten sichtbare Gegenstände, egal wie primitiv sie waren.

Die Menschen stellten sich vor, dass der Geist eines höheren Wesens in solchen Gegenständen wohnte. Für sie war es unverständlich und absurd, wie die Israeliten einen unsichtbaren Gott anbeten konnten. Die ganze Welt war damals geprägt von dieser falschen Denkweise. Aus eigener Erfahrung wissen wir selbst, wie schwierig es ist, gegen den Strom der Zeit zu schwimmen.

Gottes Aufgabe bestand darin, Israel von diesen primitiven Vorstellungen der Völker loszulösen und auf sich, als unsichtbare Gottheit, aufmerksam zu machen.

In Kapitel 20 lesen wir von einem eigenwilligen und missratenen Volk, das sich selbst überhaupt nicht so sieht, während es vom Herrn auf den richtigen Weg geführt wird.

 

 II. Die Ältesten Israels suchen den Prophet Hesekiel auf

Vers 1: Das Datum ihres Besuchs.
Einige Ältesten, die mit Hesekiel nach Mesopotamien weggeführt wurden, kamen zum Haus des Propheten. Ungefähr ein Jahr war vergangen, als Hesekiel einigen Ältesten eine Vision mit vier Abscheulichkeiten erklärte (8,1). Im siebten Jahr bedeutet, nach Joiachins19 (König von Juda, 598-597 v. Chr.) Wegführung. Das war am 9. August 591 vor Christus. Ungefähr drei Jahre später wurde Jerusalem belagert, dann eingenommen (586/7 v. Chr.) und zerstört. Die Zerstörung Jerusalems ist Gottes züchtigende Hand an seinem Volk. Im Alten Testament wählte sich Gott Menschen aus wie Hesekiel, um sie mit einem besonderen Mass an Heiligem Geist zu erfüllen. Den übrigen Gläubigen wurde diese Gnade nicht zuteil. In der heutigen Zeit beschenkt der Herr niemand mehr mit solchen Gaben. Wir heidnischen Christen werden aufgerufen, uns an die inspirierten Worte der Apostel und Propheten zu halten, die für uns aufgeschrieben wurden (Heb. 2,1-4; Eph. 2,20; 2. Tim. 3,16-17; Jud. 3).

Die Ältesten kamen mit der Absicht, etwas Gutes zu hören, aus dem Mund des Propheten. Sie suchten eine Aufbauende und Ermutigende Botschaft. Vielleicht gab es Neuigkeiten über Zedekia, der mit seiner Rebellion, gegen den König von Babylon, erfolgreich war. Vielleicht gab es etwas Positives zu berichten, über ihre Situation im fremden Land. Wie auch immer, sie kamen und setzten sich hin, in voller Erwartung. Doch sie hatten ein völlig verzerrtes Selbstbild und waren in ihrem Egoismus der Meinung, dass der Herr mit ihnen sei. Sie machten sich selbst etwas vor. In Gottes Augen war es eine absolute Frechheit, wie sie dachten.

Verse 2-3: Gottes Antwort an die Ältesten.
Der Herr lässt Hesekiel mitteilen, dass er empört ist. Mit andern Worten lässt Gott ihm mitteilen: „Was fällt euch ein?!“ „Ihr wollt mich befragen?“ „Ich schwöre, so wahr ich lebe; ich lasse mich von euch nicht befragen und gebe euch keine Antwort!“ Erst im Kapitel 36,37 liess es der Herr wieder zu befragt zu werden.

Vers 4: Gottes Aufruf an Hesekiel.
Dann wendet sich der Herr an Hesekiel und fragt ihn zwei Mal: „Bist du bereit, ihnen die Wahrheit zu sagen?“ „Wirst du für Recht sorgen oder wirst du für sie Stellung einnehmen?“ „Lass sie erkennen, welche Abscheulichkeiten sie und ihre Vorfahren taten und noch immer tun!“ Auch wenn es im ersten Moment aussieht, als ob Israel für die Sünden ihrer Vorfahren gestraft werden sollte, so ist diese Ansicht falsch. Es geht darum, dass das Volk von den Sünden ihrer Vorfahren kein bisschen abliess, sondern sich noch mehr darin verstrickten (V. 18). Deshalb wird Jerusalem Gottes Zorn erfahren. Bsp. Ich weiss nicht, ob ich bereit wäre, Führern der Gemeinde, die zu mir kommen, um eine Botschaft zu empfangen, solche Worte des Gerichts zu verkündigen. Wie war es wohl Hesekiel zu Mute. Aus den folgenden Versen sehen wir, dass Hesekiel kein Blatt vor den Mund nahm.

 

 III. Der geschichtliche Überblick

Verse 5-9: Ungehorsam in Ägypten
An welchem Tag hat Gott Israel erwählt? (Vorsicht! Es geht hier nicht um einen bestimmten Tag.) Eigentlich begann dieser Tag schon mit der Berufung Abrahams (Gn. 12). Es könnte der Tag gewesen sein, an dem die ganze Sippe Jakobs nach Ägypten übersiedelte (Ex. 1,1). Oder, es ist der Tag gemeint, an dem sich Gott-Jahwe dem Mose offenbarte und ihn als Führer über sein Volk berief (Ex. 3,14).

Generell gesehen geht es um den folgenden Gedanken: Der Tag an dem Gott Israel erwählte, war ein herrlicher Tag, ein Tag der Gnade! Als Israel in Ägypten war, befand sie sich in der Sklavschaft und wurde gedemütigt, durch den starken Arm der Ägypter. An diesem Tag erhob Gott seine Hand zum Schwur und versprach: „Ich werde mich als Gott Israels zu erkennen geben.“ „Ich werde mein Volk aus dem Land Ägypten herausführen.“ Mit diesem Schwur hat Gott sein Volk erwählt. Doch diese göttliche Erwählung, beeinträchtigte den freien Willen des Volkes in keiner Weise. Das heisst, Israel konnte sich selbst entscheiden, zwischen Segen oder Fluch (Dt. 28). Die Erwählung Israels war nämlich an die Bedingung geknüpft, dass sie dem Herrn gehorchte.

Dabei forderte der Herr das Volk auf, die toten Götterfiguren Ägyptens wegzuwerfen (V. 7). Doch schon damals waren sie ein widerspenstiges Volk und wollten nicht hören (Ein Beispiel von Israels Auflehnung in Ägypten: Ex. 5,19-21). Kein einziger warf diese Scheusale weg, heisst es (V. 8b). Vor dem Auszug lesen wir nichts davon. Offenbar beteten sie weiter die Götzen Ägyptens an. Trotzdem vollbrachte der Herr zehn grosse Wunder (= 10 Plagen) und führte das Volk auf wunderbare Weise aus der Sklavschaft heraus. Gottes Gnade war schon im AT überschwänglich! Später gebot der Herr mit den zehn Geboten, jegliche Form von Götzendienst zu unterlassen (Ex. 20,1-5). Leider verpasste das Volk die einzigartige Gelegenheit, den Segen des lebendigen Gottes kennenzulernen (V. 11b). Deshalb dachte der Herr daran, an ihnen schon in Ägypten seinen Zorn auszulassen. Warum tat er das nicht? Weil der Herr gerade dabei war, sein Ansehen und seine Macht in der damaligen Welt zu demonstrieren, durch die zehn Plagen. Gott wollte seinen Namen nicht entweihen oder in den Schmutz ziehen, indem er sein Volk verliess. Mit seinem Schwur offenbarte sich der Herr, vor allen Nationen, als ein lebendiger und gnädiger Gott, der fähig war, sein Volk mit machtvoller Hand aus der Knechtschaft Ägyptens zu befreien. Hätte er sein Volk zu diesem Zeitpunkt fallen gelassen, wäre er zum Gespött der Nationen geworden, die IHM mangelnde Macht vorwarfen (Nu. 14,16; Dt. 9,28). Es war allein Gottes überwältigende Gnade und Langmut, die das eigenwillige Volk Israel am Leben liess.

Verse 10-26: Ungehorsam in der Wüste
Mit grossen Machtdemonstrationen brachte der Herr sein Volk in die Wüste. Doch schon bei den ersten Schritten auf der Wüstenwanderung klagte und murrte das Volk. Der Herr gab ihnen seine Satzungen und Rechtssätze (=Gebote) und wer sie einhielt, dem brachten sie Leben (V. 11; Lv. 18,5). Satzungen sind Gebote, die Gott ohne grosse Erklärungen gab. Rechtssätze folgten den Prinzipien, die zum Bund zählten (wie z. Bsp. die Beschneidung und andere Anforderungen, die zum Dekalog, d. h. zu den 10 Geboten zählten).

Der Herr gab ihnen den Sabbat und andere Feste (Lv. 23,24.39). An diesem Tag sollte sich das Volk wöchentlich daran erinnern, dass der Herr ihr grosser Befreier aus der Sklavschaft war, dass sie dem Herrn ihr ganzes Leben verdankten. Doch es ging nicht lange, bis sie den ursprünglichen Geist am Sabbat vergassen und daraus ein totes Ritual veranstalteten. Sie verstanden nicht, dass der Sabbat dazu da war, dass der lebendige Gott sich ihnen zu erkennen gab und sich mit seinem heiligen Volk identifizierte (Ex. 31,13). Der Sabbat, der Gott ihnen gab, war ein lebendiges Zeichen seiner Liebe und Gnade (Jos. 1,7; Dt. 4,40).

Der allmächtige Gott bemühte sich so sehr um sein Volk und zeigte an ihnen seine Liebe und Gnade, doch sie erkannten ihr grosses Privileg nicht, das sie von allen andern Nationen deutlich unterschied. Sie waren widerspenstig und lehnten sich gegen alles auf, ja sie verletzten sogar das Sabbatgebot, worauf die Todesstrafe lag (Ex. 31,14-15; Nu. 15,32-36). Als sie sich schliesslich auch noch auflehnten, als die zwölf Kundschafter zurückkamen und vom Land Kanaan schreckliche Dinge berichteten, da wollte der Herr sie alle umbringen (Nu. 14,11-12). Doch Dank der Fürbitte Moses liess Gott von seinem Vorhaben ab. Mose argumentierte, dass die Ägypter und die übrigen Völker dafür nur eine Erklärung hätten: „Ihr Gott war nicht im Stande sie zu führen“ (Nu. 14,16). Mose bestätigte Gottes Worte, indem er sprach: „Der Herr ist langmütig und von grosser Gnade ...“ (Nu. 14,18).

So vergab der Herr seinem Volk mit einem „aber“: Die ganze Generation musste in der Wüste sterben und durfte das verheissene Land nicht sehen. Erst ihre Nachkommen führte der Herr ins Land Kanaan (Nu. 14,20-23). Gott wollte sein Volk in ein Land bringen „das eine Zierde ist für alle Länder“, d. h. schöner war als alle andern Länder (V. 15). Er versprach ihnen dieses einzigartige und wunderschöne Land. Nur das Allerbeste war gut genug für sein Volk. Doch was erntete der Herr dafür? – Undankbarkeit und Ungehorsam. In Hesekiel 20,17 lesen wir die eigentliche Reaktion Gottes auf das widerspenstige Volk: „Mein Auge aber blickte voller Mitleid auf sie, so dass ich sie nicht vernichtet habe, und so habe ich sie nicht ausgelöscht in der Wüste.“

Das Volk Gottes im AT hatte ein ernsthaftes Herzproblem. Sie liebten ihre Götzen und beteten sie trotz Mahnungen weiterhin an. Das schmerzte den Herrn sehr und er konnte das nie akzeptieren. Wenn es jedoch um die Scheidung ging, dann übersah der Herr, ange-sichts ihrer Hartherzigkeit, den Ungehorsam des Volkes (Dt. 24,1-4; Mt. 19,7-8). Auch die Nachkommen waren widerspenstig und kehrten Gott den Rücken zu, wie ihre Vorfahren (V. 21). Doch Gottes Gnade war mit seinem Volk noch nicht am Ende, denn er hatte grosse Pläne mit ihnen.

Verse 27-32: Ungehorsam im verheissenen Land.
Gott brachte sein Volk in das verheissene Land, denn er hatte es ja geschworen (V. 28). Statt dem allmächtigen und gnädigen Gott dafür Lobpreis und Dank zu erweisen, opferten sie auf jedem Hügel und unter jedem Baum den toten Göttern. Sie liessen ihre Kinder durchs Feuer gehen und wollten sein, wie die übrigen Nationen, die Holz und Stein anbeteten (V. 32). Was für eine Schande! Deshalb liess sich der Herr auch nicht von ihnen befragen (V. 31).

 

 IV. Die Folgen des Ungehorsams

Der Herr muss sein Volk für alle diese Gräueltaten bestrafen, sonst wäre er kein fürsorglicher Vater. Weise Eltern wissen am besten, dass es eine Zeit gibt, in der geduldig sein und gut zureden, ein Ende hat. Obschon sie ihr Kind lieben, müssen sie es ab und zu auch züchtigen, aber zu ihrem Besten. Genauso ist für den Herrn diese Zeit des strafenden Gerichts gekommen: Trotz seiner überschwänglichen Gnade, wird Gott nun zu drastischen Massnahmen gezwungen. Er muss Jerusalem zerstören lassen und das Volk ins Exil schicken. Viele sind ja bereits mit Hesekiel im babylonischen Exil.

Nach einer bestimmten Zeit, wird der Herr sie aber wieder aus allen Ländern sammeln, wohin er sie zerstreut hat. Er wird sie zurückführen, in das Land Kanaan. Dort werden sie ihm nicht mehr Ungehorsam sein, sondern IHM dienen. Meines Erachtens denkt hier der Herr an die Zeit, in der er seinen Sohn in die Welt schicken wird. Jesus Christus wird in völligem Einklang mit Gott, dem Vater stehen. Dabei wird er vielen voraus gehen, auf dem Weg der Gerechtigkeit. Trotz aller Strafe und Gericht, sehen wir auch hier wieder Gottes Gnade. Mitten in der Auflehnungsphase, züchtigt Gott zwar sein Volk, wie sie es verdient haben. Aber er schenkt ihnen auch gleichzeitig Hoffnung auf die Zukunft. Gott denkt an seinen wunderbaren Heilsplan, den er durch seinen Sohn, Jesus Christus, der ungehorsamen Menschheit vorlegen wird.

 

 V.  Schlussfolgerungen zu Kapitel 20

Deshalb kommen wir am Sonntagmorgen regelmässig zusammen, weil wir unserem gnädigen und langmütigen Gott danken wollen. Auch wir stehen heute in einer engen Beziehung mit unserem El-Shaddai (allmächtigen Gott). Jetzt kommt es auf uns an, ob wir am Sonntagmorgen zusammenkommen, um unsere Pflicht und unser Ritual hinter uns zu bringen, oder ob wir den Herrn von ganzem Herzen lieben und IHM unsere Dankbarkeit erweisen, indem wir IHN anbeten, wie er es verdient.

Wir dienen einem lebendigen Gott, dem alle Ehre und alles Lob gebührt, jetzt und in alle Ewigkeit, Amen!