Hesekiel-40: Vision vom perfekten Tempel

Die Herrlichkeit Gottes

 

 I.   Einleitung

In Kapitel 40 beginnt ein neuer Abschnitt, der bis zum Ende des Buches geht.

In Kapitel 40-48 ist von einem neuen Tempel die Rede, von einer neuen Anbetung und von einem neuen Land.

Der neue Tempel wird von Hesekiel sehr detailliert geschildert. Nur der Bau des Heiligen Zeltes wurde so umfassend aufgeschrieben, wie dieser neue Tempel (Ex 36). Vom Tempel Salomos, Serubabbels und Herodes, besitzen wir zusammen nicht so viele Bauanleitungen, wie von dem des Hesekiels. Viele Juden fragen sich zurecht, ob diese Baupläne nicht etwa für einen dritten Tempel in Jerusalem gedacht sein könnten (doch der hätte gar keinen Platz). Das Problem ist nur, dass an dem Ort, wo der neue Tempel gebaut werden sollte, heute die islamische Moschee mit der goldenen Kuppel steht. Unterhalb der Moschee, vermuten einige Archäologen die verschüttete Bundeslade der Israeliten, die ihren Anspruch auf diesen Ort geltend machen würde (deshalb lassen die Moslems vermutlich auch keine Grabungen zu). Das alles bietet reichlichen Zündstoff für zukünftige Auseinandersetzungen, zwischen Moslems und Juden, in Jerusalem.

Aus biblischer Sicht können für uns Christen die Visionen Hesekiels nur bildlich oder symbolisch verstanden werden. Diese Kapitel (40-48) stehen in starkem Gegensatz zu den Kapiteln 1-24. Leider haben die Israeliten sich vom Herrn abgewandt, deshalb verloren sie seine Gegenwart und den irdischen Tempel (siehe Segen oder Fluch; Dtn 28). Die letzten neun Kapitel, der göttlichen Visionen, schildern Gottes Vorstellungen vom perfekten Tempel.

 

 II.   Verse 1-4: Göttliche Vision vom perfekten Tempel.

Hesekiel erhielt eine göttliche Vision im 25. Jahr seines Exils (V. 1).
Die Jahreszahl bezieht sich auf die zweite Wegführung 598/7 v. Chr., als Hesekiel, zusammen mit dem König Jehoiachin und anderen Aristokraten aus Jerusalem, in die Verbannung weggeführt wurden. Demzufolge war das fünfundzwanzigste Jahr, der April 573 vor Christus. Es war eine der letzten Visionen, die Hesekiel hatte (571 v. Chr. prophezeite er gegen Ägypten; Kapitel 29,17).

In dieser Vision wurde Hesekiel auf einen hohen Berg geführt, der in der Nähe Jerusalems war (V. 2).
Es gab keine hohen Berge in der Nähe Jerusalems. Es kann sich also nur um dem Berg Zion handeln, der in der göttlichen Vision viel grösser aussah, als er in Wirklichkeit war. Was Hesekiel sah, war nicht das Jerusalem in seinen Tagen, sondern eine Vision von einer geistlichen Stadt, wie sie einmal sein wird. Jerusalem lag ja in Trümmern. Gott zeigte ihm das neue Jerusalem, mit dem neuen Tempel (Jes 2,2). Es heisst ja in unserem Text, „wie der Bau einer Stadt“ (V. 2).

Am Stadttor stand ein Mann, dessen Körper wie Kupfer oder Bronze schimmerte (V. 3).
Der Mann war ein himmlisches Wesen, vermutlich ein Engelwesen, wie an anderen Stellen ähnlich beschrieben (Dan 10,6; Offb 1,15). Dieses Wesen hielt zwei Dinge in seiner Hand:

- eine Schnur aus Leinen (die diente für das Senkblei; Sach 2,1),

- das Messrohr (oder die Messrute, die man beim Bau einer Mauer einsetzte, um sie möglichst gerade aufzubauen).

Dem Hesekiel wurde gesagt, dass er gut aufpassen sollte, was ihm nun gezeigt werde (V. 4).
Hesekiel war ja ein Priester, der die Dinge gut verstehen konnte, die ihm gezeigt wurden, da er sich im irdischen Tempel bestens auskannte. Mit dieser Vision zeigte Gott, wie sehr ihm sein Volk am Herzen lag. Damit wollte der Herr dem Volk Mut machen, für die Zukunft. Auch wenn es bei den Menschen oft so aussieht, als ob es keine Zukunft mehr gäbe, der allmächtige Gott ist nie am Ende und weiss immer wieder neue Wege, wie es weiter geht. Die Frage ist: Muss dieses Kapitel buchstäblich verstanden werden, damit Israel ermutigt werden konnte? Wenn die Antwort „ja“ lautet, dann müsste aber auch die Beschreibung der heiligen Stadt, in der Offenbarung, buchstäblich verstanden werden. Doch die Beschreibung Johannes, über die wunderbare Wohnstätte in der Zukunft, verlangt genauso wenig eine buchstäbliche Auslegung. Es wird hier eindeutig eine apokalyptische Ausdrucksweise gebraucht.

 

 III. Verse 5-16: Das Osttor des Tempelbezirks.

Die verschiedenen Massangaben (V. 5-16) sollen einen Eindruck vermitteln, wie riesig die Mauern um den Aussenhof sind.
Sie sind 3,14 Meter dick und ebenso hoch (siehe hebr. Masseinheiten!). Diese riesigen Mauern sind nicht zum Schutz vor Feinden gedacht (dafür wären sie nicht hoch genug). Sie deuten vielmehr darauf hin, wie gross es im Innern aussehen musste. Gleichzeitig trennen sie die unreine Aussenwelt vom heiligen Tempel (42,20b). Diese Masseinheiten gaben schon Anlass zu vielen Spekulationen. Es geht aber nicht um die genauen Masse! Es geht um das Gesamtbild, das von beeindruckender Grösse ist und weltliches vom heiligen trennt. Der Tempel selbst erscheint geradezu klein, gegenüber seiner gewaltigen Umgebung von dicken Mauern, Toren und verschiedenen Vorhöfen. Das Engelwesen misst alles ab, um Hesekiel einen besseren Eindruck über die Grössenverhältnisse und Aufteilungen zu vermitteln.

Hesekiel sieht in seiner göttlichen Vision drei Eingänge, mit je sieben Treppenstufen (V. 22):

Zuerst wird ihm das Osttor gezeigt (siehe Skizzen!). Nachdem der Herr durch dieses Tor ging, hatte niemand mehr Zutritt (44,1-3).

Es gibt aber noch das Nord- und das Süd Tor, das gleich aussah wie das Osttor. Durch jedes Tor gelangt man in den Aussenhof der Tempelanlage (siehe Skizzen!). In diesen Gebäuden gibt es sechs Wachkammern (Nischen), mit Fenstern und kleinen Mauern davor (ca. 0,50 cm hoch). Sie symbolisieren Gottes Schutz und Sicherheit für sein Volk. Denn „wer im Schutz des Höchsten wohnt, der ruht im Schatten des Allmächtigen. Ich spreche zum Herrn: Meine Zuflucht und meine Burg, mein Gott, auf den ich vertraue“ (Ps 91,1-2).

An diesen Wachkammern vorbei, gelangt man in eine breite Vorhalle. Die Masse sind in jeder Bibelübersetzung wieder anders angegeben. (Die Hfa liest sich leichter als andere Übersetzungen, weil Meterzahlen angegeben werden.) Am Ausgang jeder Vorhalle stehen zwei Säulen, mit Palmen verziert (Hld 7,7; Ps 92,12-14; Offb 7,9).

 

 IV. Verse 17-19: Der Aussenhof.

Nachdem Hesekiel durch das Osttor geführt wurde, gelangte er in den riesigen Aussenhof. Im Talmud wurde dieser Bereich den Frauen zugeteilt. Im neuen Tempel ist er allen Gläubigen zugänglich. Es gibt keine Juden und Heidenbereiche mehr, keine Männer und Frauenbereiche, denn in Christus sind wir alle gleich (Gal 3,26-29).

Zusätzlich sieht er 30 überdachte Kammern (oder Gemächer). Sie befinden sich an der Nord-, Ost- und Süd Mauer. Sie waren früher für die Tempelbesucher gedacht, die einzeln oder in Gruppen in diesen Räumen speisten (z. B. Teile eines Opfertieres). Diese Räume wurden aber auch von den Leviten genutzt und ganz allgemein als Abstellplatz verwendet (Jer 35,2).

In allen vier Ecken des Tempelkomplexes hat es eine Küche, in der die Opfertiere gekocht und zum Verspeisen zubereitet werden. Der überdachte Pflasterstein war vermutlich schon damals mit wunderschönen Mosaiksteinen geschmückt (2Chron 7,3; Es 1,6).

 

 V.  Verse 20-27: Das Nord- und Süd Tor.

Wie gesagt: sie sehen alle gleich aus, wie das Osttor. Vor dem Eingang gibt es sieben Treppenstufen (V. 22). Das symbolisiert, dass sie zum vollkommenen Ort führen. Sie führen zum Ort, wo Gottes Gegenwart wohnt.

Ähnliche Bedeutung kommt der Zahl Drei und Zwölf zu: Die Drei symbolisiert die Ganzheit der Gottheit, d. h. die Dreieinigkeit Gottes. Die Zwölf symbolisiert die Ganzheit des Volkes Gottes, über die er regiert.

Im Innern des Tores befinden sich auf beiden Seiten je drei Wachkammern mit Fenstern, die von Tempelwachen bewacht werden.

Über eine grosse Schwelle kommt man in die erwähnte Vorhalle. Dieser Vorhallenbereich im Tor, gab es schon in Salomos Tempel (1Kön 6,3; 2Chron 3,4). Allein diese drei Vorhallen müssen wunderschön gewesen sein (1Kön 6,29.32.35).

Auf der Westseite gibt es kein Tor, weil dort der heilige Tempel steht. Jeder, der im Tempel anbeten will, muss durch eines der drei Eingangstore, gelangt durch ein zweites Tor in den Innenhof, geht am Altar vorbei und kommt auf weiteren Treppenstufen schliesslich in die Vorhalle des heiligen Tempels. Es ist ein ziemlich langer Weg bis zum Innern des Tempels. Die riesigen Tore, mit den grosszügigen Vorhallen und den weiten Höfen, sind sehr weitläufig. Der neue Tempelkomplex ist von beachtenswerter Grösse und hätte auf dem heutigen Berg Zion in Jerusalem gar keinen Platz.

 

 VI. Verse 28-37: Der Innenhof.

Der Innenhof ist der Ort, an dem der Tempel steht. Dort dienen die Priester am Altar und im Tempel. In diesem Bereich müssen die Priester spezielle Kleider tragen, mit denen sie nicht in den Aussenhof gehen dürfen (42,14).

Um den Innenhof zu betreten, muss man durch eines der drei weiteren Tore hindurch. Demzufolge ist auch anzunehmen, dass eine Mauer den Innenhof vom Aussenhof trennt. Diese Tore sind in derselben Himmelsrichtung angelegt, wie die beschriebenen Tore zuvor. Sie sind auch gleich gross, haben auch Kammern und je eine Vorhalle. Allerdings betritt man bei diesen Toren zuerst die Vorhalle und geht anschliessend an drei Wachkammern, auf beiden Seiten, vorbei. Ein weiterer Unterschied ist, dass diese Eingangstore mit acht Treppenstufen erreicht werden. Es geht also immer höher, je mehr man sich dem Tempel und dem Herrn nähert. Um in die Vorhalle zum Tempel zu gelangen, ging es weitere zehn Treppenstufen hoch.

Hesekiel wurde durch das Süd Tor in den Innenhof geführt.

 

 VII. Verse 38-43: Die Ausrüstungsgegenstände für die Opfer.

Als Hesekiel in den Innenhof gelangte, sah er, am Eingang zum Nord- und zum Süd Tor, je eine Kammer. Dort wurden die Eingeweide und die Schenkel der Opfertiere gereinigt, für das Brandopfer. Auf beiden Seiten gab es Schlachttische, insgesamt 12 an der Zahl.

Um das Fleisch der Opfertiere aufzubewahren, hatte es an den Wänden überall Haken, um es dort aufzuhängen.

 

 VIII. Verse 44-47: Die Kammern der Priester.

Die Hauptfunktion des Priesterdienstes in der Bibel, war eigentlich die eines Metzgers. Täglich wurden viele Opfertiere geschlachtet. Dazu brauchte es Arbeitsräume, Abstellräume, Zubereitungstische und verschiedene Arbeitsgeräte. Zusätzlich mussten dort verschiedene Kleider der Priester aufbewahrt werden und vieles mehr, was zum Tempeldienst gehörte. Die Priesterkammern waren nur für die Priester bestimmt, die dort auch ihren Teil der Opfertiere verspeisten.

Für den Dienst am neuen Tempel, dürfen nur wirkliche Priester zugelassen werden; d. h. sie müssen Nachkommen Zadoks sein, aus dem Stamm Levi. Zadok war ein Nachkomme Aarons (1Kön 1,8). Aaron ist der Inbegriff für das levitische Priestertum (Ex 4,14; Num 17,1).

In der Mitte des Innenhofs steht auch der riesige Altar, mit einer langen Treppe.

Um in die Vorhalle des Tempels zu gelangen, musste man zuerst um den Altar herumgehen (43,13-17).

 

 IX. Verse 48-49: Die Vorhalle des Tempels.

Durch eine weitere Zehnstufentreppe, gelangt man endlich ins Heiligtum, das aus drei Sektionen besteht:

1. Die Vorhalle des Tempels.

2. Das Heiligtum.

3. Das Allerheiligste, wo die Bundeslade steht und wo nur der Hoher Priester einmal jährlich hingehen durfte (dieselbe Einteilung, wie die des Heiligen Zeltes in der Wüste).

Auf beiden Seiten des Eingangs steht je eine Säule.

Das alles wurde Hesekiel gezeigt und noch viel mehr (wie in den folgenden Kapiteln zu lesen ist).

 

 X.  Schlussfolgerungen zu Kapitel 40

In dieser Vision erklärt Gott, wie ER sich den Tempel vorstellt. Dabei hat der Herr an jedes Detail gedacht. Gott ist vollkommen (Mt 5,48). Er vergisst nichts und macht keine Fehler (Ps 18,31a). Der Herr bestimmt allein, wo und wie er angebetet werden will.

Die göttliche Vision eines neuen Tempels, war für die Juden im Exil, eine grosse Ermutigung. Sie gab ihnen neue Hoffnung, auf eine bessere Zukunft. Sie gab ihnen die Gewissheit, dass der Herr sie nicht vergessen hatte.

Wie Gott allerdings diese Vision umsetzte, lesen wir erst im Neuen Testament. Dort lernen wir, dass die Gemeinde der Tempel Gottes ist (1Kor 3,16-17). Der allmächtige Gott entschied sich in allen gläubigen Herzen zu wohnen, durch seinen Heiligen Geist (2Kor 6,16-18). Jesus Christus hat durch sein Opfer am Kreuz, „die Wand der Feindschaft“ zwischen Juden und Heiden abgebrochen, so dass wir alle nun den heiligen Tempel des Herrn bilden (Eph 2,14-22).

Die ganze Vision macht nur einen Sinn, wenn wir sie geistlich verstehen. Gott erklärte seinem Volk damals in bekannten Bildern den perfekten Tempel. Dabei ging es nicht um einen irdischen Tempel, der noch gebaut werden sollte, sondern darum, die Heiligkeit Gottes zu verstehen und sich abzusondern von der Welt. Wenn die Juden mit Gottes Gegenwart rechnen wollten, dann mussten sie sich radikal ändern und Gottes heilige Ordnungen befolgen. Denn Gott kann mit Unreinheit keine Gemeinschaft pflegen (Lev 10,10)!

Hebräische Masse im Gegenwert:

1 palm, or handbreath = 3.5 inches (1/6 cubit) = 8,97 cm

1 long cubit = 21 inches (1.75 feet) = 53,9 cm

1 rod = 10.3 feet (or 6 long cubits) 1 Messrohr (6 Ellen) = 3,14 m

1 reed = 1 rod (10.3 feet or 6 long cubits) = 3,14 m

 

XI. Kapitel 41: Der neue Tempel (Fortsetzung)

Verse 1-4: Das Heiligtum und das Allerheiligste.

Verse 5-12: Die Seitenräume.

Verse 13-26: Vermessungen, Ausstattungen und Verzierungen.

 

XII. Kapitel 42: Der neue Tempel (Fortsetzung)

Verse 1-14: Die Kammergebäude der Priester und der äussere Vorhof.

Verse 15-20: Die Vermessungen des Tempelareals.

 

 Links:

- Das neue Jerusalem (Offb 21)

- Das vollendete Reich Gottes

- Skizze von der Gemeinde und dem Tempel

- Auf dem Weg zum Berg Zion (Hebr 12,18-24)