Klagelieder-0b: Einführung

Klage über die verwüstete Stadt
Jeusalem

 

 

 I.   Zeitabschnitt: Babylonisches Exil (606-536 v. Chr.)

Mosaisches Zeitalter:

7. Babylonisches Exil
Vom Untergang Jerusalems bis zur Rückkehr aus dem Exil

Nebukadnezar II. (640 v. Chr. – 562 v. Chr. †) war von 605 bis 562 v. Chr. neubabylonischer König.

 

 II.   Zeitgenossen: Daniel (605-535) bei den Juden in Babylon

Hesekiel (593-571) bei den Juden in Babylon. Obadja (586) in Edom. Könige gab es keine mehr.

 

 III. Wirkungszeit: 585 v. Chr. kurz nach dem Fall Jerusalems (2 Kön 25)

Jeremia lebte von 627-580 v. Chr. (47 Jahre) zu Juda, in Jerusalem

 

 IV. Person

Jeremia lebte in Anatot, Benjamin (Jer 29,27), ca. 4 km nördlich von Jerusalem, und in der Davidstadt (Jer 29,1; 32,2-3.7-9; 38,6.13; 39,14), sein Vater war Priester (Jer 1,1).

 

 V. Lebenszeit

Jeremia wurde 649/8 geboren und starb gemäss jüdischer Tradition 580 v. Chr., kurz nach der Niederschrift seiner Klagelieder (885 v. Chr.)

 

 VI. Schlüsselwort

Verwüstung

 

 VII. Thema

Klage über die verwüstete Stadt Jerusalem

 

 VIII. Könige Judas

Vor der Zerstörung, während der Wirksamkeit Jeremias (627 - 585 v. Chr.).

 

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 IX. Wirkungszeit Jeremias

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 (Zeitangaben sind vor Christus)


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 IV. Die vier Wegführungen durch die Babylonier

Erste Wegführung: 606/5 v. Chr. (2 Kön 24,1-7)
Im vierten Jahr des Südkönigs Jehojakim18 (609-598 v. Chr.) besiegte der babylonische König Nebukadnezar ein ägyptisches Heer bei Karkemisch (Jer 46,2 und dann noch einmal bei Hamat. Ein Jahr später (605 v. Chr.) zog er durch Juda, eroberte Aschkalon und stiess bis zum Bach Ägyptens vor (2 Kön 24,1-7). Dabei wurden die reichsten und einflussreichsten Bewohner Jerusalems nach Babylonien in die Verbannung gebracht. Der Prophet Daniel (605-535) befand sich mitten unter ihnen (Dan 1,19-21).

Zweite Wegführung: 598/7 v. Chr. (2 Kön 24,8-17)
Der „letzte“ König Judas (Jojachin19) regierte nur 3 Monate und 10 Tage, dann wurde er zusammen mit weiteren einflussreichen Bewohnern Jerusalems ins babylonische Exil geführt (Jer 29,2; 2 Kön 24,12). Der Prophet Hesekiel (593-571) befand sich mitten unter ihnen (Ez 1,1).

Dritte Wegführung: 587/6 v. Chr. (2 Kön 24,18 - 25,26)
Der König Zedekia20, der von Nebukadnezar eingesetzt wurde, lehnte sich gegen die babylonische Herrschaft auf und verbündete sich mit den Ägyptern. Als Nebukadnezar das erfuhr, belagerte er mit seiner Armee die Stadt Jerusalem (Januar 589/8 v. Chr., Ez 24,1-2). Nach achtzehn Monaten gelang es den Babyloniern die dicken Stadtmauern zu durchbrechen, die Stadt einzunehmen und zu zerstören. Dann stachen sie Zedekia die Augen aus und brachten ihn als Gefangener nach Babel, wo er verstarb (2 Kön 25,7). Nebukadnezar setzte Gedaljahu zum Statthalter über Jerusalem ein, der später von aufständischen Juden ermordet wurde. Danach flüchteten die Bewohner Jerusalems nach Ägypten. Der Prophet Jeremia (627-580) befand sich die ganze Zeit mitten unter den Bewohnern Jerusalems (Jer 29,1; 32,2.7-9; 38,6.13; 39,14; 43,1-7.44).

Vierte Wegführung: 582 v. Chr. (Jer 52)
Im dreiundzwanzigsten Jahr Nebukadnezars (605-562 v. Chr.) wurden 745 Judäer weggeführt (Jer. 52,30). Damit wurden insgesamt 4'600 Männer deportiert. Die Zahl der Deportierten mag gering erscheinen, obschon sie nur die Männer repräsentiert. Insgesamt wurden zwischen 15'000 bis 20'000 Menschen ins babylonische Exil geführt. Darunter befanden sich Frauen und Kinder jeden Alters. Viele starben auf dem Weg nach Babylonien.
Die genaue Gesamtzahl der deportierten Juden ist uns bis heute nicht bekannt. Die Angaben aus dem Buch Jeremia sind sicher zuverlässig. Im 2 Könige 24,14.16 wurden jedoch bei der zweiten Wegführung schon Zehntausende von Männern und Frauen weggeführt. Es wird angenommen, dass Juda insgesamt etwa 120’000 Einwohner hatte. Deshalb müsste die Gesamtzahl einiges höher liegen. Nach Abzug der Zurückgebliebenen dürften es bestimmt weit über 50'000 Menschen gewesen sein. Zudem werden im Buch Esra über 50'000 Menschen wieder in ihr Heimatland zurückgeführt (Esra 2,64-65).

 

 V. Gedicht des Leidens und der Trauer

Die fünf Klagelieder sind ein einziges Leidensgedicht. Sie tragen das Trauergewand, das die Folgen der Sünden Judas trägt. Die Stadt Jerusalem wird dargestellt als eine kinderlose Witwe, die bitter weint und untröstlich ist. Ihr Kummer hat ihr Herz krank gemacht.

Salomon schrieb (Koh 7,2.4): „Besser, in ein Haus zu gehen wo man trauert, als in ein Haus zu gehen, wo man feiert; denn da zeigt sich das Ende jedes Menschen, und der Lebende nimmt es sich zu Herzen. Das Herz der Weisen ist in einem Haus, wo man trauert, das Herz der Toren aber im Haus, wo man sich freut.“ Es geht hier um die Einsicht und Trauer über begangene Sünden. „Denn er verstösst nicht für immer, der Herr. Vielmehr: Hat er in Kummer gestürzt, dann erbarmt er sich, wie es der grossen Zahl seiner Gnadenerweise entspricht“ (Klgl 3,31-32).

Die Poesie: Kapitel 1, 2, 4 und 5 haben je 22 Verse, ausgenommen Kapitel 3. Der erste Vers beginnt jeweils mit dem ersten Buchstaben im Hebräischen Alphabet. Der zweite Vers mit dem zweiten Buchstaben und so weiter durch das ganze Alphabet. Nur im Kapitel 3 werden jeweils drei Verse mit demselben Buchstaben des Alphabets begonnen, deshalb sind es insgesamt 66 Verse bis zum Ende des ganzen Alphabets.

Jerusalem war der Ort, wo Gott seinen Gläubigen erschien und ihre Gebete erhörte (2 Chr 7,12-16). Durch Nebukadnezzar, dem König von Babel, wurde es zerstört (2 Kön 25,1-12; Jer 39,1-10). Für die Juden waren der Anblick ihrer heiligen Stadt, die von den Flammen verschlungen wurde, eine Demütigung und eine Qual. Obschon das Volk immer wieder gewarnt wurde durch die Propheten (Jer 1,15-16; 7,1-15; 38,17-23), waren sie unvorbereitet und wurden völlig überrascht von den sich überstürzenden Ereignissen (Jer 5,11-13; 16,10; 37,9-10). Sie dachten, weil Gott sie aus der Hand Sanheribs, des Königs von Assur befreite, die Stadt niemals eingenommen noch untergehen könne (2 Kön 19,14-37). Erst als die Mauer fielen und der Tempel in Flammen aufging mussten sie schweren Herzens einsehen, dass sie von einer falschen Annahme ausgingen.

 

Schlussfolgerung: Diese Katastrophe illustriert auf tragische Weise, dass alle Menschen, Völker und Gemeinden ähnliches erwartet, wenn sie gottlos wandeln (Röm 6,12-13.16-18; Mt 6,33; 1 Petr 3,12-22).

Wer kann von den Klageliedern am meisten profitieren?

-Die, welche gegenwärtig schwere Lasten tragen.

-Die, welche ungerechte Behandlung erfuhren und trotzdem das tun was Recht ist in Gottes Augen.

-Die, welche besorgt sind um ihre Beziehung zum Herrn.

-Die, welche nicht besorgt sind um ihre Beziehung zum Herrn.

-Die, welche tief in der Sünde stecken und Ermutigung und neue Hoffnung brauchen.

-Die, welche mehr auf Menschen vertrauten als auf ihren Schöpfer.

-Die, welche trauern um ihre lieben Verstorbenen und neue Kraft schöpfen möchten.

-Die, welche gewarnt werden müssen vor ihrer völlig falschen Selbsteinschätzung.

-Die, welche den Gott der Strafe und des Erbarmens näher kennen lernen wollen.

-Die, welche glauben, dass der Herr aus der grössten Niederlage einen Sieg machen kann.

 

 VI. Schlüsselverse, die die Botschaft zusammenfassen

Kapitel 1,8: Schwer hat Jerusalem gesündigt, (Chet) darum ist sie zum Gespött geworden. All ihre Verehrer verachten sie, denn sie haben ihre Blösse gesehen. Sie selbst seufzt und hat sich abgewendet.

Kapitel 2,5: Der Herr war wie ein Feind, Israel hat er verschlungen, (He) all ihre Paläste hat er verschlungen, seine befestigten Städte hat er zerstört, und in der Tochter Juda hat er Traurigkeit und Trauer gross gemacht.

Kapitel 3,40: Lasst uns unsere Wege prüfen und erforschen, (Nun) und lasst uns zurückkehren zum HERRN!

Kapitel 4,11: Der HERR hat sein Zornwerk vollendet, (Kaf) seinen glühenden Zorn hat er ausgegossen und ein Feuer in Zion entzündet, und es hat seine Grundmauern gefressen.

Kapitel 5,21: Bring uns zurück, HERR, zu dir, wir wollen umkehren. Mach unsere Tage neu, wie sie einst waren.

 

 VII. Verfasser

Der Text nennt den Namen des Verfassers nicht. Trotzdem geht aus dem Buch eindeutig hervor, dass Jeremia der Verfasser ist. Die jüdische als auch die christliche Überlieferung anerkennt die Klagelieder als das Werk Jeremias. In der Septuaginta steht am Anfang des Buches folgender Satz in Griechisch: „Und es geschah, nachdem Israel in die Gefangenschaft geführt und Jerusalem verwüstet war, dass der Prophet Jeremia sass und weinte und dieses Klagelied über Jerusalem anstimmte.“

Die beiden Bücher Jeremia und die Klagelieder haben denselben Charakter und Stil. Der Unterschied in den Klageliedern besteht lediglich darin, dass sie in poetischer Form verfasst wurden. Der Verfasser war mit den Einzelheiten der Stadt Jerusalem sehr vertraut. Als Jerusalem fiel war Jeremia der einzig bekannte und lebende Prophet in der Stadt.

Ausgewählte parallele Verse in Jeremia und den Klageliedern, die zeigen, dass beide Schriften offensichtlich vom selben Autor stammen:

 

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 VIII. Hinweise auf Christus

Jeremia 1,12 (Jes 53,3): „Schaut her und seht, ob es einen Schmerz gibt wie den Schmerz, der mir zugefügt worden ist.“

Jeremia 2,15a (Mt 27,39): „Alle, die des Wegs ziehen, schlagen die Hände zusammen über dich, sie zischen und schütteln ihren Kopf über die Tochter Jerusalem.“

Jeremia 2,16a (Ps 22,14): „Alle deine Feinde haben ihr Maul aufgerissen über dich, sie haben gezischt und mit den Zähnen geknirscht.“

Jeremia 3,8 (Mt 27,46): „Auch wenn ich schreie und um Hilfe rufe - er hat sich meinem Gebet verschlossen.“

Jeremia 3,14 (Ps 69,12): „Für mein ganzes Volk bin ich zum Hohn geworden, ihr Spottlied für jeden Tag.“


Jeremia 3,19 (Ps 69,22; Mt 27,34): „An mein Elend und meine Heimatlosigkeit denken ist Wermut und Gift.“