Hesekiel-37: Das Tal voller Totengebeine

Die Herrlichkeit Gottes

 

 I.   Einleitung

Das ist vermutlich das bekannteste Kapitel des ganzen Buches Hesekiel. Dabei fokussiert sich das Ganze natürlich auf den ersten Teil des Kapitels, wo gruselige Totengebeine wieder lebendig werden.

Dieses Kapitel gibt auch die Antwort auf die Klage der Israeliten in Kapitel 33,10: „Unsere Vergehen und Sünden lasten auf uns, und darum vergehen wir! Wie könnten wir am Leben bleiben?“ Mit andern Worten: „Es gibt keine Hoffnung mehr!“ „Wir sind verloren!“ „Gott hat uns aufgegeben!“ Das Bild von den vertrockneten Totengebeinen illustriert tatsächlich, dass es, menschlich gesehen, keine Hoffnung mehr gab, für das Volk.

Die Knochen eines Skelets verbinden wir mit dem Tod. Der Mensch hat 206 Knochen am Körper. Wenn diese Knochen kein Fleisch mehr haben, dann ist das ein Zeichen, dass ein Mensch längst tot ist. Wenn diese Knochen vertrocknet herumliegen, so dass sie mit anderen Totengebeinen verwechselt werden könnten, dann bedeutet das, das absolute Ende für eine Auferweckung.

Immer wieder machte Hesekiel das Volk auf ihren desolaten Zustand aufmerksam (5,14; 12,20; 23,33; 36,34). Doch, gerade darin demonstriert Gott seine Macht, dass er längst verweste Menschengebeine auferwecken und wieder ins Leben zurückrufen kann. Das gibt natürlich Anlass für viele Fehlinterpretationen. Viele glauben deswegen, fälschlicherweise an eine leibliche Auferstehung der Toten. Wichtig ist jedoch, dass wir dieses Kapitel nicht von den Kapiteln 34-37 trennen. In Kapitel 34 verspricht Hesekiel einen neuen Hirten, der die Schafe weiden wird. In Kapitel 35 spricht Hesekiel von neuen Möglichkeiten, die sich dem Land eröffnen werden, nach dem Untergang der Feinde. In Kapitel 36 verspricht Hesekiel dem Volk Israel, dass es in ihr Land zurückkehren darf und verheisst einen fünfzehn Punkte Segensplan. Und nun geht der Prophet in Kapitel 37 noch weiter, indem er verspricht, dass Gott das Volk auf wundersame Art und Weise wieder herstellt, regeneriert, stark und mächtig macht.

 

 II.   Verse 1-14: Das Tal der Totengebeine.

Wenn der Prophet sagt, dass die Hand des Herrn auf ihm war, dann bringt er damit zum Ausdruck, dass er eine weitere göttliche Vision erhielt (1,3; 33,22; 40,1). Der Geist Gottes brachte ihn in ein Tal, das mit Totengebeinen übersäht war. Offenbar fand in diesem Tal oder in dieser Ebene, eine grosse Schlacht statt, in der viele Menschen umkamen. Die Toten wurden jedoch nicht begraben, sondern lagen auf freiem Feld herum.

Hesekiel ging an den Toten vorbei. Er beschreibt die Gebeine als grosse, völlig ausgetrocknete Menge. Diese Gebeine repräsentieren die Verbannten in Babylon (Vers 11). Ihre Sünde frass sich wie ein Krebsgeschwür durch ihr Leben. Das Volk sagt selbst, dass ihre Gebeine vertrocknet sind (V. 11!). Sie lebten in den letzten zehn oder gar zwanzig Jahren im Exil. Die erste Deportation fand 606 v. Chr. statt. Nun befinden wir uns in der Zeit um 586 v. Chr. Viele falschen Propheten sagten voraus, dass die Israeliten nur etwa zwei Jahre in Babylon verbringen müssten. Doch diese zwei Jahre waren längst um und ihre Aussagen erwiesen sich als Lüge. Den Israeliten schwand immer mehr die Hoffnung, dass sie jemals wieder in ihr Land zurückkehren dürften.

Die einst machtvolle Nation, ist nun ein Tal der Totengebeine geworden (Ps. 141,7). Die Knochen waren von der Sonne ausgebleicht, dürr und völlig ausgetrocknet. Mit andern Worten; menschlich gesehen gab es überhaupt keine Hoffnung, auf eine Wiederherstellung für Israel.

Gott fragte Hesekiel: „Was denkst du? Können diese Gebeine je wieder lebendig werden?“ Die Antwort lag klar auf der Hand. Nein! Doch Hesekiel glaubte an die unbeschränkte Macht Gottes (Dt. 32,39; 1. Sam. 2,6; Röm. 4,17). Deshalb antwortete er: „Ich weiss es nicht, Herr, aber du weisst es.“

Darauf forderte Gott den Propheten mit einem Auftrag heraus. Wenn Hesekiel wirklich an Gottes unbeschränkte Macht glaubte, dann konnte er auch den folgenden Auftrag entgegen nehmen. Er sollte nämlich zu den vertrockneten Gebeinen sprechen. Das hört sich vielleicht ein bisschen verrückt an, aber nicht so für Hesekiel. Er machte schon verrücktere Dinge. Bsp. Schriftrolle essen (Kap. 3), 390 Tage lang auf einer Seite liegen, sein Brot auf Kuh Dreck backen und seine Haare schneiden (Kap. 4) usw.

Ironischerweise hatte Hesekiel mehr Erfolg, als er zu den Totengebeinen das Wort Gottes predigte, als dann, als er zum noch lebenden Volk sprach. Er sollte den Gebeinen sagen, dass Gott sie wieder lebendig machen werde. Gott wird den toten Knochen seinen Geist einhauchen. In unserem Abschnitt kommt der hebräische Begriff „ruach“ zehn Mal vor. Ruach kann Wind, Odem, Hauch oder Geist bedeuten. Hauch (V. 5.6.8.9.10). Geist (V. 1.14). Wind (V. 9). In Genesis 2,7 heisst es: „Da bildete der Herr, Gott, den Menschen aus Staub vom Erdboden und blies Lebensatem in seine Nase. So wurde der Mensch ein lebendiges Wesen.“ Wenn wir diese Stelle mit Hesekiel 37,8 vergleichen, dann sehen wir, dass jeder Mensch den Lebensodem Gottes braucht, damit sein Leib lebendig wird. Ohne diesen Lebensgeist, kann kein Fleisch leben.

Dieser Lebensgeist Gottes sollte nun den toten Leib wieder lebendig machen. Zuerst werden Sehnen und Fleisch an ihnen wachsen. Dann werden sie mit Haut überzogen. Schliesslich haucht Gott ihnen seinen Geist ein. Daran sollen alle erkennen, was Gott der Herr vermag.

Obschon sich der Auftrag Gottes merkwürdig anhörte, gehorchte Hesekiel den Anweisungen Gottes und predigte zu den Totengebeinen. Noch während er redete, hörte er ein Klappern und Rasseln. Er sah, wie sich die Knochen zusammenklickten und wie sich Sehnen und Fleisch an ihnen bildeten und schliesslich mit Haut überzogen wurden. Knochen an Knochen rückten aneinander, „eines an das andere.“ Das repräsentiert eine vollständige Wiederherstellung. Die Nation war nicht verkrüppelt. Etwas Wichtiges fehlte jedoch: der Geist, der war noch nicht in ihnen (V. 8b).

Es geschahen zwar grossartige Dinge, doch die Zuhörerschaft war nach wie vor tot. So erlebten es auch andere grosse Propheten, die mit ihren Botschaften auf taube Ohren stiessen (Jes. 6,10). Auch heute noch ist es so, dass viele Prediger beauftragt werden, Gottes Wort zu verkündigen, doch auch sie stossen zunächst auf tote Ohren. Doch wenn sie treu das Evangelium verkündigen und an die Macht Gottes, Tote zu auferwecken glauben, dann können auch heute noch Wunder geschehen. Genauso wenig, wie es Hesekiels Aufgabe war, die toten Menschen ins Leben zurückzurufen, zählt das auch heute nicht zu den Aufgaben eines Predigers. Gottes Geist ist es, der den Menschen seinen Lebensodem einhaucht. Der Prediger kann nur treu und gehorsam seinen Dienst tun.

Hesekiel sprach in der Vollmacht Gottes zum Geist der vier Winde, um die Getöteten anzuhauchen. Die vier Winde waren Geister, die von allen vier Himmelsrichtungen kamen, um die Toten ins Leben zurück zu bringen (7,1). Es ist von Getöteten oder Erschlagenen die Rede und von einem sehr grossen Heer. Das grosse Volk Israel (das Nord- und das Südreich) war tot als Nation. Die Juden wurden getötet, weil sie gesündigt hatten. Die, welche überlebten, wurden in die Gefangenschaft nach Babylon weggeführt.

Gott versprach nun, dass er sein Volk wiederherstellen werde. Er versprach, dass er seinen Geist in diese Menschen legen werde (11,19; 36,26; 39,29). Doch menschliche Kraft konnte dies nicht bewirken. Das konnte nur durch die Kraft des Geistes Gottes geschehen, so dass die Toten aus ihren Gräbern der Gefangenschaft aufstanden und in ihr Land zurückkehrten.

Das Volk sagte: „Unsere Gebeine sind vertrocknet, und unsere Hoffnung ist dahin.“ Endlich erkannten sie ihre Verlorenheit. Endlich begriffen sie ihre völlige Abhängigkeit vom allmächtigen Gott. Endlich waren sie am Boden, am Ende ihrer Kräfte und hoffnungslos, so dass der Herr ihnen helfen konnte, wieder aufzustehen. Bei den meisten Menschen ist es so, dass sie zuerst ganz unten ankommen müssen, bevor sie bereit sind, Hilfe anzunehmen. Niemand kann einem Uneinsichtigen und Hochmütigen helfen. Genauso war es mit dem Volk Gottes. Doch nun konnte der Herr seinem Volk beweisen, dass er es selbst aus dem grössten Elend befreien konnte. Dann werden sie endlich einsehen, dass Gott der Herr ist und dass IHM nichts unmöglich ist.

 

 III. Verse 15-28: Das Zeichen der beiden Holzstücke.

Wie in Kapitel 4,1 und 5,1 hatte Gott für Hesekiel eine Art „Power Point” für die nächste Lektion bereit. Der Prophet sollte ein Holzstück nehmen und darauf „Juda und die Israeliten“ schreiben, was das Südreich symbolisierte. Dann sollte er ein weiteres Holzstück nehmen und darauf „Josef oder Ephraim“ schreiben, was das Nordreich symbolisierte. Manchmal wird das Nordreich auch Ephraim genannt, weil der erste König, Jerobeam, von diesem Stamm kam (1. Kön. 11,31). Manchmal wird das Nordreich auch Samaria oder Samarien genannt, nach der Hauptstadt des Nordreichs. Ohola zum Beispiel repräsentierte Samaria (23,4).

Die Mormonen behaupten ja, dass Hesekiel mit den zwei Holzstücken die Bibel und das Buch Mormon illustriere. Mit andern Worten lehren sie, dass Gott in Hesekiel 37,16-23 von zwei Büchern spreche, denen die Menschheit gehorchen sollte. Das kann aus den folgenden Gründen nicht der Fall sein: Ein Holzstück ist keine Schriftrolle. Die Bibel tauscht diese beiden Begriffe niemals miteinander aus. Hesekiel erhielt den Auftrag, auf die beiden Holzstücke, Juda und Josef zu schreiben, nicht, die Bibel und das Buch Mormon. Der Zusammenhang betrifft Israel und Juda (V. 20-22). Alle anderen Auslegungen wären an den Haaren herbeigezogen und für die verbannten Juden, in Babylon, bedeutungslos gewesen.

Es gibt zwei andere Ereignisse in der Bibel, in denen auf Holzstücke geschrieben wurde. Mose musste zwölf Stäbe nehmen und sie mit dem Namen des Stammeshaupt beschriften (Nu. 17,2-7). Jeder Stab symbolisierte einen Stamm. Der Stab, der grünte, war der Stamm, den Gott zum hohepriesterlichen Dienst erwählt hatte. Der Prophet Sacharja musste zwei Hirtenstäbe nehmen und auf den einen Freundlichkeit schreiben und auf den andern Zusammenhalt (Sach.11,7-14).

Hesekiel musste nun diese beiden Holzstücke zusammenlegen und so hinhalten, dass jedermann sehen konnte, was auf beiden Holzstücken geschrieben stand. Nur so konnten die Menschen verstehen, was damit gemeint war. (Es gibt keinen Grund, aus dieser Illustration ein Wunder zu machen.)

Gottes Plan war es, die zerstrittene und zerteilte Nation, die in fremden Landen zerstreut war, zu einem einzigen Volk zusammenzuführen und zu vereinen. Obschon eine Vereinigung mit dem Nordreich völlig unmöglich war. Denn das Nordreich verlor seine Identität, nachdem es vom assyrischen König, Tiglat-Pileser, geschlagen und versprengt wurde (2. Kön. 15,29; 16,9). Das Volk aus dem Nordreich gab es demzufolge gar nicht mehr. Doch, auch andere Propheten verkündeten die Vereinigung von Nord- und Südisrael (Jes. 11,16; Jer. 3,18; Hos. 1,11). Wie ist diese Vereinigung zu verstehen? Sie kann niemals buchstäblich gemeint sein, da in Vers 24 von König David die Rede ist, der über Israel herrschen wird (34,23). David war ja längst tot und konnte nicht mehr zum Leben erweckt werden. Diese Aussage muss unbedingt messianisch verstanden werden. Sie darf niemals auf irgendeinen Führer bezogen werden, der später auftrat (z. Bsp. Zerubbabel, Esra oder Nehemia)! Sicher, das Volk durfte etwa 40 Jahre später in ihr Land zurückkehren. Wie reinrassig dieses Volk war, können wir nicht mit Bestimmtheit sagen (Esr. 1,1-4; 8,35; 6,17; 2. Chron. 30,11.10.18). Als die Verbannten ins Land zurückkehrten, hatten sie das Problem des Götzendienstes nicht mehr, bis zur Zeit Jesu.

Gottes Plan geht aber weit über das fleischliche Volk Israel hinaus! Sein Ziel ist es, alle Menschen aus allen Nationen, im Glauben an Jesus Christus, zu vereinen (Gal. 6,16; Eph. 2,13-16). Dabei schaut Gott nur noch auf den Glauben: Römer 2,28-29. „Nicht die leiblichen Kinder sind Gottes Kinder, sondern die Kinder der Verheissung werden als Nachkommen [Abrahams] anerkannt“ (Röm. 9,8). Gott verheisst durch den Propheten Hesekiel, dass es ein einziges Volk sein wird, dass dieses Volk von David regiert wird, d. h. Jesus Christus, dass das Volk nur noch einen Hirten haben wird, d. h. Jesus (Joh. 10), dass das Volk die Gesetze Gottes einhalten wird (das ist der neue Bund: Jer. 31,31-34; Heb. 8,10), dass das Volk im Land Israels wohnen wird (das ist das Reich Gottes: Joh. 18,36; 2. Pet. 3,13; Offb. 21,1). Diese Verheissung in Hesekiel, wird durch viele andere Aussagen in der Bibel unterstützt (Gn. 17,8; Ex. 29,45; Lv. 26,44-45; Jer. 24,7; 31,33; 32,38; Hes. 11,20; 14,11; 34,24; 37,23.27; Sach. 8,8; 10,6; 2. Kor. 6,16; Heg. 8,10; Offb. 21,3).

 

 IV. Schlussfolgerungen zu Kapitel 37

Wenn wir uns umschauen in der heutigen Welt, so ist es, geistlich gesehen, wie zur Zeit Hesekiels. Es ist gruselig und gespenstig, denn es spazieren lauter toten Gebeine umher. Die Menschen sind tot, durch ihre Sünden und sind nichts anderes als Totengebeine, in Gottes Augen. Es gibt nur eine Zukunft für sie, wenn sie sich zum neuen Leben in Christus auferwecken lassen (Joh. 5,24-27)! Jeder Gläubige ist in Gottes Augen anzusehen wie Totengebeine, an denen, durch den Glauben an Jesus Christus, Sehnen und Fleisch wuchs, die mit Haut überzogen wurden. Doch das Wichtigste ist, dass Gottes Geist unserem toten Fleisch Leben eingehaucht hat und wir nun Gottes Volk sein dürfen, das vom ewigen König David regiert wird, der schon jetzt auf dem himmlischen Thron sitzt.

Aus allen Völkern wurden Juden und Heiden zu einem ganz neuen Volk zusammengerufen und vereint (Eph. 2,11-22). Dank Gottes uneingeschränkter Macht und Liebe zu uns Menschen, ist das alles möglich geworden (Röm. 1,16; 1. Kor. 1,18). Darum, lasst uns jubeln und fröhlich sein, denn wir sind Gottes Kinder und haben die feste Zusage, dass wir mit dem Herrn in alle Ewigkeit leben werden!