Wie wird christlicher Glaube gelebt?
Glaube macht keine Parteiungen (2,1-13)
Verse 1-4: Bei Gott gibt es kein Ansehen der Person.
Ansehen der Person heisst jemandem Vorschub leisten; vor ihr kriechen oder ihr besondere Aufmerksamkeit schenken, weil die Person reich und einflussreich ist.
Die Menschheitsgeschichte zeigt, dass Menschen immer wieder mit diesem Problem auf unterschiedlichste Weise zu kämpfen hatten:
Z. B. der Prophet Samuel, der vom Herrn damit betraut wurde, einen neuen König für Israel zu salben. Als er zum Haus Isai gesandt wurde und ihm die Söhne vorgestellt wurden, fiel ihm sofort der gutaussehende und grossgewachsene Eliab auf. Er dachte, dass Gott bestimmt ihn als König ausgewählt hatte, doch der Herr sprach zu ihm: 1. Samuel 16,7.
Z. B. die Juden, die den Verfolgungen wegen des Evangeliums ausweichen und ein gutes Ansehen haben wollten, versuchten den Christen die Beschneidung aufzuzwingen (Gal 6,12). Viele Werke taten sie, um von den Menschen gesehen zu werden (Mt 23,5: breite Gebetsriemen, grosse Quasten, legten beim Fasten schmutzige Kleider an und streuten Asche aufs Haupt, Mt 6,12). Sie liebten auch den obersten Platz bei den Mahlzeiten und den Vorsitz in den Synagogen (Mt 23,6). Sie wollten von den Leuten in der Öffentlichkeit „Rabbi“ genannt werden (Mt 23,7), usw. Sie waren ständig um ihr eigenes Ansehen besorgt.
In unserem Abschnitt ist jedoch vom Bevorzugen anderer die Rede, vom Einschleichen oder Anstaunen, um einen persönlichen Vorteil daraus zu ziehen.
Jakobus gebraucht für die Versammlung das Wort Synagoge (συναγωγή), weil hier wahrscheinlich besonders die Judenchristen angesprochen waren. Bei ihnen waren Vorurteile aller Art an der Tagesordnung: Die Heiden waren alle unrein und unlauter (siehe Gleichnis vom Zöllner und Pharisäer: Lk 18,9). Die Armen, sowie Waisen und Witwen wurden vernachlässigt und ungerecht behandelt, besonders in ihren Versammlungen. Wir wissen auch, dass die Frauen damals oft miserabel behandelt wurden (z. B. Scheidebrief, weil etwas Hässliches an ihr gefunden wurde: Dtn 24). Juden staunten oft die einflussreichen Personen an: Judas 16.
Beim gerechten Gott aber gab es noch nie ein Ansehen der Person! Der Herr befahl den Richtern in Israel: Lev 19,15; Dtn 1,17; 16,18-20.
Die Juden hatten vergessen, woher sie einmal kamen. Gott hätte sich auch die Ägypter oder ein anderes reiches Volk erwählen können, doch er hat sich ein armes Volk ausgesucht, das schwer unter seinem Sklavendienst litt. Gott half immer den Geringen, Bedrängten, Verachteten: 1Kor 1,26-29.
Deshalb ruft Jakobus dringend auf, kein Ansehen der Person zu machen, indem wir in den Versammlungen reichere und einflussreichere Besucher besonders vorzüglich behandeln, während ärmere nicht einmal einen Stuhl erhalten. Das wäre nicht Recht und wir stünden im Widerspruch mit unserem Glauben an Jesus.
Verse 5-7: Die Armut der Reichen und der Reichtum der Armen.
In Jesus Christus gesellt sich Gott erneut zu den Armen: Jesus selbst wurde nicht in einem reichen Haus geboren. Im Gegenteil! Er wurde bei armen Leuten geboren. Seine Eltern fanden am Tag der Geburt nicht einmal eine Unterkunft. Jesus lebte besonders während seiner Lehrtätigkeit ein einfaches Leben, war mit einem einfachen Tuch bekleidet und schlief oft im Freien. Er sagte (Mt 8,20): „Der Sohn des Menschen hat keinen Ort, wo er sein Haupt hinlegen kann.“ Obwohl er reich war im Himmel, erniedrigte er sich selbst und wurde Mensch, ja noch mehr, er wurde arm um unseretwillen, damit wir reich würden (Phil 2,5-11). Jesus ist die Erfüllung der prophetischen Verheissung, die lautet: „... er hat mich gesandt, den Armen frohe Botschaft zu bringen, den Gefangenen Befreiung zu verkündigen und den Blinden das Augenlicht, die Zerschlagenen zu befreien ...“ (Jes 61,1-2; Lk 4,18-19). In seiner Bergpredigt lehrt Jesus (Lk 6,20): „Selig seid ihr Armen; denn euch gehört das Reich Gottes.“
Ohne Zweifel gab es in den frühen Gemeinden soziale Unterschiede; z. B. gab es beim Abendmahl in Korinth Parteiungen (1Kor 11,19.22). Die Armen wurden in der Gemeinde, in der Jakobus lebte, unterdrückt. Jakobus klagt an und sagt in Vers 6: „Ihr habt den Armen verachtet.“ Mit andern Worten erklärt er den damaligen Christen: „Das ist töricht von euch, dass ihr die Armen geringschätzig behandelt. Denn Gott macht sie durch den Glauben reich und zu Erben seines Himmels! Habt ihr denn noch nicht gemerkt, dass es gerade die Reichen in der Welt sind, die euch unterdrücken und vor die Gerichte ziehen? Denn oft sind gerade sie es (= ungläubige Reiche), die Jesus Christus verhöhnen und den Namen lästern, auf den ihr getauft worden seid. Also, gesellt euch nicht zu den Reichen“ (Spr. 22,1-2). Die Gemeinde soll der Ort sein, an dem alle Unterschiede ausgelöscht sind. Denn vor Gott, dem Herrn der Herrlichkeit, kann es keine Unterscheidungen der Menschen nach Rangstellung, Ansehen und Geld gehen: Apg 10,34-35.
Es ist keine Sünde reich zu sein, noch will Gott durch das Evangelium, dass alle sozial auf derselben Stufe stehen, im Gegenteil! Jeder soll in seinem Stand bleiben und wird ermahnt, sich christlich zu verhalten. Z. B. schreibt Paulus den Ephesern: Epheser 6,5-9.
Es ist und bleibt eine Tatsache, dass es ein Reicher viel schwerer haben wird, ins Himmelreich zu kommen. Jesus lehrt (Mt 19,24): „Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr geht als ein Reicher ins Reich Gottes.“ Das Problem ist, dass der Reiche oft zu sehr besorgt sein muss um sein Geld und wie er es vermehren kann. Denn wenn es sich nicht vermehrt, vermindert es sich bis nichts mehr übrig ist und plötzlich gerät man ins Minus, verschuldet sich und kann den Lebensstandard nicht mehr länger aufrechterhalten. Viele wünschen sich im Lotto einen Gewinn von einer Million, doch das ist töricht, denn das Geld muss sofort klug investiert werden (wegen der Vermögenssteuer und der Geldentwertung).
Durch den Reichtum verfällt man in viele gefährliche Versuchungen, welche die Menschen nur ins Verderben stürzen (1Tim 6,9). Das Schlimmste aber ist, wenn Glaubensgeschwister in der Gemeinde wegen ihres unterschiedlichen sozialen Standes parteiisch sind und einander ungerecht behandeln!
Verse 8-13: Wer barmherzig ist, wird von Gott Barmherzigkeit empfangen.
Die Judenchristen könnten vielleicht jetzt antworten: Aber es heisst doch: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ Ja, sagt Jakobus. Das ist in der Tat ein königliches Gesetz, das von grosser Bedeutung ist. Doch das gilt auch für den Umgang mit den Armen. Es wäre falsch zu meinen, dass dieses Gesetz nur auf eine bestimmte Gruppe von Menschen anzuwenden sei. Die Juden neigten in ihrem Denken zu Selbstgerechtigkeit und zu meinen, wenn sie dieses Gebot anwenden, dann hätten sie bereits das ganze Gesetz erfüllt. Doch Jakobus macht sie darauf aufmerksam, dass sie noch lange nicht das ganze Gesetz erfüllt haben; denn wenn sie sich in einem einzigen Punkt verfehlen, trotzdem vor Gott schuldig sind und als Übertreter des Gesetzes gelten.
Was ist in diesen Versen der Schwerpunkt?
Es wird nicht gesagt, wenn du einmal gesündigt hast, dann gib auf und sündige weiter, denn du wirst es nie schaffen! Es wird vielmehr erklärt, dass es keine grossen und kleinen Sünden gibt, keine bedeutenden und unbedeutenden Sünden. Auch heute noch verfallen Geschwister demselben fatalen Fehler, indem sie meinen, das Gesetz Christi gehalten zu haben, wenn sie getauft seien und regelmässig die Versammlungen besucht hätten, wenn sie das Abendmahl am Sonntag feiern und in Geist und Wahrheit anbeten usw. Dabei stehen sie in ständigem Streit mit den Geschwistern, behandeln sie respektlos, hassen sie und haben sich von einzelnen in den Gemeinden gar zurückgezogen. Solche haben völlig ausser Acht gelassen, dass der Heilige Geist uns lehrt: 1. Johannes 3,14-18.
Das Evangelium Christi legt uns aber auch die Not der Armen ans Herz. Als ein reicher Jüngling zu Jesus kam, fragte er ihn: Matthäus 19,16. Jesus fordert den reichen Jüngling heraus: Matthäus 19,21-22.
Jesus warnt alle seine Nachfolger vor der Liebe zum Geld und zum weltlichen Reichtum. Denn Reichtum kann leicht zu unserem Götzen werden. Es ist unmöglich, Gott ganz dienen zu wollen und gleichzeitig dem Geld (Mt 6,24). Selbstverständlich kann es auch nicht darum gehen, dass wir Arbeitsverweigerer unterstützen. In unserem Land ist kaum jemand wirklich arm. Die, welche es sind, haben sich manchmal selbst verschuldet. Aber es ist auch gefährlich und billig zu behaupten, dass alle, die arm sind in unserem Land selber schuld sind! Das wäre zu einfach und würde uns nur vor der Verantwortung, zu helfen, entheben. Wichtig ist aber auch zu betonen, dass es hier in diesem Abschnitt nicht um Hilfe für alle Armen in der ganzen Welt geht, sondern in erster Linie um die Glaubensgenossen: Galater 6,9-10.
Nur wer selbst in jeder Hinsicht barmherzig umgeht mit seinen Glaubens-genossen, wird auch bei Gott Barmherzigkeit erlangen! Im Bsp. von Lazarus erklärt Abraham dem reichen Mann im Hades: Lukas 16,25.
Schlussfolgerung:
In welcher Hinsicht sind wir noch parteiisch und pflegen das Ansehen der Person? Wie weit halten wir unser Geld zurück, wo wir doch damit vielmehr den armen Glaubensgeschwistern in dieser Welt helfen könnten? Was ist uns eigentlich das Himmelreich und Christi Gemeinde wert?